:: 5/2005

Südwestkonjunktur 2004: Im Plus dank Exportboom

2005: Ohne Schwung

Die baden-württembergische Wirtschaft hatte 2004 wieder Tritt gefasst. Vor allem dank der erstarkten Auslandsnachfrage nach Gütern aus Baden-Württemberg fand der Südwesten nach zweijähriger Konjunkturflaute auf den Wachstumskurs zurück. Das Bruttoinlandsprodukt, als Maß für die im Land erstellten Güter und Dienstleistungen, konnte 2004 mit real 292,3 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr um 1,6 % zulegen. Zum Jahreswechsel 2004/05 erreichte die Konjunktur in Baden-Württemberg jedoch ihren Höhepunkt und schwächt sich seitdem ab, nachdem im Winter 2004/05 sowohl der Export als auch die Binnennachfrage deutlich an Schwung verloren.

Wachstumsimpulse 2004 vor allem vom Verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistern

Nach den vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (VGR d L) zur Entwicklung der Wertschöpfung 2004 auf Bundesländerebene nach Wirtschaftsbereichen wurde die moderate konjunkturelle Erholung hauptsächlich vom Verarbeitenden Gewerbe und den Dienstleistern getragen (Tabelle). In der Südwestindustrie, die 2004 ein reales Plus von 3,3 % verbuchen konnte, lösten die im vergangenen Jahr auf ein neues Rekordniveau gestiegenen Ausfuhren einen Aufwärtstrend aus.

Insgesamt exportierte Baden-Württemberg im Jahr 2004 Güter im Wert von mehr als 114 Mrd. Euro, nachdem im Jahr 2000 erstmals die 100-Mrd.-Euro-Grenze überschritten wurde. Demnach erzielten die Exporte des Jahres 2004 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von über 6,6 Mrd. Euro. Die Nachfrage nach Gütern aus Baden-Württemberg blieb somit, trotz der Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar, ungebrochen hoch. Stark gefragt waren im Ausland hauptsächlich Maschinen, mit einem Plus von 9,5 %, sowie Geräte der Elektrizitätserzeugung und -verteilung. Zwar waren im 2. Halbjahr auch von den Inlandsaufträgen merklich mehr Impulse ausgegangen, dennoch blieben die Binnenumsätze knapp unter ihrem Vorjahresstand.

Besonders günstig war die Auftragslage bei den Investitionsgüterproduzenten, während die Konsumgüterindustrie weiterhin unter der schwachen Binnennachfrage litt. Starke Wachstumsimpulse setzten vor allem die Bereiche Maschinenbau, »Büro, Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik« sowie der Fahrzeugbau, der in der 2. Jahreshälfte auch von den Inlandsbestellungen her deutlich aufholen konnte. Dagegen mussten das Textil- und Bekleidungsgewerbe und die Chemische Industrie 2004 erneut deutliche Auftragseinbußen hinnehmen.

Unter den Dienstleistungen erwiesen sich die Bereiche Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie die Unternehmensdienstleister mit überdurchschnittlichen Steigerungsraten der Wertschöpfung von real 3,5 % bzw. 2,1 % als Konjunkturstützen. Der Handel erreichte mit 1,6 % zumindest einen Zuwachs in Höhe des gesamtwirtschaftlichen Wachstums, während sowohl das Gastgewerbe (- 0,7 %) als auch das Kredit- und Versicherungsgewerbe (- 0,8 %) deutlich hinter ihrem Vorjahresergebnis zurückblieben. Die Talfahrt im Baugewerbe hat sich zwar etwas abgebremst, jedoch blieb es 2004 im Vorjahresvergleich bei einem erneuten realen Minus von 0,5 %. Das Plus von 0,6 % der Wertschöpfung bei den öffentlichen und privaten Dienstleistern, die im letzten Jahr unter der angespannten Haushaltslage der öffentlichen Kassen litten, war im Wesentlichen auf die Zuwächse im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen zurückzuführen.

Land 2004 beim Wirtschaftswachstum im oberen Mittelfeld

Insgesamt blieben die außenwirtschaftlichen Impulse 2004 für ein stärkeres Ankurbeln der Binnenkonjunktur in Baden-Württemberg zu schwach, sodass die wirtschaftliche Entwicklung hier zu Lande wie im Durchschnitt Deutschlands (+ 1,6 %) somit nur wenig vom Boom der Weltwirtschaft profitieren konnte. Zum Vergleich: Die 25 EU-Mitgliedstaaten verzeichneten im vergangenen Jahr ein Plus des realen Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 2,3 %, und darunter kamen die 10 neuen Mitgliedstaaten sogar auf ein Wachstum von durchschnittlich plus 4,9 %. Die USA wiesen beachtliche 4,4 % Wirtschaftswachstum aus, Australien 3,8 % und Japan erreichte 2,7 % Plus (Schaubild 1).

Im Ranking der Bundesländer nahm Baden-Württemberg beim Wirtschaftswachstum 2004 nach Hessen (+ 1,7 %) im oberen Mittelfeld den siebten Platz ein. An der Spitze lagen Sachsen (+ 2,2 %) vor Rheinland-Pfalz (+ 2,0 %), gefolgt von Bayern und dem Saarland mit jeweils plus 1,9 %. Bezieht man die im Land erbrachte reale Wirtschaftsleistung auf die Zahl der Erwerbstätigen, steht der Südwesten mit 54 600 Euro pro Kopf nach Hessen (61 400 Euro) und Bayern (57 400 Euro) aufgrund der hier zu Lande hohen Produktivität nach wie vor an der Spitze der Flächenländer.

2005: Südwestkonjunktur schwächt sich ab

Die Konjunktur in Baden-Württemberg überschritt zum Jahreswechsel 2004/05 ihren Höhepunkt und schwächt sich seitdem ab, nachdem sowohl der Export als auch die Binnennachfrage deutlich an Schwung verloren. Die konjunkturelle Dynamik wird sich nach dem vom Statistischen Landesamt berechneten Konjunkturindikator im Jahresverlauf 2005 immer weiter verringern. Ende April wurde für das 1. Quartal 2005 mit einem Rückgang der realen Wirtschaftsleistung von etwa ¾ % und im 2. Quartal 2005 mit einem geringen Plus von ¾ % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal gerechnet. Ohne Kalendereffekte – das 1. Vierteljahr 2005 weist zwei Arbeitstage weniger, das 2. Vierteljahr 2005 dagegen zwei Arbeitstage mehr auf als im entsprechenden Vorjahreszeitraum – fiele diese Veränderungsrate im 1. Quartal allerdings um etwa 1 Prozentpunkt höher und im 2. Quartal 2005 dagegen um ca. 1 Prozentpunkt geringer aus (Schaubild 2).

Auslands- und Inlandsgeschäfte verlieren an Dynamik

Im Durchschnitt der Wintermonate Dezember 2004 bis Februar 2005 kamen die preis- und arbeitstäglich bereinigten Auslandsumsätze der baden-württembergischen Industrie kaum noch über ihr Vorjahresniveau, nachdem sie im Sommer 2004 um 12 % gestiegen waren. Ursächlich für den Dynamikverlust der Exporte dürften in erster Linie die Abschwächung der Weltkonjunktur infolge der kräftig gestiegenen Rohstoffpreise und die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar gewesen sein. Der Tempoverlust im Auslandsgeschäft machte sich in fast allen wichtigen Industriebranchen bemerkbar. Besonders stark ausgeprägt war er in der Metallbranche und im Fahrzeugbau, deren Auslandsumsätze im Winter im Vorjahresvergleich sogar zurückgingen. Daneben mussten auch der Maschinenbau und die »Büro-, Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik« Federn lassen. Die Exporte in die USA verloren dabei ebenso an Fahrt wie jene in die EU-Länder. Auf diese beiden Regionen entfallen immerhin etwa sieben Zehntel der gesamten baden-württembergischen Ausfuhren.

Die baden-württembergische Konjunktur leidet 2005 hauptsächlich darunter, dass sie den nachlassenden Impulsen aus dem Ausland keine eigenständigen Wachstumskräfte entgegensetzen kann. Vielmehr hat sich die Binnenkonjunktur in den Wintermonaten Dezember 2004 bis Februar 2005 nach einer leichten Belebung drei Monate zuvor erneut abgeschwächt. Ausschlaggebend dafür war die Entwicklung in der Industrie und im Bauhauptgewerbe. Im Bauhauptgewerbe brach die Leistung vor allem in den Sparten Straßen- und Wohnungsbau ein. Neben der schlechten Auftragslage trug dazu gewiss auch das schneereiche Winterwetter bei. In der Industrie verfehlten die preis- und arbeitstäglich bereinigten Inlandsumsätze im Winter das Vorjahresergebnis um 3 ½ %, nachdem sie es im Herbst 2004 noch knapp übertroffen hatten. Von der Abschwächung der Inlandsgeschäfte der Industrie waren vor allem die Investitionsgüterbranchen Fahrzeug- und Maschinenbau sowie »Medizin-, Mess-, Steuertechnik; Optik« betroffen. Etwas besser entwickelten sich dagegen die konsumabhängigen Verbrauchsgüterhersteller.

Andere Indikatoren über den Verlauf des privaten Konsums, die Ende April allesamt nur für Deutschland insgesamt vorlagen, entwickelten sich dagegen uneinheitlich: Einem leichten Aufwärtstrend bei den realen Einzelhandels- und Gastgewerbeumsätzen bis Februar 2005 standen im 1. Quartal rückläufige Pkw-Neuzulassungen und eine Eintrübung der Konsumentenstimmung gegenüber. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der hohen Kraftstoffpreise ist eine durchgreifende Belebung der privaten Konsumausgaben vorerst nicht zu erwarten. Bessere Geschäfte meldeten dagegen zu Jahresbeginn einige Dienstleistungsbranchen, allen voran Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Softwareunternehmen sowie Informations- und Kommunikationsdienstleister.

Konjunkturdynamik im Jahresverlauf 2005 voraussichtlich immer geringer

Der abwärts gerichtete Verlauf des vom Statistischen Landesamt berechneten Konjunkturindikators deutete im April 2005 eine Fortsetzung der konjunkturellen Abschwächung in Baden-Württemberg bis zum Jahresende an. Der Konjunkturindikator reagierte dabei in erster Linie auf die in den Wintermonaten deutlichen Rückgänge der industriellen Auftragseingänge aus dem Inland, der Industrieumsätze und des L-Bank-ifo-Geschäftsklimaindex für die Gewerbliche Wirtschaft Baden-Württembergs. Auf der anderen Seite tendierten zuletzt die industriellen Auftragseingänge aus dem Ausland wieder etwas besser. Zwar signalisieren die Einzelreihen des Indikators damit, dass die Südwestwirtschaft die Delle im Auslandsgeschäft im weiteren Jahresverlauf überwinden wird, da sich aber gleichzeitig die Binnenkonjunktur weiter abschwächen dürfte, wird die erneute Belebung der Exporte nicht ausreichen, den Dynamikverlust der Südwestkonjunktur aufzuhalten.