:: 6/2006

FuE-Personal im Wirtschaftssektor Baden-Württembergs im nationalen und internationalen Vergleich

Rund drei Viertel der FuE-Aktivitäten Baden-Württembergs finden im Wirtschaftssektor statt. Die Wirtschaft treibt in Baden-Württemberg außerdem stärker als in anderen Ländern das Wachstum der regionalen FuE-Personalkapazitäten an. Insofern überrascht es nicht, dass die FuE-Personalintensität der baden-württembergischen Wirtschaft die höchste aller Bundesländer ist und auch im internationalen Vergleich an der Spitze liegt.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass dies teilweise auf die Wirtschaftsstruktur des Landes mit ihrem hohen Anteil industrieller Hochtechnologiebranchen zurückzuführen ist. Die Hochtechnologiebranchen selbst schneiden im Bundesländervergleich in puncto FuE-Personalintensität unterschiedlich ab. Allein der Fahrzeugbau Baden-Württembergs weist die höchste FuE-Personalintensität aller Bundesländer auf.

FuE steht für die Innovationsfähigkeit der Industrie

Forschung und Entwicklung (FuE) sind für die Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs von großer Bedeutung. Die hier eingesetzten Arbeitskräfte weisen im internationalen Vergleich ein relativ hohes Lohn- und Gehaltsniveau auf. Dieses müssen sie durch eine entsprechende Qualifikation und Produktivität »verdienen«. Eine hohe Arbeitsqualität kommt vor allem dann zum Tragen, wenn sie zur Produktion hochwertiger und innovativer Güter eingesetzt wird. Wie in vielen hoch entwickelten Volkswirtschaften besteht daher eine wesentliche Strategie der Unternehmen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsposition darin, Güter zu produzieren, bei denen sie ihren Wissens- und Technologievorsprung ausnutzen können. Soll der Vorsprung vor der Konkurrenz gehalten werden, sind ständige Innovationen erforderlich.

FuE wird an Hochschulen, an öffentlichen oder öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen außerhalb von Hochschulen und im Wirtschaftssektor betrieben1. Der größte Teil der FuE-Aktivitäten findet jedoch im Wirtschaftssektor statt2. Im Jahr 2003 wurden dort rund 79 % der baden-württembergischen FuE-Ausgaben getätigt und 73 % des FuE-Personals beschäftigt.

Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe ist FuE eine wichtige Kenngröße für Innovationen. Hier bildet FuE den »harten Kern« der gesamten Innovationsaktivitäten von Unternehmen. Im Durchschnitt wird in Deutschland etwas über die Hälfte der gesamten Innovationsaufwendungen der Wirtschaft für FuE eingesetzt. Hinzu kommen Konstruktion und Design, Versuchsproduktion, Anlageinvestitionen, Markttests, Patente und Lizenzen oder Weiterbildung des Personals. Diese umsetzungsorientierten Ausgaben sind meist sehr eng mit der FuE-Tätigkeit gekoppelt3. Der Bestand an FuE-Personal ist daher ein Indikator für die Ressourcen, die im Wirtschaftssektor in die Schaffung von Innovationen gesteckt werden (i-Punkt).

Wirtschaftssektor bestimmt Wachstum der FuE-Kapazitäten im Land

In Baden-Württemberg hat der Wirtschaftssektor nicht nur den größten Anteil an den FuE-Kapazitäten, er ist auch die treibende Kraft für deren Wachstum. Für Deutschland galt Letzteres nur in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre. Zwischen 2001 und 2003 sank dagegen die Zahl der FuE-Beschäftigten in den meisten Bundesländern, sodass der Rückgang im Bundesdurchschnitt 3 % betrug. Der Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg stellte sich gegen diesen Abwärtstrend. Hier nahm das FuE-Personal im gleichen Zeitraum um über 6 % auf rund 76 500 Personen4 zu.

Die dominierende Rolle des Wirtschaftssektors für die Zunahme des FuE-Personals findet sich international nicht im gleichen Ausmaß wieder wie in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg. So wuchs zwischen 1995 und 2003 im Durchschnitt der EU-15 das FuE-Personal an Hochschulen mit einem Plus von rund 22 % genauso stark wie im Wirtschaftssektor. In Baden-Württemberg betrug die Zunahme zwischen 1995 und 2003 im Hochschulsektor 8 % und im Wirtschaftssektor fast 16 %.

Höchste FuE-Personalintensität auch im internationalen Vergleich

Seit Jahren weist der Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer die höchste FuE-Personalintensität auf. Der Vorsprung des Landes hat sich nach den neusten Angaben für das Jahr 2003 sogar wieder etwas vergrößert. Zwischen 2001 und 2003 ist die FuE-Personalintensität der Wirtschaft in Baden-Württemberg von 143 auf 154 FuE-Beschäftigte je 10 000 Erwerbstätige angestiegen. Mit dieser Zunahme um 8 % konnte der Rückgang, der zwischen 1999 und 2001 zu beobachten war, mehr als ausgeglichen werden. Im Bundesdurchschnitt ging die FuE-Personalintensität zwischen 2001 und 2003 dagegen um ein knappes Prozent zurück. In den Bundesländern Bayern und Hessen, mit einem ebenfalls forschungsstarken Wirtschaftssektor, sank die FuE-Personalintensität um rund 2 bzw. 4 %.

Der Blick ins Ausland bestätigt, dass die Forschungsintensität des baden-württembergischen Wirtschaftssektors an der Spitze liegt. Von keinem der Länder, für das Daten verfügbar waren, wurde 2003 die FuE-Personalintensität der Wirtschaft Baden-Württembergs erreicht. Nur Schweden und Finnland bewegten sich mit FuE-Personalintensitäten von 125 bzw. 145 etwa in der gleichen Größenordnung.

FuE vor allem in industriellen Hochtechnologiebranchen

Der größte Teil des FuE-Personals im Wirtschaftssektor ist in industriellen Hochtechnologiebranchen5 tätig. Im Bundesdurchschnitt entfielen 81 % des FuE-Personals im Wirtschaftssektor auf diese Branchen, die auch als forschungsintensive Industriezweige bezeichnet werden6. In Baden-Württemberg konzentrierten sich dort 2003 sogar 86 % der gesamten FuE-Personalkapazitäten des Wirtschaftssektors. Das erklärt sich auch daraus, dass industrielle Hochtechnologiebranchen – wie das Verarbeitende Gewerbe insgesamt in – Baden-Württemberg besonders stark vertreten sind7.

Daten zur Verteilung des FuE-Personals auf einzelne Wirtschaftsbereiche sind nicht international verfügbar. Der folgende Vergleich der FuE-Personalintensität in industriellen Hochtechnologiezweigen muss sich daher auf die Bundesländer beschränken. Die hohe FuE-Personalintensität des baden-württembergischen Wirtschaftssektors insgesamt ist teilweise auf die starke Präsenz forschungsintensiver, industrieller Hochtechnologie im Land zurückzuführen. Bei der FuE-Personalintensität innerhalb der Hochtechnologiebranchen nimmt Baden-Württemberg allerdings nicht Rang 1 ein. Mit 797 FuE-Beschäftigten je 10 000 Erwerbstätige in den industriellen Hochtechnologiebranchen8 im Jahr 2003 steht der Südwesten seit 1997 unverändert auf Platz 3 im Ranking der Flächenländer. In Bayern war die FuE-Personalintensität im gesamten Betrachtungszeitraum deutlich, in Hessen etwas höher als im Land.

Von 1997 bis 2003 hat die FuE-Personalintensität in den industriellen Hochtechnologiebranchen Baden-Württembergs um 4 % zugenommen. Die Entwicklung verlief jedoch nicht stetig. Zwischen 1997 und 2001 stieg die Gesamterwerbstätigkeit stärker als das FuE-Personal, sodass die FuE- Personalintensität sank. Nach 2001 ging die Erwerbstätigkeit in den industriellen Hochtechnologiebranchen leicht zurück, während gleichzeitig das FuE-Personal bis 2003 um 7 % aufgestockt wurde, sodass die FuE-Personalintensität kräftig anstieg. In den meisten anderen Bundesländern wurde in den Hochtechnologiebranchen zwischen 2001 und 2003 FuE-Personal abgebaut. Der Abstand der baden-württembergischen Hochtechnologiebranchen zu den Spitzenreitern hat sich 2003 im Vergleich zu 1997 kaum verändert. Abzuwarten bleibt, ob die in Baden-Württemberg günstigere Entwicklung zwischen 2001 und 2003 einen nachhaltigen Aufholprozess eingeläutet hat.

Fahrzeugbau ist die forschungsintensivste Branche im Land

Die industriellen Hochtechnologiebranchen Baden-Württembergs erweisen sich im Bundesländervergleich als unterschiedlich forschungsstark. Der Fahrzeugbau ist die größte industrielle Hochtechnologiebranche in Baden-Württemberg. Hier waren 2003 rund 43 % des FuE-Personals im Wirtschaftssektor bzw. 4 % der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg beschäftigt. Gleichzeitig ist der baden-württembergische Fahrzeugbau auch der forschungsintensivste Industriezweig im Land. 2003 kamen hier 1 375 FuE-Beschäftigte auf 10 000 Erwerbs-tätige. Im Vergleich der Bundesländer ist dies die höchste FuE-Personalintensität im Fahrzeugbau. Bayern, mit einer ebenfalls großen Bedeutung des Fahrzeugbaus, belegte Rang 2, Hessen Rang 3. In den übrigen Ländern war die FuE-Personalintensität des Fahrzeugbaus deutlich niedriger.

Nach dem Fahrzeugbau verfügt die Elektrotechnik9 über die zweitgrößten FuE-Personalkapazitäten in Baden-Württemberg. Die FuE-Personalintensität der Elektrotechnik in Baden-Württemberg lag 2003 mit 690 FuE-Beschäftigten je 10 000 Erwerbstätige zwar über dem Bundesdurchschnitt, aber deutlich unter dem Niveau des Spitzenreiters unter den Flächenländern: In Bayern erreichte hier die FuE-Personalintensität 982 je 10 000 Erwerbstätige10.

Der Maschinenbau hatte 2003 einen Anteil von 16 % am FuE-Personal Baden-Württembergs und eine FuE-Personalintensität von etwa 409 FuE-Beschäftigen je 10 000 Erwerbstätige. Die höchste FuE-Personalintensität wies der Maschinenbau 2003 mit 509 Beschäftigen je 10 000 Erwerbstätige in Schleswig-Holstein auf.

Die Chemische Industrie hat unter den industriellen Hochtechnologiezweigen im Land eine eher geringere Bedeutung. Im Jahr 2003 hatte sie an FuE-Personalkapazitäten der Wirtschaft Baden-Württembergs einen Anteil von 7 %, an der Erwerbstätigkeit einen Anteil von rund 1 %. Dies deutet bereits auf eine relativ hohe FuE-Personalintensität hin, die in diesem Wirtschaftszweig jedoch üblich ist. Im Bundesdurchschnitt lag die FuE-Personalintensität der Chemischen Industrie 2003 bei 801, in Baden-Württemberg bei 776 FuE-Beschäftigten je 10 000 Erwerbstätigen. Hessen, wo die Chemische Industrie, gemessen an der Erwerbstätigkeit größere Bedeutung hat, wies 2003 mit 1 229 FuE-Beschäftigten je 10 000 Erwerbstätigen unter den Flächenländern die höchste FuE-Personalintensität auf.

1 Diese Unterscheidung orientiert sich daran, wo FuE durchgeführt wird. Über die Finanzierung sind damit keine Aussagen gemacht.

2 Wirtschaftssektor: Firmen, Organisationen und Institutionen, deren Haupttätigkeit es ist, Güter und Dienstleistungen zu produzieren und sie am Markt zu einem Preis anzubieten, der wenigstens die Herstellungskosten deckt. Hinzugerechnet werden private Organisationen ohne Erwerbszweck, die in erster Linie für Unternehmen arbeiten.

3 Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung (NIW) (Hrsg.): Forschung, Technologie, Innovationen und Wirtschaftsstruktur, Herausforderungen für die niedersächsische Technologie- und Innovationspolitik. Hannover, Juli 2004, S. 6.

4 Gerechnet in Vollzeitäquivalenten.

5 Das sind laut Eurostat-Definition (WZ-Nummer in Klammern): Chemische Industrie (24), Maschinenbau (29), Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und -einrichtungen (30), Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u.Ä. (31), Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik (32), Medizin, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik (33), Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (34), Sonstiger Fahrzeugbau (35).

6 Vgl. NIW (Hrsg.): Deutschlands forschungsintensive Industrien und wissensintensive Dienstleistungen: Außenhandel, Produktion und Beschäftigung. Studien zum deutschen Innovationssystem, Nr. 17-2004, Hannover, Berlin, S. 91.

7 Vgl. zum Beispiel Weinmann, Thomas: Forschungs- und Entwicklungsintensive Industriezweige in Baden-Württemberg, in: Statistisches Monatsheft 5/2005, S. 19 ff.

8 Hierbei ist zu beachten, dass sich in diesem Abschnitt alle Daten zur Erwerbstätigkeit in den Wirtschaftszweigen auf die Anzahl der Erwerbstätigen beziehen, während das FuE-Personal in Vollzeitäquivalenten gemessen wird.

9 Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten; Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik.

10 Die Stadtstaaten weisen zwar teilweise höhere FuE-Intensitäten auf, sind mit den Flächenstaaten aber nicht vergleichbar.