:: 2/2008

Konjunktur verläuft zu Jahresbeginn in ruhigeren Bahnen

Die konjunkturelle Entwicklung in Baden-Württemberg hat nach einer Phase des Höhenfluges zum Jahreswechsel zu einer sanften Landung angesetzt. Für das 4. Quartal 2007 zeichnet sich gegenüber der Vorjahresperiode ein Wachstum des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 2½ % ab. Der Verlauf des vom Statistischen Landesamt verwendeten Konjunkturindikators zeigt für das 1. Quartal 2008 eine weitere leichte Abschwächung an, sodass für diesen Zeitraum mit einem realen Wirtschaftswachstum von 2¼ % gerechnet werden kann.

Der Blick auf bestehende oder sich ankündigende konjunkturelle Risiken bestimmt die Debatten um den angemessenen geldpolitischen Kurs in den USA wie in Europa. Eine unterschiedliche Zielgewichtung diesseits und jenseits des Atlantiks führt zu divergierenden Maßnahmen. Die Europäische Zentralbank legt besonderes Augenmerk auf die Inflationsgefahren und hält den Leitzins vorläufig konstant, während es nach den erheblichen Zinsschritten im Januar wahrscheinlich ist, dass die Federal Reserve weitere Leitzinssenkungen vornehmen wird, um die Nachfrage zu stabilisieren. Diese Maßnahmen sind geeignet, der Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar weiteren Vorschub zu leisten, was die exportorientierte Südwestwirtschaft nicht unberührt lassen wird. Für den Konjunkturverlauf wichtige binnenwirtschaftliche Weichen werden vom Ausgang der diesjährigen Tarifverhandlungen und der darauf erfolgenden geld- bzw. fiskalpolitischen Reaktion gestellt.

Die Wirtschaftsentwicklung Baden-Württembergs wurde in den Monaten September bis November 2007 geprägt

  • von der ansteigenden Nachfrage des Auslands. Das Auslandsgeschäft der Industrie entwickelte sich mit einer stärkeren Dynamik als noch im Sommer. Die Auftragseingänge aus dem Ausland lassen erwarten, dass diese expansiven Effekte vorläufig noch wirksam bleiben.
  • von einer leicht gedämpften Binnennachfrage. Nach wie vor bleibt der private Konsum hinter den Erwartungen zurück. Auch unter Berücksichtigung von statistischen Basiseffekten gingen von der inländischen Nachfrage weiterhin zu geringe Impulse aus.
  • von optimistisch stimmenden Signalen des Arbeitsmarkts. Die Anzahl der Beschäftigten hat sich im 3. Quartal des vergangenen Jahres um 87 000 erhöht. In der Industrie entstanden die meisten Arbeitsplätze im Maschinenbau und im Metallgewerbe. Im 4. Quartal waren nur noch rund 240 000 Personen arbeitslos gemeldet.

Eine multipolare Weltwirtschaft?

Obgleich immer wieder Erörterungen über den relativen Bedeutungsverlust der US-Wirtschaft für die globale Ökonomie angestellt werden, bestimmt die dortige Konjunkturlage wesentlich die Weltkonjunktur. Es trifft sicherlich zu, dass die Welt politisch wie wirtschaftlich multipolarer geworden ist. Wenn man auf die beeindruckenden Wachstumsraten ausgewählter Schwellenländer blickt, sollte jedoch nicht übersehen werden, dass diese stark exportgestützt sind. So wurden die aus Handelsbilanzüberschüssen stammenden Dollarreserven Chinas zunächst in den USA erwirtschaftet, bevor sie von US-amerikanischen Haushalten und Unternehmen für chinesische Güter verausgabt werden konnten. Solange viele der neuen Wachstumszentren binnenwirtschaftlich noch auf schwachen eigenen Füßen stehen, wird sich an der Schrittmacherrolle der USA wenig ändern. Erste Schritte auf dem Weg zu einer tatsächlich multipolaren Weltwirtschaft könnten entsprechend in einer Stärkung der dortigen Binnennachfrage auch durch öffentliche Investitionen liegen – an politischen Handlungsfeldern ist kein Mangel.

Wohin steuert nun also die US-Wirtschaft? Die Besorgnis, dass die Finanzkrise noch nicht ausgestanden ist und 2008 auf die Realwirtschaft überspringt, treibt Experten ebenso um wie den amerikanischen Durchschnittsbürger. Dessen Sorgen lassen sich nicht zuletzt daran ablesen, dass der amerikanische Vorwahlkampf zu Beginn des Jahres von wirtschaftlichen Themen bestimmt wird.

Jenseits aller Wahlkampfprogramme senkte die amerikanische Notenbank am 22. Januar erneut den Leitzins, und zwar in einem Ausmaß, das seit Jahren ohne Beispiel ist, um Investitionen und Konsum anzuregen. Wie von den Finanzmärkten allgemein erwartet, erfolgte am 30. Januar eine weitere Leitzinssenkung, was sowohl die Sorge der amerikanischen Währungshüter anzeigt, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten die Realwirtschaft nachhaltig beeinträchtigen könnten, als auch die Bereitschaft, energisch gegenzusteuern. Gerade der Hinweis darauf, dass trotz der Gegenmaßnahmen Konjunkturrisiken bestünden, lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass die Leitzinssenkungen des Januars nicht die letzten gewesen sind.

Anfang Januar entschied sich die EZB, den Leitzins unverändert zu lassen. Im Unterschied zur Fed betonte die EZB jedoch die Inflationsrisiken. Recht deutlich wurde zudem darauf hingewiesen, dass man bereit sei, eventuellen »Zweitrundeneffekten« bereits vorbeugend zu begegnen – eine kaum verhohlene Warnung an die Tarifparteien zu zurückhaltenden Lohnabschlüssen. Angesichts der aktuellen Lohnforderungen nicht nur in Deutschland müsste die EZB damit den Leitzins erhöhen. Diese Maßnahme würde nicht nur die Binnennachfrage belasten, sondern auch die europäische Wettbewerbsposition gegenüber dem Dollarraum tendenziell schwächen. Insofern wäre eine Leitzinserhöhung, wenn sie tatsächlich erfolgen sollte, ein mutiger Schritt, der starkes Vertrauen in die europäische Binnenkonjunktur voraussetzt.