:: 7/2009

Das Gründungsgeschehen in Baden-Württemberg 2008

Die Zahl der Unternehmensgründungen und -übernahmen ging auch im Jahr 2008 zurück. Gegen diesen Trend entwickelten sich nur die Nebenerwerbsgründungen, deren Zahl sichtbar anstieg. Grundsätzlich überwiegen Gründungen im Handel sowie in weiteren Dienstleistungsbereichen, die mit der neuen Wirtschaftszweigsystematik (WZ 2008) differenzierter ausgewiesen werden können als bisher. In Baden-Württemberg zeigt sich im Vergleich zu den anderen Flächenländern Deutschlands eine niedrige Gründungsintensität. In den Landkreisen ist diese wiederum niedriger als in den Stadtkreisen Baden-Württembergs.

Die Förderung von Existenzgründungen ist seit vielen Jahren ein wichtiger Baustein der staatlichen Mittelstandspolitik. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Strukturdaten zum Gründungsgeschehen. Allerdings gibt es in Deutschland bisher weder eine verbindliche Definition des Begriffs »Existenzgründung« noch eine amtliche Gründungsstatistik, die alle Existenzgründungen adäquat erfasst. 1996 versprach sich der Gesetzgeber durch die bundesweite Einführung der Gewerbeanzeigenstatistik umfassende Informationen zu Existenzgründungen und Unternehmensbewegungen. Da die Gewerbeordnung bereits eine Anzeigepflicht für Gewerbebetriebe vorschrieb, konnten diese Angaben für die Statistik genutzt werden. So wurden für die neue Statistik keine Fragebögen konzipiert, sondern stattdessen auf die bestehenden amtlichen Formulare für Gewerbeanzeigen zurückgegriffen. Die benötigten Auskünfte erteilen die Gewerbetreibenden durch Ausfüllen einer Gewerbeanzeige. Die Gemeinden geben die zur statistischen Auswertung zugelassenen Merkmale monatlich an die Statistischen Landesämter weiter.

Die Gewerbeanzeigenstatistik deckt aber lediglich einen Teilbereich des Gründungsgeschehens ab. So muss nach der Gewerbeordnung nur die Aufnahme eines Gewerbes bei den Gewerbeämtern angezeigt werden. Als Gewerbe gilt jede erlaubte selbstständige Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Einige Tätigkeiten, beispielsweise in der Urproduktion (zum Beispiel Land- und Forstwirtschaft, Fischerei) oder im Rahmen freier Berufe, fallen nicht unter die Anzeigepflicht der Gewerbeordnung (vgl. GewO § 6).1 Das Gründungsgeschehen wird durch die Gewerbeanzeigen somit unvollständig abgebildet. Über die Aufnahme, Änderung und Beendigung anzeigepflichtiger und somit gewerblicher Tätigkeiten informiert sie hingegen umfassend und verlässlich.

Zahl der Neugründungen und Übernahmen weiter rückläufig

Bei 78 % der Gewerbeanmeldungen handelt es sich um Neugründungen. Die Übrigen erfolgen aufgrund von Zuzügen, Übernahmen (zum Beispiel wegen Rechtsformwechsel, Gesellschaftereintritt oder Erbfolge) sowie Umwandlungen (weniger als 1 %). Für eine Betrachtung des Gründungsgeschehens sind vor allem die Neugründungen von Interesse. Wie eingangs erwähnt, gibt es in Deutschland bisher keine einheitliche Definition des Gründungsbegriffs. Auch die Daten der Gewerbeanzeigenstatistik werden in unterschiedlicher Weise genutzt. Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn definiert als Existenzgründung zum Beispiel die Betriebsgründungen von Hauptniederlassungen zuzüglich 90 % der Kleingründungen (sonstige Neugründungen ohne Nebenerwerb).2 In der amtlichen Statistik hat man sich hinsichtlich der Neugründungen auf die Unterscheidung von Betriebsgründungen mit vermutlich größerer wirtschaftlicher Substanz und den sonstigen Neugründungen vereinbart (siehe i‑Punkt). Auch bei der Übernahme eines bereits bestehenden Unternehmens aufgrund von Erbfolge, Kauf oder Pacht kann es sich um eine Existenzgründung handeln, wenn sie den Einstieg eines Gewerbetreibenden in die Selbstständigkeit markiert. Im Gegensatz zu einer Neugründung entsteht hier allerdings kein neues Unternehmen am Markt.

In den letzten Jahren ging die Zahl der Neugründungen und Unternehmensübernahmen in Baden-Württemberg kontinuierlich zurück. Ihre Zahl liegt heute um ca. 13 % niedriger als im Jahr 2004. Mögliche Ursachen für den Rückgang können neben geänderten Förderungsbedingungen3 auch die verbesserte Situation am Arbeitsmarkt sein. Im Jahr 2009 könnte es aufgrund einer verschlechterten wirtschaftlichen Lage wieder zu einem Anstieg der Neugründungen kommen. Insbesondere mit Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus ist zu rechnen.

Im Jahr 2008 wurden mehr als 82 300 Gewerbebetriebe neu gegründet, 2 % weniger als im Vorjahr. Besonders stark (– 9 %) gingen die Kleingründungen zurück. Hierbei handelt es sich um Einzelunternehmen, die weder in die Handwerksrolle noch in das Handelsregister eingetragen sind und als Hauptniederlassung gegründet wurden. Betriebsgründungen, bei denen aufgrund der voraussichtlichen Beschäftigtenzahl oder der Rechtsform eine größere wirtschaftliche Substanz vermutet werden kann, gingen um 3 % auf insgesamt 16 578 zurück. Das ist der niedrigste Wert seit 2003. Ein Rückgang von 6 % zeigt sich zudem bei Unternehmensübernahmen aufgrund von Erbfolge, Kauf oder Pacht. Gegen diesen Trend entwickelten sich die Nebenerwerbsgründungen, deren Zahl mit einem Plus von 5 % auf über 35 300 anstieg.

Die neuen Selbstständigen waren auch im Jahr 2008 überwiegend männlich. Mit 31 % lag der Frauenanteil auf Vorjahresniveau. Analog dem Rückgang der neu gegründeten Betriebe sank auch die Zahl der Gründerpersonen. Die Zahl der Existenzgründerinnen ging gegenüber dem Vorjahr um 2 %, die Zahl der Existenzgründer um 1 % zurück.

Gewerbeanzeigenstatistik ab 2008 mit neuer Wirtschaftszweigklassifikation

Beim Ausfüllen der Gewerbeanmeldung soll die Art der ausgeübten Tätigkeit möglichst genau beschrieben werden. Diese Tätigkeitsangaben der Gewerbetreibenden werden im Rahmen der Statistikaufbereitung den Abteilungen der jeweils gültigen Ausgabe der deutschen Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ) zugeordnet. Die bisherige Klassifikation aus dem Jahr 2003 wurde nun den geänderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst. Ab 2008 werden die Gewerbeanzeigen daher mit der WZ 2008 ausgewiesen, die aus der EU-weit verbindlichen statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Rev. 2 abgeleitet wurde. Gegenüber der bisherigen Systematik WZ 2003 wurde die Gliederungsstruktur umfassend verändert, sodass selbst bei gleichen oder ähnlichen Bezeichnungen Ergebnisvergleiche mit den Vorjahren nicht mehr möglich sind.4

Im Jahr 2008 erfolgten Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz mit einem Anteil von 28 % am häufigsten im Handel und zwar ganz überwiegend im Einzelhandel. An 2. Stelle stand der Bereich der wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (12 %). Hierzu gehören zum Beispiel Unternehmensberatungen, die Treuhand- oder Insolvenzverwaltung von Unternehmen und Betrieben sowie der Bereich Werbung und Marktforschung. Auf das Baugewerbe entfielen fast 10 % der Betriebsgründungen. Dabei lag der Schwerpunkt auf den vorbereitenden Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstige Tätigkeiten im Ausbaugewerbe. Weitere 8 % der Betriebsgründungen erfolgten in der Gastronomie und 6 % im Verarbeitenden Gewerbe.

Eine etwas andere Verteilung der wirtschaftlichen Tätigkeiten zeigt sich bei den sonstigen Klein- und Nebenerwerbsgründungen, auch wenn hier die meisten Gründungen ebenfalls im Handel erfolgen. So lagen die Schwerpunkte von Kleingründungen 2008 im Baugewerbe (14 %) und im Bereich der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (13 %) wie zum Beispiel Gebäudereinigung, Hausmeisterdienste, Callcenter, Copyshops oder Sekretariatsarbeiten. Von Bedeutung sind zudem sonstige Dienstleistungen (11 %) sowie mit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen verbundene Tätigkeiten (7 %). Unter den sonstigen Dienstleistungen haben die überwiegend persönlichen Dienstleistungen ein besonderes Gewicht. Hierzu gehören unter anderem Friseur- und Kosmetiksalons, Solarien und Wäschereien.

Auch bei den Nebenerwerbsgründungen überwiegen diese verschiedenen Dienstleistungsbereiche, wobei die wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen mit einem Anteil von knapp 13 % das höchste Gewicht haben. Eine Besonderheit stellt hier zudem der Bereich der Energieversorgung dar, in dem 10 % aller Nebenerwerbsgründungen erfolgten. Hier spiegeln sich vermutlich die Bedingungen für den Betrieb von Solar-, Biogas- oder Biomasseanlagen wider, denn deren Betrieb ist eine gewerbliche Tätigkeit und erfordert nach der Gewerbeordnung eine Anmeldung bei dem jeweiligen Gewerbeamt. In den überwiegenden Fällen ist die Anmeldung eines Nebenerwerbsbetriebs ausreichend.

Gründungsintensität vergleichsweise niedrig

Im Jahr 2008 wurden in Baden-Württemberg 3 % weniger Gewerbebetriebe mit vermutlich größerer wirtschaftlicher Substanz gegründet als im Vorjahr. Während in den Stadtkreisen ein geringfügiger Zuwachs von 1 % zu verzeichnen war, zeigte sich in den Landkreisen ein Rückgang um 5 %. Für Baden-Württemberg ergibt sich insgesamt eine Gründungsintensität von 1,5 Existenzgründungen auf 1 000 Einwohner. Im Vergleich zu anderen Bundesländern liegt das Land damit im unteren Bereich. So kommen zum Beispiel die Flächenländer Bayern und Hessen auf eine Quote von 1,9. In Deutschland insgesamt liegt die Gründungsintensität bei 1,8.

Der Vergleich der Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs zeigt, dass bei der Standortwahl den Stadtkreisen der Vorzug gegeben wurde. In den Stadtkreisen kamen auf 1 000 Einwohner 2,2 Gründungen, in den Landkreisen waren es hingegen nur 1,4. Die höchste Gründungsintensität verzeichnen bei den Stadtkreisen Baden-Baden mit 3,1 Gründungen je 1 000 Einwohner sowie die Stadtkreise Heilbronn (2,7), Mannheim und Stuttgart (je 2,5) sowie Ulm (2,4). Bei den Landkreisen liegen Esslingen (1,8), Göppingen (1,7), Böblingen und der Rems-Murr-Kreis (je 1,6) über dem Landesdurchschnitt.5

1 Aber: Wird eine nichtgewerbliche Tätigkeit in Verbindung mit einer Gewerbetätigkeit ausgeübt, besteht Anzeigepflicht.

2 Vgl: Berechnungsmethode der Gruendungsstatistik IfM Bonn (Stand 8. Mai 2009).

3 Existenzgründungszuschuss (»Ich-AG«) und Überbrückungsgeld wurden am 1. August 2006 durch den neuen Gründungszuschuss abgelöst, der an strengere Förderungsbedingungen geknüpft ist.

4 Ausführliche Informationen zur Revision finden sich in: Greulich, Matthias: Revidierte Wirtschaftszweig- und Güterklassifikationen fertig gestellt, in: Wirtschaft und Statistik 1/2009, S. 36-46.

5 Existenzgründungen und ‑gründungsquoten auf Kreisebene