:: 8/2011

Europäische Großstadtregionen im Vergleich

Die Großstadtregionen gelten im Allgemeinen als die Impulsgeber für die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung in Europa. Dadurch stehen sie in besonderer Weise im Fokus des Wettbewerbs der Regionen und verlangen nach einer Positionsbestimmung. Auf der Grundlage zentraler ökonomischer und demografischer Indikatoren, die auf regionaler Ebene vergleichbar größtenteils jedoch nur bis 2008 vorliegen, richtet sich im vorliegenden Beitrag der Blick auf die Entwicklungsdynamik und die Struktur ausgewählter europäischer Großstadtregionen. Nicht zuletzt dank erfolgreicher Aufholprozesse in den noch jungen Mitgliedstaaten ist das Gefälle der Wirtschaftskraft seit Mitte der 90er-Jahre bis zum Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise geringer geworden. Bei allen Spitzenregionen schält sich heraus, dass wissensintensive Dienstleistungen und HighTech-Branchen langfristig die Erfolgsfaktoren in einer zusehends globaler werdenden Wirtschaft sind. Wie aktuellere Arbeitsmarktdaten zeigen, gehören insbesondere die Jugendlichen in den spanischen Ballungsräumen zu den Verlierern des Krisenjahres 2009.

München vor Paris und London mit höchster Wirtschaftskraft

Die Vielfalt Europas spiegelt sich auch in der Wirtschaft seiner Großstadtregionen wider (siehe i-Punkt). Festzustellen sind deutliche regionale Unterschiede der zum materiellen Wohlstand beitragenden Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit, wie es im Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (hier umgerechnet in Kaufkraftstandards; siehe i-Punkt) zum Ausdruck kommt. Die Großstadtregion München war 2008 wie schon in den Vorjahren mit einer Wirtschaftsleistung von 46 100 KKS je Einwohner europaweit die wirtschaftsstärkste Region, mit deutlichem Abstand gefolgt von Paris (42 000 KKS) und London (40 600 KKS). Damit wurde in diesem Ballungsraum pro Kopf nahezu doppelt so viel an Waren und Dienstleistungen wie im Durchschnitt der EU-27-Mitgliedstaaten (25 100 KKS) erwirtschaftet.

Die Region Stuttgart konnte im Reigen der europäischen Großstadtregionen mit dem achten Platz ihre Position unter den zehn Besten weiterhin behaupten. Von den deutschen Ballungsräumen haben nur Frankfurt am Main (vierter Rang) und Hamburg (siebter Rang) besser als Stuttgart abgeschnitten. Dagegen zählten Berlin und die ostdeutschen Regionen Dresden, Leipzig und Chemnitz zu den wirtschaftsschwächsten Großstadtregionen Europas. Das Schlusslicht der Rangskala bildete die polnische Großstadtregion Katowice-Zory, deren Wirtschaftskraft 2008 nur knapp zwei Drittel des EU-27-Durchschnitts erreichte.

Gleichwohl konnten die Großstadtregionen der noch jungen Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Wirtschaftsleistung inzwischen kräftig aufholen. Besonders sticht die Großstadtregion Prag hervor, die sich 1995 vom noch 32. Platz bis 2008 auf den 18. Platz hochgearbeitet hat. Auch Bukarest konnte mit einem Sprung von der Schlussgruppe in das Mittelfeld deutlich an Boden gewinnen. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Ungleichgewichte der Wirtschaftskraft zwischen den europäischen Agglomerationsräumen im Zeitraum 1995 bis 2008 leicht abgebaut haben.1

Erfolgsfaktoren der Top-Regionen: Hochwertige Dienstleistungen und Innovationen

Worauf gründet der Erfolg der Top-Regionen? Ein Blick auf die Wirtschaftsstruktur zeigt, dass die Bestplatzierten sehr hohe Anteile ihrer Wertschöpfung im Dienstleistungssektor erbringen. So hat der Dienstleistungsanteil 2008 in der Großstadtregion München gut 77 % betragen und in Paris waren es sogar gut 86 %. Auch in London, Frankfurt am Main, Randstad Noord (Niederlande), Wien und Hamburg haben die Dienstleister mindestens zu rund vier Fünfteln zur gesamten Wertschöpfung beigetragen. Diese Ballungsräume brillieren vor allem durch sehr hohe Anteile wissensintensiver Dienstleistungen wie im Verkehrs-, Kommunikations-, Banken-, Versicherungs-, Forschungs-, Bildungs- und Mediensektor, die sich durch sehr hochwertige Arbeitsplätze auszeichnen. Allein der Wirtschaftsbereich »Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister« machte dort – gemessen an der Wertschöpfung – oft sogar gut die Hälfte der gesamten Dienstleistungen aus.

Stuttgart ist unter den europaweit führenden Agglomerationsräumen die Großstadtregion, die am stärksten von der Industrie geprägt ist. 2008 entfielen hier gut 39 % der Wertschöpfung auf das Produzierende Gewerbe. Innerhalb von Deutschland hatte nur der Ballungsraum Mannheim einen noch höheren Anteil des Produzierenden Gewerbes (knapp 42 %). Sehr ausgeprägt ist die Industrie auch in den Ballungsräumen Mailand, Barcelona und Bukarest vertreten, wo rund ein Drittel der gesamten Wertschöpfung in diesem Wirtschaftsbereich erzielt wurde. In der für Bergbau und Schwerindustrie bekannten polnischen Region Katowice-Zory waren es zuletzt sogar gut 40 %.

Die Stärke der Wirtschaft der Region Stuttgart basiert vor allem auf ihrer hohen Innovationsfähigkeit. Sie ist eine zentrale Voraussetzung, um sich im globalen Wettbewerb auf den Weltmärkten mit immer neuen Produkten und höherer Produktqualität behaupten zu können. Die Region Stuttgart ist innerhalb des Südwestens die Region, die beim Innovationsindex, eine vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg berechnete Kennziffer für die Innovationsfähigkeit einer Region, 2010 nach wie vor den ersten Platz belegt hat. Gleichzeitig war Baden-Württemberg im europaweiten Vergleich die Region mit der höchsten Innovationskraft.2 In der Spitzengruppe des Innovationsindex finden sich einige Regionen wie Bayern, die Großstadtregion Paris, Hessen und East of England wieder, die selbst oder deren Gebietsteile wie bei den Ballungsräumen München, London und Frankfurt am Main auch im Ranking der Wirtschaftskraft zu den Besten zählen. Dies stützt die These, dass zwischen der Innovationsfähigkeit und den Wachstums- bzw. Beschäftigungspotenzialen einer Region im Allgemeinen ein enger Zusammenhang bestehen dürfte.

Enormes Wachstum in den Zentren der neuen Mitgliedstaaten

Von den hier betrachteten Großstadtregionen wies Bukarest das höchste Wirtschaftswachstum auf. Dort hat sich das in KKS gemessene Bruttoinlandsprodukt 2008 gegenüber 1995 fast vervierfacht (siehe i-Punkt). Dreistellige Wachstumsraten sind auch für die Ballungsräume Budapest und Prag zu verzeichnen, in denen die Wirtschaft mit rund 149 bzw. 132 % weit über dem jeweiligen Nationalstaat (Ungarn: fast 108 %; Tschechische Republik: knapp 90 %) und dem EU-27-Durchschnitt (78 %) zulegen konnte. Dies spricht hier zum einen für einen erfolgreichen Transformationsprozess von der früheren Planwirtschaft zur heutigen Marktwirtschaft, andererseits für den hohen Aufholbedarf, das heißt die relativ niedrige wirtschaftliche Ausgangsposition. Profitiert haben diese Regionen schließlich von den lange Zeit vergleichsweise sehr niedrigen Lohnkosten, die Unternehmen des Westens bei Verlagerungen von Produktionsstandorten anlockten. Hinzu kamen die umfangreichen Finanzmittel aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in rückständigen Gebieten.

Im Hinblick auf die Wirtschaftsdynamik haben Bukarest, Budapest und Prag die hier berücksichtigten ostdeutschen Großstadtregionen Dresden, Leipzig und Chemnitz weit hinter sich gelassen. Das Wirtschaftswachstum in den ostdeutschen Zentren war mit Werten zwischen 49 und 66 % zwar zweistellig, erreichte damit aber nicht den EU-27-Durchschnitt. Sie sind zu schwach gewachsen, um auch im Ranking der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung vom Ende der Skala in das Mittelfeld aufrücken zu können.

Auch in den westdeutschen Großstadtregionen ist das Wirtschaftswachstum 2008 gegenüber 1995 überall schlechter ausgefallen als im EU-27-Durchschnitt. Nur München kam mit einer Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von gut 72 % ziemlich dicht an das EU-Ergebnis heran. Die Region Stuttgart ist ausgehend von einem vergleichsweise hohen Niveau um rund 55 % fast gleichauf mit Frankfurt am Main gewachsen. Am niedrigsten war das Wirtschaftswachstum in der Hauptstadtregion Berlin (fast 38 %). Damit erreichten die deutschen Werte ausgehend von dem bereits höheren Niveau bei weitem nicht die Zuwachsraten in den spanischen Ballungsräumen, wo sich zum Beispiel in Madrid ein Wirtschaftswachstum von rund 137 % ergab. In der Großstadtregion London hat sich im Zeitraum 1995 bis 2008 die Wirtschaftsleistung gut verdoppelt. Ähnlich dynamisch entwickelte sich auch der niederländische Agglomerationsraum Randstad Noord.

Dienstleistungen vielfach stärker als Industrie gewachsen

Vielfach sind von den Dienstleistungen im Vergleich von 2008 gegenüber 19993 die größeren Wachstumsimpulse ausgegangen. Extrem hoch waren die nominalen Zuwächse in den Großstadtregionen Prag, Budapest, Warschau und Bukarest. Sie konnte vor allem infolge einer außergewöhnlich dynamischen Entwicklung des Wirtschaftsbereichs »Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister« mit Spitzenwerten zwischen 165 und 455 % weit über dem EU-27-Durchschnitt (rund 51 %) aufwarten. Gleichzeitig hat in diesen Wirtschaftsräumen auch das Produzierende Gewerbe mit Zuwächsen zwischen 92 und 504 % am stärksten zugelegt (EU-27-Durchschnitt: gut 36 %), ein Prozess, der auf die bereits beim gesamtwirtschaftlichen Wachstum erwähnten Sondereffekte zurückzuführen sein dürfte. Dagegen ist in den deutschen Ballungsräumen mit Ausnahme von Saarbrücken (54 %) die Wertschöpfung des Produzierenden Gewerbes überwiegend deutlich schwächer als im EU-27-Durchschnitt gewachsen. Bei den Dienstleistungen konnte keine deutsche Großstadtregion den EU-27-Durchschnitt übertreffen. Am besten schnitten die Zentren München, Nürnberg und Dresden ab, in denen sich für den Dienstleistungssektor ein Wertschöpfungszuwachs von jeweils gut 30 % ergab.

Die Tertiarisierung der Wirtschaft ist in vielen europäischen Großstadtregionen seit der Jahrtausendwende weiter vorangeschritten. In der Region Stuttgart blieb der Wertschöpfungsanteil des Dienstleistungssektors mit rund 60 % fast unverändert. Dies ist jedoch nicht als ein Defizit zu werten, zumal die auf HighTech-Branchen ausgerichtete Industrie Stuttgarts gerade in den Bereichen Logistik, Kommunikation, Verwaltung, Beratung, Planung, Forschung und Entwicklung in beachtlichem Umfang selbst Dienstleistungen erbringt. Europaweit stieg der Dienstleistungsanteil bis 2008 auf 72 %, und der Wertschöpfungsanteil des Produzierenden Gewerbes ging auf knapp über 26 % zurück.

Hohe Bevölkerungszunahmen in Regionen mit starker Wachstumsdynamik

Demografische Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die Altersstruktur, die Wirtschafts- und Sozialstruktur, die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung und spezifische Standortbedingungen bestimmen maßgeblich die Bevölkerungsentwicklung in den Großstadtregionen mit. Interessant ist hierbei die Frage, ob sich die seit Mitte der 90er-Jahre zu beobachtende kontinuierliche wirtschaftliche Wachstumsperiode in der Europäischen Union, die erst mit der Wirtschaftskrise in der zweiten Jahreshälfte 2008 unterbrochen wurde, in einer auffälligen Bevölkerungsentwicklung einzelner Großstadtregionen niedergeschlagen hat.

Deutliche Impulse einer wachsenden Wirtschaft für die Bevölkerungsentwicklung sind tendenziell in jenen Agglomerationsräumen erkennbar, die besonders von der dynamischen Wirtschaftsentwicklung profitiert haben. So weisen die stark prosperierenden Wirtschaftsräume in Spanien wie Madrid, Valencia, Barcelona im Zeitraum zwischen 1995 und 2008 Bevölkerungszunahmen zwischen gut 14 % und knapp 24 % auf. Eine überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung hatten in der Phase eines bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwungs auch Lissabon, Athen und Randstad Noord (Niederlande). Unter den deutschen Großstadtregionen ragt besonders München mit einem Bevölkerungswachstum zwischen 1995 und 2008 von 9,8 % heraus. Der Ballungsraum München erzielte unter den deutschen Vergleichsregionen in diesem Zeitraum die höchste Zunahme des Bruttoinlandsprodukts. Die Großstadtregion Stuttgart mit einem in dieser Periode eher durchschnittlichem Wachstum verzeichnete ein Bevölkerungsplus von 4,3 %, das der Bevölkerungszunahme in der EU-27 entsprach.

Auffällig ist, dass die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Großstadtregionen – besonders in Madrid, München, Randstad Noord, Rom und Wien – in weit überwiegendem Maße stärker zunahm als im zugehörigen Nationalstaat. Dies deutet darauf hin, dass mit der verstärkten Internationalisierung und Globalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten die Agglomerationsräume, also die Kernstädte und das wirtschaftlich und infrastrukturell verflochtene Umland, aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung als Knotenpunkte weiter an Anziehungskraft gewonnen haben. Die Vorteile der intraregionalen Kooperation und der räumlichen Konzentration von Funktionen, Institutionen und Unternehmen haben sich dabei maßgeblich ausgewirkt.

Im Hinblick auf die Bevölkerungszahl und -struktur sowie die flächenmäßige Ausdehnungen sind die hier untersuchten Agglomerationsräume sehr heterogen. Mit Abstand die bevölkerungsreichste Großstadtregion ist mit fast 15 Mill. Einwohnern London, gefolgt von Paris mit nahezu 12 Mill. und Mailand mit knapp 8 Mill. Gemessen an der Einwohnerzahl liegt die größte deutsche Metropolregion Düsseldorf-Ruhrgebiet mit rund 8 Mill. Menschen auf Rang vier. Im Vergleichsjahr 2008 lebten in der Großstadtregion Stuttgart fast 2,7 Mill. Einwohner.

Das Spektrum der Bevölkerungsdichte ist bei den hier betrachteten Regionen entsprechend breit gefächert. Die mit weitem Abstand höchste Bevölkerungskonzentration weisen die Großstadtregionen Neapel und Birmingham auf, wo etwas mehr als 2 600 bzw. fast 2 900 Einwohner pro Quadratkilometer leben. Einen sehr hohen Wert weist auch noch der Raum Manchester mit einer Bevölkerungsdichte von gut 2 000 Einwohnern auf. Es folgen mit einer deutlich überdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte zwischen 1 000 und 1 300 Einwohnern die Regionen Düsseldorf–Ruhrgebiet, Bukarest, Athen und Randstad Zuid (Niederlande). Die Region Stuttgart bewegt sich europaweit hier im Mittelfeld, hat aber bei den untersuchten deutschen Großstadtregionen die zweithöchste Bevölkerungsdichte.

Ausgeprägte Alterung der Erwerbsbevölkerung in deutschen Großstadtregionen

Eine ausgewogene Altersstruktur in einer Region, die dazu beiträgt dem demografischen Alterungsprozess der Bevölkerung und der Erwerbstätigen entgegenzuwirken, kann ein wichtiger Standortfaktor sein. Ein hinreichend großer Anteil der jüngeren Bevölkerung trägt dazu bei, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen und den Alterungsprozess der Erwerbsbevölkerung zu verhindern bzw. zumindest einzuschränken. Hinweise auf die altersmäßige Zusammensetzung und das Arbeitskräfteangebot einer Region liefert der Jugend- und Altenquotient4.

Während beim Jugendquotienten die Zahl der unter 15-Jährigen auf 100 Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren bezogen wird, gibt der Altenquotient die Zahl der über 65-Jährigen je 100 Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren wieder. Die Betrachtung dieser Indikatoren zeigen prägnante Abweichungen bei der Altersstruktur der Bevölkerung. So stehen sich in der Europäischen Union Ballungsräume mit einem vergleichsweise höheren Anteil jüngerer Menschen an der Bevölkerung und Regionen, die einen relativ großen Anteil älterer Menschen haben, gegenüber. Relativ »junge« Regionen sind hiernach die Agglomerationsräume Paris und Lille in Frankreich, die Großstadtregion Brüssel sowie im Vereinigten Königreich die Regionen Birmingham und Manchester. Hier kommen zwischen 26 und 30 Personen auf je 100 Personen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren. Deutlich niedriger fallen die Vergleichswerte für die deutschen Regionen aus. In einigen Großstadtregionen wie zum Beispiel Berlin, Leipzig, Chemnitz und Dresden liegt der Jugendquotient deutlich unter 20, das heißt hier kommen auf 100 Personen der erwerbsfähigen Bevölkerung noch nicht einmal 20, die unter 15 Jahre alt sind. Umgekehrt sind die deutschen Großstadtregionen verhältnismäßig stärker von der älteren Bevölkerung geprägt. Der Altenquotient liegt hier oftmals nahe bei 30 oder sogar darüber. Den höchsten Wert erreicht er in Chemnitz mit fast 39, sodass mit wenigen Ausnahmen in den deutschen Großstadtregionen 30 und mehr über 65-Jährige auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren kommen. Ähnlich hohe Werte des Altenquotienten, also ein relativ großer Anteil älterer Menschen im Vergleich zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, weisen nur noch die italienischen Metropolregionen Mailand, Rom und Turin auf.

Vor allem die Regionen mit einem hohen Altenquotienten und einem niedrigen Jugendquotienten sind wegen des vergleichsweise ausgeprägten Alterungsprozesses mittel- und langfristig stärker mit dem Problem konfrontiert, in ausreichendem Maße über vergleichsweise jüngere und qualifizierte Arbeitskräfte zu verfügen. Diese regionalen Arbeitsmärkte stehen in Bezug auf den wichtigen Standortfaktor einer ausgewogenen Altersstruktur der Bevölkerung vor größeren Herausforderungen. Denn die Unternehmen müssen in den betroffenen Regionen die Anforderungen des wirtschaftlichen Wandels in den wichtigen Feldern Innovation, Forschung und Entwicklung mit älter werdenden Belegschaften bewältigen.

Wachstumsstarke Großraumregionen mit hohen Beschäftigungsgewinnen

Der relativ lange ökonomische Wachstumspfad in der EU hat sich erwartungsgemäß in den einzelnen Regionen aufgrund der sehr verschiedenartigen strukturellen Bedingungen und Ausgangsniveaus höchst unterschiedlich niedergeschlagen. Es schält sich allerdings die Tendenz heraus, dass die Regionen mit besonders ausgeprägter Wirtschaftsdynamik, wie zum Beispiel die spanischen Großstadtregionen, der Ballungsraum Athen oder osteuropäische Großstadtregionen wie Bukarest, Budapest und Prag enorme Beschäftigungsgewinne verbuchen konnten. Hier zeigen die für den Zeitraum 2000 bis 2008 verfügbaren Erwerbstätigenzahlen Zuwächse zwischen 13,8 % (Prag) und 29,1 % (Madrid), die erheblich über dem Durchschnitt von 7,9 % in der EU-27 liegen. Die rasant angestiegenen Erwerbslosenquoten in einigen Großstadtregionen in 2009 deuten allerdings an, wie tief teilweise der Einschnitt durch den wirtschaftlichen Einbruch infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ausfiel. So verdoppelte sich beispielsweise die Erwerbslosenquote nahezu in den spanischen Regionen Madrid, Barcelona und Valencia. In Barcelona schnellte sie von 2008 auf 2009 von 8,7 % auf 16,2 % hoch.

Die deutschen Großstadtregionen liegen durchweg unter der durchschnittlichen Zunahme der Erwerbstätigenzahl in der EU-27. Am nächsten an die EU-Entwicklung heran kommt die Metropolregion München mit einem Erwerbstätigenplus von 7,6 %. Die Region Stuttgart erreicht dagegen nur eine Zunahme von 3,1 % und liegt im Vergleich der hier untersuchten Regionen bei der Beschäftigungsdynamik eher im unteren Drittel.

Die teilweise hohen Beschäftigungszunahmen in den stark expandierenden Regionen sind dort allerdings auch vor dem Hintergrund des oftmals niedrigen Ausgangsniveaus der Erwerbstätigkeit zu sehen. So zeigt die Zunahme der Erwerbsquoten, also des Anteils der Erwerbstätigen und Erwerbslosen an der Bevölkerung insgesamt, für eine ganze Reihe dieser Regionen in den letzten Jahren nennenswerte Aufholprozesse, ausgehend von einer relativ niedrigen oder durchschnittlichen Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Regionen wie Stuttgart mit einem bereits hohen Beschäftigungsstand und relativ niedriger Arbeitslosenquote können naturgemäß von dem bereits erreichten Niveau aus keine vergleichbaren starken Ausweitungen des Beschäftigungsvolumens erzielen.

Großstadtregionen profitieren vom Dienstleistungsboom

Wachstumsmotor für die Beschäftigung war im weitaus überwiegenden Umfang die überdurchschnittliche Entwicklung der Wirtschaftsleistung im Dienstleistungssektor. In der Zeitspanne von 2000 bis 2008, also noch vor dem Einbruch durch die Finanzkrise, kamen einige Großstadtregionen nicht zuletzt auch aufgrund von Aufholeffekten in diesem Wirtschaftsbereich auf bemerkenswerte Wachstumsraten bei der Beschäftigungszahl von 20 bis 35 %. So konnten die spanischen Metropolregionen Barcelona, Madrid und Valencia durchweg Zuwächse von über 30 % verzeichnen. Es folgten die Großstadtregionen Bukarest, Warschau, Budapest und Athen mit Steigerungen zwischen 20 und 26 %. Der Dienstleistungsbereich in den deutschen Großstadtregionen blieb deutlich unter diesen Werten, wobei mit Zunahmen von mehr als 10 % die Räume Köln-Bonn, München, Hamburg, Berlin und Stuttgart am besten abschnitten.

Dienstleistungen dominieren Branchenstruktur

Die fortgesetzte Expansion der Dienstleistungen in den europäischen Metropolen dürfte getragen sein durch die allgemeine Ausweitung von Servicefunktionen auf den maßgeblichen Tätigkeitsfeldern, eine wachsende Rolle von Logistik und Kommunikation, weiter verstärkte Anstrengungen in Forschung und Entwicklung sowie das von produzierenden Unternehmen erfolgte Outsourcing von Dienstleistungsfunktionen. Der Dienstleistungssektor hat damit seine dominierende Stellung als größter Wirtschaftssektor in den Großstadtregionen weiter ausgebaut.

Eine besonders exponierte Stellung nehmen die Dienstleistungssparten mit Beschäftigungsanteilen an der Gesamtwirtschaft von deutlich über 80 % in den Metropolen Rom, Paris, Brüssel, Randstad Noord, Wien und London ein. In den Zentren Paris und Rom arbeiten bereits fast neun von zehn Beschäftigten in einem Dienstleistungsunternehmen. Unter den deutschen Großstadtregionen kommen Berlin, Köln-Bonn, Hannover und Hamburg diesen Dienstleistungsanteilen am nächsten. Die Region Stuttgart, mit deutlichen Aufholtendenzen in den letzten Jahren, erreicht einen Dienstleistungsanteil von 66,5 %. Allerdings dürfte erfassungsbedingt die Rolle der Dienstleistungen in der Region Stuttgart unterzeichnet sein. Hier sind in hohem Umfang hochtechnologieorientierte und forschungsstarke Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ansässig. Deren Dienstleistungsfunktionen werden statistisch dem wirtschaftlichen Schwerpunkt des produzierenden Unternehmens und damit nicht dem Dienstleistungsbereich zugeordnet.

Produzierender Sektor in den Großstadtregionen auf dem Rückzug

Der langfristige Trend einer Expansion der Dienstleistungen steht in nahezu allen betrachteten Großstadtregionen einem Rückzug des produzierenden Sektors wie zum Beispiel Industrie und Baugewerbe gegenüber. Der Erwerbstätigenanteil des Produzierenden Gewerbes liegt mittlerweile in einigen Großstadtregionen unter 20 %. In den Ballungsräumen Randstad Noord, Brüssel und Paris arbeiten nicht einmal mehr 15 % der Erwerbstätigen in Betrieben der Industrie und des Baugewerbes. Überwiegend bewegt sich der Beschäftigtenanteil des Produzierenden Gewerbes zwischen 20 und 30 %. Einen herausgehobenen Stellenwert hat der produzierende Sektor mit Beschäftigtenanteilen von über 30 % lediglich noch in den Regionen Stuttgart, Valencia, Barcelona und Katowice-Zory (Polen). Auch im Vergleich mit den deutschen Großstadtregionen hat der Raum Stuttgart, mit der traditionell starken Position des Straßenfahrzeugbaus, des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, den höchsten Anteil des Produzierenden Gewerbes.

Im Zuge der rasant zunehmenden Dienstleistungsorientierung in den Metropolen war auch die absolute Zahl der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe in den meisten Großstadtregionen seit der Jahrtausendwende rückläufig oder lag unter den Zuwächsen im Dienstleistungssektor. Vor allem die deutschen Großstadtregionen verzeichneten durchgängig Beschäftigungsverluste im produzierenden Bereich. In den Regionen Berlin und Köln-Bonn waren es sogar Einbußen um die 20 %. Die Region Stuttgart verzeichnete einen Rückgang von rund 9 % und konnte damit besser abschneiden als im Bundesdurchschnitt. Aber auch in Regionen wie Lille, Paris, Wien und Lissabon ging die Zahl der Arbeitsplätze in den produzierenden Unternehmen mit einem Minus von rund 10 % kräftig zurück. Deutliche Zuwächse von über 10 % verbuchten lediglich die Metropolregionen Athen, Warschau, Madrid und Prag. Ungeachtet der teilweise starken Rückgänge im Produzierenden Gewerbe zeigt die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung der hier dargestellten Großstadtregionen, dass die industriellen Kernregionen tendenziell ihre Bedeutung aufrecht erhalten konnten, wobei sich allerdings im Rahmen der dynamisch zunehmenden Tertiarisierung deren Wirtschaftsstruktur nachhaltig verändert hat.

Hohe Arbeitslosigkeit in den Großstadtregionen Valencia, Barcelona, Neapel, Lille und Leipzig

Derzeit reichen die Regionaldaten der Eurostat-Datenbank zur Wirtschaftsleistung und Wirtschaftstruktur nur bis 2008, sodass in den bisherigen Darstellungen die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 auf die europäischen Großstadtregionen nicht berücksichtigt werden konnten. Aktueller sind die Daten zu den Erwerbspersonen und Erwerbslosen, sodass zumindest für den Arbeitsmarkt Aussagen möglich sind.

Mit der Rezession 2009 hat sich die Lage auf fast allen regionalen Arbeitsmärkten verschlechtert. Besonders drastisch ist die Erwerbslosenquote<aFt7> in den spanischen Großstadtregionen gestiegen. Am stärksten war Valencia betroffen, wo sich die Erwerbslosenquote binnen Jahresfrist von 11,5 auf fast 21 % erhöht hat. In Barcelona waren 2009 gut 16 % und in Madrid 14 % der Erwerbspersonen ohne Beschäftigung. Auch in Berlin, Chemnitz, Leipzig, Lille, Neapel und Birmingham ergaben sich Werte zwischen 12 und 15 %, wobei die hier schon seit Jahren hohe Erwerbslosigkeit eher auf strukturelle Probleme hinweist. Unter der Wirtschaftskrise hatten insbesondere die Jugendlichen in den spanischen Großstadtregionen zu leiden. Hier verdoppelte sich innerhalb von 2 Jahren die Jugenderwerbslosenquote auf Werte zwischen rund 34 und 40 %, eine Größenordnung, wie man sie eigentlich nur von Neapel kennt.

Trotz der Wirtschaftskrise blieb in Prag sowie in den niederländischen Ballungsräumen Randstad Noord und Randstad Zuid die Erwerbslosenquote unter der Vierprozentmarke. Auch Bukarest und Warschau schnitten mit ähnlichen Werten recht gut ab. Innerhalb von Deutschland hatte 2009 die Großstadtregion München mit rund 4 % vor Stuttgart (5,1 %) und Frankfurt am Main (6,2 %) die niedrigste Quote. In Deutschland vermochten vor allem die Möglichkeiten der Kurzarbeit und des Abbaus von Arbeitszeitkonten die Folgen der Rezession für den Arbeitsmarkt erheblich abzufedern.

Dresden, München, Prag und Rom mit hoher touristischer Attraktivität

Nicht nur die Wirtschaftskraft, sondern auch die den Tourismus besonders fördernden kulturellen Angebote und Sehenswürdigkeiten kennzeichnen als sogenannte »weiche« Standortfaktoren die Attraktivität einer Region. Anhaltspunkte für die Bedeutung des Tourismus in einer Region gibt die Zahl der Gästezimmer bezogen auf 1 000 Einwohner, wenngleich sich hierbei die Beherbergungskapazitäten für Geschäftreisende und Urlauber nicht trennen lassen. Dresden hatte 2008 unter den hier betrachteten europäischen Großstadtregionen mit nahezu 18 Zimmern je 1 000 Einwohner die höchste Zimmerdichte, was angesichts der touristischen Attraktionen durch die historischen Bauwerke und kulturellen Höhepunkte wie Semperoper, Zwinger, Grünes Gewölbe, Brühlsche Terrasse, Residenzschloss und Frauenkirche nicht überrascht. Gleich daran schloss München mit rund 17 Gästezimmern je 1 000 Einwohner an. Sicherlich kommen nach München als Wirtschaftsstandort ersten Ranges auch viele Geschäftsreisende, aber mit seinen weltweit bekannten Museen, dem hohen Freizeitwert der Region bis hin zum Oktoberfest gehört es fast zum Pflichtprogramm vieler Europareisenden. In den Hauptstadtregionen Prag und Rom waren es rund 16 bzw. 15 Zimmer je 1 000 Einwohner. Knapp darunter mit 14 Gästezimmern je 1 000 Einwohner lagen die für ihre zahlreichen überregionalen Messen und das Bankenzentrum bekannte Region Frankfurt am Main sowie die weltweit als Inbegriff der Klassik verstandene Region Wien. Am untersten Ende der Rangskala befanden sich die Großstadtregionen Bukarest, Lille und Katowice-Zory mit nur ein bis vier Gästezimmern je 1 000 Einwohner.

1 So ist der einfache Variationskoeffizient, berechnet als das Verhältnis der Spannweite zur durchschnittlichen Wirtschaftskraft der hier betrachteten Großstadtregionen von 1,2 in 1995 auf 0,9 in 2008 zurückgegangen. Der Variationskoeffizient misst die Stärke der Konzentration eines Merkmals. Wäre die Wirtschaftskraft in allen Regionen gleich verteilt, würde er den Wert Null annehmen. Je ungleicher die Verteilung ist, um so größer wird sein Wert.

2 Siehe: Einwiller, Ruth: »Innovationsindex 2010 Baden-Württemberg: Die Erfolgsgeschichte geht weiter«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 12/2010«

3 In der Regionaldatenbank von Eurostat liegen Daten zur Bruttowertschöpfung erst ab 1999 in EURO vor.

4 Der Jugend- und Altenquotient wird primär genutzt als bevölkerungsstatistischer Indikator für die »Belastung« der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (hier dargestellt als Altersgruppe der 15- bis 65-Jährigen) durch die Finanzierungsverantwortung für die unter 15-Jährigen im nicht erwerbsfähigen Alter und der Bevölkerung im nicht mehr erwerbsfähigen Alter (über 65-Jährige). Er kann aber auch Informationen über die Altersstruktur einer Bevölkerung und das Arbeitskräftepotenzial liefern.

5 Die Datengrundlage für die Erwerbslosenquoten bildet die EU-Arbeitskräfteerhebung (AKE). Die in der AKE verwendete Definition der Arbeitslosigkeit entspricht den Empfehlungen der IAO. Danach sind Arbeitslose jene Personen ab 15 Jahren, die – bezogen auf die Referenzwoche der Erhebung – keine Arbeit haben, verfügbar und bereit sind, innerhalb von 2 Wochen eine Arbeit aufzunehmen und innerhalb der zurückliegenden 4 Wochen aktive Schritte unternommen haben, eine Arbeit zu finden. Diese Definition kann von jenen der nationalen Arbeitsverwaltungen abweichen.