:: 12/2016

Weiterentwicklung der Gesundheits-ökonomischen Gesamtrechnungen der Länder

Wertschöpfungs- und Erwerbstätigenansatz

Im Rahmen der Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GGRdL) wurden bisher jährlich die Gesundheitsausgaben und das Gesundheitspersonal für die Bundesländer ermittelt. Beginnend mit dem Jahr 2016 werden zum ersten Mal auch die Bruttowertschöpfung und die Zahl der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft im engeren Sinn (i.e.S.) errechnet. Mit der Realisierung eines solchen länderübergreifenden Wertschöpfungsansatzes zur Quantifizierung der Gesundheitswirtschaft soll der wachsenden Bedeutung der Gesundheitswirtschaft Rechnung getragen werden. Denn der Gesundheitsbereich wird nicht nur aus Kostengesichtspunkten, sondern zunehmend auch als Wirtschaftsbranche mit einem hohen Wachstums- und Beschäftigungspotenzial wahrgenommen. Im Folgenden werden zum einen kurz die Methodik des Wertschöpfungs- und Erwerbstätigen-Ansatzes dargestellt, und schließlich zum anderen die aktuellen Ergebnisse präsentiert.

Definition Gesundheitswirtschaft

Die Gesundheitswirtschaft i.e.S., wie sie von der AG GGRdL abgegrenzt wird, beinhaltet »die Erstellung und Vermarktung jener Güter und Dienstleistungen, die der Bewahrung und Wiederherstellung der Gesundheit dienen und von den verschiedenen Ausgabenträgern im Gesundheitswesen ganz oder teilweise erstattet werden«.1 Im Gegensatz zur Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi), in welcher ein güterbezogener Ansatz Anwendung findet, wird die Gesundheitswirtschaft im Wertschöpfungs- und Erwerbstätigen-Ansatz (WSE) der AG GGRdL derzeit nach der Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 abgegrenzt. Die Gesundheitswirtschaft ist damit aus statistischer Sicht ein Querschnittsbereich. Zur Zeit werden ihr insgesamt 37 Wirtschaftszweige auf WZ-5-Steller-Ebene zugeordnet, davon werden 27 vollständig und zehn nur teilweise berücksichtigt (bei denen nur ein Teil der dort produzierten Güter und Dienstleistungen gesundheitswirtschaftlich relevant ist). Neben dem Kernbereich, dem Gesundheits- und Sozialwesen, finden sich Wirtschaftszweige aus so unterschiedlichen Bereichen wie dem Verarbeitenden Gewerbe oder dem Handel wieder. Welche Wirtschaftszweige als gesundheitswirtschaftlich relevant einzustufen sind, lässt sich auf das sogenannte Schichtenmodell der Gesundheitswirtschaft (Übersicht), das vom Institut für Arbeit und Technik entwickelt wurde, zurückführen.2 Anhand dieses Modells wird auch die Nähe der weiteren gesundheitsrelevanten Branchen zum Kernbereich deutlich. Die Bereiche in der äußersten Schicht, wie beispielsweise Tourismus oder Wellness, zählen zum sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt und finden derzeit noch keine Berücksichtigung in der von der AG GGRdL verwendeten Abgrenzung. Bedeutendstes Merkmal dieses zweiten oder auch erweiterten Gesundheitsmarktes ist, dass diese Dienstleistungen und Waren ausschließlich in den privaten Konsum eingehen. Im Gegensatz dazu beinhaltet der erste Gesundheitsmarkt Waren und Dienstleistungen, die zu einem großen Teil von den gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen finanziert werden.

Methodik des Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatzes

Im WSE-Ansatz der AG GGRdL wurde ein Top-down-Verfahren angewandt. Dabei werden die amtlichen Gesamtrechnungsergebnisse der Bruttowertschöpfung (BWS) des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« und der Erwerbstätigen (ET) des Arbeitskreises »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« auf WZ-2-Steller-Ebene anhand passender Schlüsselgrößen aufgeteilt. In der aktuellen Berechnung wurden hierzu hauptsächlich länderspezifische Daten der Bundesagentur für Arbeit, beispielsweise die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, aber auch länderspezifische Informationen aus Fachstatistiken, zum Beispiel aus der Umsatzsteuerstatistik, genutzt.

Um die Anteile der nur teilweise zur Gesundheitswirtschaft zählenden Wirtschaftszweige zu ermitteln, konnte zum einen auf die alte Wirtschaftszweigklassifikation von 2003 zurückgegriffen werden, in der die gewünschte Differenzierung noch Bestand hatte. Unter der Annahme, dass der Anteil des entsprechenden Wirtschaftszweiges über die Zeit hinweg konstant blieb, sowie mit Hilfe eines Umsteigeschlüssels konnte so der gesundheitsrelevante Anteil nach der neuen Klassifikation von 2008 ermittelt werden. Zum anderen wurden aber auch Expertenschätzungen verwendet.

Näheres zur Verfahrensbeschreibung kann der Methodendokumentation des WSE-Ansatzes auf der Webseite der AG GGRdL, www.ggrdl.de, entnommen werden.

Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft bei über 38,3 Mrd. Euro

Für das Jahr 2015 wurde für die baden-württembergische Gesundheitswirtschaft eine Bruttowertschöpfung in Höhe von gut 38,3 Mrd. Euro ermittelt. Im Jahr 2013, mit den für die Untergruppe bzw. Kernbereich »Gesundheits- und Sozialwesen« aktuellsten von der AG GGRdL freigegebenen Werten, lag die Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft insgesamt bei nominal rund 35,5 Mrd. Euro. Das Gesundheits- und Sozialwesen als Kernbereich der Gesundheitswirtschaft wies dabei knapp 22 Mrd. Euro aus. Damit war der Anteil des Kernbereichs an der Gesundheitswirtschaft in Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich (67,1 %) mit 61,9 % relativ niedrig. Dies dürfte vor allem an den in Baden-Württemberg besonders bedeutenden Bereichen Pharmazie und Medizintechnik liegen. Sie sind dem Verarbeitenden Gewerbe zugeordnet und daher nicht Teil des Kernbereichs der Gesundheitswirtschaft.

Gemessen an der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft in Baden-Württemberg entsprach die Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft einem Anteil von 9,2 % im Jahr 2015. Damit bewegte sich dieser Anteil in Baden-Württemberg leicht unter dem Durchschnitt aller Bundesländer, was wiederum auf die insgesamt überdurchschnittliche Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes hierzulande zurückzuführen sein dürfte. Im Krisenjahr 2009 belief sich der Anteil der Gesundheitswirtschaft auf 9,6 %. Daran zeigt sich auch die relativ schwache Konjunkturabhängigkeit der Gesundheitswirtschaft. Während nominal betrachtet deren Bruttowertschöpfung 2009 sogar noch leicht gegenüber dem Vorjahr anstieg, war real ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Allerdings mit lediglich 1 % und damit bei weitem nicht im selben Maße wie in der Gesamtwirtschaft mit – 9,6 %. 2015 wurde preisbereinigt ein Zuwachs der Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft im Südwesten von 3,6 % gegenüber 2014 ermittelt. Dies stellte damit nach 2011 die höchste Zuwachsrate seit 2008 (seit Verfügbarkeit der Daten) dar.

Jeder achte Erwerbstätige in der Gesundheitswirtschaft

Die Zahl der Erwerbstätigen in der baden-württembergischen Gesundheitswirtschaft lag 2015 bei gut 762 000 Personen. Gemessen an der Erwerbstätigenzahl der Gesamtwirtschaft entsprach dies einem Anteil von 12,6 %. Im Durchschnitt aller Bundesländer lag der Erwerbstätigenanteil der Gesundheitswirtschaft bei 13,1 %. In Baden-Württemberg stieg die Erwerbstätigkeit in der Gesundheitswirtschaft i.e.S. gegenüber 2014 um 1,9 % an. Eine beachtliche Steigerung, denn verglichen mit der Gesamtwirtschaft lag die Veränderungsrate damit um 1 Prozentpunkt höher. Die im betrachteten Zeitraum höchste Zuwachsrate der Erwerbstätigkeit in der Gesundheitswirtschaft mit 2,1 % wurde ausgerechnet im Wirtschaftskrisenjahr 2009 erzielt. Zum Vergleich: In der Gesamtwirtschaft war im selben Jahr ein Rückgang der Erwerbstätigenzahl von 0,6 % zu verzeichnen. Für 2014 steht auch die Zahl der Erwerbstätigkeit für den Kernbereich »Gesundheits- und Sozialwesen« zur Verfügung. Dort bestanden rund 561 000 Arbeitsplätze, dies waren drei Viertel aller Stellen in der Gesundheitswirtschaft. Aufgrund der in Baden-Württemberg bedeutenden Branchen Pharmazie und Medizintechnik fällt der Anteil des Kernbereichs verglichen mit dem Durchschnitt aller Länder (knapp 78 %) relativ klein aus. Mit einem Zuwachs gegenüber 2013 von 2,3 % zeigte sich die Entwicklung der Erwerbstätigkeit im Kernbereich jedoch hierzulande noch dynamischer als in der Gesundheitswirtschaft insgesamt.

Überdurchschnittliche Arbeitsproduktivität in der Gesundheitswirtschaft

Die Arbeitsproduktivität in der Gesundheitswirtschaft i.e.S, das heißt die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, belief sich in Baden-Württemberg im Jahr 2015 auf knapp 50 300 Euro und lag damit um rund 1 900 Euro über dem Durchschnittswert aller Bundesländer. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Arbeitsproduktivität im Südwesten um 1,6 % an, deutlich stärker als im Schnitt aller Bundesländer (+ 0,6 %). 2013 belief sich die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft insgesamt auf knapp 48 400 Euro. Im Kernbereich, dem Gesundheits- und Sozialwesen, betrug die Arbeitsproduktivität nur rund 40 000 Euro. Dies ist aber nicht außergewöhnlich, da der Dienstleistungssektor – zu welchem das Gesundheits- und Sozialwesen zählt – eine generell niedrigere Produktivität im Vergleich zur Gesamtwirtschaft aufweist. In der restlichen Gesundheitswirtschaft, die vor allem von gesundheitsrelevanten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes geprägt ist, wurde 2013 eine Arbeitsproduktivität von knapp 73 100 Euro erzielt. Zum Vergleich: In der baden-württembergischen Wirtschaft insgesamt erwirtschaftete ein Erwerbstätiger im Schnitt gut 64 000 Euro.

1 Arbeitsgruppe »Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GGRdL)« im Auftrag der Statistischen Ämter der Länder: Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatz nach WZ 2008, 2016, S. 6.

2 Hilbert, J., Fretschner, R. Dülberg, A: Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft. Gelsenkirchen 2002, S. 6; www.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/hilbert02b.pdf (Abruf: 08.09.2016).