:: 3/2017

Gründungsvorhaben von Frauen in Baden-Württemberg

Ergebnisse der Gewerbeanzeigenstatistik 2015

In Baden-Württemberg wagten im Jahr 2015 weniger Frauen den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit als noch im Vorjahr. Ihre Zahl ging jedoch nicht so stark zurück wie die der Gründer. Eine Analyse der Ergebnisse der Gewerbeanzeigenstatistik zeigt, dass sich Existenzgründerinnen hinsichtlich des Umfangs und der Struktur ihrer Gründungstätigkeit gegenüber Existenzgründern unterscheiden. So beginnen Frauen häufiger »klein« als Männer. Während knapp zwei Drittel der Gründerinnen im Nebenerwerb gründeten, waren es bei den Gründern nur gut 40 %. Dagegen waren Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz bei Frauen deutlich seltener als bei Männern. Auch hinsichtlich der Branchenwahl existieren Unterschiede zwischen Gründerinnen und Gründern. Generell gründen Frauen eher in den Dienstleistungsbereichen als Männer. Im folgenden Beitrag sollen diese Aspekte näher betrachtet und darüber hinaus auch die Gründungsaktivität ausländischer Gründerinnen dargestellt werden.

Einen ersten Eindruck der Gründungsaktivität von Frauen und Männern vermittelt die Zahl der bei den Gewerbeämtern angezeigten Neugründungen, bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.1 Danach gründeten im Jahr 2015 von 1 000 erwerbsfähigen Männern in Baden-Württemberg 16 einen Gewerbebetrieb neu, bei den Frauen waren es nur sieben.

Frauen wagten durch eine Neugründung insgesamt deutlich seltener als Männer die Selbstständigkeit. Von den rund 77 000 Gründerpersonen des Jahres 2015 waren nur knapp 22 700 Frauen. Dies entspricht einem Anteil von 29 %. Eine Betrachtung der Entwicklung des Gründerinnenanteils zeigt, dass dieser seit 2005 konstant zwischen 29 % bis 31 % lag. Die Gesamtzahl der Gründerpersonen ist seit 2005 jedoch erheblich zurückgegangen. Die Gründerinnenzahl hat sich von 2005 bis 2015 um gut 7 800 verringert, die der Gründer um rund 15 950. Gegenüber dem Vorjahr ging die Zahl der Existenzgründerinnen im Jahr 2015 mit 1 % etwas weniger stark zurück als die Zahl der Existenzgründer mit 2 %. Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben individuellen Fähigkeiten und Präferenzen spielt auch die Arbeitsmarktlage eine wichtige Rolle. Denn ein starker Arbeitsmarkt ist naturgemäß auch für potenzielle Gründerinnen und Gründer interessant und bietet eine mögliche Alternative zur Selbstständigkeit.2 Eine der Ursachen für die sinkende Zahl an Gründerinnen und Gründern könnte damit der anhaltend stabile Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg sein.

Mehrheit der Frauen gründete im Nebenerwerb

Bei den Existenzgründungen im Jahr 2015 gründeten 31 % der Männer und nur 15 % der Frauen einen Gewerbebetrieb, bei dem aufgrund der voraussichtlichen Beschäftigtenzahl oder der Rechtsform eine größere wirtschaftliche Substanz vermutet werden kann. Dies entsprach rund 20 400 Personen, darunter knapp 3 500 Frauen (17 %). Zum Zeitpunkt der Gründung beabsichtigten etwa 6 500 Männer und rund 1 650 Frauen Beschäftigte einzustellen. Dies waren 47 % der Frauen und 38 % der Männer, die einen Betrieb mit wirtschaftlicher Substanz gründeten.

Frauen sind dagegen bei den Nebenerwerbsgründungen deutlich stärker vertreten als Männer. Während sich mit 62 % knapp zwei Drittel der baden-württembergischen Gründerinnen im Nebenerwerb selbstständig machten, war der Anteil bei den Gründern erheblich geringer. Aber auch die Gründer starteten mit 41 % am häufigsten im Nebenerwerb. Damit spielt diese Form der Gründung eine bedeutende Rolle im Gründungsgeschehen des Landes. Gründerinnen und Gründer, die ihre Selbstständigkeit im Nebenerwerb beginnen, gehen gleichzeitig entweder einer hauptberuflichen Tätigkeit nach, üben eine nicht bezahlte Tätigkeit3 aus oder befinden sich in der Arbeitslosigkeit. Existenzgründungen im Nebenerwerb haben einige Vorzüge für die Gründerinnen und Gründer. Zu den Beweggründen für eine Nebenerwerbsselbstständigkeit gehören unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Existenzabsicherung durch das Gehalt aus der hauptberuflichen Tätigkeit, der geringere Bedarf an Kapital oder die Möglichkeit die Geschäftsidee zu erproben. Diese Form der Neugründung bietet damit ein höheres Maß an zeitlicher Flexibilität und ermöglicht darüber hinaus ein langsames Hineinwachsen in die Selbstständigkeit.

Frauen und Männer gründeten zum großen Teil in Dienstleistungsbereichen

Die Mehrheit der Gründerpersonen startete ihre unternehmerische Selbstständigkeit in den Dienstleistungsbereichen. Von den Existenzgründerinnen gründeten 90 % einen Dienstleistungsbetrieb, bei den Existenzgründern waren es 75 %.

Am häufigsten machten sich sowohl Frauen als auch Männer mit 27 % bzw. 23 % im Handel selbstständig und hier vor allem im Einzelhandel.4 An zweiter Stelle folgte bei den Frauen mit 17 % der Bereich der sonstigen Dienstleistungen. Dazu zählen unter anderem Änderungsschneidereien, Frisörsalons, Nagel- und Sonnenstudios. Mit rund 3 800 Gründerinnen lag der Frauenanteil in diesem Wirtschaftsbereich bei 71 % (gegenüber nahezu 1 600 Existenzgründern). Auch im Gesundheits- und Sozialwesen sind Frauen in der Mehrzahl (67 %).

Mit einem Anteil von 95 % ist das Baugewerbe hingegen nach wie vor ganz deutlich von Männern dominiert. Hier stehen über 9 500 Existenzgründern nur rund 460 Existenzgründerinnen gegenüber. Männer wagten im Baugewerbe mit 18 % ihrer Gründungen am zweithäufigsten den Schritt in die Selbstständigkeit.

Einen Gewerbebetrieb im Bereich der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, zu denen unter anderem die Werbung und Marktforschung aber auch die Unternehmensberatung oder -verwaltung gehören, gründeten 12 % der Frauen und 11 % der Männer. Auch im Bereich der Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen machten sich anteilig etwa gleich viele Gründerinnen (11 %) und Gründer (12 %) selbstständig. Dazu zählen beispielsweise Sekretariats- und Schreibdienste, Hausmeisterdienste oder die Gebäudereinigung.

Frauenanteil bei Unternehmensübernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht bei 32 %

Neben der Gründung eines neuen Betriebes kann eine Selbstständigkeit auch durch die Übernahme eines bestehenden Betriebes beginnen. Ein Unternehmen geerbt, gekauft oder gepachtet haben in Baden-Württemberg im Jahr 2015 rund 5 760 Personen, darunter gut 1 830 Frauen. Damit lag der Frauenanteil mit 32 % etwas über deren Anteil bei den Neugründungen (29 %).

Sowohl 49 % der Frauen als auch der Männer übernahmen ein Hotel- oder Gaststättengewerbe. Dazu gehören unter anderem Restaurants, Cafés, Eisdielen, Imbissstuben, Gasthöfe oder Pensionen. Darauf folgte bei Frauen mit 23 % und bei Männern mit 22 % der Handel. Allein im Einzelhandel traten Frauen mit 20 % und Männer mit 17 % die Unternehmensnachfolge an. Im Verarbeitenden Gewerbe übernahmen dagegen nur knapp 4 % der Frauen und gut 6 % der Männer ein bestehendes Unternehmen.

Darüber hinaus kann auch der Eintritt als Gesellschafterin oder Gesellschafter in ein bestehendes Unternehmen den Weg in die Selbstständigkeit bedeuten. In Baden-Württemberg wurde den Gewerbeämtern im Jahr 2015 von 227 Frauen und 2 306 Männern der Gesellschaftereintritt in ein Unternehmen angezeigt.

Fast 40 % der ausländischen Gründerpersonen kamen aus Rumänien, der Türkei und Italien

Der Anteil der Neugründungen durch ausländische Gründerpersonen ist in den letzten Jahren im Zuge der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten in die Europäische Union in den Jahren 2004, 2007 und 2013 deutlich gestiegen.5 Hatten 2003 noch 13 % der Gründerpersonen eine ausländische Staatsbürgerschaft, waren es 2013 fast 30 %. In den letzten beiden Jahren ist der Ausländeranteil unter den Gewerbetreibenden dagegen wieder gesunken und lag im Jahr 2015 bei nur noch rund 26 %. Hauptursache des Rückgangs dürfte der Wegfall der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit für Staatsangehörige aus Rumänien und Bulgarien (seit dem 1. Januar 2014) sowie aus Kroatien (seit dem 1. Juli 2015) und damit deren leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt sein. Gegenüber 2013 zeigten im Jahr 2015 fast 3 400 weniger Rumänen (−53 %) und gut 2 200 weniger Bulgaren (−70 %) eine Neugründung beim Gewerbeamt an. Die Zahl der Neugründungen kroatischer Staatsbürger ging 2015 im Vergleich zum Vorjahr um rund 400 zurück (−18 %).

Von den 19 715 ausländischen Gründerpersonen in Baden-Württemberg waren 2015 gut 22 % Frauen. Damit lag der Frauenanteil hier unter dem der deutschen Gründerinnen (29 %).6 Bezieht man nun die Zahl der Gründerpersonen auf die jeweilige Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, ergibt sich eine etwas höhere Gründungsaktivität der Ausländerinnen als bei deutschen Frauen. Von 1 000 ausländischen Frauen von 20 bis unter 65 Jahren gründeten acht, von 1 000 deutschen Frauen sieben einen Gewerbebetrieb. Bei den Männern sind die Unterschiede etwas größer. Auf 1 000 Ausländer im erwerbsfähigen Alter kamen 25 Gründer, auf 1 000 deutsche Männer dagegen nur 14 Gründer.

28 % der Gründer und 19 % der Gründerinnen besaßen 2015 eine ausländische Staatsbürgerschaft. Am häufigsten kamen die ausländischen Existenzgründerinnen und -gründer aus Rumänien, der Türkei und Italien. Während nahezu 17 % der ausländischen Gründer aus Rumänien kamen, waren es bei den Existenzgründerinnen nur 9 %. Der größte Anteil der ausländischen Gründerinnen stammte mit 14 % aus der Türkei. Bei den ausländischen Gründern waren es 15 %. Der Anteil der Italiener unter den ausländischen Gründern lag bei 9 %, jener der Italienerinnen unter den Gründerinnen bei 10 %. Häufige Herkunftsländer sind zudem auch Kroatien, Polen, Ungarn und Bulgarien.

Bei den Unternehmensübernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht lag der Ausländeranteil im Jahr 2015 insbesondere bei den Frauen deutlich höher als bei den Neugründungen. 33 % der Männern und 32 % der Frauen, die ein Unternehmen gekauft, geerbt oder gepachtet haben, stammten aus dem Ausland. Am häufigsten kamen die Personen aus der Türkei. Bei den Ausländern waren es 34 %, bei den Ausländerinnen 19 %. Dementgegen stammten lediglich knapp 3 % der Ausländer und rund 6 % der Ausländerinnen, die 2015 ein Unternehmen übernahmen, aus Rumänien. Bei den Neugründungen war Rumänien hingegen vor der Türkei das häufigste Herkunftsland der Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft.

1 Im Alter von 20 bis unter 65 Jahren.

2 KfW-Gründungsmonitor 2016, KfW-Bankengruppe: Arbeitsmarkt trübt Gründerlust deutlich – Innovative Gründer behaupten sich. Frankfurt am Main 2016.

3 Zum Beispiel Familien- oder Hausarbeit, Studium.

4 Ohne den Handel mit Kraftfahrzeugen.

5 Zum 1. Mai 2004 wurden Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern in die EU aufgenommen. Zum 1. Januar 2007 traten Rumänien sowie Bulgarien und zum 1. Juli 2013 Kroatien bei.

6 Der Anteil deutscher Gründerpersonen mit Migrationshintergrund kann durch die Gewerbeanzeigenstatistik nicht abgebildet werden.