:: 12/2023

Kriminalität in Baden-Württemberg

Verurteiltenhäufigkeit weiterhin relativ gering

Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, ist eine Kernaufgabe des Staates. Prävention und Bekämpfung der Kriminalität stehen daher häufig in der öffentlichen Diskussion. Im Jahr 2022 kamen auf 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner im strafmündigen Alter ab 14 Jahren 996 rechtskräftig Verurteilte. Damit lag die Verurteiltenhäufigkeit seit Bestehen des Landes nur im Jahr 2021 noch niedriger.

Statistische Erfassung der Kriminalität

Die Beobachtung und statistische Erfassung der Kriminalität reicht von der Anzeige der Straftaten bei der Polizei bis hin zur gerichtlichen Verurteilung von Tatverdächtigen (i-Punkt). Dabei ist bei der Bewertung der registrierten Kriminalität zu beachten, dass diese durch eine ganze Reihe von Faktoren beeinflusst wird. So zum Beispiel: Wird die Tat aufgeklärt? Ist die tatverdächtige Person strafmündig, also mindestens 14 Jahre alt? Besteht ein hinreichender Tatverdacht? Besteht ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung? Schlussendlich ist auch die Strafzumessung durch die Gerichte, bei der die Schwere der Tat, die Persönlichkeit des Straftäters bzw. der Straftäterin und die Rückfallwahrscheinlichkeit bewertet werden, von besonderer Bedeutung.

Nach den Ergebnissen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)1 wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2022 insgesamt 550 000 Straftaten2 polizeilich registriert. Von diesen konnten 337 700 Fälle oder 61,4 % von der Polizei aufgeklärt werden und rund 239 600 Tatverdächtige, die wegen einer oder mehrerer Straftaten beschuldigt wurden, ermittelt werden. Unter den Tatverdächtigen waren auch 10 500 Kinder im Alter unter 14 Jahren, die noch nicht strafmündig waren und damit strafrechtlich nicht belangt werden können. Lässt man die Kinder unberücksichtigt, so verblieben insgesamt 229 100 Tatverdächtige im Alter von mindestens 14 Jahren.

Erachtet die Staatsanwaltschaft in den polizeilich aufgeklärten Fällen den Tatverdacht als nicht hinreichend oder die Schuld als geringfügig, kann ein Verfahren eingestellt werden. In allen anderen Fällen findet ein gerichtliches Verfahren statt. Nach den Ergebnissen der Strafverfolgungsstatistik mussten sich im Jahr 2022 insgesamt 112 400 Personen vor Gericht verantworten.3 Für 16 300 oder 14,5 % von ihnen endete das Verfahren nicht mit einer Verurteilung, sondern mit einer Einstellung (13 900 Fälle) oder aber mit einem Freispruch (2 200 Fälle).4 96 100 Personen wurden vom Strafgericht für schuldig befunden und wegen einer oder mehrerer Straftaten verurteilt. Die Verurteiltenquote, also der Anteil der Verurteilten an der Gesamtzahl aller von den Gerichten abgeurteilten Personen, betrug 85,5 % (Schaubild 1).

Geldstrafe mit Abstand am häufigsten verhängt

Bei den insgesamt 96 100 Männern und Frauen, gegen die im Jahr 2022 ein rechtkräftiges Urteil erging, wurde in 79 400 Fällen oder 82,6 % eine Geldstrafe verhängt. 12 200 Personen oder 12,7 % wurden zu einem Freiheitsentzug in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Davon setzten die Gerichte rund 8 500 zur Bewährung aus, sodass letztlich 3 700 Verurteilte, das entspricht 3,8 % aller Verurteilten, nach dem Schuldspruch eine Gefängnisstrafe in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe antreten mussten. Bei den übrigen 4 500 Verurteilten (4,7 %) wurden vor allem Verwarnungen oder Jugendarrest (Zuchtmittel) sowie Erziehungsmaßregeln wie die Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Unterbringung in einem Heim angeordnet.

Weniger Verurteilungen bei Jugendlichen und Heranwachsenden, mehr bei Erwachsenen

Während in den beiden Coronajahren 2020 und 2021 die Zahl der Verurteilungen deutlich zurückgegangen war, nahm im Jahr 2022 die Zahl der Verurteilungen gegenüber dem Vorjahr um rund 280 oder 0,3 % auf nunmehr 96 100 Schuldsprüche wieder geringfügig zu. Dabei war in den Altersgruppen eine unterschiedliche Entwicklung zu beobachten. Bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren gab es gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang an Verurteilungen um 9,4 % oder 290 Personen. Auch in der Gruppe der Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren gab es mit einem Minus von 8,8 % bzw. 610 Personen weniger Schuldsprüche als 1 Jahr zuvor. Demgegenüber war bei den Erwachsenen der Altersgruppe 21 Jahre und älter ein Zuwachs an Verurteilungen um 1,4 % bzw. 1 200 Personen zu beobachten. Insgesamt wurden im Jahr 2022 in Baden-Württemberg 2 800 Jugendliche, 6 300 Heranwachsende und 87 000 Erwachsene rechtskräftig verurteilt (Schaubild 2).

Verurteiltenhäufigkeit auf niedrigem Niveau

Für die Beurteilung der Kriminalitätsbelastung ist die Betrachtung der Verurteiltenhäufigkeit von besonderer Bedeutung (siehe i-Punkt). Nach den Ergebnissen der Strafverfolgungsstatistik 2022 ist diese, nachdem sie 2 Jahre in Folge zurückgegangen war, im Berichtsjahr auf 996 Verurteilte je 100 000 strafmündige Einwohnerinnen und Einwohner wieder leicht angestiegen (+0,2 %).

In den Altersgruppen verlief die Entwicklung der Verurteiltenhäufigkeit ähnlich wie die Veränderung der Verurteiltenzahl. In der Altersgruppe der Jugendlichen war prozentual der Rückgang der Verurteiltenziffer mit 9,2 % auf 662 am stärksten. Bei den Heranwachsenden verringerte sich die Ziffer um 6,6 % auf 1 841. Bei den Erwachsenen war dagegen ein Anstieg um 1,2 % auf 980 zu beobachten.

In der Altersgruppe der Heranwachsenden war die Verurteiltenziffer nach wie vor mit Abstand am höchsten, und zwar annähernd dreimal so hoch wie bei den Jugendlichen und mehr als doppelt so hoch wie bei den Erwachsenen.

Zahl der verurteilten Frauen gestiegen

Im Jahr 2022 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 78 700 Männer und 17 400 Frauen rechtskräftig verurteilt. Während gegenüber dem Vorjahr bei den Männern ein Rückgang der Schuldsprüche um 670 Fälle bzw. 0,8 % zu verzeichnen war, nahm die Zahl der verurteilten Frauen um 940 bzw. 5,7 % zu. Gegenüber dem Vorjahr stieg unter den Verurteilten der Anteil der Frauen um 0,9 Prozentpunkte auf nunmehr 18,1 %. Trotz des Anstiegs waren die Frauen nach wie vor in weitaus geringerem Umfang an der gerichtlich registrierten Kriminalität beteiligt als Männer. Die Verurteiltenhäufigkeit betrug im Jahr 2022 bei den Frauen 357 Verurteilte je 100 000 Einwohnerinnen im strafmündigen Alter, bei den Männern lag der Wert bei 1 651, also annähernd fünfmal so hoch (Tabelle 1).

Verurteiltenzahl bei den Deutschen zurückgegangen, bei den Nichtdeutschen dagegen gestiegen

Unter den insgesamt 96 100 gerichtlich Verurteilungen entfielen 54 400 auf Personen mit deutschem Pass. Ihre Zahl nahm im Berichtsjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 % oder 460 Fälle ab. Dagegen stieg die Zahl der Schuldsprüche gegen Nichtdeutsche um 1,8 % oder 740 Verfahren auf 41 700. Gemessen an allen Verurteilten erhöhte sich der Anteil der nichtdeutschen Verurteilten von 42,7 % im Jahr 2021 auf nunmehr 43,4 %.

In den einzelnen Altersgruppen war bei den Deutschen der Rückgang bei den Jugendlichen mit 13,7 % prozentual am höchsten. Bei den Heranwachsenden betrug der Rückgang 5,8 %, während bei den Erwachsenen ein leichter Anstieg um 0,3 % zu beobachten war. Bei den Nichtdeutschen war einzig in der Altersgruppe der Heranwachsenden ein Rückgang der Verurteiltenzahl um 15,2 % festzustellen. Bei den Erwachsenen erhöhte sich die Verurteiltenzahl um 2,7 % und auch bei den Jugendlichen ohne deutschen Pass nahm die Zahl der Verurteilungen erstmals seit 2010 wieder um +5,7 % zu.

Gut jeder vierte Schuldspruch wegen Straßenverkehrsdelikts

Die Verurteilungen konzentrieren sich seit Jahren im Wesentlichen auf fünf ausgewählte Straftatengruppen. Mit insgesamt 25 100 Verurteilungen, dies entspricht mehr als jedem vierten Urteil im Jahr 2022 (26,1 %), waren Schuldsprüche wegen Straßenverkehrsdelikten zahlenmäßig am stärksten vertreten. An zweiter Stelle folgten Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue5 (14 600 Fälle bzw. 15,2 %). 12 100 Schuldsprüche (12,6 %) ergingen wegen Diebstahldelikten und weitere 8 700 (9,1 %) wegen Drogendelikten. Auf die unter den fünf Straftatengruppen kleinste, aber wegen der besonderen Schwere der Straftaten bedeutende Gruppe der Gewaltdelikte entfielen 3 100 Verurteilungen (3,2 %).

Im Vergleich zum Vorjahr ging im Jahr 2022 die Zahl der Verurteilungen in den Straftatengruppen Betrug und Untreue, Drogen- und Gewaltdelikte zurück. Mit einem Minus von 1 700 Schuldsprüchen (–10,6 %) war der Rückgang bei den Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue zahlenmäßig am stärksten, knapp gefolgt von den Verurteilungen wegen Drogendelikten (–1 600 Verfahren bzw. –15,7 %). Auch bei den Schuldsprüchen wegen Gewaltdelikten gab es Im Berichtsjahr 2022 rund 220 Fälle weniger, was einem Minus von 6,7 % entspricht.

Demgegenüber stieg die Zahl der Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten und Diebstahls. Bei den Straßenverkehrsdelikten erhöhte sich die Zahl der Schuldsprüche um fast 2 000 Fälle (+8,6 %), sodass in etwa wieder das Niveau der Verurteilungen aus dem Berichtsjahr 2020 erreicht wurde. Die Zahl der Verurteilungen wegen Diebstahlsdelikten nahm 2022 gegenüber dem Vorjahr um gut 1 000 Schuldsprüche (+9,3 %) zu. Trotz dieses Zuwachses waren dies immer noch deutlich weniger Schuldsprüche als im Jahr 2016, als ein Höchststand von 18 400 Verurteilungen wegen Diebstahlsdelikten registriert wurde (Schaubild 3).

Fast die Hälfte der im Jahr 2022 Verurteilten waren bereits vorbestraft

Von insgesamt 96 100 rechtskräftig verurteilten Personen im Jahr 2022 lag für 91 500 eine Angabe über frühere Strafen vor. Danach hatten 40 600 Verurteilte oder 44,4 % schon eine oder mehrere Vorverurteilungen und waren somit bereits vorbestraft.

Unter den Jugendlichen und Heranwachsenden6 im Alter zwischen 14 bis unter 21 Jahren, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, waren 2 000 Wiederholungstäterinnen und -täter (39,7 %). Davon waren 910 Personen mit einer Vorverurteilung (46 %), weitere 480 mit zwei Vorstrafen (24,5 %) und 580 Jugendliche und Heranwachsende mit drei und mehr Vorstrafen (29,5 %).

Von den nach allgemeinem Strafrecht verurteilten Heranwachsenden und Erwachsenen hatten 38 600 oder 44,6 % mindestens eine Vorstrafe. 10 400 Männer und Frauen waren einmal vorbestraft (26,9 %). In 5 400 Fällen waren es zwei Vorverurteilungen (14 %). 13 500 Heranwachsende und Erwachsene hatten drei bis acht Vorstrafen (34,9 %) und bei 9 300 Personen (24,2%) waren es neun und mehr Vorverurteilungen (Tabelle 2).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung der Kriminalität im vergangenen Jahr insgesamt erfreulich war. Waren die Jahre 2020 und 2021 von den Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie geprägt, kehrten 2022 mit dem Wegfall der Beschränkungen nicht nur das gesellschaftliche Leben zurück, sondern ein Stück weit auch Teile der Kriminalität.7 Dennoch lag die Zahl der Verurteilten immer noch deutlich unter der vor Beginn der Coronapandemie.

1 Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg (Hrsg.) (2023): Sicherheit 2022, Sicherheitsbericht des Landes Baden-Württemberg, S. 178–179.

2 Die Ergebnisse im Text wurden bei Werten bis 1 000 jeweils auf 10, bei Werten über 1 000 auf 100 gerundet. Rundungen von Einzelpositionen können zu Abweichungen bei der gerundeten Gesamtsumme führen.

3 Da die PKS und die Strafverfolgungsstatistik unterschiedliche Erfassungskonzepte aufweisen und zeitlich aufeinander folgen, können deren Jahresergebnisse nicht exakt aufeinander bezogen werden. Gleichwohl erlauben die Ergebnisse einen Blick auf die Größenordnungen der Ausfilterung.

4 Bei weiteren rund 150 Fällen handelt es sich um die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung oder das Absehen von Strafe.

5 § 263 bis 266b StGB.

6 Gegen Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren kann je nach ihrer Persönlichkeitsentwicklung das Jugendstrafrecht oder das Allgemeine Strafrecht angewendet werden.

7 Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden- Württemberg (Hrsg.) (2023): Sicherheit 2022, Sicherheitsbericht des Landes Baden-Württemberg.