:: 12/2023

Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit bei Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistern, Immobilienwesen 1991 bis 2022

Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli sowie der Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 wurde die DDR-Wirtschaft schlagartig dem nationalen und internationalen Wettbewerb ausgesetzt, dem sie aus mehreren Gründen nicht gewachsen war. Die Folge war eine Halbierung der Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe allein zwischen 1989 und 1991 von 3,3 auf 1,7 Millionen (Mill.) Erwerbstätige. Dieser Schrumpfungsprozess hielt auch nach der Wiedervereinigung noch an, 1995 betrug die Zahl der Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe der neuen Länder nur noch 900 000.1 Davon war auch der traditionelle Industriestandort Thüringen massiv betroffen: Allein zwischen 1991 und 1997 hat die Zahl der im Verarbeitenden Gewerbe Erwerbstätigen um über die Hälfte (53 %) abgenommen, in Baden-Württemberg belief sich der Rückgang auf vergleichsweise bescheidene 16 %. Zwar hat sich das Verarbeitende Gewerbe in Thüringen danach erholt, gleichwohl lag die Erwerbstätigkeit 2022 immer noch um 43 % unter dem Niveau von 1991, für Baden-Württemberg wurde dagegen ein deutlich geringerer Verlust in Höhe von 12 % ermittelt.

Der industrielle Aderlass konnte in Thüringen nur in den 1990er-Jahren durch neue Arbeitsplätze im Baugewerbe sowie im Bereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation geringfügig ausgeglichen werden. In der längerfristigen Betrachtung 1991 bis 2022 haben beide Wirtschaftsbereiche in Thüringen unter dem Strich jedoch ebenfalls Erwerbstätige verloren (–44 bzw. –8 %), in Baden-Württemberg war die Entwicklung in den letzten 31 Jahren (–1 % bzw. +29 %) erheblich günstiger.

Anhand dieser und anderer Eckdaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) wurden in verschiedenen Beiträgen dieser Schriftenreihe die Entwicklungslinien der beiden traditionsreichen Industrieländer Baden-Württemberg und Thüringen ab 1991 nachgezeichnet und so beispielhaft die unterschiedlichen Gegebenheiten in Ost und West aufgezeigt.2 Im vorliegenden Beitrag soll untersucht werden, wie sich die Lage und Entwicklung in einem weiteren Dienstleistungsbereich darstellt, nämlich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen.3

Zusammensetzung des Wirtschaftsbereichs

Der Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen umfasst Dienstleistungen unterschiedlicher Art, die auf den Bedarf produzierender Bereiche wie auch privater Haushalte ausgerichtet sind. Dies geht anschaulich aus der Auflistung der Teilbereiche im i-Punkt hervor.

Daten zur Bruttowertschöpfung, zur Erwerbstätigkeit und zur Arbeitsproduktivität werden in den VGR für die Jahre 1991 bis 2022 nur für den gesamten Bereich nachgewiesen. Für die drei Teilbereiche Finanz- und Versicherungsdienstleister; Grundstücks- und Wohnungswesen; Unternehmensdienstleister liegen Ergebnisse für 2000 bis 2021 vor, für die beiden Unterbereiche der Unternehmensdienstleister (freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleister; sonstige Unternehmensdienstleister) sogar nur für 2008 bis 2020. Deshalb kann die spannende Zeit nach der Wende nur für den Wirtschaftsbereich insgesamt nachvollzogen werden.

Bruttowertschöpfung

  • Umfang und Entwicklung in jeweiligen Preisen

Im industriell ausgerichteten Baden-Württemberg hat der weitgehend wirtschaftsorientierte Dienstleistungsbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen traditionell nennenswertes Gewicht: Unmittelbar nach der Wiedervereinigung, also im Jahr 1991, hat dieser Wirtschaftsbereich in Baden-Württemberg 48,98 Milliarden (Mrd.) Euro an Bruttowertschöpfung erwirtschaftet, das waren 22,2 % der gesamten Bruttowertschöpfung des Landes (Tabelle 1). In Thüringen war die sektorale Quote 1991 (bei 1,52 Mrd. Euro) mit 9,7 % nicht einmal halb so groß wie in Baden-Württemberg. Noch deutlicher kommt die Diskrepanz beim Anteil der regionalen Bruttowertschöpfung an Deutschland insgesamt zum Ausdruck: Wie ebenfalls aus Tabelle 1 hervorgeht belief sich die Länderquote 1991 in Baden-Württemberg auf 15,1 %, das entspricht ungefähr dem damaligen Anteil des Landes am gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukt (15,3 %) und übertraf den Bevölkerungsanteil (12,4 %) deutlich. Der Anteil Thüringens an Deutschland lag 1991 beim Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen mit nur 0,5 % erheblich unter den anteiligen Beiträgen zum Bruttoinlandsprodukt (1,1 %) oder zur Gesamtbevölkerung Deutschlands (3,2 %).

Schon von 1991 auf 1992, also innerhalb nur eines Jahres, ist die Bruttowertschöpfung dieser überwiegend von Unternehmen und Selbstständigen erbrachten Dienstleistungen in Thüringen im Zuge eines allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs um fast ein Drittel (+32,4 %) von 1,52 auf 2,01 Mrd. Euro gewachsen, der Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung des Landes verharrte jedoch bei 9,7 %. Schon im Folgejahr 1993 ist diese Quote – bedingt durch eine noch stärkere Wertschöpfungszunahme (+61,4 %) – auf 12,8 % hochgeschnellt. Danach ging der Anteilswert weiter steil nach oben bis auf 21 % im Jahr 2003. In den Folgejahren hat sich bis 2020 die Quote bei rund 21 % eingependelt, der höchste Wert wurde 2009 mit 21,6 % gemessen. Der relativ niedrige Wert in Höhe von 19,4 % im aktuellen Jahr 2022 erklärt sich auch durch damals angestiegene Anteilswerte beim Baugewerbe im Zuge eines kurzzeitigen Baubooms sowie bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation nach Auslaufen der Corona bedingten Einschränkungen. Demgegenüber hat sich der Anteil des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen an der baden-württembergischen Bruttowertschöpfung über die Jahre in deutlich engeren Bandbreiten bewegt: Zwischen 1991 und 1997 ist er von 22,2 auf 25,4 % recht kontinuierlich angestiegen und hat sich in den Folgejahren – mit leicht fallender Tendenz – bis 2021 zwischen 26,3 % (1999) und 23,2 % (2021) eingespielt. Der seit 1992 niedrigste Wert wurde im Südwesten ebenfalls im aktuellen Jahr 2022 mit 22,6 % erzielt.

Trotz der in Thüringen steigenden und in Baden-Württemberg fallenden Tendenz ist der Anteil des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen an der gesamten Bruttowertschöpfung des jeweiligen Landes in Baden-Württemberg in allen Jahren über demjenigen in Thüringen geblieben. Am geringsten war der Abstand 2019 mit 2,8 Prozentpunkten (Baden-Württemberg 23,3 %, Thüringen 20,5 %).

Die Gegenüberstellungen bringen deutlich zum Ausdruck: Bei diesem vor allem durch Unternehmen und Selbstständige geprägten, in der DDR systembedingt nur schwach ausgeprägten Dienstleistungsbereich hat Thüringen erheblich aufgeholt und bezüglich des wirtschaftlichen Gewichts inzwischen durchaus Westniveau erreicht. Entsprechend ist der Anteil Thüringens an der Bruttowertschöpfung Deutschlands in diesem Bereich merklich angestiegen (1991: 0,5 %, seit 1998: 1,4 bis 1,5 %), in Baden-Württemberg dagegen gefallen (1991: 15,1 %, 2022: 13,4 %). Auch der Anteil Baden-Württembergs an Westdeutschland (ohne Berlin) war in der Tendenz rückläufig, während Thüringens Anteil an den ostdeutschen Flächenländern tendenziell eher zugenommen hat (Tabelle 1). Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung dieses Wirtschaftsbereichs als Begleiter der auf Industrie und gewerblichen Mittelstand ausgerichteten Thüringer Wirtschaft.

Tatsächlich hat sich der Wirtschaftsbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen seit 1991 in Thüringen mit +727 % über fünfmal stärker als in Baden-Württemberg mit +139 % ausgeweitet (Tabelle 1). Die jährliche Entwicklung ist in Schaubild 1, Teil a) aufgezeichnet. Deutlich wird die beeindruckende Aufholjagd Thüringens bzw. Ostdeutschlands in den 1990er-Jahren, die bis in die erste Hälfte der 2000er-Jahre angehalten hat und der ein merklich flacheres Wachstum in Baden-Württemberg bzw. Westdeutschland gegenübergestanden ist. So hat sich die Bruttowertschöpfung zwischen 1991 und 2006 in Baden-Württemberg um 61,7 % erhöht, dagegen in Thüringen um 457 %, also fast 7 ½-mal so stark. Danach haben sich die Entwicklungslinien langsam, aber stetig angenähert, und nach 2015 ist die Steigerung im Westen mit Baden-Württemberg (+16,5 %) sogar etwas kräftiger ausgefallen als im Osten mit Thüringen (+13,6 %). Hervorzuheben ist schließlich ein im Krisenjahr 2009 stärkerer Einbruch in Baden-Württemberg (–4,2 %) als in Thüringen (–0,8 %).

  • Preisbereinigte Entwicklung

Die Darstellung der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen und damit in nominaler Rechnung hat den Vorteil, dass hierfür absolute Werte vorliegen und damit Anteilswerte errechnet werden können, wie in Tabelle 1 zusammengestellt. In den VGR wird darüber hinaus die Entwicklung der Bruttowertschöpfung über Veränderungsraten bzw. Indizes auch in preisbereinigter Form veröffentlicht, wodurch ergänzend die reale Entwicklung nachvollzogen werden kann.

Auch in realer Rechnung ist das Wachstum des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen besonders in den 1990er-Jahren in Thüringen deutlich stärker ausgefallen als in Baden-Württemberg: In den Jahren 1992 bis 1998 waren die preisbereinigten Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahr in Thüringen durchweg zweistellig, besonders hoch 1993 mit +32,4 %, 1994 mit +20,8 % und 1995 mit +18,1 %. Zwischen 1991 und 1998 ist die reale Bruttowertschöpfung in Thüringen um nicht weniger als 189 % angestiegen, hat sich also fast verdreifacht. Dem stand in Baden-Württemberg lediglich eine Ausweitung um 25,3 % gegenüber, also ein Zuwachs um ein Viertel. Auch für den Zeitraum 1998 bis 2015 wurden für Thüringen mit +40,8 % höhere Zuwächse gemessen als für Baden-Württemberg mit +15,9 %, dagegen fiel das reale Wachstum zwischen 2015 und 2022 mit +2,4 bzw. +3,1 % in beiden Ländern ähnlich niedrig aus. Im Gesamtzeitraum 1991 bis 2002 ist das reale Wachstum des Bereichs in Thüringen mit +316,3 % über sechsmal so hoch gewesen wie in Baden-Württemberg mit +49,6 %. Dies unterstreicht damit auch in preisbereinigter Betrachtung den gewaltigen Aufholprozess Thüringens im Vergleich zu einem etablierten westdeutschen Land wie Baden-Württemberg.

Erwerbstätige: Umfang und Entwicklung des Gesamtbereichs

Während die Bruttowertschöpfung des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen sowohl in nominaler als auch in realer Rechnung in Thüringen fünf- bzw. sechsmal so stark zugenommen hat wie in Baden-Württemberg, hat sich das Wachstum der dort erwerbstätigen Menschen in beiden Ländern knapp verdoppelt – es ist mit +96,2 bzw. +96,8 % praktisch gleich hoch ausgefallen. In Baden-Württemberg ist die Zahl der Erwerbstätigen von 498 900 auf 978 600 Personen angestiegen, in Thüringen von 76 100 auf 149 900 Personen. Tabelle 2 und noch mehr Schaubild 1, Teil b) zeigen weiterhin, dass diese Entwicklung in Baden-Württemberg (wie auch in Westdeutschland) recht kontinuierlich vonstattenging und erst nach 2018 in eine Stagnation eingemündet ist. Demgegenüber war der Verlauf in Thüringen und in den ostdeutschen Flächenländern durch verschiedene Aufs und Abs gekennzeichnet. Auffallend bei Thüringen ist insbesondere eine zunächst leichte Verringerung 1991/1992, der bis 1994 ein umso stärkerer Anstieg gefolgt ist. Auch zwischen 2005 und 2010 war der Erwerbstätigenzuwachs in Thüringen kräftiger als in Baden-Württemberg. Er ist danach ins Stocken geraten und wurde bis 2019 durch eine Stagnation und anschließend durch einen Rückgang abgelöst. Hervorzuheben ist schließlich, dass die Krisenjahre 2008 und 2009 in Thüringen (Rückgang 2009 gegenüber 2007 um 2,1 %) stärker durchgeschlagen haben als in Baden-Württemberg, wo sich lediglich eine Stagnation eingestellt hat.

Entsprechend haben auch die Anteilswerte des Bereichs an der gesamten Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg einen stetigeren Verlauf genommen als in Thüringen. Dabei hat sich diese Quote in Thüringen zwischen 1991 und 2004, also innerhalb von nur 13 Jahren von 6,2 auf 12,4 % verdoppelt, während für Baden-Württemberg eine deutlich geringere Erhöhung von 9,6 % auf 14 % ermittelt wurde. Dies unterstreicht die zunehmende Bedeutung dieses Bereichs als Teil der jeweiligen Gesamtwirtschaft. Im Anschluss konnten beide Länder steigende Quoten verbuchen, die höchsten Werte wurden 2016 und 2017 mit 15,9 % in Baden-Württemberg und 15,2 % in Thüringen gemessen. Danach ging es in beiden Ländern leicht abwärts auf 15,3 % bzw. 14,6 % im Jahr 2022. Trotz des Thüringer Aufholprozesses konnte Baden-Württemberg somit in allen Jahren auch bei der Erwerbstätigkeit auf höhere Anteilswerte zurückblicken als Thüringen – die Abstände waren im Ausgangsjahr 1991 mit 3,4 Prozentpunkten am größten, 2012 mit 0,3 Prozentpunkten am kleinsten.

Beim Anteil an Deutschland erreichten die im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen erwerbstätigen Personen in Baden-Württemberg Quoten zwischen 12,5 % und 13,4 %, und zwar mit rückläufiger Tendenz. Dies trifft auch für den Anteil Baden-Württembergs an Westdeutschland (ohne Berlin) zu. Thüringen konnte beim Anteil an Deutschland über die Jahre hinweg Quoten zwischen 1,9 % und 2,3 % verbuchen, beim Anteil an den ostdeutschen Flächenländern Anteilswerte zwischen 15,7 % und 17 %. Auch hierbei war die Tendenz in den letzten Jahren allerdings leicht fallend.

Erwerbstätige: Umfang und Entwicklung nach Teilbereichen

Wie eingangs ausgeführt, veröffentlicht der Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« für bestimmte Zeitabschnitte auch Ergebnisse nach Teilbereichen. Sie werden vom Arbeitskreis »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« übernommen und sind im i-Punkt näher beschrieben. In den Schaubildern 2 und 3 ist die Entwicklung im Zeitraum 2000 bis 2021 für die drei Teilbereiche Grundstücks- und Wohnungswesen; Finanz- und Versicherungsdienstleister; Unternehmensdienstleister aufgezeichnet, wobei die Unternehmensdienstleister zum einen freiberufliche, technische und wissenschaftliche Dienstleister, zum anderen sonstige Dienstleister umfassen.

  • Grundstücks- und Wohnungswesen 2000 bis 2021

Der Teilbereich Grundstücks- und Wohnungswesen stellt in beiden Ländern die wenigsten Erwerbstätigen innerhalb des Gesamtbereichs. Bezogen auf die Gesamtzahl aller Erwerbstätigen waren es in Baden-Württemberg zwischen 2000 und 2021 lediglich 0,8 % bis 0,9 %, in Thüringen mit 0,9 % bis 1,1 % etwas mehr. Allerdings konnte Baden-Württemberg zwischen 2000 und 2021 eine leichte Steigerung von 49 200 auf 51 900 Erwerbstätige und damit um 5,5 % verbuchen, während Thüringen in diesem Zeitraum einen Rückgang von 11 300 auf 9 700 Erwerbstätige und damit um 14,2 % hinnehmen musste. Für Baden-Württemberg wurde die höchste Erwerbstätigenzahl 2014 mit 53 400 und die niedrigste 2001 mit 48 400 Personen ermittelt, in Thüringen wurde der Höhepunkt 2000 mit 11 300 und der Tiefpunkt 2013 mit 9 500 Erwerbstätigen erreicht.

  • Finanz- und Versicherungsdienstleister 2000 bis 2021

Zwischen 2000 und 2021 ebenfalls rückläufig war die Zahl, der im Teilbereich Finanz- und Versicherungsdienstleister erwerbstätigen Menschen. Für Baden-Württemberg wurde eine Verringerung von 179 600 auf 147 300 Erwerbstätige und damit um 18 % festgestellt, für Thüringen von 21 900 auf 15 300 Erwerbstätige und damit sogar um 30,1 %. Die beiden Eckjahre 2000 und 2021 markieren weitgehend auch die Hoch- und Tiefpunkte des Erwerbstätigenstandes in diesem Zeitraum. Der Anteil an den Erwerbstätigen insgesamt hat in beiden Ländern abgenommen, er blieb aber in Baden-Württemberg mit 3,3 % (2000) und 2,3 % (2021) durchweg größer als in Thüringen mit 2,1 % (2001) und 1,5 % (2018 bis 2021).

  • Unternehmensdienstleister 2000 bis 2021

Wie die Schaubilder 2 und 3 eindrucksvoll zum Ausdruck bringen, sind bei den Unternehmensdienstleistern die meisten Erwerbstätigen innerhalb des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen beschäftigt – 2021 waren es in Baden-Württemberg 79,4 % und in Thüringen sogar 83,5 %. Bezogen auf die Gesamtzahl aller Erwerbstätigen lagen 2021 Baden-Württemberg mit 12,2 % und Thüringen mit 12,3 % praktisch gleichauf. Im Jahr 2000 war das Gewicht der Unternehmensdienstleister in Baden-Württemberg mit 9,1 % noch merklich höher als in Thüringen mit 8 %, das danach aufgeholt hat und 2007 mit 11,2 % beim sektoralen Anteil erstmals auf gleicher Höhe wie Baden-Württemberg lag. In den Folgejahren 2007 bis 2021 erreichten beide Länder jährlich etwa gleich hohe Quoten zwischen 11 % und 12,7 %.

Aus den Anteilswerten geht bereits hervor, dass es sich bei den Unternehmensdienstleistern um einen bedeutenden und dynamischen Wirtschaftsbereich handelt. Beispielsweise hat 2021 die Anzahl der dort Erwerbstätigen in Baden-Württemberg mit 767 200 Personen das 2,2-Fache des Erwerbstätigenstands im Baugewerbe betragen, in Thüringen war es mit 125 700 Personen immerhin das 1,7-Fache. Genau so beeindruckend ist die Entwicklung gegenüber 2000: Damals waren in Baden-Württemberg noch 504 100 und in Thüringen 86 100 Personen bei den Unternehmensdienstleistern erwerbstätig, woraus sich für Baden-Württemberg ein Zuwachs bis 2021 um 52,2 % und für Thüringen um 46 % errechnet. Besonders hohe Steigerungsraten wurden jeweils im Zeitraum 2004 bis 2011 erzielt, unterbrochen allerdings durch Rückgänge im Krisenjahr 2009. Ab 2018 konnten allenfalls bescheidene Zuwächse ermittelt werden, überwiegend musste sogar eine verringerte Erwerbstätigkeit in Kauf genommen werden.

  • Unterbereiche der Unternehmensdienstleister 2008 bis 2020

Für den Zeitraum 2008 bis 2020 können mit den Erwerbstätigendaten auch zwei Unterbereiche der Unternehmensdienstleister untersucht werden. Sie sind beide von Gewicht und stellen in beiden Ländern sowohl beim Umfang als auch bei der Entwicklung der Erwerbstätigkeit die Teilbereiche Grundstücks- und Wohnungswesen sowie Finanz- und Versicherungsdienstleister in den Schatten.

Bei den freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen Dienstleistern konnte Baden-Württemberg in diesen 12 Jahren einen Zuwachs der Erwerbstätigenzahlen von 343 000 auf 410 700 Personen und damit um 19,7 % verzeichnen, in Thüringen waren es bei einem Erwerbstätigenaufbau von 43 600 auf 47 700 Personen +9,4 % und damit knapp halb so viel wie im Südwesten. Während dabei Baden-Württemberg auf ein nahezu kontinuierliches jährliches Wachstum zurückblicken konnte, wurden in Thüringen besonders hohe Steigerungsraten bis 2012 gemessen, dagegen zwischen 2015 und 2017 leichte Verringerungen des Erwerbstätigenstandes.

Der Anteil an den Erwerbstätigen insgesamt hat zwischen 2008 und 2020 in beiden Ländern zugenommen, in Baden-Württemberg von 6 % auf 6,5 % und in Thüringen von 4,2 % auf 4,6 %. Der Abstand von zuletzt rund 2 Prozentpunkten macht aber auch deutlich, dass dieser überwiegend auf Wirtschaft und Verwaltung bzw. Forschung und Entwicklung ausgerichtete Dienstleistungsbereich (vgl. i-Punkt) in Baden-Württemberg ein stärkeres Gewicht hat als in Thüringen.

Anders sieht dies bei den sonstigen Unternehmensdienstleistern aus, deren Leistungen in größerem Maße von privaten Haushalten nachgefragt werden (vgl. ebenfalls i-Punkt). Hier konnte Thüringen im gesamten Zeitraum 2008 bis 2020 signifikant höhere Anteile an der gesamten Erwerbstätigkeit verbuchen als Baden-Württemberg. Im Einzelnen haben sich die sektoralen Quoten in Baden-Württemberg von 5,3 % auf 5,6 % ausgeweitet, in Thüringen sogar von 6,9 % auf 7,6 %. Interessanterweise wurden die geringsten Anteilswerte in beiden Ländern im Krisenjahr 2009 gemessen (5 % bzw. 6,6 %), die höchsten 2017 (6,1 % bzw. 8,2 %).

Die Anzahl der bei den sonstigen Unternehmensdienstleistern erwerbstätigen Personen ist zwischen 2008 und 2020 in Baden-Württemberg von 303 400 auf 351 100 Personen und damit um 15,7 % angestiegen, in Thüringen von 72 100 auf 77 600 Personen und damit um 7,6 %; wie bei den freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen Dienstleistern ist der Zuwachs nach 2008 also auch bei den sonstigen Unternehmensdienstleistern nur knapp halb so groß ausgefallen wie in Baden-Württemberg. Im gesamten Teilbereich Unternehmensdienstleister hat der Erwerbstätigenaufbau 2008 bis 2020 in Thüringen mit +8,3 % ebenfalls weniger als die Hälfte der Zunahme in Baden-Württemberg mit +17,9 % ausgemacht.

Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen

  • Umfang und Entwicklung in jeweiligen Preisen

Die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen gilt üblicherweise als Maßstab für die Arbeitsproduktivität bzw. die Leistungskraft einer Volkswirtschaft oder eines Wirtschaftsbereichs. Dabei wird die Wertschöpfung auf die Anzahl der Erwerbstätigen und damit auf den Wirtschaftsfaktor Arbeit bezogen, obwohl auch andere Faktoren wie vor allem Kapital, also Maschinen oder andere technische Einrichtungen und Gebäude, sowie Grund und Boden zur Gesamtleistung beitragen.

Im Falle des Wirtschaftsbereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen spielen Boden und Gebäude eine herausragende Rolle, wie ein Blick auf die Zahlen in Deutschland insgesamt zeigt. Die auf die Zahl der Erwerbstätigen bezogene Bruttowertschöpfung des Teilbereichs Grundstücks- und Wohnungswesen erzielte 2021 in Deutschland mit 722 953 Euro je Erwerbstätigen (ET) den mit Abstand höchsten Wert aller Wirtschaftsbereiche, das ist fast das 10-Fache des gesamtwirtschaftlichen Durchschnitts in Höhe von 72 445 Euro je ET.4 Auch der Teilbereich Finanz- und Versicherungsdienstleister weist traditionell eine überdurchschnittlich hohe Arbeitsproduktivität auf, 2021 waren es deutschlandweit 113 305 Euro je ET und damit mehr als im Verarbeitenden Gewerbe mit 90 888 Euro je ET. Lediglich der Teilbereich Unternehmensdienstleister blieb mit 61 445 Euro je ET im Jahr 2021 unter dem Durchschnitt in Höhe von 72 445 Euro je ET. Gerade bei den personalintensiven Unternehmensdienstleistern, aber auch bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern spielen außerdem die Arbeitnehmerentgelte eine große Rolle für den Umfang der Arbeitsproduktivität – sie haben 2021 deutschlandweit bei den Unternehmensdienstleistern mit 63,1 % und bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern mit 60,8 % zur Bruttowertschöpfung beigetragen. Beim Grundstücks- und Wohnungswesen waren es gerade einmal 5,4 %, hier waren der Nettobetriebsüberschuss einschließlich Selbstständigen-Einkommen mit 30 % und vor allem die Abschreibungen mit 62,1 % dominierend.

Der hohe Beitrag der Arbeitnehmerentgelte zur Bruttowertschöpfung erklärt zum Teil die Unterschiede in der Arbeitsproduktivität des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen in den beiden hier untersuchten Ländern. Wie Tabelle 3 zeigt, hat Baden-Württemberg beim Gesamtbereich 2022 eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 119 836 Euro je ET erzielt, das waren 43 % mehr als der für Thüringen ermittelte Wert von 83 787 Euro je ET. Ähnlich war die Situation 2021 mit 117 007 zu 80 668 Euro je ET (Abstand 45 %). Beim Teilbereich mit der höchsten Arbeitsproduktivität, dem Gebäude- und Wohnungswesen, übertraf 2021 Baden-Württemberg (911 716 Euro je ET) Thüringen (613 041 Euro je ET) um 48,7 %. Schon merklich größer war die Diskrepanz 2021 bei den Teilbereichen Finanz- und Versicherungsdienstleister mit 56,8 % (110 157 gegenüber 70 272 Euro je ET) sowie Unternehmensdienstleister mit 57,6 % (64 560 gegenüber 40 956 Euro je ET). Zu diesen Abweichungen hat eben auch beigetragen, dass die Löhne und Gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer (AN) bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern 2021 in Baden-Württemberg mit 55 663 Euro je AN um 24,9 % umfangreicher ausgefallen sind als in Thüringen mit 44 583 Euro je AN, bei den Unternehmensdienstleistern waren es 40 062 gegenüber 26 790 Euro je AN und damit sogar 49,5 %.5

Im Ausgangsjahr 1991 war die Abweichung zwischen Baden-Württemberg und Thüringen bei der Bruttowertschöpfung je ET des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen noch viel größer: Während wie ausgeführt 2022 Baden-Württemberg bei diesem Indikator Thüringen um 43 % übertroffen hat, betrug der Abstand 1991 satte 391 % – 98 174 Euro je ET in Baden-Württemberg standen 19 980 Euro in Thüringen gegenüber (Tabelle 3). Danach startete Thüringen eine Aufholjagd mit einer Verdoppelung innerhalb von 2 Jahren bis 1993, einer Verdreifachung bis 1996 und einer Vervierfachung bis 2021. Im gesamten Zeitraum 1991 bis 2022 ergab sich für Thüringen eine Zunahme um 319,4 %, für Baden-Württemberg nur um 22,1 %. Diese stark divergierende Entwicklung bei der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen erklärt sich aus entsprechenden Abweichungen beim Wachstum beider Komponenten: Während bei der Bruttowertschöpfung die Zunahme in Baden-Württemberg mit 139,4 % deutlich hinter der Steigerung in Thüringen um 726,5 % zurückgeblieben ist (Tabelle 1), ist der Erwerbstätigenaufbau zwischen 1991 und 2022 in beiden Ländern mit +96,2 bzw. +96,8 % gleich hoch ausgefallen (Tabelle 2).

Schaubild 1 beschreibt die jährliche Entwicklung der drei volkswirtschaftlichen Indikatoren im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen und lässt die entsprechenden Zusammenhänge erkennen. Auffällig ist zunächst eine erstaunlich gleichgelagerte Entwicklung von Bruttowertschöpfung (Teil a)) und Erwerbstätigkeit (Teil b)) in Baden-Württemberg, vor allem in den ersten 2 Jahrzehnten. Bei der Arbeitsproduktivität (Teil c)) führt dies dazu, dass das Niveau im Jahr 2012 weitgehend demjenigen im Ausgangsjahr 1991 entspricht; lediglich zwischen 1991 und 1993 hat sich ein nennenswerter Anstieg und zwischen 1994 und 2000 ein erwähnenswerter Rückgang der Produktivität eingestellt. Im Krisenjahr 2009 wurde, nach geringfügigem Auf und Ab, wieder das Niveau von 2000 erreicht, anschließend hat die Arbeitsproduktivität in Baden-Württemberg ziemlich kontinuierlich zugenommen. Demgegenüber war die Entwicklung der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen in Thüringen durch einen steilen Anstieg zwischen 1991 und 1997 gekennzeichnet, der sich aus einem kräftigen Wachstum der Bruttowertschöpfung und einer deutlich schwächeren Zunahme der Erwerbstätigen ergibt. Wie in Baden-Württemberg, so waren auch in Thüringen die Folgejahre durch deutlich geringere Auf- und Abwärtsentwicklungen geprägt, 2010 wurde die Arbeitsproduktivität des Jahres 1996 leicht unterboten. Danach ist die Produktivität in Thüringen wieder etwas kräftiger angestiegen als in Baden-Württemberg.

In den Jahren 1991 und 1992 hat Baden-Württemberg bei der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen den bundesdeutschen Durchschnitt noch um 14,3 % bzw. 12,6 % übertroffen (Tabelle 3), in den beiden Folgejahren 1993 und 1994 waren es nur 10,8 %. Danach war der prozentuale Abstand weiter positiv, aber nur noch einstellig zwischen 3,2 % und 9,9 %. Der Rückgang in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre wurde entscheidend durch den starken Anstieg in Ostdeutschland bewirkt, abzulesen auch aus der Entwicklung in Thüringen (Tabelle 3): Bezogen auf den bundesdeutschen Durchschnittwert erreichte Thüringen bei der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen 1991 weniger als ein Viertel (23,3 %), bereits 1992 fast drei Zehntel (29,1 %), 1993 gut vier Zehntel (41,6 %) und 1994 knapp die Hälfte (48,3 %). Nach weiteren Zunahmen wurden im Jahr 2000 mit 66,5 % etwa zwei Drittel erreicht und 2022 fast drei Viertel (74,3 %).

Über die Jahre hinweg hat sich die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen in Baden-Württemberg ungefähr auf der Höhe des westdeutschen Durchschnitts bewegt. In Thüringen blieb sie dagegen zumeist merklich unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer, von denen allerdings nur Brandenburg – wohl auch wegen der Nähe zum bevölkerungs- und wirtschaftsstarken Berlin – signifikant höhere Werte realisieren konnte.

  • Preisbereinigte Entwicklung

Für die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen stellt der Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« außerdem Veränderungsraten bzw. Indizes in realer, also preisbereinigter Rechnung zur Verfügung, die den technologischen Fortschritt besser zum Ausdruck bringen können. Auch in preisbereinigter Betrachtung hat sich zwischen 1991 und 2022 die Arbeitsproduktivität des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen in Thüringen deutlich dynamischer entwickelt als in Baden-Württemberg: Einer guten Verdoppelung (+111,1 %) in Thüringen stand eine Abnahme um fast ein Viertel (–23,7 %) in Baden-Württemberg gegenüber. Abgesehen von starken Verminderungen in den Jahren 2000 (–7,6 %), 2003 (–3,9 %), 2004 (–5 %) und 2009 (–4,7 %) bewegten sich die Veränderungsraten in Baden-Württemberg zwischen +2,2 % (2001 und 2013) und –3,3 % (1997) in relativ engen Bandbreiten. Thüringen konnte dagegen in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre überwiegend zweistellige Wachstumsraten verbuchen, so 1991 mit +13,4 %, 1992 mit +25,7 %, 1993 mit +9 %, 1994 mit +15,5 % und 1995 mit 10,3 %. Auch in den Folgejahren wurden zumeist positive Veränderungsraten gemessen, der Korridor war mit +5,1 % (2013) und –6,1 % (2004) allerdings erheblich breiter als in Baden-Württemberg.

Interessant ist die Entwicklung in den Jahren nach 2000, weil sie dann bis 2021 auch für die drei Teilbereiche nachvollzogen werden kann. Zunächst ist festzustellen, dass die reale Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen im Gesamtbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen nicht nur in den 1990er-Jahren, sondern auch zwischen 2000 und 2021 in Baden-Württemberg ab-, in Thüringen aber zugenommen hat: –13,4 % standen +5,1 % gegenüber. Im Teilbereich Finanz- und Versicherungsdienstleister mussten beide Länder von 2000 bis 2021 reale Produktivitätsverluste hinnehmen, jedoch Baden-Württemberg mit –9,3 % etwas stärkere als Thüringen mit –6,2 %. Noch ausgeprägter war die Diskrepanz im Teilbereich Unternehmensdienstleister, wo sich bei einer Stagnation in Thüringen (–0,2 %) ein deutlicher Rückgang in Baden-Württemberg (–23 %) eingestellt hat. Dagegen konnten beide Länder beim Gebäude- und Wohnungswesen erhebliche reale Produktivitätssteigerungen verbuchen, wiederum jedoch in Baden-Württemberg deutlich niedrigere (+27,3 %) als in Thüringen (+69,5 %).

Die genannte Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen wurde in nicht geringem Maße durch tendenziell kürzere Arbeitszeiten beeinflusst, beispielsweise durch Verringerung der Wochenarbeitszeit oder zunehmende Teilzeitarbeit, und zwar in Thüringen ausgeprägter als in Baden-Württemberg: Im Gesamtbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen hat das Arbeitsvolumen je erwerbstätiger Person zwischen 2000 und 2022 in Baden-Württemberg um 4,5 %, aber in Thüringen um 10,8 % und damit mehr als doppelt so stark abgenommen. Betrachtet man deshalb die preisbereinigte Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde der Erwerbstätigen anstatt der preisbereinigten Bruttowertschöpfung je Anzahl der Erwerbstätigen, so ergibt sich im Zeitraum 2000 bis 2022 für Thüringen eine noch stärkere Produktivitätsausweitung (+20,3 % statt +7,3 %) und für Baden-Württemberg eine merklich schwächere Produktivitätsverringerung (–9,3 % statt –13,4 %).

Zusammenfassende Bewertung

Der Übergang von der Planwirtschaft in die freie Marktwirtschaft im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hatte insbesondere in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre tiefe Einschnitte in Wirtschaft und Arbeitsleben der neuen Länder zur Folge, die immer noch sichtbar sind. Dies unterstreicht deutlich ein Vergleich der beiden Länder Baden-Württemberg und Thüringen.

So ist die Zahl aller Erwerbstätigen im Zeitraum 1991 bis 2022 in Baden-Württemberg um 23,4 % gestiegen, aber in Thüringen um 16,5 % gesunken. Dieses Auseinanderdriften ist vor allem auf unterschiedliche Entwicklungen im Produzierenden Gewerbe zurückzuführen: In diesen 31 Jahren hat die Erwerbstätigkeit im Verarbeitenden Gewerbe in Baden-Württemberg mit –12,3 % erheblich weniger abgenommen als in Thüringen mit –43,4 %, und im Baugewerbe stand einer Stagnation in Baden-Württemberg (–0,6 %) in Thüringen ein gleich hoher Rückgang wie im Verarbeitenden Gewerbe (–43,6 %) gegenüber. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den in weiten Teilen wirtschafts- und gewerbenahen Bereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, wo sich die Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg um 29,4 % ausgeweitet, aber in Thüringen um 7,8 % verringert hat.

Insofern stellt der Dienstleistungsbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen aus Sicht Thüringens einen Lichtblick dar: Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich innerhalb dieser 31 Jahre in beiden Ländern nahezu verdoppelt (+96,2 bzw. +96,8 %), die Entwicklung erfolgte über die Jahre hinweg sogar ziemlich parallel. Bedingt durch die genannten Unterschiede in der gesamten Erwerbstätigkeit ist der Anteil dieses Bereichs an der Zahl der erwerbstätigen Personen insgesamt in Thüringen stärker gestiegen ist als in Baden-Württemberg und hat 2022 mit 14,6 % fast schon den baden-württembergischen Wert von 15,3 % erreicht; 1991 waren es noch 6,2 % gegenüber 9,6 %. Dies unterstreicht die innerhalb von gut 3 Jahrzehnten nachhaltig gewachsene Bedeutung dieses Dienstleistungsbereichs in Thüringen.

Beim weitaus größten Teilbereich, den Unternehmensdienstleistern, wurden in Thüringen seit 2007 ungefähr gleich hohe Anteile an der gesamten Erwerbstätigkeit gemessen wie in Baden-Württemberg – 2021 waren es 12,3 % gegenüber 12,2 %. Auch beim Grundstücks- und Wohnungswesen hat Thüringen seit 2000 eher etwas höhere Anteilswerte erreicht, 2021 waren es 0,9 % gegenüber 0,8 %. Dagegen konnte Thüringen bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern nie das Gewicht Baden-Württembergs mit seinen auch überregional bedeutsamen Versicherungs- und Bankunternehmen erreichen: 2021 hat dieser Teilbereich in Thüringen mit 1,5 % deutlich weniger zur gesamten Erwerbstätigkeit beigetragen als in Baden-Württemberg mit 2,3 %.

Während zwischen 1991 und 2022 der Erwerbstätigenaufbau im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen mit einer jeweils knappen Verdoppelung in Baden-Württemberg und Thüringen gleich hoch ausgefallen ist, verlief die Entwicklung der Bruttowertschöpfung sehr viel differenzierter: Die hierüber gemessene Wirtschaftskraft ist von 1991 bis 2022 in Baden-Württemberg nominal um 139 % und real um knapp 50 % gewachsen, dagegen in Thüringen um 727 % bzw. 316 % und damit fünf- bzw. sechsmal so stark. Hervorzuheben ist die kräftige Aufholjagd zwischen 1991 und 2006, als die Bruttowertschöpfung in Thüringen um nominal 457 % bzw. real 244 % zugenommen hat, während für Baden-Württemberg Wachstumsraten in Höhe von 62 % bzw. 29 % gemessen wurden. In den folgenden Jahren hat sich die Wertschöpfung beider Länder in einem erstaunlichen Gleichschritt entwickelt. Der Beitrag dieses Bereichs zur gesamten Bruttowertschöpfung hat 2022 in Baden-Württemberg mit 22,6 % einen gegenüber 1991 mit 22,2 % kaum veränderten Anteilswert erreicht, in Thüringen hat er sich von 9,7 % auf 19,4 % exakt verdoppelt, ohne allerdings das baden-württembergische Niveau zu erreichen.

Bedingt durch die abweichende Entwicklung von Wertschöpfung und Erwerbstätigkeit in beiden Ländern hat auch die Arbeitsproduktivität, gemessen über die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, insbesondere in den Anfangsjahren unterschiedliche Verläufe genommen: In jeweiligen Preisen hat die Produktivität in Baden-Württemberg 2012 gerade einmal das Niveau von 1991 gehalten, in Thüringen hat sie sich mehr als verdreifacht. In den folgenden Jahren (2012 bis 2022) waren die Zuwächse dann auch bei diesem Indikator in beiden Ländern etwa gleich hoch. Im Gesamtzeitraum 1991 bis 2022 ist die Produktivität in Baden-Württemberg nominal um 22 %, in Thüringen dagegen um 319 % gewachsen. Trotzdem konnte Thüringen 2022 mit 83 787 Euro je Erwerbstätigen gerade einmal 70 % des baden-württembergischen Betrags in Höhe von 119 838 Euro je Erwerbstätigen erreichen.

In realer Rechnung stand ein Rückgang in Baden-Württemberg (–24 %) einer guten Verdoppelung in Thüringen (+111 %) gegenüber. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei einer Betrachtung je geleisteter Arbeitsstunde, wofür Daten von 2000 bis 2022 vorliegen. In diesen 22 Jahren hat sich das Arbeitsvolumen je erwerbstätiger Person in Thüringen (–10,8 %) mehr als doppelt so stark verringert wie in Baden-Württemberg (–4,5 %). Die reale Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde der Erwerbstätigen hat dadurch zwischen 2000 und 2022 in Thüringen mit +20,3 % sehr viel kräftiger zugenommen als die Bruttowertschöpfung je erwerbstätiger Person mit +7,3 %, aber in Baden-Württemberg mit –9,3 % im Vergleich zu –13,4 % weniger stark abgenommen.

1 Ragnitz, Joachim: Lange Wege der Deutschen Einheit – Strukturwandel nach Entindustrialisierung, https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/ (Abruf: 22.10.2023).

2 Münzenmaier, Werner: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit 1991 bis 2021, in: Statistisches Monatsheft 4/2023, S. 29–44. Derselbe: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit im Verarbeitenden Gewerbe 1991 bis 2021, in: Statistisches Monatsheft 5/2023, S. 45–53. Derselbe: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit im Baugewerbe 1991 bis 2022, in: Statistisches Monatsheft 6+7/2023, S. 45–53. Derselbe: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit in Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation 1991 bis 2022, in: Statistisches Monatsheft 8/2023, S. 43–53.

3 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 1, Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2022, Berechnungsstand August 2022/Februar 2023, Stuttgart, März 2023.

4 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Fachserie 18 Reihe 1.4, Inlandsproduktberechnung – Detaillierte Jahresergebnisse 2022, Rechenstand Februar 2023. Wiesbaden, März 2023.

5 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 2, Arbeitnehmerentgelt, Bruttolöhne und -gehälter in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2022, Berechnungsstand August 2022/Februar 2023. Stuttgart, März 2023.