Indikatoren zur Siedlungsentwicklung

1. Einleitung

Grund und Boden sind nur begrenzt verfügbar. Raumbezogene Planungen müssen zwei grundsätzliche Aspekte berücksichtigen: die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Flächen und Einrichtungen für die Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse (z. B. Wohnen, Arbeiten, Erholung etc.), sowie den Schutz und sorgsamen Umgang mit der Ressource Boden. Die Flächennutzung steht somit im Schnittpunkt ökologischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungen. Dabei liegt die Organisation der Flächennutzung weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich, in der Verantwortung der kommunalen Planungsträger.

Mit den Begriffen »Flächenverbrauch« oder »Flächeninanspruchnahme« wird die Umwidmung von vormals naturnaher land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen hin zu siedlungsbezogener Nutzung umschrieben. An Literatur zu diesem Thema mangelt es wahrlich nicht. Zumeist nähern sich die Autoren der Fragestellung aus einer räumlich übergeordneten Perspektive und betrachten allenfalls die Situation auf Ebene der Stadt- und Landkreise. Was fehlt, sind konkrete Hilfestellungen für die Entscheidungsträger in den Gemeinden, basierend auf belastbaren Zahlen. Diese Lücke sollen die vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg bereitgestellten Indikatoren zur Siedlungsentwicklung teilweise schließen. Infolge der Vielschichtigkeit des Themas »Flächenverbrauch« erschließt sich die Problematik erst durch die Würdigung verschiedener (Einzel-) Indikatoren im Sinne einer systematischen Gesamtbetrachtung.

2. Indikatoren

Die im Folgenden vorgestellten Indikatoren sind flächendeckend für alle Gemeinden verfügbar und werden regelmäßig aktualisiert. Die Datenerhebung wird unter räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkten methodisch einheitlich durchgeführt. Dafür wird auf bereits vorhandene Daten der amtlichen Statistik zurückgegriffen. Insgesamt werden vier Indikatoren berechnet, welche Auskunft über den allgemeinen Flächeneinsatz in den Gemeinden sowie dessen Effizienz, Qualität und Managements geben. Mit Ausnahme des Bereiches Flächenmanagement erfolgt jeweils eine Beschreibung des Status quo und der Entwicklung der letzten 10 Jahre.

Indikator/BezeichnungEinheit
Flächeneinsatz
Siedlungsfläche je Einwohner 2022m²/Einwohner
Veränderung der Siedlungsfläche je Einwohner 2012 bis 2022m²/Einwohner
Effizienz
Wohnfläche zu Wohnbaufläche 2022m²/Hektar
Index 2022 zu 2012 Wohnfläche zu Wohnbaufläche2012=100
Qualität
Anteil der Erholungsflächen an der Siedlungsfläche 2022%
Index 2022 zu 2012 Anteil der Erholungsflächen an der Siedlungsfläche2012=100
Flächenmanagement
Wohn- und Nutzfläche in Neubauten zu Veränderung der baulich geprägten Flächen 2012/2022m²/ m²
Wohnfläche in Neubauten zu Veränderung der Wohnbaufläche 2012/2022m²/ m²

2.1 Flächeneinsatz

Der Flächeneinsatz, gemessen als Siedlungsfläche je Einwohner, stellt das gesamte Ausmaß der durch Kommunen organisierten Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke dar. Damit die Ergebnisse zwischen den Gemeinden verglichen werden können, wird der Flächeneinsatz ins Verhältnis zur Wohnbevölkerung gesetzt. Veränderungen des Flächeneinsatzes können nur dann richtig beurteilt werden, wenn man zugleich die Einwohnerentwicklung berücksichtigt.

Der ansonsten weit verbreitete Indikator »Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche« ist auf kommunaler Ebene nur bedingt aussagekräftig, mitunter sogar irreführend. Zum einen ist die Gesamtgemeindefläche zu sehr von Zufälligkeiten bestimmt, zum anderen sind die Verkehrsflächen, hier insbesondere die klassifizierten Straßen, die Bahnanlagen und Flugplätze nur bedingt durch die kommunale Planung beeinflussbar. Mit dem Verzicht auf die Berücksichtigung der Verkehrsfläche spiegelt die Kategorie Siedlungsfläche (definiert als Siedlungs- und Verkehrsfläche ohne den Teil Verkehrsfläche) zwar nicht das Gesamtmaß der Flächeninanspruchnahme dar, erlaubt aber eine vergleichsweise präzise Einschätzung des jeweiligen Siedlungsgeschehens, da »fremd verursachte« Flächennutzungen weitgehend ausgespart bleiben.

Was können Kommunen unternehmen, um ihren Flächeneinsatz zu reduzieren?

Ein sparsamer und schonender Umgang mit Grund und Boden ist gemäß § 1a BauGB geboten. Bei einer Neuausweisung von Siedlungsflächen auf der grünen Wiese ist der Bedarf unter Betrachtung möglicher Alternativen nachzuweisen. Ein in Relation zur jeweiligen Vergleichsgruppe erhöhter Flächeneinsatz je Einwohner deutet auf ungenutzte Entwicklungspotenziale im Innenbereich hin.

Zusätzliche Flächeninanspruchnahme kann reduziert werden durch:

  • das gezielte Nutzen von Innenentwicklungspotenzialen (Flächenrecycling, Nachverdichtung, Baulückenschließung),
  • Optimieren der Nutzungsdichte, etwa durch Beteiligung an regionalen Gewerbeflächenpools zur Vermeidung von Flächenleerstand,
  • zügige und vollständige Umsetzung neuer Baugebiete (Bauplatzvergabe mit Bauverpflichtung).

2.2 Effizienz der Flächennutzung

Die Wohnflächendichte gibt an, wie viel Wohnfläche je Hektar Wohnbaufläche verfügbar ist. Dieser Indikator ist ein Maßstab dafür, wie dicht ein Wohngebiet bebaut ist.

Was können Kommunen unternehmen, um die Effizienz ihres Flächeneinsatzes zu verbessern? Eine effiziente Bodennutzung kann erreicht werden durch:

  • Förderung bestehender Quartiere durch bewusste Lenkung von Investitionen (Aufwertung öffentlicher Räume, Sanierungsprogramme, Abbau von baurechtlichen Restriktionen, Nachverdichtung),
  • das Formulieren von Qualitätszielen (angemessene Siedlungsdichten, Verhältnis Mehrfamilienhäuser zu Einfamilienhäusern, Förderung gemischter und urbaner Quartiere),
  • Verbessern der Standortqualitäten zur Durchsetzung von Qualitätszielen (Anschluss an den ÖPNV, Ausbau der Nahversorgung),
  • zügige und vollständige Umsetzung neuer Baugebiete (Bauplatzvergabe mit Bauverpflichtung) und Schließen von Baulücken.

2.3 Qualität der Flächennutzung

Ein hoher Anteil von Erholungsflächen (Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche und Friedhof) an der Siedlungsfläche relativiert in gewissem Umfang einen vorhandenen hohen Flächeneinsatz. Erholungsflächen stellen im Allgemeinen einen deutlich geringeren Eingriff in Natur und Umwelt dar als überwiegend baulich geprägte Flächen (Wohnbaufläche, Industrie- und Gewerbefläche, Fläche gemischter Nutzung und Fläche besonderer funktionaler Nutzung) oder Verkehrsflächen.

Was können Kommunen unternehmen, um die Qualität ihres Flächeneinsatzes zu optimieren? Planung muss zwischen effizienter und qualitätsvoller Flächennutzung abwägen. Die einseitige Steigerung der Effizienz kann zu einem problembehafteten Wohn- und Arbeitsumfeld und einer unverhältnismäßigen Belastung der Umwelt führen und gefährdet im Extremfall die Nachhaltigkeit einer städtebaulichen Entwicklung.

Die gezielte Ausweisung von Erholungsflächen trägt maßgeblich dazu bei,

  • das Wohn- und Arbeitsumfeld zu verbessern und dadurch Einwohner in der Stadt zu halten bzw. für die Stadt zurück zu gewinnen,
  • die ökologischen Belastungen durch Siedlungsflächen zu mindern (z. B. Verbesserung des Mikroklimas, ökologische Trittsteine, Biotopvernetzung),
  • im Einzelfall herausragende Standortqualitäten zu entwickeln, die in angrenzenden Bereichen überdurchschnittliche Nutzungsdichten erlauben,
  • einen wirksamen Puffer zu schaffen, der eine unkontrollierte Ausbreitung der Baugebiete in sensible Landschaftsbereiche verhindern kann (z. B. durch Gestaltung eines Ortsrands).

2.4 Flächenmanagement

Beim Thema Flächenmanagement richtet sich der Blick auf die durch Planung kurz- bis mittelfristig beeinflussbaren Veränderungen. Einen solchen Einblick in die Siedlungsentwicklung erhält man, wenn man das Baugeschehen (fertig gestellte Wohn- und Nutzfläche bzw. nur fertig gestellte Wohnfläche aus der Baufertigstellungsstatistik) mit dem Zuwachs an Baugebietsfläche (baulich geprägte Fläche bzw. nur der Wohnbaufläche) in Relation setzt.

Niedrige Werte sind Anzeichen für neu ausgewiesene, aber noch nicht bebaute Flächen. Hohe Werte ergeben sich vor allem dann, wenn bereits vereinnahmte Flächen nachträglich bebaut oder Maßnahmen im Bestand durchgeführt werden. Und schließlich könnten einzelne Flächen auch einer anderen Nutzung zugeführt worden sein.

Was können Kommunen unternehmen, um ihr Flächenmanagement zu verbessern? Das Flächenmanagement kann durch folgende Maßnahmen zur Innenentwicklung direkt beeinflusst werden:

  • Erfassen und Aktivieren von Innenentwicklungspotenzialen (durch Flächenrecycling, Nachverdichtung, Baulückenschließung),
  • Unterstützung von Entwicklungsvorhaben im Bestand (durch Standortentscheidungen für kommunale Vorhaben, Aufwertung öffentlicher Räume, Sanierungsprogramme).
  • Erreichen angemessener Siedlungsdichten (Verhältnis Mehrfamilienhäuser zu Einfamilienhäuser, Förderung gemischt genutzter und urbaner Quartiere),
  • zügige und vollständige Umsetzung neuer Baugebiete (Bauplatzvergabe mit Bauverpflichtung),
  • das Vermeiden von Flächenleerstand, etwa durch Beteiligung an einem regionalen Gewerbeflächenpool.

3. Datenquelle

Der statistische Nachweis des Flächenverbrauchs bzw. der Flächennutzung erfolgt mit Hilfe der Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung (FEtN), die 1979 eingerichtet und seit 1980 in 4-jährigem, seit 2008 im jährlichen Turnus aktualisiert wurde. Deren Ergebnisse beruhen auf dem Liegenschaftskataster Stand 31. Dezember des Jahres und sind somit so aktuell wie das Kataster selbst. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwischen dem Ende einer Baumaßnahme und deren endgültiger Registrierung im Kataster ein Zeitraum von mehreren Monaten liegen kann.

In der öffentlichen Diskussion besteht häufig die – falsche – Vorstellung, dass es sich beim Flächenverbrauch in vollem Umfang um »versiegelte« Flächen handelt. Dabei umschreibt »Versiegelung« das teilweise oder vollständige Abdichten offener Böden durch bauliche Anlagen, Verkehrsflächen- und Freiflächengestaltung. Zu den baulich geprägten Flächen rechnen jedoch auch die der Bebauung untergeordneten unbebauten Flächen wie beispielsweise Vor- und Ziergärten, zu den Verkehrsflächen Begleitflächen wie Seitenstreifen, Böschungen, Gräben, etc.

4. Auswertung und Bewertung

Es ist ein politisch erklärtes Ziel, die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche – also den Flächenverbrauch – bundesweit zu senken: zunächst von 120 Hektar täglich (Referenzzeitraum 1997/2000) bis 2020 auf 30 Hektar täglich; bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Daraus lassen sich zwar auf Landesebene entsprechende Zielvorgaben ableiten, nicht jedoch für die einzelne Kommune. Insbesondere in den Verdichtungsräumen wird die Notwendigkeit zu einem sparsamen Umgang mit Grund und Boden immer offenkundiger. Im ländlichen Raum ist der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche zwar noch vergleichsweise gering, aber auch hier ist Handlungsbedarf mehr und mehr erkennbar.

Die Indikatoren werden nach Raumkategorien und Gemeindegrößenklassen ausgewiesen, um eine bessere Vergleichbarkeit zu ermöglichen.

Durchschnittswerte der Indikatoren und deren Spannbreiten für die 16 Vergleichsgruppen unterschiedlicher Raumkategorien und Größenklassen
lfd Nr.An­zahl Ge­mein­denRaum­kate­gorie und Größen­klasseSied­lungs­fläche je Ein­woh­nerVer­ände­rung der Sied­lungs­fläche je Ein­woh­nerWohn­flächen­dichte Wohn­fläche je Wohn­bau­flächeVerän­de­rung der Wohn­flächen­dichteAn­teil der Erho­lungs­flächen an der gesam­ten Sied­lungs­flächeVeränd­erung des Erho­lungs­flächen­anteilsWohn-/Nutz­fläche von Neu­bau­ten im Ver­gleich zur Ent­wick­lung der baulich gepräg­ten FlächenWohn­fläche in Neu­bau­ten im Ver­gleich zur Ent­wick­lung der Wohn­bau­fläche
Stand 31.12. 2022Entwicklung 2012 bis 2022Stand 31.12. 2022Index 2022 zu 2012Stand 31.12. 2022Index 2022 zu 2012Entwicklung 2012 bis 2022Entwicklung 2012 bis 2022
m² / ha2012 = 100%2012 = 100m² / m² Baulandm² / m² Bauland
230Verdichtungsraum
138unter 5.000255,46−4,903.15996,8610,0798,920,730,26
263 5.000 bis 10.000243,11−5,563.553100,0112,94100,940,950,42
37110.000 bis 20.000229,85−3,383.83598,4814,03105,091,030,42
43920.000 bis 50.000218,25−5,664.12499,6813,54102,191,320,55
519über 50.000171,46−9,015.160101,2417,63103,404,690,85
216Randzone um Verdichtungsraum
694unter 5.000338,71−2,592.77297,9613,38101,060,570,25
776 5.000 bis 10.000317,88−3,672.81298,7612,4399,440,600,28
846über 10.000303,64−10,743.05898,7613,7398,850,800,32
57Verdichtungsbereich im Ländlichen Raum
916unter 5.000415,323,672.32796,558,0796,880,420,18
1020 5.000 bis 10.000415,257,432.31098,868,99101,240,490,23
1121über 10.000309,77−10,642.95398,0411,41100,090,670,29
598Ländlicher Raum im engeren Sinn
12154unter 2.000549,7624,921.98692,9210,70105,630,260,12
13120 2.000 bis 3.000519,6313,792.06194,3711,4397,690,310,13
14148 3.000 bis 5.000486,428,732.18195,4511,2499,290,360,16
15112 5.000 bis 10.000454,337,842.28095,959,3698,420,390,17
1664über 10.000395,57−3,922.57296,0712,0999,260,550,21

Um innerhalb der Gruppen sinnvolle Vergleichsmaßstäbe zu erhalten, werden Extremwerte ausgeschlossen. Die Festlegung eines als signifikant geltenden Bereiches erfolgt durch die Konzentration auf 95% der Datensätze, wobei die Werte, die am nächsten zusammenliegen, ausgewählt werden. Die Extremwerte beruhen in der Regel auf besonderen, einmaligen Umständen und sind für die allgemeine Beurteilung nicht ausschlaggebend. Um jedoch auch solche Sonderfälle nicht gänzlich auszublenden, werden sie stark gestaucht außerhalb des eigentlichen Wertebereichs am äußeren Rand oder im Mittelkreis der Wertungsscheibe eingeordnet.

Um einen prägnanten Überblick über die Ergebnisse der einzelnen Kommune in den vier Themenfeldern zu ermöglichen, werden die Indikatoren in einer einheitlichen Grafik zusammengefasst. Jedem der vier Themenfelder entspricht ein Sektor des Wertungskreises. Analog zu einer Zielscheibe liegen vorteilhafte Werte näher beim Zentrum, während nachteilige Werte am äußeren Rand abgebildet sind. Durch die grafische Darstellung wird damit deutlich,

  • ob der Wert einer Gemeinde über oder unter dem Durchschnitt innerhalb der Vergleichskategorie liegt und
  • wie weit sich der Wert einer Gemeinde – ob positiv oder negativ – vom Durchschnitt der Vergleichskategorie entfernt.

Die durchgezogene blaue Linie steht für die Verhältnisse in der Gemeinde, die dunkel schraffierte Fläche zeigt die Werte der Vergleichskategorie. Liegt beispielsweise beim Indikator »Siedlungsfläche je Einwohner« die blaue Linie außerhalb der dunkel schraffierten Fläche, ist der Flächeneinsatz je Einwohner höher als in der Vergleichsgruppe. Das könnte an ungenutzten Entwicklungspotenzialen im Innenbereich liegen. Die gestrichelten Linien definieren den unteren (grün) und oberen (rot) Extremwertbereich.

Hinweis: Zum Stand 31. 12. 2016 wurde die Flächenerhebung auf einen neuen Merkmalskatalog umgestellt. Begriffe und Inhalte weichen deshalb von der ursprünglichen Version ab.