Methodische Hinweise zur zeitlichen Vergleichbarkeit von Mikrozensusergebnissen

Im Mikrozensus wird seit 1957 jährlich rund 1 % der Haushalte zu einem breiten Themenspektrum befragt. Einige Themen werden im Rahmen von Sondermodulen normalerweise im vierjährigen Rhythmus erhoben. Damit ermöglicht der Mikrozensus über einen langen Zeitraum die Beschreibung der Lebensverhältnisse der Menschen in Deutschland und Baden-Württemberg bis hinunter zu den Raumordnungs-und Planungsregionen.

Die zu befragenden Haushalte werden über ein mathematisch-statistisches Zufallsverfahren ausgewählt. Wie bei Stichprobenerhebungen üblich, steigt die Unsicherheit der Ergebnisse je kleiner die Fallzahl der Befragten ist,die eine spezifische Merkmalskombination aufweisen. Stark unsichere Werte werden in den Ergebnistabellen nicht ausgewiesen,sondern mit / gekennzeichnet. Die Werte mit reduzierter Aussagekraft sind geklammert ().Weitere Erläuterungen zur Erhebungsmethodik und Ergebnisqualität können den Qualitätsberichten zum Mikrozensus entnommen werden.

Weitere Informationen zur Erhebung sind auf www.mikrozensus.de zusammengestellt. Die Erhebungsinhalte sind unter dem FAQ-Punkt „Antworten auf häufige Fragen zum Mikrozensus im Allgemeinen“ dargestellt.

Der Mikrozensus wird ständig methodisch und inhaltlich weiterentwickelt. Dies schränkt die Vergleichbarkeit einzelner Ergebnisse über die Zeit ein.

Zeitvergleiche im Mikrozensus sind nur innerhalb gewisser Zeiträume,in denen mit derselben Methodik und Hochrechnungsbasis erhoben wurde,ohne Einschränkung möglich. Sollen Zeitpunkte verglichen werden, zwischen denen Zeitreihenbrüche liegen (siehe Tabelle 1), sollten deren Auswirkungen bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Nr.JahrÄnderung
a2020Komplett neues Erhebungskonzept
b2017Konzeptionelle Veränderungen im Zuge des neuen Mikrozensusgesetzes 2017
c2016Umstellung der Stichprobe auf Basis Zensus 2011
d2011Rückwirkende Umstellung der Hochrechnungsbasis auf die Bevölkerungsfortschreibung mit Basis Zensus 2011
e2005Umstellung auf eine unterjährige Erhebung
f1991Umstellung auf die Hochrechnungsbasis der Volkszählung 1987

Die Art des Zeitreihenbruches bestimmt dessen Wirkungen auf die Daten

Eine Veränderung der Hochrechnungsbasis, wie von 1990 auf 1991 und von 2010 auf 2011, wirkt sich überwiegend auf die Absolutzahlen aus und nur in geringerem Umfang auf relative Verhältnisse.Zeitvergleiche über eine solche Umstellung hinaus sollten nur auf Basis von Anteilswerten und nicht auf Basis von Absolutzahlen vorgenommen werden.

Die Umstellung der Stichprobe von 2015 auf 2016 wirkte sich insbesondere strukturell aus. Die Effekte sind aber in den meisten Bereichen relativ unbedeutend. Die Veränderungen im Erhebungskonzept 2005, 2017 und 2020 wirken sich quantitativ und strukturell aus. Die Auswirkungen betreffen einzelne Themenbereiche besonders und sollten dort bei der Interpretation entsprechend berücksichtigt werden. Details hierzu stehen in den jeweiligen Abschnitten.

Im Einzelnen sind in den letzten beiden Jahrzehnten folgende Zeitreihenbrüche zu beachten:

a) Zeitreihenbruch 2020

Zum Erhebungsjahr 2020 wurden viele methodische und konzeptionelle Veränderungen im Mikrozensus vorgenommen, die ab dem Jahr 2020 wirksam sind. Die Ergebnisse ab 2020 sind daher mit den Jahren 2019 und früher nur eingeschränkt vergleichbar. DerZeitreihenbruch fällt in unterschiedlichen Themenbereichen unterschiedlich stark aus (siehe auch Neuregelung des Mikrozensus ab 2020.

Zudem war die Erhebung 2020 durch einmalige Belastungen stark beeinträchtigt. Aufgrund der Mängel in den Daten werden Ergebnisse für das Jahr 2020 vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg grundsätzlich nicht herausgegeben. Ab dem Erhebungsjahr 2021 stehen die Mikrozensusdaten wieder in hoher Qualität zur Verfügung und sind in der gewohnten fachlichen und regionalen Tiefe auswertbar.

Die ab dem Erhebungsjahr 2020 umgesetzten zeitreihenrelevanten konzeptionellen und methodischen Veränderungen betreffen insbesondere folgende Bereiche:

i.Erweiterung des Frageprogramms

Neben der bereits seit 1968 integrierten Arbeitskräfteerhebung (Labour Force Survey, LFS) wird seit dem Erhebungsjahr 2020 auch die bisher separat durchgeführte europäische Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, SILC) im Mikrozensus erhoben. Die Befragung zur Nutzung von Informations-und Kommunikationstechnologien (IKT) in privaten Haushalten ist seit dem Erhebungsjahr 2021 ebenfalls Bestandteil des Mikrozensus. Die zusätzlichen Frageprogramme LFS, SILC und IKT werden jeweils in Substichproben der Mikrozensus-Stichprobe abgefragt. Durch die Integration dieser neuen Bestandteile ergeben sich viele neue Auswertungsmöglichkeiten.

ii. Einführung der festen Berichtswoche

Um das Befragungsvolumen gleichmäßiger über das Jahr zu verteilen, wurde die feste Berichtswoche eingeführt. D.h. unabhängig vom realisierten Befragungsdatum geben die Haushalte Auskunft zu ihrer Lebenssituation in einer zuvor im Stichprobenplan festgelegten Berichtswoche.

iii. Veränderung bezüglich der Art der Befragungsdurchführung

Zum Erhebungsjahr 2020 hatten die Befragten erstmals die Möglichkeit, Ihre Angaben in einem Online-Meldesystem zu machen. Darüber hinaus ist der bisher präferierte Erhebungsweg der persönlichen vor Ort Interviews durch Erhebungsbeauftragte pandemiebedingt fast vollständig weggebrochen. Die meisten Meldungen gingen 2021 über das Online-Meldesystem ein, gefolgt von telefonischen Befragungen durch Erhebungsbeauftragte und das Landesamt.

iv. Konzeptionelle Veränderungen in einzelnen Themenbereichen

In den Themenbereichen Migration, Haushalte und Lebensformen wurden konzeptionelle Anpassungen vorgenommen.Ein Vergleich der Werte von 2019 und früher mit denen nach der Umstellung ist vielfach nicht sinnvoll. Bitte wenden Sie sich bei konkreten Fragen zur zeitlichen Vergleichbarkeit bei diesen Themenbereichen an das Statistische Landesamt.

v. Neues Veröffentlichungskonzept

Ab dem Erhebungsjahr 2020 werden Erst-und Endergebnisse erstellt. Damit können Ergebnisse deutlich schneller als vor 2020 bereitgestellt werden.Jedoch fehlt in den Erstergebnissen ein kleiner Teil der zu befragenden Haushalte. Außerdem besteht bei den Erstergebnissen aufgrund der Konstruktion des Systems noch keine vollständige Konsistenz zwischen Ergebnissen der einzelnen Substichproben.

Die Endergebnisse basieren im Gegensatz zu Erstergebnissen auf einer höheren Anzahl befragter Haushalte. Dies ist dadurch bedingt, dass manche Haushalte zeitverzögert nach Erinnerungen/Mahnungen noch Auskunft geben. Die Endergebnisse werden an aktualisierten Bevölkerungseckwerten hochgerechnet und sind zudem zwischen den Substichproben konsistent.

Außerdem ermöglicht das neue Konzept die Veröffentlichung von vorläufigen Quartals-und Halbjahresergebnissen. Diesen liegt ebenfalls noch nicht die endgültige Hochrechnung zugrunde. Denn die endgültigen Hochrechnungsfaktoren für vorläufige Quartals-und Endergebnisse werden mit den Erst-bzw. Endergebnissen geliefert.

b) Zeitreihenbruch 2017

i. Überhöhte Hochrechnung der Bevölkerung im Jahr 2017

Im Rahmen der Hochrechnung der Mikrozensusstichprobe erfolgt eine Anpassung an Eckwerten aus der Bevölkerungsfortschreibung. Diese liegen jedoch zum Zeitpunkt der Hochrechnung noch nicht jahresaktuell vor. Daher wird für die Hochrechnung des Mikrozensus eine Vorausschätzung der monatlichen Bevölkerungszahlen bis zum aktuellen Jahr verwendet. In den Jahren 2016 und 2017 verzögerte sich die Bereitstellung der monatlichen Fortschreibungsergebnisse. Demzufolge waren die Vorausschätzungen für die Jahre 2016 und 2017 von einer größeren Unsicherheit geprägt und fußten auf den lediglich bis einschließlich Dezember 2015 vorliegenden Bevölkerungszahlen.

Nach einem starken Anstieg der Zuwanderung im Jahr 2015 ging die Zuwanderung im zweiten Halbjahr 2017 stark zurück. Die vorläufig geschätzten Bevölkerungszahlen vielen daher insbesondere für die ersten drei Quartale 2017 gegenüber der endgültigen Bevölkerungsfortschreibung zu hoch aus. Entsprechend ist die hochgerechnete Bevölkerungszahl des Mikrozensus 2017 um rund 50.000 Personen überzeichnet. Dies wirkt sich auf die Absolutzahlen in allen Themenbereichen aus.

ii. Einschränkung der Grundgesamtheit auf Personen in Privathaushalten ab 2017

Ab dem Berichtsjahr 2017 werden für Personen in Gemeinschaftsunterkünften 1 nur noch wenige Merkmale erhoben. Ergebnisse des Mikrozensus beziehen sich daher ab 2017 grundsätzlich nur noch auf Personen in Privathaushalten. Die nachgewiesene Personenzahl reduziert sich damit in Baden-Württemberg um knapp 140.000 Personen. Auswertungen nach Familien/Lebensformen sind von dieser Änderung nicht betroffen, da sich diese auch vor 2017 nur auf Personen in Privathaushalten bezogen.

Um die gegenüber den Vorjahren veränderte Grundgesamtheit kenntlich zu machen, wurde in den Auswertungen der Hinweis „in Privathaushalten“ ergänzt.Die Zahl der Erwerbstätigen reduziert sich durch die neue Grundgesamtheit um ca. 10.000.

Die folgenden methodischen Anpassungen im Jahr 2017 sind nur in einzelnen Themenbereichen relevant.

iii. Auskunftspflichtige Erfassung von Lebenspartnerschaften ab 2017

Ab dem Berichtsjahr 2017 ist die Frage nach einer:m Lebenspartner:in im Haushalt mit Auskunftspflicht belegt. Wenn keine Partnerschaft angegeben wurde, wurden die Personen bis 2016 als Alleinstehende bzw. Alleinerziehende nachgewiesen. Durch die Auskunftspflicht erhöhte sich der Anteil der nachgewiesenen Lebenspartnerschaften bundesweit um ca. 5% (vgl. Wista 4/2018, S.47ff)

iv. Veränderung der Erfassung des Migrationshintergrundes ab 2017

Eine Person hat in der Konzeption des Mikrozensus einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde bzw. als Spätaussiedler:in zuwanderte. Ab 2017 wird jährlich der „Migrationshintergrund im weiteren Sinne“ erfasst. Damit wird ein Migrationshintergrund auch für Personen ermittelt, deren Eltern nicht mit im Haushalt leben. Beim Migrationshintergrund im engeren Sinne werden nur im Haushalt lebende Eltern berücksichtigt.Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg stieg aufgrund dieser methodischen Veränderung im Jahr 2018 um rund 210.000 Personen an.

Mit der Umstellung stieg auch die Zahl der Personen, deren beide Elternteile aus unterschiedlichen Ländern stammen. Diese Personen bekommen den Status „unbestimmt“. Die Zahl der Personen mit eindeutig einem Land zuweisbarer Abstammung verringert sich dadurch. Für die Bestimmung des Abstammungslandes wird zudem nicht mehr die Staatsbürgerschaft bzw. ehemalige Staatsbürgerschaft, sondern das Geburtsland herangezogen.

c) Zeitreihenbruch 2016:

i. Umstellung der Stichprobe

Ab dem Berichtsjahr 2016 wurde die Grundlage der Stichprobenziehung auf die Ergebnisse des Zensus 2011 umgestellt. Mit der neuen Stichprobengrundlage werden insbesondere Haushalte in neuen Wohngebäuden besser erfasst. Durch diese Umstellung ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse des Mikrozensus 2016 mit den Vorjahren eingeschränkt.

ii. Starke Zuwanderung Schutzsuchender 2015 und 2016

Ein weiterer Effekt, der die Ergebnisse vor allem im Berichtsjahr 2016 beeinflusst, ist mit der ungewöhnlich starken Zuwanderung im Jahr 2015 insbesondere durch Schutzsuchende verbunden. Bei der überwiegenden Mehrheit der Aufnahmeeinrichtungen handelte es sich um Gebäude, die normalerweise nicht für Wohnzwecke genutzt werden. Die dort lebenden Menschen wurden nicht für den Mikrozensus befragt. Bei der Hochrechnung wurde jedoch die Gesamtzahl der Ausländer:innen berücksichtigt. Bei der Interpretation der Ergebnisse zur Bevölkerung ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollte deshalb berücksichtigt werden, dass diese nur auf Angaben der in Privathaushalten lebenden Ausländerinnen und Ausländer beruhen und somit nicht alle Schutzsuchenden erfasst wurden.

d) Zeitreihenbruch 2011: Neue Hochrechnung auf Basis des Zensus 2011

Die Ergebnisse der Mikrozensus der Jahre 1991 bis 2010 wurden anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Volkszählung 1987 hochgerechnet. Ab dem Erhebungsjahr 2011 liegen die Ergebnisse des Mikrozensus hochgerechnet anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011 vor. Weitere Informationen hierzu finden sich unter Hochrechnung des Mikrozensus auf Basis des Zensus 2011. Der Zensus 2011 hat gegenüber der bisherigen Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Volkszählung 1987 bundesweit niedrigere Bevölkerungszahlen festgestellt. Besonders ist die Zahl der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit deutlich zurückgegangen (-15%).

e) Zeitreihenbruch 2005: Umstellung auf eine unterjährige Erhebung

Von 1991 bis 2004 wurde der Mikrozensus nach dem „Berichtswochenkonzept“ erhoben. Alle Befragungen eines Jahres wurden bezogen auf eine bestimmte Woche durchgeführt. Seit 2005 wird der Mikrozensus als unterjährige Erhebung durchgeführt, so dass seitdem auch Jahresdurchschnittsergebnisse zur Verfügung stehen. Zudem wurden im Jahr 2005 weitere methodische und organisatorische Veränderungen am Erhebungskonzept vorgenommen. Weitere Hinweise besonders bezüglich der Haushaltezahlen finden sich in der Publikation Mikrozensus: Haushaltszahlen ab 2005.