:: 1/2004

Pflegebedürftige in Baden-Württemberg

Rund zwei Prozent der baden-württembergischen Bevölkerung sind derzeit pflegebedürftig. Mehr als die Hälfte davon, rund 112 000 Personen, waren 80 Jahre und älter. Das Pflegerisiko von Frauen ist ab dem 75. Lebensjahr deutlich höher als das der Männer, während vor der Vollendung des 75. Lebensjahres die männliche Bevölkerung das höhere Pflegerisiko aufweist.

Mitte Dezember 2001 wurde in Baden-Württemberg zum zweiten Mal die Bundesstatistik über die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste und Pflegeheime) durchgeführt. Rechtsgrundlage der Pflegestatistik ist die Verordnung zur Durchführung einer Bundesstatistik über Pflegeeinrichtungen sowie über die häusliche Pflege. Die Erhebung erfolgt als Bestandserhebung zweijährlich zum 15. Dezember.

110 000 Pflegebedürftige stationär und ambulant versorgt …

In den 944 stationären Pflegeeinrichtungen wurden am Stichtag rund 67 000 Pflegebedürftige versorgt (Schaubild 1), darunter mehr als 64 000 in vollstationärer Dauerpflege. Ein Drittel der stationären Leistungsempfänger gehörten der Pflegestufe I an, 46 % der Stufe II und 18 % der Pflegestufe III, die verbleibenden 3 % waren Ende 2001 noch keiner Pflegestufe zugeordnet. Die stationären Einrichtungen verfügten über annähernd 73 000 Plätze, darunter fast 71 000 für vollstationäre Dauerpflege. Das entspricht einer durchschnittlichen Platzzahl von 41 Plätzen je 1 000 Einwohner ab 65 Jahren. In den stationären Einrichtungen arbeiteten zum Jahresende 2001 landesweit mehr als 57 700 Beschäftigte, rund 83 % waren Frauen.

Fast 43 700 Pflegebedürftige wurden durch insgesamt 771 ambulante Pflegeeinrichtungen betreut. 48 bzw. 38 % der Leistungsempfänger waren jeweils der Pflegestufe I bzw. II zugeordnet, die übrigen 14 % der Pflegestufe III. In den ambulanten Einrichtungen arbeiteten zum Jahresende 2001 landesweit ca. 20 000 Beschäftigte; auch hier lag der Frauenanteil wie bei den stationären Einrichtungen bei knapp über 83 %.

Traditionell stellen die freigemeinnützigen Träger mit deutlichem Abstand die meisten Einrichtungen in der Altenpflege. Rund 64 % der Pflegeeinrichtungen stehen in Baden-Württemberg unter der Regie freigemeinnütziger Träger. Die bedeutendsten Anbieter hier sind die Wohlfahrtsorganisationen der beiden großen Kirchen, das Diakonische Werk und die Caritas, sowie der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Der Anteil der Einrichtungen privater Träger liegt bei 27 %. Etwa ein Zehntel der stationären Einrichtungen befindet sich in öffentlicher, also kommunaler oder sonstiger öffentlicher Trägerschaft (zum Beispiel Land, höherer Kommunalverband).

… und 100 000 durch Angehörige gepflegt

Weitere 100 000 Pflegebedürftige nahmen das so genannte Pflegegeld in Anspruch, das heißt, sie wurden durch Familienangehörige oder Bekannte in ihrer häuslichen Umgebung oder im Haushalt der Pflegeperson gepflegt. Das Pflegegeld ist ebenfalls nach dem Schweregrad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt und wird von der Pflegekasse an den anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen gezahlt. Für 56 % dieser Personen wurde Pflegegeld nach der Pflegestufe I, für 35 % nach der Pflegestufe II und für 9 % nach der Pflegestufe III gezahlt.

Nach der Einstufung durch den Medizinischen Dienst waren Ende 2001 also insgesamt fast 100 000 Personen (47 %) der Pflegestufe I, 82 000 (39 %) der Pflegestufe II und gut 27 000 (13 %) der Pflegestufe III zugeordnet. Zu diesem Zeitpunkt noch keiner Pflegestufe zugeordnet waren 1 % der Pflegebedürftigen. Das sind vor allem die Pflegebedürftigen, die im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt direkt in die Pflegeeinrichtung aufgenommen wurden und Leistungen nach dem Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) erhalten, für die jedoch noch keine Zuordnung zu einer bestimmten Pflegestufe vorliegt.

Je nach Art der Pflegeleistung gibt es Unterschiede über die Verteilung der Fallzahlen auf die Pflegestufen. Werden die Pflegebedürftigen allein durch die Angehörigen ohne professionelle Hilfe versorgt, ist die Schwere der Pflegebedürftigkeit im Durchschnitt geringer als wenn ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen die Betreuung übernehmen. So liegt der Anteil der Schwerstpflegebedürftigen mit 18 % im stationären Bereich am höchsten, während unter den Pflegegeldempfängern nur 9 % Pflegeleistungen der Pflegestufe III erhalten. Im Unterschied dazu sind mehr als die Hälfte der Pflegegeldempfänger in Pflegestufe I eingestuft, während dies bei stationär versorgten Pflegebedürftigen nur bei einem Drittel der Fall ist. Da Pflegebedürftige in der niedrigsten Pflegestufe wohl am ehesten zu Hause durch die Angehörigen ohne fremde Hilfe versorgt werden können, ist dieser Zusammenhang wenig überraschend. Andererseits dürfte es vielen Angehörigen schwer fallen, bei Schwerstpflegebedürftigkeit die Versorgung zu Hause aus eigenen Kräften zu organisieren, sodass die Unterbringung im Heim in diesen Fällen nicht selten die einzige Möglichkeit einer adäquaten Versorgung darstellt.

Verschiebung von höheren zu niedrigeren Pflegestufen

Verglichen mit den Ergebnissen aus der im Jahr 1999 erstmals durchgeführten Pflegestatistik hat der Anteil der Pflegebedürftigen in Pflegestufe I zugenommen. Dies gilt ebenso für Pflegegeldempfänger wie für Pflegebedürftige, die durch ambulante oder stationäre Pflegeeinrichtungen betreut wurden. Dagegen war der Anteil der Pflegebedürftigen der Stufe II und III bei den Pflegegeldempfängern sowie Personen, die ausschließlich von ambulanten Pflegeeinrichtungen versorgt wurden, rückläufig (Tabelle). Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat im Jahr 2001 öfter die Pflegestufe I bewilligt als 1999. Gleichzeitig wurden weniger Anträge auf Pflegestufe II und III im Vergleich zum Vorvorjahr positiv begutachtet.

Etwas anders stellt sich die Situation im stationären Bereich dar. Auch hier hat sich der Anteil der Personen mit Pflegestufe I stark erhöht (8 %), jener der Pflegestufe II stieg nur leicht um 3 % und der bei der Pflegestufe III um immerhin 6 % an. Gleichzeitig nahm der Anteil von Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen, die noch nicht eingestuft waren, von 6,0 % im Jahre 1999 auf 3,4 % 2001 ab. Fasst man alle Leistungsarten zusammen, dann lässt sich eine Verschiebung von höheren zu niedrigeren Pflegestufen feststellen.

Zu Hause wurden 2001 insgesamt 1 500 Personen weniger versorgt als 1999 (Tabelle). Bermerkenswert ist dabei, dass der Anteil, der durch ambulante Dienste versorgt wurde, um 3 % gestiegen ist. Umgekehrt heißt das, dass der Versorgungsanteil durch Angehörige gesunken ist. Die Frage, ob die rückläufigen Zahlen bei den Pflegegeldempfängern seit 1999 bereits einen gewissen Trend darstellen, dass die Pflege durch die Angehörigen zukünftig an Gewicht verlieren wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt sicher noch nicht abschließend zu beantworten. Der Vergleich der beiden Berichtszeitpunkte lässt sich grundsätzlich so deuten, dass die professionelle Pflege seit 1999 an Bedeutung gewonnen hat, während dies bei der häuslichen Pflege durch die Angehörigen nicht der Fall ist. Dies zeigt auch die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Pflegeversicherung, die im selben Zeitraum einen Ausgabenzuwachs bei der stationären Versorgung Pflegebedürftiger um 8 % ausweist und gleichzeitig einen Rückgang um 2 % bei den Pflegegeldleistungen.

Die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung für die Leistungen ambulanter Pflegeeinrichtungen, die so genannten Pflegesachleistungen, haben ebenfalls zugenommen und lagen um rund 7 % über dem Wert von 1999. Ob die Zahl der Pflegegeldempfänger mittelfristig tatsächlich zurückgehen oder auch nur stagnieren wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entscheiden. Trotzdem spricht einiges für eine solche Entwicklung, da die absehbare weitere Veränderung der Familienstrukturen dazu führen dürfte, dass die Pflege allein durch Angehörige immer weniger gewährleistet werden kann. Stärkere Frauenerwerbstätigkeit und die Notwendigkeit der beruflichen Mobilität des Einzelnen führt vermehrt dazu, dass der Wohnort der pflegebedürftigen Eltern und der Lebensmittelpunkt der Kinder räumlich auseinanderfallen, wodurch das private Pflegepotenzial abnimmt. Außerdem werden sich die rückläufigen Geburtenzahlen, der Anstieg von gewollter und ungewollter Kinderlosigkeit sowie wachsende Scheidungsraten auf die Zahl der möglichen Pflegepersonen im familiären Umfeld negativ auswirken.

Hälfte der Pflegebedürftigen älter als 79 Jahre

Von allen Pflegebedürftigen waren 2001 knapp 32 000 jünger als 60 Jahre und 179 000 hatten diese Altersschwelle bereits überschritten (Schaubild 2). Verglichen mit 1999 hat die Zahl der unter 60-jährigen Pflegebedürftigen um rund 1 000 abgenommen und die der Älteren um etwa die gleiche Zahl zugenommen, was der demografischen Entwicklung entsprach.

Der Schwerpunkt der Pflegebedürftigkeit in der Gesellschaft liegt eindeutig im höheren Alter. Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen war 2001 älter als 79 Jahre (ca. 112 000). Verglichen mit dem Ergebnis von 1999 liegt diese Zahl um etwa 3 500 höher. Damit ist eine Zunahme der höher betagten Pflegebedürftigen zu beobachten, während gleichzeitig die Zahl der unter 80-jährigen pflegebedürftigen Personen zurückgegangen ist.

Deutlicher noch als die absoluten Zahlen zeigt die Berechnung der Pflegehäufigkeit, die als prozentualer Anteil der Pflegebedürftigen an der Bevölkerung in der jeweiligen Altersklasse bestimmt wird, den Zusammenhang zwischen Alter und Pflegerisiko. Diese Aussage trifft jedoch nur auf Versicherte zu, die 50 Jahre und älter sind. In den Altersgruppen davor ist die Pflegehäufigkeit ziemlich konstant und schwankt lediglich zwischen 2 und 4 Promille bezogen auf die gleichaltrige Bevölkerung. Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Pflegehäufigkeit überproportional an. Unter den 80- bis 84-Jährigen ist knapp jeder Sechste pflegebedürftig, bei den 85- bis 89-Jährigen fast jeder Dritte. Unter den 90-Jährigen und älteren Baden-Württembergern ist jeder Zweite ein Pflegefall.

Zwei Drittel der Pflegebedürftigen sind Frauen

Die Lebenserwartung der weiblichen Bevölkerung ist in Baden-Württemberg um knapp 6 Jahre höher als die der Männer; bei den Personen, die das 60. Lebensjahr erreicht haben, sind es immer noch gut 4 Jahre. Dies macht sich in den Besetzungszahlen der höheren, pflegerelevanten Altersgruppen deutlich bemerkbar. Daher sind etwa zwei Drittel der pflegebedürftigen Personen weiblichen Geschlechts, obwohl der Anteil der weiblichen Bevölkerung in Baden-Württemberg nur knapp über 50 % liegt.

Insgesamt haben Frauen eine höhere Pflegebedürftigkeit als Männer. So belief sich zum Jahresende 2001 die Pflegehäufigkeit, also die Zahl der Leistungsempfänger bezogen auf die entsprechende Bevölkerungsgruppe bei den Frauen auf rund 2,6 % und bei den Männern auf nur knapp 1,4 %. Der hohe Frauenüberschuss in den oberen Altersklassen ist allerdings nicht Grund für die höhere Pflegehäufigkeit der Frauen. Die geschlechts- und altersspezifische Betrachtung ergibt ein weitaus differenzierteres Bild (Schaubild 3). Bis zur Altersklasse der 70- bis 74-Jährigen ist die Pflegehäufigkeit bei den Männern stets höher als bei den Frauen. So sind zum Beispiel in dieser Altersklasse von 1 000 Männern 43 pflegebedürftig, bei den Frauen nur rund 40. In den folgenden Altersklassen ab 75 Jahre sind Frauen weniger häufig in der Lage, ohne fremde Hilfe ihr Alltagsleben zu meistern als ihre männlichen Altersgenossen. Die Pflegehäufigkeit der Männer liegt ab dem 75. Lebensjahr stets niedriger als die der Frauen. Dabei öffnet sich die Schere mit zunehmendem Alter. In der Altersklasse der 90- bis 95-Jährigen waren von 1 000 gleichaltrigen Frauen 588 pflegebedürftig, bei den Männern dagegen nur 404.

Die Pflegehäufigkeit der männlichen und der weiblichen Bevölkerung unterscheidet sich sowohl bei der Art der Leistung als auch bei der Pflegestufe. Die Pflegehäufigkeit der weiblichen Bevölkerung ist knapp doppelt so hoch wie die der männlichen. Unter den stationär versorgten Pflegebedürftigen beträgt dieses Verhältnis sogar 3 zu 1, während bei der Versorgung außerhalb von Heimen der Unterschied weniger deutlich ausfällt. Frauen leben – nach dem Tod des in der Regel älteren Partners – häufig alleine und sind deshalb im Falle ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit stärker auf professionelle Pflege angewiesen als Männer, da diese traditionell von ihren jüngeren Partnerinnen gepflegt werden. Der größte geschlechtsspezifische Unterschied ist bei den Pflegestufen II und III in der stationären Versorgung zu beobachten. Auf 10 schwer- und schwerstpflegebedürftige männliche Person kommen dort durchschnittlich rund 37 weibliche in derselben Einstufung. Dagegen zeigt sich die geringste Abweichung bei solchen schwer- und schwerstpflegebedürftigen Männern und Frauen, die durch Angehörige versorgt werden und Pflegegeld erhalten.

In Zukunft professionelle Pflege immer notwendiger

Die Zukunft im Pflegebereich ist entscheidend von der Bevölkerungsentwicklung abhängig. Die veränderten demografischen Bedingungen mit überproportionalen Zuwächsen bei den oberen Altersgruppen und die damit einhergehende Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen sowie der Wandel in den Familienstrukturen, der zu einer gleichzeitigen Abnahme der möglichen Pflegepersonen aus dem familiären Umfeld führt, werden in Zukunft eine weitere Verschiebung in Richtung der professionellen Pflege, insbesondere hin zur stationären Versorgung, bewirken. Auch die zunehmende Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen im ambulanten Bereich unterstreichen diese Tendenz.