:: 2/2004

Ältere Menschen in Baden-Württemberg

Ausgewählte Aspekte ihrer Lebenssituation

Die Zahl der älteren Menschen im Land ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angewachsen. Zu Beginn der 60er-Jahre war jeder zehnte Baden-Württemberger 65 Jahre und älter, 1970 betrug der Seniorenanteil 12 %, 1980 15 % und im Jahr 2003 gehörte bereits jeder sechste Einwohner Baden-Württembergs zur älteren Generation. Bevölkerungsvorausrechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass dieser Alterungsprozess der Gesellschaft, der durch rückläufige Geburtenzahlen einerseits und höhere Lebenserwartung andererseits ausgelöst wurde, sich in den nächsten Jahrzehnten in beschleunigter Form fortsetzen wird. So kommt eine Untersuchung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass bereits im Jahr 2010 der Seniorenanteil auf knapp ein Fünftel der Bevölkerung angewachsen sein wird und dass im Jahr 2040 nahezu 30 % der Baden-Württemberger 65 Jahre und älter sein könnten (Schaubild 1).1

Durch den demografischen Alterungsprozess werden Politik und Gesellschaft vor große Herausforderungen gestellt. Die Diskussion zum Beispiel über die Erhöhung der gesetzlichen Altersgrenze auf 67 Jahre, die steigenden Kosten der Alterssicherung und die Innovationsfähigkeit einer alternden Gesellschaft zeigen, dass der demografische Strukturwandel zu den derzeit aktuellsten Themen gehört. Im folgenden Beitrag sollen einige ausgewählte Aspekte der Lebenssituation der älteren Menschen – genauer gesagt der 65-Jährigen und Älteren in Baden-Württemberg – beleuchtet werden. Darüber hinaus wird versucht, auf der Basis der gegenwärtig sich abzeichnenden Entwicklungen einen Ausblick auf die mögliche Lebenssituation der älteren Generation von morgen zu geben.

Als Datenquelle für diese Untersuchung diente der Mikrozensus. Ferner sind Ergebnisse der Bevölkerungsstatistik in die Untersuchung mit eingeflossen.

Die ältere Generation heute wird von Frauen dominiert

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus waren im Mai 2003 rund 1,9 Mill. Männer und Frauen 65 Jahre und älter. Bei den Senioren handelt es sich mehrheitlich um Frauen (58 %), wobei die zahlenmäßige Dominanz der Frauen mit zunehmendem Alter immer ausgeprägter wird: So sind unter den 65- bis unter 70-jährigen Baden-Württembergern die Geschlechterproportionen mit knapp 50 % Männern und gut 50 % Frauen noch nahezu ausgeglichen. Bei den 70- bis unter 75-Jährigen sinkt der Männeranteil auf rund 45 % ab und bei den 75-Jährigen und Älteren beträgt das Verhältnis Männer zu Frauen in etwa ein Drittel zu zwei Dritteln (Schaubild 2). Die Ursachen dieses Ungleichgewichts sind zum einen auf die durchschnittlich höhere Lebenserwartung von Frauen, zum anderen immer noch auf die einschneidenden Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges zurückzuführen, als wesentlich mehr Männer als Frauen infolge des Krieges ums Leben kamen.

Da die Lebenserwartung von Frauen nach wie vor höher ist als die der Männer – ein neugeborener Junge kann heute in Baden-Württemberg auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 76,7 Jahren hoffen, ein neugeborenes Mädchen sogar auf 82,1 Jahre2 –, wird auch die ältere Generation von morgen und übermorgen aus mehr Frauen als Männern bestehen. Unter der Voraussetzung, dass Deutschland in Zukunft von kriegerischen Auseinandersetzungen und ähnlichen Krisen verschont bleibt, ist jedoch damit zu rechnen, dass dieses Ungleichgewicht nicht mehr so krass ausfallen wird wie bei der heutigen Seniorengeneration.

Die Mehrheit der Senioren lebt nicht allein

Von den insgesamt 1,9 Mill. Senioren in Baden-Württemberg lebt der allergrößte Teil, nämlich knapp 97 %, im eigenen Zuhause. Lediglich gut 3 % wohnen in einer so genannten »Gemeinschaftsunterkunft«, wobei es sich hier vorwiegend um Altersheime, Altenpflegeheime und ähnliche spezielle Einrichtungen für die ältere Generation handeln dürfte (Schaubild 3). Damit zeigt sich, dass die vieldiskutierte und auch umstrittene Heimunterbringung älterer, oft pflegebedürftiger Menschen in Baden-Württemberg noch immer eine Ausnahme darstellt. Das Leben im Heim gewinnt erst im höheren Alter quantitativ an Bedeutung. So lebt von den 65- bis unter 75-jährigen Baden-Württembergern lediglich 1 % in einer Gemeinschaftsunterkunft, bei den 75-jährigen und älteren Personen steigt der Anteil derer, die im Heim leben, auf 6 % an. Damit wird aber auch deutlich, dass auch von den so genannten »Hochbetagten« die weitaus überwiegende Mehrheit noch im eigenen Haushalt lebt.

Von den Senioren, die in einem Privathaushalt wohnen, leben gut 35 % allein, fast drei Viertel davon nach dem Tod des Ehegatten. Fast 65 % – also die deutliche Mehrheit der über 65-Jährigen – leben in einem Mehrpersonenhaushalt, entweder zusammen mit dem Ehepartner (rund 88 %) oder in einer Lebensgemeinschaft mit anderen, wie zum Beispiel den erwachsenen Kindern (und Enkelkindern), einem Lebenspartner oder anderen verwandten oder nicht verwandten Personen (12 %). So gibt es in Baden-Württemberg insgesamt rund 16 000 nicht eheliche Lebensgemeinschaften, bei denen der männliche Partner über 65 Jahre alt ist.

Alleinleben im Alter ist »Frauensache«

Das Alleinleben im Alter erweist sich in der überwiegenden Zahl der Fälle als »Frauensache«. Von den Baden-Württembergern, die 65 Jahre und älter sind, leben die Frauen wesentlich häufiger allein als ihre männlichen Altersgenossen. So wohnen (nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2003) von den männlichen Senioren lediglich rund 18 % in einem Einpersonenhaushalt, von den Frauen dieser Altersgruppe führt knapp die Hälfte, nämlich fast 48 % ein »Singledasein«. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Senioren, die allein leben, naturgemäß deutlich an. So leben in Baden-Württemberg von den 75-jährigen und älteren Männern fast jeder Vierte, von den Frauen sogar nahezu zwei Drittel allein in einem Haushalt. Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen und der Tatsache, dass bei Ehepaaren die Frauen in der Regel jünger sind als die Männer, haben verheiratete Frauen im Durchschnitt ein weitaus höheres Risiko als Männer, verwitwet zu werden. Aus diesem Grund leben die meisten verheirateten Männer bis ins hohe Alter mit ihrer Ehefrau zusammen, während betagte Frauen mehrheitlich allein leben müssen. Die hohe Zahl weiblicher Singles unter den Seniorinnen ist jedoch auch eine Spätfolge zweier Weltkriege, die zu einer hohen Zahl verwitweter Frauen geführt hat bzw. dazu, dass viele Frauen aufgrund des damaligen »Männermangels« keinen (Ehe)Partner gefunden haben.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist aufgrund der nach wie vor höheren Lebenserwartung von Frauen auch für die Rentnergeneration von morgen und übermorgen damit zu rechnen, dass viele, insbesondere die älteren Frauen, allein leben werden. Hinzu kommt, dass die Scheidungszahlen heute so hoch sind wie noch nie, eine zunehmende Zahl von Menschen zeitlebens unverheiratet bleibt und die heute jüngere Generation vergleichsweise wenig Kinder hat.3 All diese Faktoren könnten dazu beitragen, dass die »Alten von morgen und übermorgen« noch häufiger ein »Singledasein« führen werden als ihre Groß- und Urgroßeltern. Zumindest ist damit zu rechnen, dass die Zahl derer, die mit ihrem Ehepartner zusammen alt werden, für die Seniorengeneration von morgen geringer ausfallen wird. Andererseits könnte es aber durchaus sein, dass diese Generation, für die Wohngemeinschaften und nicht eheliche Lebensgemeinschaften so selbstverständlich sind wie Ehe und Familie, diese neuen Formen des Zusammenlebens im Alter wesentlich häufiger praktiziert als die jetzige Seniorengeneration.

Rund 86 % der Senioren meistern den Alltag eigenständig

Ein wesentlicher Faktor für Lebensqualität im Alter ist die gesundheitliche Situation bzw. die Möglichkeit, den Alltag selbstständig meistern zu können. Seit 1996 bietet der Mikrozensus mit den Fragen zur Pflegebedürftigkeit Informationen, die Rückschlüsse erlauben zur gesundheitlichen Situation und zur eigenständigen Lebensführung gerade der älteren Generation.

Im Rahmen der Mikrozensusbefragung wird an alle Personen die freiwillig zu beantwortende Frage gestellt, ob sie aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Alter bei den Aufgaben des täglichen Lebens (Körperpflege, Ernährung, Beweglichkeit/Mobilität, hauswirtschaftliche Versorgung) dauerhaft Hilfe benötigen. Im Anschluss daran wird nach dem Bezug von Leistungen aus einer Pflegeversicherung gefragt. Das Fragenkonzept des Mikrozensus erfüllt damit die immer wieder geäußerte Forderung, den Pflege- bzw. Hilfebedarf nicht nur in Abhängigkeit vom sozialrechtlich geprägten Begriff der Pflegebedürftigkeit, sondern auch aus der individuellen Perspektive der potenziell Hilfebedürftigen darzustellen, um somit ein Gesamtbild des pflegerischen Hilfebedarfs zur Verfügung zu stellen.4

In Baden-Württemberg stuften sich im Mai 2003 insgesamt rund 220 000 Personen im Alter von 65 und mehr Jahren (knapp 12 %) als hilfebedürftig ein. Gut 118 000 Senioren (6,4 % aller 65-Jährigen und Älteren) erhielten (laut Mikrozensus 2003) Leistungen aus einer Pflegeversicherung (Tabelle).5 Die Differenz zwischen den Senioren, die die Frage, ob sie Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens brauchen, bejaht hatten, und dem Personenkreis der Leistungsempfänger der Pflegeversicherung dürfte im Wesentlichen daraus resultieren, dass nicht alle hilfebedürftigen Personen auch Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragen und dass außerdem nicht alle Antragsteller als pflegebedürftig im Sinne der Pflegevesicherung eingestuft werden.

Pflegebedürftigkeit vor allem bei Hochbetagten

Sowohl bei »subjektiv Hilfebedürftigen« als auch bei den Leistungsempfängern der Pflegeversicherung steigt der Anteil der Senioren, die Hilfe benötigen, mit zunehmendem Alter sprunghaft an. Ausgehend von etwa 3 % bei den 65- bis unter 70-Jährigen und rund 6 % bei den 70- bis unter 75-Jährigen schnellt dieser Anteil bis zu 21 % bei den 75-Jährigen und Älteren hoch (Tabelle). Leistungen aus einer Pflegeversicherung erhalten 2 % der Baden-Württemberger im Alter von 65 bis unter 75 Jahren, jedoch bereits mehr als jeder Achte im Alter von über 75 Jahren. Diese Zahlen belegen allerdings umgekehrt auch, dass Altsein nicht zwangsläufig gleichzusetzen ist mit Gebrechlichkeit und Hilfebedürftigkeit, denn die große Mehrheit – auch der Hochbetagten – ist offensichtlich zu einer weit gehend selbstständigen Lebensführung in der Lage. Der größte Teil der Senioren lebt unabhängig von Hilfe und Pflege. Allerdings zeigen diese Zahlen auch, dass ab dem 75. Lebensjahr die Risiken der Hilfe- und Pflegebedürftigkeit sprunghaft ansteigen.

Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen ist der Anteil der über 65-jährigen Frauen, die angeben, Hilfe zu benötigen (14 %), bzw. die Leistungen aus einer Pflegeversicherung bezogen (7 %), deutlich höher als der der älteren Männer (9 % mit Hilfebedarf und 5 % mit Leistungen aus einer Pflegeversicherung). Denn wie bereits erwähnt, werden die höheren Altersgruppen immer stärker von Frauen dominiert. Da jedoch mit zunehmendem Alter auch das Risiko, die Aufgaben des täglichen Lebens nicht mehr allein bewältigen zu können, bzw. das Risiko, pflegebedürftig zu werden, steigt, ist auch hier ein deutlicher Frauenüberhang zu beobachten.

1 Siehe Cornelius, Ivar: Zur Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2050, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 12/2003, S. 3-10.

2 Abgekürzte Sterbetafel für Baden-Württemberg 2000/2002.

3 Siehe Cornelius, Ivar: Die Entwicklung von Geburten, Sterbefällen, Heiraten und Ehescheidungen 1999 mit einem Rückblick auf die 90er-Jahre, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 12/2000, S. 573-582.

4 Siehe Alter und Gesellschaft. Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Sachverständigenkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2000.

5 Nach den Ergebnissen der bundesweiten Pflegestatistik erhielten in Baden-Württemberg zum Stichtag 15. Dezember 2001 knapp 170 000 Personen im Alter von 65 und mehr Jahren Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Differenz zwischen den Zahlen aus der Pflegestatistik und denen des Mikrozensus dürfte sich aus den methodischen Unterschieden der beiden Statistiken ergeben. So handelt es sich bei der bundesweiten Pflegestatistik um eine Totalerhebung, beim Mikrozensus um eine 1%-Stichprobe, die Daten wurden zu unter-schiedlichen Zeitpunkten erfasst. Darüber hinaus waren die Fragen zur Pflegebedürftigkeit im Rahmen des Mikrozensus freiwillig zu beantworten, was erfahrungsgemäß die Gefahr einer gewissen Untererfassung birgt. Die Strukturergebnisse der beiden Statistiken stimmen allerdings weit gehend überein.