:: 3/2004

Krankenhausstatistik: Diagnose Alkohol

Alkoholerkrankungen können zum Tode führen. Im Jahre 2001 war dies in Baden-Württemberg insgesamt 1 763-mal der Fall. Zur gleichen Zeit wurden gut 30 000 Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einem durch Alkohol verursachten Leiden in einem der Krankenhäuser des Landes vollstationär behandelt. Die Behandlung dieser Erkrankungen führte zu einer überdurchschnittlich hohen Zahl von Belegungstagen und damit zu hohen Kosten.

Diagnose Alkohol

Der Sommer 2003 war sehr lang und heiß. Das freute nicht nur die öffentlichen Betreiber von Freibädern. Das freute auch die Bierbrauer. Nachdem der Absatz des Gerstensaftes seit einigen Jahren stagnierte oder zurückging, waren wieder steigende Verkaufszahlen zu verzeichnen. Zur gleichen Zeit mussten die Warnaufdrucke auf Zigarettenschachteln, die auf eine mögliche Gefährdung durch den Genuss von Tabakwaren hinwiesen, geändert werden. Dort steht jetzt unübersehbar in großen fetten Buchstaben und in schwarzem Trauerrand, dass Rauchen tödlich sein kann. Ein sinngemäßer Aufdruck dieser Art fehlt bislang auf den Etiketten alkoholhaltiger Getränke. Er fehlt allerdings unter anderem auch auf Fahrzeugen aller Art, Bergstiefeln, Badebekleidung, Schneidewerkzeugen und all den anderen Gerätschaften, von denen bei unsachgemäßer Benutzung eine Gefährdung der Gesundheit oder gar des Lebens ausgehen kann.

Im Gegensatz zu Autos und Badeanzügen haben Tabak und Alkohol allerdings die Eigenart, durch unbedachten oder verantwortungslosen Umgang mit ihnen eine körperliche Abhängigkeit zu erzeugen. Die – erst einmal erzeugt – kann ein Mensch nur durch Abstinenz in Schach halten. Denjenigen, denen dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelingt, drohen körperliche und geistige Schädigungen, die durchaus auch zum Tode führen können. Schädigungen können auch ohne vorhandene Abhängigkeit auftreten, etwa bei einer Alkoholvergiftung.

Es gibt eine größere Anzahl von Erkrankungen, die unmittelbar auf den Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Irgendwann dürften die meisten Karrieren in Zusammenhang mit Alkohol auch in einem Krankenhausaufenthalt manifest werden. Hier werden dann allerdings die unmittelbaren Leiden behandelt. Die können organischer oder psychiatrischer Natur sein, sie können freilich auch eine Schädigung sein, die durch einen durch Alkoholeinfluss ausgelösten Sturz oder anderen Unfall verursacht wurde. Weder aus der Krankenhausdiagnosestatistik noch aus der Todesursachenstatistik lässt sich ein Zusammenhang zwischen Alkohol und Verletzung herstellen. Fälle mit diesem Behandlungsgrund bleiben unerkannt. Ein Zusammenhang wird gegebenenfalls nur auf der ärztlichen Meldung an die Kasse des Opfers hergestellt, nicht in der amtlichen Statistik.

Alkoholbedingte Sterbe- und Krankenhausfälle

In der nach alkoholbedingten Sterbefällen ausgewerteten Todesursachenstatistik 2001 werden 1 763 Verstorbene ausgewiesen. Die mit Abstand häufigste Diagnose war die alkoholische Leberkrankheit mit 1 300 Sterbefällen. In 323 Fällen wurde von den leichenschauenden Ärzten psychische Abhängigkeit auf der Todesbescheinigung vermerkt. 92 Fälle von alkoholischer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankungen) wurden festgestellt und neben 19 Fällen von alkoholinduzierter chronischer Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) noch 10 Fälle von Alkoholvergiftung. Die übrigen Diagnosen im Zusammenhang mit Alkohol blieben im einstelligen Bereich oder waren überhaupt nicht besetzt.

Einigermaßen gespannt durfte man deswegen auf das erste vollständige Ergebnis der Krankenhausdiagnosestatistik nach Einführung der neuen Klassifikation sein, da den rund 94 000 Verstorbenen des Jahres 2001 eine Grundgesamtheit von fast 1,9 Millionen vollstationären Krankenhausbehandlungsfällen gegenüberstand. Der Konsum von Alkohol führte in über 30 000 Fällen zu einem Krankenhausaufenthalt. Anders als bei den Sterbefällen steht im Krankenhaus die psychiatrische Diagnose, also psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, mit rund 26 000 Fällen an erster Stelle. Die Zahl der durch Alkoholmissbrauch verursachten organischen Schäden der Leber (alkoholische Leberkrankheit) fällt dagegen mit 3 331 Behandlungsfällen vergleichsweise gering aus. Die aus der Todesursachenstatistik bekannte schwerpunktmäßige Verteilung der Fälle auf die organische Schädigung der Leber und mit einigem Abstand auf die psychische Auffälligkeit hat sich hier im Krankenhausbereich geradezu umgekehrt. Die sonstigen Diagnosen spielen bei den Sterbefällen zahlenmäßig eine untergeordnete und im Krankenhaus eine nahezu vernachlässigbare Rolle (Schaubild 1).

Wider Erwarten trifft dies auch auf die alkoholische Herzmuskelerkrankung zu, für die insgesamt nur 54 Fälle gemeldet werden. Dabei wird auf die Gefahr, die regelmäßig hoher Alkoholkonsum für den Herzmuskel bedeuten kann, häufig hingewiesen. Ein Anfangsverdacht, dass sich unter Umständen eine größere Fallzahl hinter der Sammelposition »Kardiomyopathie, nicht näher bezeichnet« verstecken könnte, erwies sich insofern als unbegründet, als für diese Diagnose 2001 nicht mehr als 267 Fälle gemeldet wurden. Wenn es denn hier ein Dunkelfeld geben sollte, so ist es nicht sehr groß. Auch hinsichtlich der alkoholinduzierten Bauchspeicheldrüsenerkrankung hätte aus ähnlichem Grund mit einem noch höheren Ergebnis gerechnet werden können (Tabelle 1).

In Verbindung mit Alkohol nur wenige Krankenhaussterbefälle

Während sich im Jahre 2001 mit 39 000 Sterbefällen rund 42 % aller Sterbefälle in Baden-Württemberg in einem Krankenhaus ereigneten, weicht der Anteil der alkoholbedingten Krankenhaussterbefälle von diesem Verhältnis doch erheblich ab. Bezogen auf alle 1 765 infolge Alkohol verstorbenen Personen verstarben knapp 22 % im Zuge ihrer Krankenhausbehandlung. Von diesen 395 Krankenhaussterbefällen entfielen 10 % auf psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol und 87 % auf die alkoholischen Lebererkrankungen. Diese Zahlen sollen nun nicht etwa belegen, dass Krankenhäuser für Leib und Leben besonders gefährliche Orte sind. Ganz im Gegenteil: Es versterben nicht mehr als 2,1 % der insgesamt 1,9 Mill. Behandlungsfälle während eines Klinikaufenthaltes. Von den behandelten Alkoholerkrankten sind es sogar nur 1,3 %. Setzt man alle Sterbefälle des Landes mit seiner Bevölkerung ins Verhältnis (0,9 %), scheinen Krankenhäuser nicht sehr viel riskanter als das Leben selbst zu sein.

Vor allem Männer im mittleren Alter betroffen

Die absolute Spitze der Häufigkeit von alkoholbedingten Krankenhausaufenthalten ist bei Patienten im Alter von 40 bis unter 45 Jahren zu beobachten. Im Jahre 2001 wurden in dieser Altersklasse 5 325 derartige Behandlungsfälle registriert, 17,5 % der Fälle insgesamt. Ausschlaggebend für diese Häufung ist die Situation im psychiatrischen Bereich. Hier mussten fast 5 000 dieser Altersgruppe vollstationär versorgt werden. Das waren fast 19 % aller Patienten mit einer psychiatrischen Diagnose (Schaubild 2).

Für sich genommen liegt die Spitze der wegen einer alkoholischen Leberkrankheit Versorgten im Altersbereich von 60 bis unter 65 Jahren. Bei einer Gesamtzahl von 3 331 Fällen entspricht dies ebenfalls einem Anteil von knapp 19 % an allen alkoholinduzierten Fällen. Da die mithilfe der Todesursachenstatistik ermittelte höchste Fallzahl von Verstorbenen dieser Diagnosegruppe ebenfalls in diese Altersgruppe fällt, ist davon auszugehen, dass die organische Belastbarkeit der Leber durch eine regelmäßige und übermäßige Zuführung von Alkohol in diesem Lebensabschnitt an einen kritischen Punkt gelangt.

Der Umgang mit Alkohol stellt vor allem für Männer ein ernsthaftes Problem dar. Rund 74 % aller aus diesem Grund erfolgten Krankenhausbehandlungen werden von Männern verursacht. Für die Sterbefälle ergibt sich ein nahezu identisches Bild. Hier sind es 71 % Männer, deren Todesursache mit ihrem Umgang mit alkoholischen Getränken zusammenhängt.

Hohe Verweildauern, viele Krankenhaustage …

Alkoholkrankheiten verursachen in der Regel lange Krankenhausaufenthalte. Dabei sind überraschenderweise die Unterschiede zwischen den Verweildauern der organischen und der nicht organischen Behandlungsanlässe recht gering. Dies gilt insbesondere für die zahlenmäßig dominierenden Diagnosen »Abhängigkeit« und »Lebererkrankung«. Während die durchschnittliche Verweildauer aller Krankenhausbehandlungen inzwischen unter 10 Tagen liegt, blieben Patienten mit psychiatrischer Diagnose 14 Tage und Patienten mit alkoholischer Lebererkrankung 15 Tage im Krankenhaus. Dabei fielen infolge der hohen Patientenzahlen der psychiatrischen Diagnose über 360 000 vollstationäre Behandlungstage an. Für die Behandlung der alkoholischen Leberkrankheit waren annähernd 50 000 Krankenhaustage notwendig. Für alle alkoholbedingten Krankheiten addiert sich die Zahl der Pflegetage auf fast 420 000.

… viele Krankenhaustage, hohe Kosten

Auf den Behandlungsfall umgerechnet verursacht jeder alkoholbedingte Krankenhausaufenthalt Kosten in Höhe von rund 4 600 Euro. Damit liegt er um fast 1 100 Euro über den Kosten für eine durchschnittliche Krankenhausbehandlung. Insgesamt sind für die vollstationäre Versorgung der Alkoholkranken 140 Mill. Euro aufzuwenden. Dies entspricht rund 2,3 % der Behandlungskosten aller Krankenhauspatienten (knapp 6,2 Mrd. Euro) (Tabelle 2).

Neben den statistisch ermittelten Krankenhauskosten muss auch an Kosten für ambulante Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen oder auch Unterbringung in Pflegeheimen gedacht werden, ganz zu schweigen von denen für Arbeitsunfähigkeitstage, Beschädigungen von Sachen und anderen Menschen. Vor diesem Hintergrund scheint es vielleicht wirklich nicht so ganz aus der Welt, die Etiketten auf den Flaschen alkoholhaltiger Getränke mit einem Warnaufdruck zu versehen. Auch wenn es sich um besonders hochwertige Produkte unserer Trinkkultur handelt.

Ergebnis

Der alkoholkranke Mensch wird gleichermaßen von organischen wie psychischen Schäden bedroht. Ein Vergleich der Todesursachenstatistik mit der Krankenhausdiagnosestatistik zeigt, dass anhaltend hoher Alkoholkonsum durch die Schädigung der Leber zu einer tödlichen Gefahr werden kann. Dagegen steht in den Krankenhäusern – rein zahlenmäßig – die Behandlung der psychischen Ursachen als Folge des bedenkenlosen Umgangs mit Alkohol im Vordergrund. Überraschend mag erscheinen, dass alkoholbedingte Einschränkungen der Funktion der Bauchspeicheldrüse und vor allem des Herzmuskels nicht viel öfter als Behandlungsanlass genannt werden, gelten sie doch nach landläufiger Meinung als eine häufige Folgeerscheinung langjährigen und intensiven Alkoholgenusses. Auch wenn die amtliche Statistik die Verbreitung und Behandlung der alkoholbedingten Erkrankungen in unserer Gesellschaft nicht vollständig abbilden kann, liefert sie doch wichtige Mosaiksteine zu einem Gesamtbild.