:: 3/2004

Produzierendes Gewerbe bleibt bestimmend für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Stuttgarts

In Stuttgart wurde im Jahre 2001 ein Bruttoinlandsprodukt im Wert von 30,5 Mrd. Euro erwirtschaftet, das siebthöchste unter allen Städten Deutschlands. Die Wirtschaftskraft der baden-württembergischen Landeshauptstadt war damit mehr als doppelt so hoch wie diejenige der einwohnermäßig sogar etwas größeren Stadt Dortmund. Sowohl kurzfristig gegenüber 2000 als auch mittelfristig gegenüber 1995 wurde in Stuttgart ein stärkerer Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung erreicht als in Deutschland insgesamt oder im Durchschnitt aller Großstädte mit rund 500 000 oder mehr Einwohnern. Die unter allen Großstädten stärkste Ausrichtung auf das Produzierende Gewerbe – in Stuttgart entfällt fast ein Drittel der Bruttowertschöpfung auf diesen Wirtschaftsbereich – hat die wirtschaftliche Entwicklung der Landeshauptstadt offenbar positiv beeinflusst. Auch in Großstädten wird das Wirtschaftswachstum nicht nur durch Dienstleistungen getragen; eine Analyse Stuttgarts und anderer Großstädte bestätigt vielmehr, dass gerade eine gute Mischung zwischen einem leistungsstarken und dynamischen Produzierenden Gewerbe sowie einem davon mitgetragenen Gewerbe unternehmensnaher Dienstleistungen Garant für eine gute wirtschaftliche Entwicklung sein kann.

Nach den neuesten Ergebnissen des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder«1 lag Stuttgart im Jahre 2001 unter den Städten Deutschlands nach der Bevölkerungsgröße mit 585 000 Einwohnern an achter Stelle, knapp hinter Essen und Dortmund, aber noch vor Düsseldorf. Beim Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen (BIP) erreichte Stuttgart mit 30,5 Mrd. Euro jedoch den siebten Rang, und zwar hinter Düsseldorf, aber deutlich vor Essen und Dortmund (Tabelle 1). Das BIP Stuttgarts war im Jahre 2001 mehr als doppelt so hoch wie jenes der bevölkerungsmäßig sogar etwas größeren Stadt Dortmund (14,9 Mrd. Euro).

Sowohl mittel- als auch kurzfristig entwickelte sich Stuttgart bei Bevölkerung und Wirtschaftskraft relativ günstig: Die Zahl der Einwohner hat 2001 gegenüber dem Vorjahr um 0,5 % zu-, gegenüber 1995 allerdings um 0,3 % abgenommen. Das BIP stieg 2001 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 % und gegenüber 1995 sogar um 17,3 % und damit jeweils stärker als in Deutschland (+ 2,0 % bzw. + 15,0 %). Bei den vier genannten Entwicklungsziffern kam Stuttgart unter den hier untersuchten 14 Großstädten auf den vierten oder fünften Platz, wobei sich nur Hamburg und München besser entwickelten.2

Nicht ganz so günstig schnitt Stuttgart bei der Zahl der Erwerbstätigen ab; mit + 0,4 % gegenüber 2000 bzw. + 5,1 % gegenüber 1995 war die Zuwachsrate im Jahre 2001 zwar gleich hoch bzw. leicht höher als in Deutschland (+ 0,4 % bzw. + 4,1 %), jedoch standen neun Großstädte in kurzfristiger und fünf Großstädte in mittelfristiger Sicht besser da als Stuttgart.

Eine überdurchschnittliche Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, verbunden mit einer gerade durchschnittlichen Entwicklung bei der Erwerbstätigenzahl, bedingt eine besonders starke Zunahme der Arbeitsproduktivität: Beim Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen (vgl. Tabelle 1) konnte Stuttgart im Jahre 2001 im Vergleich zum Vorjahr mit + 3,2 % den höchsten Zuwachs unter allen Großstädten und gleichzeitig eine doppelt so starke Ausweitung wie in Deutschland insgesamt verzeichnen (+ 1,6 %). Im Vergleich zu 1995 lag die Zunahme mit + 11,7 % nahezu auf gleicher Höhe mit Hamburg und München, aber relativ deutlich hinter Dresden (+ 18,7 %), Bremen (+ 15,6 %) und Nürnberg (+ 13,0 %). Dresden, Bremen und Nürnberg zeichnen sich übrigens – ähnlich wie Stuttgart – durch einen für Großstädte beachtlich hohen Anteil des Produzierenden Gewerbes bzw. des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung aus, was die hohe Produktivitätsausweitung mindestens teilweise erklärt.

Stuttgarts Bruttowertschöpfung zu einem Drittel im Produzierenden Gewerbe erwirtschaftet

Die Bedeutung des Produzierenden Gewerbes für Stuttgart ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert:

Erstens: Mit einem Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung von 33,2 %, also etwa einem Drittel, wurde für das Produzierende Gewerbe Stuttgarts 2001 nicht nur der höchste Wertschöpfungsanteil unter allen Großstädten gemessen, zusätzlich wurde auch die entsprechende Quote von 29,1 % für Deutschland recht deutlich übertroffen. Lediglich Duisburg und Bremen waren 2001 ebenfalls überdurchschnittlich stark auf das Produzierende Gewerbe ausgerichtet (vgl. Tabelle 2). Für die Summe aller Großstädte wurde ein entsprechender Anteilswert in Höhe von 20,8 % ermittelt; er wurde außer von den bereits genannten Städten noch von Nürnberg, Dresden, München und Essen übertroffen.

Zweitens: Im mittelfristigen Vergleich 1995 bis 2001 konnte Stuttgart die Bruttowertschöpfung des Produzierenden Gewerbes mit + 22,3 % nach Dresden (+ 27,9 %) unter allen Großstädten am kräftigsten ausbauen; in Deutschland insgesamt waren es nur + 3,6 %. Abgesehen von Dresden und Stuttgart hat dieser Wirtschaftsbereich unter den Großstädten nur noch in Bremen, Hamburg, München und Frankfurt am Main zugenommen. Für die Summe aller Großstädte ergab sich mittelfristig ein Rückgang des Produzierenden Gewerbes um 2,5 %. Besonders ausgeprägt war er innerhalb dieser 6 Jahre in Dortmund, Leipzig, Berlin, Essen und Duisburg – in Städten also, wo in relativ kurzer Zeit und aus teilweise unterschiedlichen Gründen erhebliche strukturelle Veränderungen stattgefunden haben. Auch kurzfristig, also gegenüber dem Jahr 2000, ist das Produzierende Gewerbe in Stuttgart im Jahre 2001 mit + 4,6 % deutlich stärker als in Deutschland (+ 1,3 %) angestiegen. Nur in Dresden mit + 8,7 % und in Hamburg mit + 5,9 % war der Zuwachs noch stärker ausgeprägt als in Stuttgart.

Die Wirtschaftskraft des Produzierenden Gewerbes wird überwiegend durch das Verarbeitende Gewerbe bestimmt.3 Bei einer näheren Betrachtung dieses Wirtschaftszweigs bis zum Jahre 2000 kommt die Besonderheit Stuttgarts noch deutlicher zum Ausdruck: Als einzige Großstadt konnte die Landeshauptstadt Baden-Württembergs im Jahre 2000 beim Verarbeitenden Gewerbe mit 26,5 % einen Wertschöpfungsanteil von über einem Viertel aufweisen. Über dem nationalen Durchschnitt von 22,2 % im Jahre 2000 lagen außerdem noch Duisburg, Bremen und Nürnberg; bereits weniger als ein Fünftel erreichte der Wertschöpfungsbeitrag des Verarbeitenden Gewerbes in München.

Fast noch bemerkenswerter ist, dass Stuttgarts Verarbeitendes Gewerbe seinen Anteil an der Wertschöpfung zwischen 1996 und 2000 um einen Prozentpunkt von 25,5 % auf 26,5 % ausbauen konnte. Unter den hier betrachteten Großstädten fand nur noch in Bremen eine Anteilsausweitung um 2,5 und vor allem in Dresden um 6,0 Punkte statt. In Deutschland stagnierte der Wertschöpfungsanteil bei 22,2 %.

Dienstleistungsanteil in Stuttgart 67 %, in Düsseldorf 88 %

Wegen des nur marginalen Beitrags von Land- und Forstwirtschaft, Fischerei zur gesamten Bruttowertschöpfung4 bildet sich die Bedeutung des dritten großen Wirtschaftsbereichs, also der Dienstleistungsbereiche, spiegelbildlich zum Produzierenden Gewerbe ab. Wie Tabelle 3 zeigt, weist Stuttgart bei den Dienstleistungsbereichen den geringsten Wertschöpfungsanteil unter den Großstädten auf – mit 66,7 %, also genau zwei Dritteln, lag er im Jahre 2001 nicht nur unter der entsprechenden Quote für Deutschland (69,7 %), er war auch fast ein Viertel niedriger als in Düsseldorf, wo für 2001 mit 87,6 % der höchste Dienstleistungsanteil aller Kreise in Deutschland berechnet wurde. Für den Durchschnitt der Großstädte wurde eine Quote von 79,1 % ermittelt.

Die relativ schwache Stellung und Entwicklung der Dienstleistungsbereiche in Stuttgart erklärt sich hauptsächlich aus dem Teilbereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie eingeschränkt den öffentlichen und privaten Dienstleistern. Dagegen gehört der Teilbereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister auch in Stuttgart zu den wichtigen und eher dynamischen Bereichen. Dies geht für den Zeitraum 1996 bis 2000 aus dem Vergleich mit Deutschland insgesamt hervor: Danach wuchs die Bruttowertschöpfung bei den unternehmensnahen Dienstleistungen in Deutschland um 14,7 % und in Stuttgart um 13,2 %, bei den öffentlichen und privaten Dienstleistern war der Wachstumsabstand zwischen der Entwicklung in Deutschland (+ 7,7 %) und derjenigen in Stuttgart (+ 6,3 %) ähnlich hoch. Ganz anders verhielten sich Handel, Gastgewerbe und Verkehr; während in Deutschland die Wertschöpfungszunahme dieses Dienstleistungsbereichs mit 17,3 % am kräftigsten war, wurde für Stuttgart sogar ein Rückgang von 1,4 % ermittelt.

Wirtschaft wächst nicht nur durch Dienstleistungen

Wegen der Dominanz des Produzierenden Gewerbes in Stuttgart lohnt es sich, kurz auf die Zusammenhänge zwischen Produzierendem Gewerbe und gesamtwirtschaftlichem Wachstum einzugehen. Bei den sechs Städten mit dem zwischen 1995 und 2001 höchsten Wachstum des BIP, nämlich

Dresden+ 21,3 %
München+ 20,1 %
Düsseldorf+ 19,3 %
Frankfurt am Main+ 18,2 %
Stuttgart+ 17,3 %
Bremen+ 16,6 %

fällt auf, dass sich vier Städte durch einen hohen Anteil des Produzierenden Gewerbes bzw. des Verarbeitenden Gewerbes auszeichnen, nämlich Dresden, München, Stuttgart und Bremen. Allerdings gehören zu den besonders wachstumsstarken Großstädten auch die typischen Dienstleistungsmetropolen Düsseldorf und Frankfurt am Main, die im Jahre 2001 den höchsten Dienstleistungsanteil aufwiesen. Es ist also keineswegs so, dass Wirtschaftswachstum überwiegend durch den Dienstleistungsbereich getragen wird, vielmehr scheint gerade eine gute Mischung aus einem leistungsstarken und dynamischen Produzierenden Gewerbe einerseits und einem unternehmensnahen Dienstleistungsgewerbe andererseits eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten. Überdies ist zu beachten, dass im Verarbeitenden Gewerbe der innerbetriebliche Dienstleistungsanteil (Planung, Entwicklung, Marketing usw.) den produzierenden zum Teil erheblich übertrifft.

Besonders interessant ist ein Vergleich der ostdeutschen Städte Dresden und Leipzig: Wie ausgeführt, hat das BIP in Dresden zwischen 1995 und 2001 mit + 21,3 % am stärksten unter allen Großstädten zugenommen, während es sich in Leipzig mit + 6,4 % nach Berlin (- 1,6 %) am schwächsten entwickelte. Die Ursache hierfür ist eindeutig im Produzierenden Gewerbe zu finden, wo dem stärksten Wertschöpfungsanstieg in Dresden (+ 27,9 %) der zweitstärkste Wachstumsverlust in Leipzig (- 23,0 %) gegenüberstand. Beide Städte waren in diesem Zeitraum durch den für Ostdeutschland kennzeichnenden Kapazitätsabbau im Baugewerbe geprägt. Ein entsprechender Wertschöpfungsrückgang konnte jedoch in Dresden zwischen 1996 und 2000 durch eine Verdoppelung der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe von 0,74 Mrd. Euro auf 1,44 Mrd. Euro mehr als ausgeglichen werden, während in Leipzig die Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes von einem 1996 ähnlich hohen Niveau (0,72 Mrd. Euro) bis zum Jahre 2000 auf 0,68 Mrd. Euro (- 5,6 %) abnahm. Die in Dresden früher begonnene Ansiedlung hoch produktiver Industriebetriebe hat sich also schon deutlich in der Wertschöpfung niedergeschlagen. Bei den Dienstleistungsbereichen war dagegen die Wertschöpfungszunahme in Dresden zwischen 1995 und 2001 mit + 18,0 % nicht viel höher als in Leipzig mit + 15,1 %; die Dienstleistungen beider Städte haben sich damit im Durchschnitt aller Großstädte (+ 16,1 %) bzw. wie in Deutschland (+ 19,3 %) entwickelt.

Wie ein Blick in die Tabellen 2 und 3 zeigt, liegen die kurz- und vor allem mittelfristigen Veränderungsraten der einzelnen Städte bei den Dienstleistungsbereichen generell sehr viel näher beieinander als beim Produzierenden Gewerbe. Dies unterstreicht zum einen die höhere Konjunkturreagibilität des Produzierenden Gewerbes, verdeutlicht zum anderen aber auch, dass in der Weiterentwicklung des Verarbeitenden Gewerbes und der damit verbundenen Dienstleistungen auch für größere Städte besondere Wachstumspotenziale liegen können.

1 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder – Kreisergebnisse Reihe 2 Band 1: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen Deutschlands 1992 und 1994 bis 2001, herausgegeben vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg im Auftrag des aus den Statistischen Landesämtern der 16 Bundesländer, dem Statistischen Bundesamt und dem Bürgeramt, Statistik und Wahlen, Frankfurt a. M. bestehenden Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder«, Stuttgart 2003.

2 Für eine längerfristige Betrachtung der gesamt-wirtschaftlichen Leistung in Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern vgl. Münzenmaier, Werner: Wirtschaftskraft deutscher Großstädte mit über 500 000 Einwohnern, in: Statistische Analysen, Heft 3/2004, hersg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Da in den neuen Kreisdaten der Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen die Wirtschaftskraft der Stadt Hannover nicht mehr separat dargestellt werden kann, muss auf eine Betrachtung der nieder-sächsischen Landeshauptstadt verzichtet werden.

3 Für das Verarbeitende Gewerbe wie auch für die drei Teilbereiche der Dienstleistungen liegen Kreisdaten der Bruttowertschöpfung aktuell nur für die Jahre 1996 bis 2000 vor.

4 2001 wurde in keiner der Großstädte ein Anteil von mehr als 0,2 % gemessen.