:: 3/2004

Zukunftsmarkt: Dienstleistungen für den Privathaushalt

Ergebnisse aus der Umsatzsteuerstatistik

Nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erlebt im Schatten der Diskussion um die New Economy ein altbekannter Markt seine Renaissance. Die steigende Zahl von Singlehaushalten, von berufstätigen Paaren sowie älteren und pflegebedürftigen Menschen bilden die Basis für eine wachsende Nachfrage an haushaltsorientierten Serviceleistungen. Jedes zehnte umsatzsteuerpflichtige Unternehmen in Baden-Württemberg hatte 2001 sein Serviceangebot primär auf die Zielgruppe »Privathaushalt« ausgerichtet.

Dienstleistungen für Privathaushalte im Aufwind

In der Umsatzsteuerstatistik wurden im Jahr 2001 fast 410 000 Unternehmen erfasst. Gegenüber 1996 nahm damit die Zahl der Unternehmen, die zur Abgabe von Voranmeldungen zur Umsatzbesteuerung verpflichtet waren, um 4,7 % zu. Dabei unterschieden sich die Wirtschaftszweige teilweise erheblich in ihrer Entwicklungsdynamik und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.

Besonders positiv entwickelte sich zwischen 1996 und 2001 die Zahl der Unternehmen, die Service-Leistungen für Privathaushalte anbieten. Mit einem Plus von fast 21 % hob sie sich eindrucksvoll von der Entwicklung der Unternehmen insgesamt ab.

Der wachsende Konsum an haushaltsorientierten Dienstleistungen beruht überwiegend auf drei gesellschaftlichen Phänomenen:

  • zum einen auf der demografischen Veränderung, dem steigenden Anteil älterer und alter Menschen, die bei der Organisation ihres täglichen Lebens Unterstützung brauchen und suchen;
  • zum anderen auf der steigenden und zunehmend qualifizierten Erwerbstätigkeit von Frauen, welche es sich vermehrt leisten können, für Familie und Haushalt professionelle Dienste in Anspruch zu nehmen.
  • Zum Dritten bewirken die Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit und ein höheres verfügbares Einkommen, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung sowohl die Zeit als auch die Mittel hat, an Unterhaltungs-, Bildungs- und Erholungsaktivitäten teilzunehmen.

Niedrige Umsätze bei haushaltsorientierten Dienstleistern

Obwohl von Privathaushalten ein wachsendes Interesse an der Inanspruchnahme von Dienstleistungen ausgeht, kann für einen Teil dieser Leistungen offensichtlich kein adäquater Preis erzielt werden. Zwar nahmen die steuerbaren Umsätze der betrachteten Branchen zwischen 1996 und 2001 um 18 % zu, blieben aber deutlich hinter der Gesamtentwicklung von 31,4 % zurück.1

Rechnerisch entfiel auf jedes der knapp 42 000 Unternehmen, die überwiegend Dienstleistungen für Privathaushalte anboten, ein Umsatz von 257 000 Euro. Mit diesem durchschnittlichen steuerbaren Umsatz lagen diese Unternehmen weit unter dem durchschnittlichen steuerbaren Umsatz für alle Unternehmen im Land (1 785 000 Euro). Zum Vergleich: Die Spitzenplätze wurden von der Energie- und Wasserversorgung (10 697 000 Euro) und dem Verarbeitenden Gewerbe (6 859 000 Euro) belegt.

Ein Grund für die niedrigen Umsätze ist sicher im schlechten Image der haushaltsorientierten Dienstleistungen2 zu suchen. Diese Tätigkeiten gelten auch heute noch überwiegend als einfach und anspruchslos. Aufgaben wie Hauswirtschaften, Erziehen oder Pflegen werden in den meisten Haushalten nach wie vor von den Familienmitgliedern selbst erbracht. Nicht selten sind es Frauen, die diese Pflichten nebenher erledigen. Für solche mit geringem Prestige behaftete Leistungen, die zudem selbst und »kostenlos« erbracht werden können, planen die Privathaushalte wohl keine hohen Beträge in ihrem Budget ein. Darüber hinaus könnte auch der Schwarzmarkt mit seinen Dumpingpreisen eine große Konkurrenz für die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in diesem Marktsegment sein.

Überwiegend kleinbetrieblich strukturiert

Im Vergleich zur gesamten Wirtschaft nehmen im Bereich der haushaltsorientierten Dienstleistungen Kleinunternehmen eine herausragende Stellung ein. Die Darstellung nach Umsatzgrößenklassen3 vermittelt einen Überblick über die Konzentration der Steuerpflichtigen (Schaubilder 1 und 2). Über zwei Drittel der Unternehmen, die 2001 ihre Dienstleistungen überwiegend den Privathaushalten anboten, erzielten einen Jahresumsatz, der zwischen 16 617 Euro und 100 000 Euro lag. Von allen Unternehmen im Land gehörte dagegen nicht einmal die Hälfte zu dieser kleinsten Umsatzgrößenklasse. Großunternehmen sind im Bereich der haushaltsorientierten Dienstleistungen kaum zu finden. Nur 1,2 % der Unternehmen setzten 2 Mill. Euro oder mehr um.

Vor dem Hintergrund dieser Struktur ist es nicht weiter verwunderlich, dass bei den Unternehmen dieser Branchen das Einzelunternehmen die beliebteste Rechtsform ist. Über drei Viertel der Unternehmen in diesem Marktsegment führten ihre Geschäfte in einzelkaufmännischer Verantwortung. In der baden-württembergischen Wirtschaft insgesamt firmierten 70 % der Unternehmen unter dieser Rechtsform. Im Verarbeitenden Gewerbe waren es dagegen nur 57 %.

Teilweise dynamische Umsatzentwicklung

Neben der generellen Entwicklungsrichtung gestaltete sich die Wachstumsdynamik der betrachteten Branchen jedoch sehr uneinheitlich (Tabelle). Auch in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für das Land unterscheiden sich die haushaltsorientierten Dienstleistungsbranchen teilweise erheblich voneinander. So fanden sich 2001 im Wirtschaftsbereich persönliche Dienstleistungen4 mit über 20 000 Unternehmen fast die Hälfte aller haushaltsorientierten Dienstleister. An zweiter Stelle liegt mit über 11 000 Unternehmen der Wirtschaftsbereich Kultur, Sport und Unterhaltung, gefolgt vom Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen mit 5 000 Steuerpflichtigen.

Die Gesundheitsdienstleistungen erbrachten 2001 in Baden-Württemberg den Löwenanteil zum steuerbaren Umsatz der haushaltsorientierten Dienstleistungen. Mit über 4 Mrd. Euro übertrafen sie ihren Umsatz von 1996 um mehr als 30 %. Die nachfolgenden Plätze wurden von den persönlichen Dienstleistungen und den Kultur- und Unterhaltungsdienstleistungen mit 2,5 Mrd. Euro bzw. 2,3 Mrd. Euro belegt. Die Umsatzdynamik in diesen Branchen blieb mit Steigerungen von 7,2 % bzw. 11,4 % deutlich hinter der durchschnittlichen Entwicklung zurück.

Der Bereich Bildung und Erziehung ist in Baden-Württemberg, wie in ganz Deutschland, immer noch stark von öffentlichen Institutionen geprägt. Daran haben die Bestrebungen in jüngster Vergangenheit, eine stärkere Öffnung für den privatwirtschaftlichen Markt herbeizuführen, vergleichsweise wenig geändert. Dies lässt sich deutlich an den bislang noch geringen Unternehmens- und Umsatzzahlen ablesen. Knapp 3 700 Unternehmen erzielten einen Umsatz von 0,6 Mrd. Euro. Während die Zahl der Unternehmen zwischen 1996 und 2001 um 7,3 % zunahm, stieg der Umsatz im gleichen Zeitraum um 31,9 %. Damit lag die Umsatzentwicklung für Bildungs- und Erziehungsdienstleistungen im Vergleich mit den übrigen haushaltsorientierten Dienstleistungen auf Platz 1.

Positive Aussichten

Vor dem Hintergrund der oben angesprochenen gesellschaftlichen Phänomene ist auch in Zukunft mit einer steigenden Nachfrage von Privathaushalten nach Dienstleistungen und mit neuen Anbietern in diesen Marktsegmenten zu rechnen.

Der Fiskus und die Sozialkassen haben ebenfalls das Potenzial, das im Bereich der Dienstleistungen steckt, für sich entdeckt. Initiativen, wie Haushaltsschecks im Rahmen von Minijobs oder die Förderung von Dienstleistungspools, sollen für die Privathaushalte Anreize setzen, mehr reguläre Beschäftigung zu schaffen. Wenn diese Anstrengungen erfolgreich sind, dann könnte theoretisch für Dienstleistungen, die von Privathaushalten nachgefragt werden, ein Preis erzielt werden, der es für neue Anbieter möglich macht, sich am Markt zu etablieren. Ob die privaten Haushalte in der Praxis jedoch bereit sind, zu diesen Preisen Dienstleistungen weiter oder gar verstärkt in Anspruch zu nehmen, wird die Zukunft zeigen.

1 Hier ist zu beachten, dass das Umsatzsteuergesetz einen umfangreichen Katalog von Leistungen enthält, die von der Umsatzsteuer befreit sind und somit durch die Umsatzsteuerstatistik nicht abgebildet werden. Dazu gehören unter anderem bestimmte Leistungen der Ärzte und anderer Heilberufe, die Leistungen der meisten Krankenhäuser und Altenheime, die Leistungen der freien Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die Leistungen der Privatschulen, Theater, Museen, Orchester, Tierparks und die Leistungen der jugendfördernden Einrichtungen.

2 Synonym für den Begriff »Dienstleistungen für den Privathaushalt«.

3 Auf die Einbeziehung der innergemeinschaftlichen Erwerbe wird hier verzichtet, da diese nicht zu den originären Umsatzleistungen gehören.

4 In diesem sehr heterogenen Wirtschaftsbereich werden die unterschiedlichsten Dienstleistungen für private Haushalte zusammengefasst, wie beispielsweise der Service von Wäschereien, Reinigungen, Friseuren, Kosmetiksalons, Partnervermittlungen, Begleitdiensten, Astrologen, Solarien und Massagesalons bis hin zu den Diensten von Bestattungsunternehmen.