:: 6/2004

Ökologische Landwirtschaft in Baden-Württemberg 2003

Unterschiede zum konventionellen Landbau?

Verschiedene Lebensmittelkrisen in den vergangenen Jahren haben das Ernährungsbewusstsein der Verbraucher gesteigert und dem ökologischen Landbau eine günstigere wirtschaftliche Perspektive eröffnet. Mit der Agrarstrukturerhebung (ASE) 2003 wurde nach 1999 und 2001 zum dritten Mal die Teilnahme am ökologischen Landbau bei den landwirtschaftlichen Betrieben1 in Baden-Württemberg erfragt. Danach wirtschaften knapp 5 % oder gut 3 100 Landwirte nach den Kriterien des ökologischen Landbaus. Die Ergebnisse der ASE 2003 zeigen beim Vergleich von ökologisch wirtschaftenden Betrieben und Betrieben des konventionellen Landbaus markante Unterschiede in den Betriebsstrukturen. So bewirtschaftet ein Öko-Betrieb im Durchschnitt 40 % mehr Fläche, wobei der Schwerpunkt – im Gegensatz zum konventionellen Landbau – in der Grünlandwirtschaft liegt. Durch das Grundprinzip der artgerechten Tierhaltung sind die durchschnittlichen Tierbestandszahlen bis zu sechsmal niedriger, ebenso unterscheidet sich die Ausrichtung im Nutzungszweck: So ist die Milchwirtschaft im ökologischen Landbau weniger stark dominierend als im konventionellen Landbau, die extensive Mutterkuhhaltung hingegen ausgeprägter. Direktvermarktung und Gästebeherbergung sind bei den Öko-Betrieben deutlich stärker verbreitet

Das Aufgabenfeld der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Nicht mehr allein die Sicherung der Ernährungssituation der Bevölkerung steht im Vordergrund, vielmehr sind die Landwirte immer stärker gehalten, mit ihren Produkten den Ansprüchen der Verbraucher gerecht zu werden. Naturschutz sowie die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft stehen zudem verstärkt im Blickfeld des landwirtschaftlichen Aufgabenbereiches. In der Diskussion um die Neuausrichtung der Agrarpolitik ist auch der ökologische Landbau eines der Zukunftsthemen. So hat zum Beispiel die nationale Agrarpolitik als Ziel vorgegeben, bis zum Jahr 2010 den Anteil der ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) bis auf 20 % auszuweiten. Der Umstieg auf die Bewirtschaftung nach den Kriterien des ökologischen Landbaus bietet den Landwirten eine Chance zum Erschließen neuer Einkommensalternativen. Er birgt aber gleichzeitig ein unternehmerisches Risiko, da eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschaftsweise des Betriebes erfolgt. Das große öffentliche und politische Interesse an Informationen aus diesem Bereich der Landwirtschaft hat dazu geführt, dass erstmals mit der Landwirtschaftszählung (LZ) 1999 die Frage nach der Teilnahme am ökologischen Landbau in die amtliche Agrarstatistik aufgenommen wurde und mit der ASE 2003 mit ausgeweitetem Fragenumfang erhoben wurde (siehe i-Punkt 1).

Jeder 20. Betrieb wirtschaftet ökologisch

Nach den Ergebnissen aus der ASE 2003 wirtschafteten im Jahr 2003 von den annähernd 65 800 landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg knapp 5 % oder gut 3 100 Landwirte nach den Kriterien des ökologischen Landbaus. Von diesen Betrieben werden mittlerweile 92 900 Hektar (ha) bzw. 6,5 % der LF bewirtschaftet. Die Mindeststandards zur Erzeugung von landwirtschaftlichen Öko-Produkten definiert die EG-Öko-Verordnung (siehe i-Punkt 2). Diese erlaubt neben der Gesamt- auch eine Teilumstellung klar abgegrenzter Betriebsteile. So setzt sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche der ökologisch wirtschaftenden Betriebe aus 74 900 ha umgestellter Fläche (80,6 %), 5 200 ha in Umstellung befindlicher Fläche (5,6 %) und 12 800 ha weiterhin konventionell bewirtschafteter Fläche (13,8 %) zusammen. Über drei Viertel der Öko-Betriebe Baden-Württembergs (2 400 Betriebe) haben ihren Betrieb komplett auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Gut ein Fünftel der Betriebe, die in die ökologische Bewirtschaftung eingestiegen sind, bewirtschaften Teile ihrer Flächen auch noch nach konventionellen Kriterien.

Öko-Landbau als Alternative nur für die »Kleinen«? Keineswegs!

Bei einer näheren Betrachtung der Betriebsstrukturen der ökologisch wirtschaftenden Betriebe und einem Vergleich mit den Strukturen des konventionellen Landbaus sind einige markante Unterschiede festzustellen. Mit durchschnittlich 30 ha LF liegt die Flächenausstattung der Betriebe des ökologischen Landbaus um nahezu 40 % höher als die der konventionellen Betriebe (21,7 ha). Sie stieg damit seit 1999 um über 10 %. Wie in der gesamten baden-württembergischen Landwirtschaft sind die traditionell familiären Strukturen auch im Öko-Landbau vorherrschend. Über 90 % der ökologisch wirtschaftenden Betriebe werden in der Rechtsform Einzelunternehmen – dem klassischen Familienbetrieb – geführt. Allerdings haben sich die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), die seit Anfang der 90er-Jahre in der Landwirtschaft an Bedeutung gewinnen, im ökologischen Landbau mit 5,2 % schon stärker etabliert. Im Land der Nebenerwerbslandwirtschaft liegt der Anteil der Haupterwerbsbetriebe im Öko-Landbau mit 44,3 % um 10 Prozentpunkte höher als im konventionellen Bereich (Schaubild 1). Insgesamt können diese Entwicklungen Anzeichen für ein Aufweichen der familiär geprägten Strukturen sein und eine verstärkte Ausrichtung des modernen landwirtschaftlichen Betriebes auf eine effektive, rationalisierte Arbeitsgestaltung anzeigen.

Öko-Landbau ist eher ein Thema der jüngeren Generation

Der Umstieg auf die ökologische Betriebsführung bedeutet eine völlige Neuausrichtung der betriebswirtschaftlichen Abläufe und birgt nicht zuletzt ein unternehmerisches Risiko. Die Altersstruktur der Betriebsinhaber2 legt den Schluss nahe, dass vor allem Landwirte mittleren Alters diesen Schritt wagen. Sieben von zehn Betriebsinhabern im ökologischen Landbau sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, in den konventionell wirtschaftenden Betrieben ist lediglich jeder zweite Betriebsinhaber in diesem Alter. Jeder sechste Betriebsinhaber im konventionellen Landbau war älter als 60 Jahre, während im Öko-Landbau lediglich jeder elfte in diesem Alter ist. Es bleibt abzuwarten, inwieweit mit dem altersbedingten Betriebsinhaberwechsel in den nächsten Jahren auch ein Umstieg auf die ökologische Bewirtschaftung erfolgt.

Öko-Betriebe setzen auf artgerechte Tierhaltung…

Schwerpunkt der ökologisch wirtschaftenden Betriebe ist die Viehwirtschaft. Im Jahr 2003 hielten über 80 % der Öko-Betriebe Nutztiere. Damit liegt der Anteil der Vieh haltenden Betriebe hier um 18 Prozentpunkte höher als im konventionellen Landbau. Die Rinderhaltung spielt mit einem Anteil von 67 % der Vieh haltenden Betriebe mit Abstand die größte Rolle und liegt damit sogar noch über dem Anteil im konventionellen Bereich (62 %) (Schaubild 1). Im Gegensatz dazu liegt die Veredlungswirtschaft (Schweine- und Geflügelbetriebe) mit ihren meist sehr intensiven Haltungsformen in ihrer Bedeutung im ökologischen Landbau weit hinter der konventionellen Landwirtschaft, wo jeweils gut 40 % der Betriebe Schweine bzw. Geflügel halten. Markant ist die Bedeutung der Ammen- und Mutterkuhhaltung im ökologischen Landbau: Fast zwei Drittel aller Rinderbetriebe beschäftigen sich mit dieser extensiven Form der Rinderhaltung und -mast. Dagegen steht die Milchwirtschaft, eines der tragenden Standbeine der heutigen Landwirtschaft, im ökologischen Landbau nicht in vorderster Reihe: Nur knapp zwei von fünf Betrieben mit Rinderhaltung setzen auf die Milchproduktion, während es in der konventionellen Landwirtschaft nahezu zwei Drittel sind. Die Umsetzung der artgerechten Tierhaltung zeigt dabei direkte Auswirkungen auf die Bestandszahlen auf den Höfen. In der Schweine- und Geflügelhaltung liegen die durchschnittlichen Bestände in den ökologischen Betrieben bis zu sechsmal niedriger (Tabelle 1).

… und eine schonende Landbewirtschaftung

Wie in der Tierhaltung, so gelten im ökologischen Landbau auch für die pflanzliche Produktion feste Grundprinzipien, die sich im Anbauspektrum auf dem Ackerland niederschlagen. Grundgedanke ist eine naturnahe, extensivierte und ressourcenschonende Bewirtschaftung des Bodens. Durch Koppelung der Viehhaltung an die Flächenausstattung und Einschränkung der maximalen Besatzdichte nimmt das Dauergrünland im ökologischen Landbau 60 % der bewirtschafteten LF ein (Schaubild 1). Der Ackerbau hat mit 38 % eine deutlich geringere Bedeutung als bei den konventionell wirtschaftenden Betrieben, die 59 % der Fläche ackerbaulich nutzen. Auch der Anbau auf dem Ackerland wird – als Folge der abweichenden Fruchtfolgegestaltung – nach anderen Kriterien geplant. Wie auch im konventionellen Landbau wird Getreide – und hier vor allem der Winterweizen mit einem Umfang von einem Fünftel der Anbaufläche – auf über 50 % des Ackerlandes angebaut.

Auffällig ist der Anteil des Dinkels, einer Spezialform des Winterweizens, im Öko-Landbau: Mit knapp 2 600 ha wird er auf 7,3 % des Ackerlandes angebaut. Im konventionellen Bereich spielt er mit weniger als 1 % Anbauumfang dagegen nur eine unbedeutende Rolle. Herausragend ist zudem der Anbauumfang der Futterpflanzen mit einem Anteil von 28,4 %. Ihr Anteil an der ackerbaulich genutzten Fläche ist mehr als doppelt so groß wie im konventionellen Landbau (Schaubild 2). Ausschlaggebend hierfür ist die Futterversorgung des im Betrieb gehaltenen Viehs mit möglichst hofeigenem Futter. Die Hülsenfrüchte (Körnerleguminosen wie Futtererbsen, Ackerbohnen), die im konventionellen Anbau keine erwähnenswerte Rolle spielen (0,7 % der Ackerfläche), sind aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften zur Verbesserung der Bodenqualität sowie als Futterlieferant im Anbauspektrum der Ökobetriebe mit 5,5 % Anbauumfang deutlich stärker vertreten.

Öko-Betriebe als Vorreiter bei alternativen Einkommensquellen auf dem Hof

Die Suche nach alternativen Einkommensquellen in der Landwirtschaft beschränkt sich nicht auf den ökologischen Landbau. Direktvermarktung, Fremdenverkehr, Pferdepension oder auch die Erzeugung erneuerbarer Energien sind Beispiele für Einkommenskombinationen, die über die Produktion klassischer landwirtschaftlicher Produkte hinausgehen. Dabei scheinen die Betriebe des ökologischen Landbaus diesen neuen Tätigkeitsbereichen der Landwirtschaft aufgeschlossener gegenüberzustehen als die konventionellen Betriebe. Insgesamt erzielt jeder zweite Öko-Betrieb Einkünfte aus alternativen Tätigkeiten, während dies im konventionellen Landbau nur bei jedem sechsten Betrieb zutrifft (Tabelle 2). Ein Drittel der Öko-Betriebe geben die Direktvermarktung sowie Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Fleischverarbeitung, Käseherstellung, Weinerzeugung etc.) als zusätzliche Einkommenskombination an, während es im konventionellen Landbau lediglich knapp 9 % sind. Im Bereich Fremdenverkehr und Beherbergung von Gästen sind immerhin fast 12 % der ökologisch wirtschaftenden, aber gerade einmal knapp 3 % der konventionellen Betriebe tätig.

Der ökologische Landbau wird als eines der wichtigen Zukunftsthemen in der deutschen Agrarlandschaft gesehen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die hochgesteckten Erwartungen auf diesem Segment erfüllt werden können. Aktuell durchlebt die Ausweitung des Ökolandbaus eine Konsolidierungsphase. Ob der ökologische Landbau es schafft, sein Nischendasein zu verlassen und sich als alternative Produktionsform auf breiterer Front zu etablieren, ist unter anderem vom Kaufverhalten der Verbraucher abhängig. Ohne deren Bereitschaft, ökologische Leistungen wie Ressourcen- und Tierschutz über den Kauf ökologischer Produkte zu honorieren, wird dieses von den Landwirten auf Dauer nicht zu leisten sein.

1 Betriebe mit mindestens 2 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche oder mit pflanzlichen oder tierischen Mindesterzeugungseinheiten.

2 Zur Altersstruktur sind nur Aussagen für Betriebe der Rechtsform Einzelunternehmen möglich.