:: 7/2004

Stellung der Südwestindustrie im Ländervergleich

Ein Zehntel der Fläche, 13 % der Bevölkerung, etwa ein Siebtel der gesamtwirtschaftlichen Leistung – so lauten die üblichen Maßstäbe, um Baden-Württemberg der Größe nach im Bund-Länder-Vergleich einzuordnen. Beim Verarbeitenden Gewerbe (vgl. i-Punkt 1) fallen die Landesanteile mit rund einem Fünftel deutlich höher aus. Aufgrund seiner Größe und wirtschaftlichen Bedeutung erreicht der Südweststaat bei den verschiedenen Kenngrößen jeweils Platzierungen unter den ersten drei Bundesländern. Bemerkenswert ist auch, dass das Verarbeitende Gewerbe im Südwesten mit einem Anteil von 31 % an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche mit Abstand den relativ höchsten Beitrag unter allen Ländern vor Rheinland-Pfalz (25 %) erreicht. Die anhand industriestatistischer Kennziffern verdeutlichten unterschiedlichen Positionen des Verarbeitenden Gewerbes in den Ländern weisen Baden-Württemberg einen Spitzenplatz zu.

Im Jahr 2003 waren über 56 % der insgesamt 48 417 Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes1 im Bundesgebiet in Nordrhein-Westfalen (21,9 %), Baden-Württemberg (18,1 %) und Bayern (16,4 %) angesiedelt (Tabelle 1). Gemessen an der Zahl der Beschäftigten liegt dieselbe Reihenfolge vor, wobei in Baden-Württemberg und Bayern der Beschäftigtenanteil um 2 bzw. 3 Prozentpunkte deutlich über dem Betriebsanteil liegt. Damit ist die Konzentration auf die drei führenden Länder mit einem Anteil von über 61 % an den insgesamt 6,13  Mill. Industriebeschäftigten in Deutschland noch stärker ausgeprägt (Schaubild 1). Hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden und der Lohn- und Gehaltsumme ergeben sich ähnliche Größenrelationen unter den führenden Bundesländern. Beim Umsatz muss der Südweststaat den zweiten Platz zugunsten von Bayern räumen, das hinter Nordrhein-Westfalen rangiert. An die vierte Stelle schiebt sich Niedersachsen vor den Stadtstaaten und den Neuen Ländern.2

Der Landesanteil fällt insbesondere bei den im Südwesten besonders stark vertretenen Investitionsgüterherstellern – allen voran dem »Maschinenbau« mit über 28 % bei den Beschäftigten und fast 30 % beim Umsatz – überdurchschnittlich hoch aus. Über ein Viertel der im »Fahrzeugbau« Beschäftigten arbeitet hier zu Lande und erwirtschaftet 23 % des gesamten Branchenumsatzes in Deutschland. Der Bereich »Büro- und Datenverarbeitungsgeräte, Elektrotechnik; Feinmechanik, Optik« (23,5 % bzw. 21,0 %) ist etwas weniger stark vertreten. Aber auch das »Textil- und Bekleidungsgewerbe« (22,7 % bzw. 23,5 %) behauptet trotz anhaltendem Schrumpfprozess seine traditionell bundesweit starke Stellung. Dagegen bleiben die Bundesanteile der Bereiche »Metallerzeugung, -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen«, »Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung« und »Chemische Industrie« zum Teil deutlich hinter dem Beschäftigten- bzw. Umsatzanteil des gesamten Verarbeitenden Gewerbes (20,1 % bzw. 17,9 %) zurück (Schaubild 2).

Im Südwesten die meisten Beschäftigten je 1 000 Einwohner

Beim Vergleich absoluter Größenordnungen ist Baden-Württemberg naturgemäß zusammen mit Nordrhein-Westfalen und Bayern im Bereich der Spitzenplätze zu finden. Die Verwendung normierter Kenngrößen lässt die Stärken und Schwächen der Länder deutlicher zu Tage treten (Tabelle 2). Auf 1 000 Einwohner Baden-Württembergs kommen 115 Industriebeschäftigte. Das sind über 40 Beschäftigte oder 55 % mehr als im Bundesdurchschnitt (74) und 20 mehr als in Bayern. Nordrhrein-Westfalen liegt im Bundesdurchschnitt, in Mecklenburg-Vorpommern beträgt der Industriebesatz nur ein Viertel von Baden-Württemberg. Unter mehr räumlichen Gesichtspunkten ist interessant, dass die Zahl der Industriebeschäftigten je Quadratkilometer mit 34 in Baden-Württemberg doppelt so hoch wie in Bayern ausfällt, das im Bundesdurchschnitt liegt. Neben den Stadtstaaten (130) weisen nur Nordrhein-Westfalen (39) und das Saarland (40) eine höhere Industriedichte auf.

Gemessen an der durchschnittlichen Betriebsgröße nimmt das Saarland mit 201 Beschäftigten je Betrieb mit Abstand die Spitzenposition unter den Ländern ein, was vor allem mit der Konzentration relativ weniger sehr großer Betriebe im »Kohlebergbau«, der »Metallerzeugung« und dem »Fahrzeugbau« zusammenhängt. Es folgen Bayern und die Stadtstaaten (149 bzw. 148) vor Baden-Württemberg (141) und Hessen (137). Besonders niedrige Werte weisen die Neuen Länder (78) auf.

Starke Einkommensdiskrepanzen zwischen Ost und West

Die niedrigste je Beschäftigten geleistete Arbeitszeit wurde 2003 im Saarland, in Niedersachsen und Baden-Württemberg mit weniger als 1 500 Stunden pro Jahr registriert. In Bayern und Hessen war man nur wenig »fleißiger«. In allen anderen Ländern wurde mehr als im Bundesdurchschnitt (1 524) gearbeitet. In den Neuen Ländern lag die durchschnittliche Jahresarbeitszeit (1 643) sogar um 134 Stunden höher als in den übrigen Ländern (1 509). Das entspricht im Osten immerhin einer zusätzlichen Arbeitszeit von mehr als einem Monat im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen Länder (126).

Beträchtliche Diskrepanzen bestehen auch bei den im Jahr je Beschäftigten ausgezahlten Löhnen und Gehältern. Hier reicht die Spannweite von 25 444 Euro in den Neuen Ländern bis 42 577 Euro in den Stadtstaaten. Für die Beschäftigten in den Neuen Ländern kommt dies einem Verdienstrückstand von über 30 % gegenüber dem Bundesdurchschnitt gleich. Die Industriebeschäftigten verdienen dort 12 623 Euro – das sind fast vier westliche Monatseinkommen – weniger als die Kolleginnen und Kollegen im früheren Bundesgebiet. Unter den »alten« Flächenländern liegt Baden-Württemberg (39 394 Euro) vor Hessen (39 228 Euro) an der Spitze. In den Stadtstaaten spielen für das hohe Verdienstniveau strukturelle Gegebenheiten – zum Beispiel Mineralölindustrie in Hamburg, Fahrzeugbau in Bremen – und die Ballung von Verwaltungs- und Vertriebstätigkeiten mit eine Rolle. Wegen der längeren Arbeitszeit in den Neuen Ländern fallen die Diskrepanzen zwischen Ost und West bei den Löhnen und Gehältern je geleisteter Arbeitsstunde – sie betragen im Osten mit 15,50 Euro nicht einmal zwei Drittel des Bundesdurchschnitts (24,20 Euro) – noch deutlicher aus (Schaubild 3). Sie liegen fast 10 Euro je Stunde unter dem Westniveau (25,20 Euro). Baden-Württemberg und Hessen sind hier mit über 26 Euro nach Hamburg mit führend.

Umsatzbesonderheiten beeinträchtigen Ländervergleich

Die Lohn- und Gehaltsumme in Relation zum Umsatz erreicht nur in Hessen und Baden-Württemberg Werte um 20 % und mehr. Die so genannte Lohnquote liegt damit in diesen beiden Ländern um fast ein Fünftel über dem Bundesdurchschnitt (16,8 %). In den Stadtstaaten beträgt sie dagegen nicht einmal 10 %. Das hängt – abgesehen von dem hohen Anteil von Verwaltungs- und Vertriebszentren – unter anderem auch damit zusammen, dass zumindest für Hamburg auch insofern eine Extremsituation vorliegt, als dort über die Hälfte des deutschen Gesamtumsatzes der Mineralölindustrie abgerechnet wird, der darüber hinaus aufgrund der hohen Verbrauchsteueranteile im Vergleich zu anderen Branchen besonders hoch ausfällt. Entsprechend extrem – mit fast 450 000 Euro nämlich doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt – fällt demzufolge auch der Umsatz je Beschäftigten in den Stadtstaaten, ebenfalls überwiegend durch die Sondersituation Hamburg bedingt, aus. Eine überdurchschnittliche Umsatzproduktivität kommt sonst nur noch in Niedersachsen (257 000 Euro) und Bayern (221 000) vor. In Niedersachsen hängt der günstige Gesamtwert überwiegend mit der extrem hohen Umsatzproduktivität im »Fahrzeugbau« zusammen, die dort um fast 30 % höher als im Bundesdurchschnitt und um über 40 % höher als in Baden-Württemberg ausfällt. Auch in Bayern übertrifft die Umsatzproduktivität im »Fahrzeugbau« den entsprechenden Wert in Baden-Württemberg noch um ein Viertel.

Abgesehen von den Neuen Ländern und dem Saarland bilden Baden-Württemberg und Hessen die Schlusslichter in der Betrachtung der Umsätze je Beschäftigten. Die traditionell vergleichsweise geringe Produktivität hängt nicht zuletzt auch mit dem Branchenmix im Südwesten zusammen: Auf der einen Seite prägen hier zu Lande außer dem »Fahrzeugbau« besonders beschäftigungsintensive Branchen wie der »Maschinenbau« und der Bereich »Büro- und Datenverarbeitungsgeräte, Elektrotechnik; Feinmechanik und Optik« die Industriestruktur, auf der anderen Seite sind besonders produktive Branchen wie zum Beispiel die »Chemische Industrie« oder die »Mineralölverarbeitung« nur weit unterduchschnittlich vertreten.

Im Vergleich zu 1995 (vgl. i-Punkt 2) konzentrieren sich die auffallend positiven Entwicklungen in erster Linie auf die Neuen Länder, wenngleich hierbei sicher auch Effekte des vergleichsweise niedrigen Ausgangsniveaus zu Buche schlagen. Das Umsatzwachstum fällt dort im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (27,1 %) mit fast 73 % mehr als zweieinhalb mal so hoch aus. Allen voran sind hier zu nennen:

Thüringen92,2 %
Sachsen81,9 %
Sachsen-Anhalt73,5 %

Unter den alten Bundesländern weisen die stärkste Umsatzdynamik auf:

Bayern43,5 %
Bremen42,6 %
Niedersachen35,9 %
und Baden-Württemberg35,1 %

Dagegen fallen Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen mit einem Umsatzzuwachs von lediglich 10 % und weniger deutlich ab. Der Umsatzanteil Nordrhein-Westfalens hat sich von fast einem Viertel im Jahr 1995 auf 21,3 % reduziert. Thüringen (29,1 %) und Sachsen (7,5 %) sind auch die einzigen Länder mit positiver Beschäftigtenentwicklung. Gemessen an dem bundesweiten Rückgang (9,5 %) ist der Beschäftigtenabbau in Baden-Württemberg (2,7 %) glimpflich verlaufen. Dagegen wurden in Berlin (30,2 %), Nordrhein-Westfalen (18,5 %) und Hessen (17,3 %) drastisch Stellen abgebaut. Bei den Betriebszahlen fallen insbesondere die hohen Zunahmen in den Neuen Ländern (24,3 %) ins Auge.

Südwest-Industrie im Schnitt im Spitzenbereich

Die auf den Bundesdurchschnitt normierten Kennziffern variieren zwischen 38 Punkten für die Zahl der Beschäftigten je Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern und 323 Punkten für den Umsatz je Beschäftigten in Hamburg, also knapp 40 % und mehr als dem Dreifachen des entsprechenden Kennziffernwertes des Bundes. Die Mittelung der acht Kennziffern (Tabelle 2) je Land führt zu Durchschnittsmesszahlen je Land. Diese bewegen sich in einer Spannweite zwischen 69 und 122 Punkten, das heißt, im Kennzifferndurchschnitt wird der Bundesdurchschnitt um über 30 % verfehlt bzw. um 22 % übertroffen (Schaubild 4). In der Spitzengruppe, die um mindestens 10 % bessere Werte erreicht, befanden sich 2003 Hamburg, Bremen und an dritter Stelle Baden-Württemberg. Die Gruppe der bis 10 % überdurchschnittlichen Länder wird vom Saarland und von Bayern vor Hessen und Rheinland-Pfalz angeführt. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen entsprechen im Mittel der gewählten Kriterien dem Bundesergebnis. In der Kategorie der bis zu 10 % unterdurchschnittlichen Länder befinden sich Berlin und Schleswig-Holstein. Am Ende sind alle Neuen Länder mit einem Abstand von wenigstens 20 % vom Bundesergebnis platziert. Trotz des überdurchschnittlichen Umsatz- und Beschäftigtenwachstums gegenüber 1995 hat sich die industriestatistisch messbare Situation dort nicht grundlegend verändert. Im Kennziffernmittel hat sich der Abstand bezogen auf den Bundesdurchschnitt lediglich um 4Punkte auf 74 verringert. Dies geht allerdings nur auf den Fortschritt in Sachsen und Thüringen zurück, die sich sichtbar gegenüber den übrigen Neuen Ländern vom Ranglistenende absetzen konnten. Unter den Stadtstaaten hat hauptsächlich Hamburg profitiert und damit von Bremen die Spitzenposition übernommen. Zu den Gewinnern zählen auch Bayern und Baden-Württemberg. Zu den Verlieren gehören dagegen vor allem Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

1 Die Angaben wurden der Fachserie 4 des Statistischen Bundesamtes entnommen.

2 Die Ergebnisse enthalten im Unterschied zu anderen gelegentlich noch anzutreffenden Darstellungen keine Angaben über Berlin-Ost.