:: 7/2004

Zukünftige Flächennutzung in Baden-Württemberg

Neben Luft, Wasser, Klima, der Tier- und Pflanzenwelt rückt das Naturgut Boden immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Da Grund und Boden als knappes Gut nur begrenzt verfügbar ist, müssen alle raumbezogenen Planungen einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Bestandsbeurteilungen zwei grundsätzliche Aspekte berücksichtigen, und zwar den einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Flächen und Einrichtungen für die Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse (zum Beispiel Wohnungen, Arbeitsstätten, Infrastruktureinrichtungen etc.) sowie den Schutz und sorgsamen Umgang mit der Ressource Boden.

Umwelt-, Raumordnungs- und Städtebaupolitik des Bundes und der Länder, Landschafts- und Verkehrsplanung sowie Regional- und kommunale Gemeindeentwicklungsplanung be-nötigen zur Erfüllung ihrer Aufgaben somit differenzierte Angaben über Art und Umfang der tatsächlichen und der geplanten Nutzung aller Bodenflächen.

Dem erhöhten Informationsbedarf an flächennutzungsbezogenen Daten wird seit 1989 insoweit entsprochen, als ergänzend zu der 1979 eingerichteten und ab 1981 in 4-jährigem Turnus stattfindenden »Flächenerhebung nach der tatsächlichen Nutzung« (FEtN) auch eine Erhebung nach der in einem Flächennutzungsplan dargestellten Art der Nutzung (FEpN) durchgeführt wird.1 Im Flächennutzungsplan ist für das gesamte Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den vorhersehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen. Mit der Flächenerhebung nach der geplanten Nutzung verbindet der Gesetzgeber folgerichtig die Erwartung, »Flächenreserven und künftige Veränderungen der Flächennutzung auf regionaler und überregionaler Ebene sichtbar zu machen, um so ungewollten Entwicklungen entgegensteuern zu können.«2

Die Auskunftspflicht für die FEpN wurde den Gemeinden übertragen, denn diese verfügen aufgrund der kommunalen Planungshoheit mit den Flächennutzungsplänen über die erforderlichen Erhebungsgrundlagen. Flächennutzungspläne bilden üblicherweise einen Planungszeitraum von 10 bis 15 Jahren ab. So kommen einerseits ältere, anderseits jüngere Flächennutzungspläne zur Auswertung.3

Flächennutzungsplanung weist 8,5 % der Landesfläche als Bauflächen aus

Zum Stand vom 31. Dezember 2000, dem Stichtag der letzten Flächenerhebung, wiesen die kommunalen Planungsträger 0,3 Millionen Hektar ( Mill. ha) oder 8,5 % der Landesfläche von 3,6 Mill. ha als bestehende bzw. geplante Bauflächen aus. Diese gliedern sich wie folgt auf:

  • Mit 47 % ist knapp die Hälfte der Bauflächen für Wohnzwecke bestimmt,
  • rund ein weiteres Fünftel ist der gewerblichen Nutzung vorbehalten.
  • Auf einem Viertel der ausgewiesenen Bauflächen sind Mischnutzungen möglich.
  • Die restlichen 8 % der Bauflächen sind als Sonderbauflächen beispielsweise für Wochenendhausgebiete oder Kliniken vorgesehen.
  • Dem überörtlichen Verkehr sowie den örtlichen Hauptverkehrszügen (kurz: Flächen für den Verkehr) werden 65 000 ha, also 1,8 % der Landesfläche eingeräumt,
  • den Löwenanteil an der Verkehrsfläche nehmen dabei mit 50 700 ha die Flächen für den Straßenverkehr ein. Hierbei handelt es sich um Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, wichtige Gemeinde- und Gemeindeverbindungsstraßen sowie die zugehörigen Flächen für den ruhenden Verkehr.
  • Knapp ein Fünftel der Verkehrsflächen dienen dem Schienenverkehr.
  • Für den Gemeinbedarf, also für Zwecke der öffentlichen Verwaltung, für Schulen, Kirchen, kulturelle, soziale und gesundheitliche Einrichtungen sehen die Planungsunterlagen landesweit 0,4 % der gesamten Bodenfläche vor.
  • Der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser, der Entsorgung von Abwässern und Abfällen sowie für Ablagerungen sind weniger als 0,2 % der Landesfläche vorbehalten.
  • Grünflächen, wie Sportplätze und Parkanlagen, denen insbesondere in den verdichteten Gebieten für die Naherholung große Bedeutung zukommt, finden sich nach dem Willen der Planungsträger auf 1,6 % der Gesamtfläche.

Grundsätzlich muss bei den ausgewiesenen Nutzungsarten beachtet werden, dass es sich bei den Werten jeweils um die Summe aus Bestands- und geplanten Erweiterungsflächen handelt (i-Punkt/Tabelle 1).

Obwohl sie im Einzelfall auf lokaler Ebene die Flächennutzung und damit das Landschaftsbild entscheidend prägen können, sind auch die Anteile von Wasserflächen (0,7 %), von Flächen für Aufschüttungen und Abgrabungen (0,4 %) und sonstigen Flächen wie etwa militärisches Übungsgelände (1,0 %) aus baden-württembergischer Sicht in ihrer Gesamtheit vergleichsweise gering. Den größten Raum nehmen mit 1,720 Mill. ha oder 48 % die Flächen für die Landwirtschaft und mit 1,340 Mill. ha (37 %) die Flächen für die Forstwirtschaft ein.

Der Vergleich mit den Ergebnissen der vorausgegangenen Erhebungen der Jahre 1989, 1993 und 1997 bestätigt die bekannten Entwicklungstendenzen. Nahezu alle Planungen stehen in Zusammenhang mit Siedlungsaktivitäten und gehen fast ausschließlich zulasten der Landwirtschaftsfläche (−11 400 ha; −0,7 %). Die Bauflächen erfuhren in den Flächennutzungsplänen im Zeitraum 1997/2001 dagegen eine Ausdehnung um 8 700 ha (+3,0 %), wobei der Zuwachs bei den Wohnbauflächen mit +3 800 ha (+2,7 %) absolut und bei den gewerblichen Bauflächen mit +3 300 ha (+5,9 %) relativ am größten war. Die gemischten Bauflächen (+1 260 ha; +1,7 %) wurden weniger stark ausgedehnt. Die Grünflächen wurden zwischen 1997 und 2001 um 1 200 ha (+2,2 %) erhöht, langfristig werden mittlerweile dabei gewisse Sättigungstendenzen deutlich.

Künftige Flächennutzung stark von Gemeindegröße abhängig

Die Anteile der Einzelkategorien an der Bodenfläche und damit die Struktur der bestehenden und geplanten Flächennutzung werden ganz entscheidend von der Gemeindegröße4 bestimmt. So steigt mit der Gemeindegröße der Anteil der Bauflächen an der Bodenfläche insgesamt. Wie aber sollen nach den Zielvorgaben der Flächennutzungspläne die Bauflächen genutzt werden? Welche Anteile entfallen auf Wohnbauflächen, welche auf gewerbliche und gemischte Bauflächen? Hier zeigen sich ganz klare Tendenzen: mit der Gemeindegröße nehmen die Wohnbauflächen immer größeren Raum ein (Tabelle 2). Gleiches gilt für die gewerblichen Bauflächen mit der Folge einer starken räumlichen und funktionalen Trennung von Arbeiten und Wohnen. Umgekehrt dominieren die gemischten Bauflächen in kleineren Gemeinden, wo insbesondere in den Ortskernen beide Lebensbereiche häufig in unmittelbarer Nachbarschaft anzutreffen sind.

Der Anteil der Verkehrsflächen an der Bodenfläche nimmt ebenfalls mit der Gemeindegröße zu. Auch für Zwecke der Ver- und Entsorgung müssen immer größere Flächenanteile bereitgestellt werden. Und während der Grünflächenanteil (Parkanlagen, Sportplätze…) in kleineren Gemeinden eher gering ist, beansprucht er in den Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern5 bis über 10 % der Bodenfläche.

Die Entscheidungsträger vor allem in den kleineren Gemeinden weisen in ihren Flächennutzungsplänen vermehrt Bauflächen aus. Die Steigerungsraten zwischen 1997 und 2001 liegen bei den Wohnbau- und den gewerblichen Bauflächen deutlich über jenen der Städte. Auch was die Verkehrsanbindungen anbelangt, herrscht hier offenbar Nachholbedarf. Neue Verkehrsflächen, sei es für den Fernverkehr oder den Bau von Umgehungsstraßen, werden ebenfalls hauptsächlich von kleineren Gemeinden ausgewiesen.

Große regionale Unterschiede bei den Flächennutzungen

Fokussiert man die Betrachtung auf die Ebene der Stadt- und Landkreise, werden erhebliche regionale Unterschiede in der geplanten Flächennutzung deutlich. Der Anteil der Verkehrsfläche an der gesamten Bodenfläche reicht in den Flächennutzungsplänen von 1 % im Landkreis Emmendingen bis fast 9 % in Mannheim. Die Kreise mit niedrigen Anteilssätzen liegen alle in den eher ländlichen Gebieten entlang der bayerischen Grenze sowie auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald. Im Gegensatz hierzu werden Anteilswerte von über 3 % nur in den Stadtkreisen und den angrenzenden Landkreisen erreicht. Hier konzentrieren sich die Flächen für den Straßenverkehr ebenso wie die Flächen für Bahnanlagen (Schaubild).

Wie bei den Verkehrsflächen sind auch die relativen Anteile der Bauflächen an der gesamten Bodenfläche in den Stadtkreisen und den angrenzenden Landkreisen besonders hoch. Bei den gewerblichen Bauflächen zeigt sich kein derartig klares Bild. Die diesbezüglichen Flächenanteile streuen über die Stadt- und Landkreise von 13 % in Stuttgart bis zu 29 % in Mannheim. In den altindustrialisierten Gebieten, bei denen bereits frühzeitig die Ansiedlung von größeren Unternehmen gelungen war, folgte fast zwangsläufig eine starke räumliche Trennung von Arbeiten und Wohnen. Umgekehrt dominieren gemischte Bauflächen in Gebieten, wo eher das Handwerk, der Dienstleistungsbereich sowie kleinere Industriebetriebe vertreten sind.

Zukunftsperspektiven

Das bei den Regierungspräsidien bislang manuell vorgehaltene Raumordnungskataster soll jetzt in ein digitales Kataster, das Automatisierte Raumordnungskataster (AROK), überführt werden. Gleichzeitig ist vorgesehen, das AROK um weitere Datenbestände zu ergänzen, um ein landesweit kompatibles Planungs- und Informationssystem für die Aufgabenwahrnehmung der Landes- und Regionalplanung zu erhalten. Auf der anderen Seite hat die amtliche Statistik die Aufgabe, in 4-jährigem Turnus die Bodenfläche nach der in einem Flächennutzungsplan dargestellten Art der Nutzung (FEpN) zu erheben. Da aber genau dieser Themenbereich für alle Gemeinden des Landes zukünftig im AROK abgebildet werden soll, sind derzeit Bestrebungen im Gange, die Gemeinden zu entlasten und AROK für die FEpN zu nutzen.

Aufseiten des Statistischen Landesamtes würde sich die Zahl der Auskunft Gebenden von 1 111 auf 4 reduzieren und infolge medienbruchfreier Datenverarbeitung ein erheblicher Rationalisierungseffekt eintreten. Gleichzeitig kann durch Verwaltung und Pflege des AROK-Datenbestandes in den Händen von wenigen Fachkräften eine vergleichbare Datenqualität auf hohem Standard erwartet werden.

Dabei eröffnen sich durch die in AROK vorgesehene Unterscheidung hinsichtlich Bestands- und potenziellen Erweiterungsflächen weitere Auswertungsmöglichkeiten. AROK arbeitet mit der Bezugsgeometrie des ATKIS.6 Ein Datenabgleich der AROK-Datenbestände zur geplanten mit denen der bestehenden ATKIS-Nutzung in einem Geo-Informationssystem dürfte technisch keine unüberwindlichen Probleme aufwerfen. Der bislang so schmerzhaft vermisste SOLL-IST-Vergleich erscheint dann möglich.

1 Rechtsgrundlage der im Jahre 2001 durchzuführen-den Erhebungen war das Gesetz über Agrarstatistiken (Agrarstatistikgesetz – AgrStatG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1635).

2 Bundesratsdrucksache 236/88 vom 27. Mai 1988, S. 63.

3 Eine ausführliche Beschreibung des Erhebungsverfahrens findet sich bei Stadler, Rudolf/Wöllper, Frank/Betzholz, Thomas: Flächennutzungsplanung – ein neuer statistischer Ansatz mit Zukunftsperspektiven, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 12/1994, S. 588–598.

4 Hierbei handelt es sich um Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, wichtige Gemeinde- und Gemeindeverbindungsstraßen sowie die zugehörigen Flächen für den ruhenden Verkehr.

5 Definiert über die Ein-wohnerzahl.

6 ATKIS: Automatisiertes Topografisch-Kartografi-sches Informations-system.