:: 7/2004

2003: Über 6 000 Insolvenzverfahren verschuldeter Privathaushalte in Baden-Württemberg

Mit der Einführung der neuen Insolvenzordnung im Jahr 1999 wurde unter anderem die rechtliche Handhabung der Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen auf eine gesetzliche Basis gestellt, die auch soziale Gesichtspunkte beachtet. Um verschuldeten natürlichen Personen die finanzielle Perspektivlosigkeit zu nehmen, wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren so konzipiert, dass unter bestimmten Voraussetzungen nach 6 Jahren (bzw. bis 2002 noch nach 7 Jahren) eine Restschuldbefreiung erreicht werden kann. Entsprechend der alten Rechtslage hatten die Gläubiger 30 Jahre lang die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung.

Ende 2001 kam es zu einer weiteren Novellierung der Insolvenzordnung; diese Ergänzung wirkte sich insbesondere auf die Insolvenzzahlen der natürlichen Personen aus: Die Kosten eines Insolvenzverfahrens können bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden (§ 4b der Insolvenzordnung), was auch zu einer geringeren Anzahl mangels Masse abgelehnter Verfahren führte. So wurde im Jahr 2003 nur noch rund ein Siebtel (13,6 %) der Privatkonkurse mangels Masse abgelehnt. Die Zahl der Privatkonkurse nahm im Jahr 2003 gegenüber dem Vorjahr um 19,5 % zu; damit stieg auch die Gesamtzahl der gerichtlich entschiedenen Insolvenzverfahren um 11 %. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen lag dagegen um 2,4 % unter dem Vorjahreswert. Im Jahr 2002 waren noch beachtliche Steigerungsraten sowohl bei den Unternehmensinsolvenzen mit 22 % als auch bei Privatkonkursen mit einer Verdoppelung der Verfahrenszahl zu verzeichnen.

Bei den baden-württembergischen Amtsgerichten wurden im Jahr 2003 insgesamt 9 418 Insolvenzverfahren entschieden: 3 235 Unternehmensinsolvenzen1 und 6 183 Insolvenzen von Privatpersonen, also von Schuldnern, die keine unternehmerische Tätigkeit ausüben bzw. sie nicht mehr ausüben (Tabelle 1). 6 885 Verfahren wurden eröffnet, weitere 2 220 Verfahren wurden von den Gerichten mangels Masse abgewiesen und 313 Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan geregelt.

Nahezu die Hälfte der 6 183 Privatkonkurse waren Verbraucherinsolvenzverfahren (3 038 Fälle), also Insolvenzen von Arbeitnehmern, Rentnern, Erwerbslosen oder Arbeitslosen. Dazu kommen 2 038 Insolvenzfälle, die eine Verschuldung ehemals selbstständig Tätiger (33 %) betrafen (Schaubild 1).

Die Ursachen für die hohe Zahl verschuldeter Privatpersonen können vielfältig sein. Oft genannt werden Arbeitslosigkeit und vor allem Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit, aber auch die geringen (Real)Lohnsteigerungen und beachtliche Sozialabgaben oder Kürzungen von Sozialleistungen auf der einen Seite und hohe Kreditkosten auf der anderen Seite. Bei den ehemals Selbstständigen ging oft ein Unternehmenskonkursverfahren voraus.

Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren ist in Jahresfrist um 45 % gestiegen

Im Jahr 2003 wurden 3 038 Verbraucherinsolvenzverfahren registriert. Das waren 942 Fälle oder 45 % mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2002 wurden 2 096 Verfahren gezählt. Weit weniger waren es noch im Jahr 2000 mit 1 322 Verfahren und im Jahr 1999, der Anfangsphase des Gesetzes, mit nur 382 Fällen (Tabelle 2). Die Entwicklung seit 1999 erklärt sich auch durch die Einführungsphase der neuen Insolvenzordnung und hier insbesondere durch die jeweils einzuhaltenden Fristen, vielleicht aber auch durch den anfänglich noch geringen Bekanntheitsgrad.

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger an die zahlungsunfähigen Verbraucher betrugen im Jahr 2003 insgesamt 406 Mill. Euro; die durchschnittliche Forderungshöhe lag bei ca. 134 000 Euro. Da dieser Betrag in den Vorjahren merklich höher lag, liegt die Vermutung nahe, dass das Ziel der Insolvenzordnung der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger über eine frühzeitige Antragstellung mehr und mehr erreicht wird.

Für die Hälfte der Verbraucherinsolvenzen errechnet sich eine Forderungshöhe von unter 50 000 Euro (Schaubild 2). Dazu kommen 1 165 Verfahren (38 %) der Forderungsgrößenklasse zwischen 50 000 und 250 000 Euro. Das sind zusammen weit über vier Fünftel der einbezogenen Verbraucherschulden; das heißt, nahezu neun Zehntel (89,4 %) der insolventen Verbraucher hatten weniger als 250 000 Euro Schulden. Bei lediglich 0,9 % der Verfahren lag die Forderungshöhe sogar unter 5 000 Euro.

Weitere 2 038 Privatkonkurse betrafen ehemals selbstständig Tätige

Das soziale Anliegen des Verbraucherinsolvenzverfahrens war es, überschuldeten natürlichen Personen – nach Durchführung eines vereinfachten Insolvenzverfahrens – zu ermöglichen, in den Genuss einer Restschuldbefreiung zu kommen. Gerade jüngere Schuldner sollten einen Ausweg aus lebenslanger Haftung finden. Auch sollen die Folgen der Privatverschuldung, vor allem Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft, verringert werden. Das gilt – vielleicht sogar verstärkt – für ehemals selbstständig Tätige. Insgesamt wurden 2 038 Insolvenzverfahren ehemals Selbstständiger gezählt, wovon 87 % der Verfahren eröffnet wurden. Nur rund 12 % wurden mangels Masse abgelehnt, 29 Fälle wurden zudem durch einen Schuldenbereinigungsplan geregelt. Die Möglichkeit der Stundung der Verfahrenskosten führte auch bei dieser Personengruppe zu einem Schub bei den Insolvenzanträgen. Hier bestand die Aussicht auf eine Restschuldbefreiung, auch wenn gegen das Unternehmen oder den Unternehmer bereits ein Verfahren vorausging.

In die Gruppe der ehemals selbstständig Tätigen gehören 33 % der Privatschuldner, wobei allerdings nur 6 % der Privatkonkurse nach dem einfachen Verbraucherinsolvenzverfahren entschieden werden konnten. Zum einfacheren Verfahren zugelassen sind nur ehemals Selbstständige mit überschaubarer Verschuldung. Die Faustregel lautet hier: Weniger als 19 Gläubiger und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen. Diese Voraussetzung erfüllten nur 370 oder 18 % der insolventen ehemals Selbstständigen. Weit größer ist dagegen die Zahl der ehemals selbstständig Tätigen, die diese Voraussetzung nicht erfüllten und deshalb das Verfahren, wie bei den aktiven Unternehmen, nach dem so genannten Regelinsolvenzverfahren entschieden wurde (1 668 Verfahren). Trifft die Bedingung »keine überschaubaren Vermögensverhältnisse« zu, kommt das Regelverfahren zur Anwendung.

Nur für rund 70 % der Fälle gibt es Hinweise, welchen Wirtschaftszweigen die Firmen dieser Schuldner angehörten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass vermehrt das Gastgewerbe, der Handel, das Baugewerbe sowie der Bereich Verkehr betroffen sind. Es folgen der zusammengefasste Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen und das Verarbeitende Gewerbe.

Die Forderungen der Gläubiger beliefen sich gegenüber den (ehemals selbstständig tätigen) Schuldnern auf 546 Mill. Euro. Bei nahezu drei Viertel (74 %) aller Insolvenzverfahren dieser Gruppe lag die Forderungshöhe unter 250 000 Mill. Euro. Bei nur 11 % (187 Fälle) der ehemals selbstständig Tätigen mit nicht überschaubaren Verhältnissen und bei 12 % oder 44 Fällen mit überschaubaren Verhältnissen – also weniger als 19 Gläubigern – wurde die 500 000-Euro-Grenze überschritten.

Dazu kommen im Jahr 2003 noch 598 Insolvenzverfahren sonstiger natürlicher Personen. Hierzu zählen zum Beispiel ehemals voll haftende Gesellschafter von Personengesellschaften (Tabelle 2).

2003 rund 500 Nachlassinsolvenzen

Außerdem entschieden die Gerichte im Jahr 2003 in Baden-Württemberg noch 509 Nachlassinsolvenzverfahren. Die Mehrzahl dieser Verfahren, nämlich 388, wurde – wie schon in den Vorjahren – auch im Jahr 2003 mangels Masse abgewiesen. Ein Nachlassinsolvenzverfahren kann beantragt werden, wenn die Verbindlichkeiten des Verstorbenen größer sind als der Wert seiner Hinterlassenschaften. Damit können Erben verhindern, dass sich die bestehende Haftung durch Antritt des Erbes auch auf ihr Privatvermögen erstreckt.

Die im Rahmen von Nachlassinsolvenzen geltend gemachten Forderungen beliefen sich auf 94 Mill. Euro. Das waren im Durchschnitt (rund) 185 000 Euro je Verfahren. Nahezu 68 % der Nachlassinsolvenzverfahren (345 Fälle) regelten eine Verschuldung von weniger als 50 000 Euro. Lediglich rund 8 % der Nachlassinsolvenzverfahren (39 Fälle) betrafen Insolvenzen mit einer Verschuldung von über 500 000 Euro (Schaubild 2).

1 Die Unternehmensinsolvenzen sollten in einem getrennten Beitrag dargestellt werden. Die Redaktion zog diesen Beitrag jedoch vor. Die wichtigsten Ergebnisse wurden in der Pressemitteilung vom 26.2. 2004, Nr. 51, veröffentlicht.