:: 8/2004

Regionale Wohlstandsunterschiede und die Strukturfonds der EU

Die Regionen der Europäischen Union unterscheiden sich bezüglich ihres Wohlstandsniveaus in hohem Maße. Mit der Erweiterung der EU um zehn neue Länder zum 1. Mai 2004 sind die Unterschiede noch deutlich gewachsen. Zur Beseitigung ihrer strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme gewährt die EU benachteiligten Regionen finanzielle Hilfen. Bedeutendstes Finanzierungsinstrument der EU-Regionalpolitik sind die Strukturfonds. Diese tragen auch in Baden-Württemberg in vielfältiger Weise zur Förderung strukturschwacher Regionen bei.

Strukturfördermaßnahmen der Europäischen Union

Die Politik der Europäischen Union basiert auf finanzieller Solidarität. Daher stellt die EU benachteiligten Regionen für den Zeitraum 2000 bis 2006 ein Drittel des Gemeinschaftshaushalts, also insgesamt 213 Milliarden Euro1, für Strukturfördermaßnahmen zur Verfügung. Allein 195 Mrd. Euro stehen in den vier Strukturfonds (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei) für die Beseitigung struktureller, wirtschaftlicher und sozialer Probleme bereit. Aus dem Kohäsionsfonds stehen Spanien, Portugal, Irland und Griechenland die restlichen 18 Mrd. Euro für die Förderung der Umwelt und der Integration in die transeuropäischen Verkehrsnetze zur Verfügung. Die vier Strukturfonds sind auf die drei folgenden vorrangigen Ziele ausgerichtet (siehe auch Schaubild 1):

  • 70 % der Mittel zur strukturellen Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand, in denen 22 % der Bevölkerung der Union leben (Ziel-1-Regionen).
  • 11,5 % der Mittel für die wirtschaftliche und soziale Umstellung von Gebieten mit Strukturproblemen, in denen 18 % der EU-Bevölkerung leben (Ziel-2-Regionen).
  • 12,3 % der Mittel für die Modernisierung der Bildungs- und Ausbildungssysteme und zur Beschäftigungsförderung (Ziel 3) außerhalb der Ziel-1-Regionen.

Die restlichen Strukturfondsmittel stehen für die vier Gemeinschaftsinitiativen Interreg III (transnationale und interregionale Zusammenarbeit), Urban II (Stadtentwicklung), Leader+ (Entwicklung des ländlichen Raums) und Equal (Abbau von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt), für die Anpassung der Fischereistrukturen außerhalb der Ziel-1-Regionen und für die Förderung innovativer Entwicklungsideen bereit.2

Die Strukturförderprojekte werden vom jeweiligen Empfängerstaat und von der EU kofinanziert, da die Etats der Programme immer aus europäischen und aus nationalen (öffentlichen oder privaten) Mitteln stammen. Mit den Geldern der Union werden also die nationalen Mittel aufgestockt, um durch Finanzknappheit bedingte Einschränkungen zu beseitigen. Welche Gebiete Mittel aus den Fonds erhalten können, bestimmt die EU-Kommission in Absprache mit den EU-Mitgliedsländern.3

Bei der Auswahl der Förderregionen stützt sich die EU auf eine Vielzahl regionaler ökonomischer und sozialer Indikatoren. Berücksichtigt werden beispielsweise die physische und soziale Infrastruktur, die Zugänglichkeit des Gebiets und das Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte. Der Hauptindikator zur Messung von Wohlstandsunterschieden ist jedoch das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Gerechnet in Kaufkraftstandards (KKS), einer künstlichen Währung, die internationale Preisniveauunterschiede eliminiert, lagen im Jahr 2001 von den 84 EU-Regionen der NUTS-1-Ebene442 über dem Durchschnittswert der aktuellen 25 EU-Länder. Spitzenreiter war die belgische Hauptstadtregion Région de Bruxelles-Capitale vor Luxemburg und Hamburg (Schaubild 2). Im Großraum Brüssel und in Luxemburg war das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in KKS mehr als doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Am Ende des Rankings lagen Litauen, die ungarische Region Alfold Es Eszak und Lettland. Lettland erreichte als Schlusslicht lediglich 37 % des EU-Durchschnitts und nur 15 % des Spitzenreiters Brüssel. Baden-Württemberg übertraf den EU-Durchschnitt um ein Viertel und lag damit als fünftbestes deutsches Bundesland auf Position 17.

EU-Strukturförderung in Baden-Württemberg

Die Strukturfonds tragen in Baden-Württemberg in vielfältiger Weise zur Förderung von Gebieten mit Strukturproblemen bei. Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung stehen dem Land für die Entwicklung der wirtschaftlichen Infrastruktur, die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen und die Umstrukturierung innerstädtischer Problemgebiete in den Jahren 2000 bis 2006 rund 76 Mill. Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln werden im Land strukturschwache Gemeinden im Zollernalb-, Ostalb- und Neckar-Odenwald-Kreis sowie der Innenstadtbereich von Mannheim gefördert, in denen zusammen etwa 800 000 Menschen leben. Das Entwicklungsniveau dieser Ziel-2-Regionen liegt zwar über dem EU-Durchschnitt, die Gebiete sind aber dennoch durch verschiedene sozioökonomische Probleme gekennzeichnet: Strukturveränderungen haben hier zu einem Abbau von Arbeitsplätzen in Landwirtschaft und Industrie geführt, der durch den häufig unterentwickelten Dienstleistungssektor nicht vollständig kompensiert werden konnte. Infolgedessen beläuft sich die Arbeitslosenquote in diesen Gebieten auf bis zu 10 %. Der Innenstadtbereich von Mannheim sieht sich zudem typisch großstädtischen Problemen, wie überdurchschnittliche Kriminalität und starke soziale Ausgrenzungstendenzen, gegenüber. Investitionen in die Umschulung und Qualifikation von Arbeitskräften sind daher notwendig, um die über dem Landesdurchschnitt liegende Arbeitslosigkeit zu reduzieren und dadurch die sozialen Probleme zu mildern.

Neben den Ziel-2-Regionen werden zudem noch einige Kreise und Gemeinden in Oberschwaben, im Südschwarzwald und in Hohenlohe aus den Strukturfonds finanziell gefördert. Diese Gebiete erhalten bis 2005 zusammen 22 Mill. Euro als so genannte Übergangsunterstützung, weil sie im Programmzeitraum 1994 bis 1999 die Förderkriterien noch erfüllten, inzwischen aber nicht mehr im Rahmen des Ziel-2-Programms förderfähig sind.

Für die Förderung arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch relevanter Projekte stehen dem Land Baden-Württemberg aus dem Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2000 bis 2006 außerdem 230 Mill. Euro zur Verfügung.5

1 Alle Angaben zur Höhe der Strukturfondsmittel in Preisen von 1999.

2 Quelle: Internet-Homepage der Europäischen Kommission, Generaldirektion Regionalpolitik. Zitierweise: Internet-Homepage Europäische Kommission

3 Internet-Homepage der Europäischen Kommission.

4 Die Gebietssystematik NUTS (»Nomenclature des unités territoriales statistiques«) ist eine einheitliche und konsistente Klassifikation zur Erstellung der regionalen Statistiken der Europäischen Union. Die erste Gliederungsebene entspricht in Deutschland den Bundesländern. Dänemark, Estland, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Tschechische Republik, Schweden, Slowakische Republik, Slowenien und Zypern werden auf NUTS-1-Ebene nicht regionalisiert.

5 Internet-Homepage der Europäischen Kommission.