:: 9/2004

Baden-Württemberg als internationaler Hochschulstandort

Im Wintersemester 2003/04 studierten in Baden-Württemberg mehr ausländische Staatsangehörige als je zuvor. Mit zunehmender Internationalisierung und Globalisierung gilt die Zahl bzw. der Anteil der ausländischen Studierenden als wichtiges Kriterium für die Leistungsentwicklung der Hochschulen des Landes. Die privaten Universitäten sowie die Kunst- und Musikhochschulen verbuchen dabei die höchsten Ausländeranteile. Insbesondere die Zahl der chinesischen Studierenden, aber auch die vieler osteuropäischer Staaten ist enorm gestiegen.

Die Zahl der Studierenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist innerhalb der letzten 10 Jahre fortwährend gestiegen. Zum einen kommen diese lediglich zu einem Austausch-, Weiterbildungs- oder Aufbaustudium nach Deutschland, zum anderen absolvieren sie ein grundständiges Studium. Der Zugang zu einem Studium in Deutschland soll durch die Festlegung von Ausländerquoten erleichtert werden. Solche Quoten gelten nicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, denn diese sind laut dem Hochschulrahmengesetz den deutschen Studienbewerbern gleichgestellt. Allerdings müssen diese nicht nur die allgemeinen qualitativen Zugangsvoraussetzungen erfüllen, sondern auch die für den gewählten Studiengang benötigten Sprachkenntnisse nachweisen können. Viele Studienbewerber aus dem Ausland besuchen daher zunächst ein Studienkolleg, um entsprechende Sprachkenntnisse zu erlangen (i-Punkt 1). Es gibt verschiedene Stipendienprogramme und Partnerschaften zwischen Baden-Württemberg und ausländischen Hochschulen, die eine internationale Zusammenarbeit fördern, sowie das Bestreben der europäischen Staaten, eine gemeinsame Hochschulpolitik auszubauen, mit dem Ziel, den Bildungsstandort Europa als weltweit wettbewerbsfähig zu gestalten (vgl. DAAD1 und Bologna-Prozess2 ).

Welche Hochschulen sind am beliebtesten?

Im Wintersemester (WS) 2003/04 besaßen von den insgesamt 229 327 Studierenden in Baden-Württemberg 35 135 und damit mehr als 15 % eine ausländische Staatsangehörigkeit. Im Gegensatz zur Zahl der deutschen Studierenden, die im Laufe der letzten 10 Jahre infolge der Einführung von Gebühren für Langzeitstudierende zeitweise zurückging und die Talsohle erst gegen Ende des letzten Jahrtausends durchschritten hat, stieg die Zahl der ausländischen Studierenden durchgehend an. Davon profitierten alle Hochschularten (vgl. Tabelle 1).

Wo studieren nun die meisten Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit? Geht man allein von der Anzahl aus, ist die Universität Stuttgart mit allein 5 306 ausländischen Studierenden am meisten gefragt, gefolgt von Heidelberg mit 4 800 und Freiburg mit 3 736 Personen. Betrachtet man jedoch den Anteil der ausländischen Studierenden, liegen oft die privaten wissenschaftlichen Hochschulen deutlich vorn; allerdings sind dort die Studierendenzahlen insgesamt deutlich geringer. Das Institute of Management and Technology (SIMT) in Stuttgart hat mit knapp 82 % dabei den höchsten Anteil, die International University in Bruchsal folgt mit einem Anteil von 60 %.

Zum Vergleich: An der Universität Stuttgart hatten die ausländischen Studierenden im Wintersemester 2003/04 einen Anteil von 28 %. An den Kunst- und Musikhochschulen des Landes sind sogar ein Drittel der Studierenden ausländische Staatsbürger. Besonders attraktiv ist die Musikhochschule Freiburg, an der jeder zweite Student eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. Bei den Fachhochschulen liegt zahlenmäßig die Hochschule für Technik in Karlsruhe, anteilmäßig die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Reutlingen vorn.

Sprunghafter Anstieg der Studierenden aus China

Insgesamt ergibt sich aus allen Kontinenten seit den 90er-Jahren eine Zunahme der Studierenden. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung der Zahlen einiger ausgewählter Staaten. Die meisten ausländischen Studierenden kommen nach wie vor aus Europa (20 983 Personen). Aus Asien stammen insgesamt 9 374, aus Amerika 2 313, aus Afrika 2 264 und aus dem entfernten Australien und Ozeanien immerhin noch 104 Studierende. Einen großen Zulauf erleben die Hochschulen seit Mitte der 90er-Jahre aus Asien; deren Zahl hat sich in der Zeit mehr als verdoppelt. Chinesische Studierende stellten im Wintersemester 2003/04 den größten Anteil dar. Während die Zahl gegen Ende der 90er-Jahre eher etwas rückläufig war, setzte seit der Jahrtausendwende eine fast sprunghafte Zunahme ein. Wahrscheinlich liegt dieser Effekt in der zunehmenden Öffnung des Staates gegenüber dem globalen wirtschaftlichen und technischen Fortschritt begründet. Nach einem Bericht aus der Wochenzeitung DIE ZEIT3 aus dem Jahre 2002 sind amerikanische Hochschulen bei den chinesischen Studierenden zwar im Prinzip begehrter, seit dem Terroranschlag haben sich jedoch die Chancen für ein Visum verschlechtert, sodass sie sich häufiger für ein Studium in Deutschland entschließen. Noch im WS 1992/93 waren es an den Hochschulen in Baden-Württemberg 1 153 Studierende aus China, davon allein 1 077 (93 %) an den Universitäten. 11 Jahre später sind 3 403 (82 %) der insgesamt 4 143 chinesischen Studierenden an einer Universität eingeschrieben. Das Studium an einer Fachhochschule kommt auch für sie zunehmend in Betracht. Ein großer Vorteil für den Hochschulstandort Deutschland stellt dabei der weit gehende Verzicht auf die Erhebung von Studiengebühren dar.

Weiterhin erhöhte sich die Zahl der aus Indien sowie aus osteuropäischen Ländern stammenden Studierenden, zum Beispiel Bulgarien, Polen, der Russischen Förderation und Rumänien, in den letzten Jahren erheblich. Auch Studierende vom afrikanischen Kontinent zeigten im Laufe der 90er-Jahre ein zunehmendes Interesse an einem Studium in Baden-Württemberg, insbesondere Staatsbürger aus Kamerun, Marokko und Tunesien. Dagegen ist die Anzahl der Studierenden aus den Vereinigten Staaten gegenüber dem Beginn der 90er-Jahre eher zurückgegangen; diesem Trend folgten einige wenige europäische Staaten wie Österreich, die Niederlande oder Großbritannien. Insgesamt stieg die Zahl der Studierenden aus Industrienationen wenn überhaupt, dann nur verhalten.

»Bildungsinländer« und »Bildungsausländer«

Nicht alle der ausländischen Studierenden stammen auch aus dem Ausland. Einige sind so genannte Bildungsinländer. Von ihnen gab es im WS 2003/04 fast 8 000; das waren 22 % aller ausländischen Studierenden (siehe i-Punkt 2). Wesentlich höher war der Anteil der Bildungsinländer bei folgenden Nationalitäten (vgl. auch Schaubild 1):

Kroatien87 %
Türkei68 %
Serbien/Montenegro65 %
Griechenland60 %
Italien54 %

Diese ehemaligen »Gastarbeiter«-Nationen stellen in Baden-Württemberg auch den größten Anteil an der ausländischen Gesamtbevölkerung.

Bei früheren Untersuchungen lag der Gesamtanteil der Bildungsinländer mit etwa 39 % (WS 1997/98) bzw. 30 % (WS 2000/01) noch wesentlich höher. Da sich die Anzahl der ausländischen Bildungsinländer kaum erhöht hat, wurde die Expansionstendenz im Wesentlichen durch Bildungsausländer bestimmt.

Welche Fächer sind am beliebtesten?

Jeder vierte ausländische Studierende belegte im Wintersemester 2003/04 ein Fach in der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Gleichermaßen gefragt sind die Sprach- und Kulturwissenschaften sowie die Ingenieurwissenschaften, die in den letzten Jahren ihren Anteil stark ausgebaut haben (vgl. Schaubild 2). Die übrigen Fächergruppen haben bis auf »Sport« zahlenmäßig zugelegt, ihr Anteil bleibt dennoch fast gleich.

Die Lieblingsfächer sind Betriebswirtschaftslehre und Germanistik, weiterhin Informatik, Elektrotechnik und Maschinenbau. Wird nach der Herkunft differenziert, so sind die fachlichen Schwerpunkte unterschiedlich verteilt. Studierende aus den europäischen Ländern belegen zu einem Drittel Fächer der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, insbesondere Personen aus Bulgarien, Kroatien und der Türkei. An zweiter Stelle stehen die Sprach- und Kulturwissenschaften. Mehr als 36 % der chinesischen Studierenden zum Beispiel belegen ein Fach der Ingenieurwissenschaften, gefolgt von den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie den Mathematik-/Naturwissenschaften. Diese Reihenfolge ist repräsentativ für den gesamten asiatischen Erdteil. Die Ingenieurwissenschaften stehen ebenfalls bei Studierenden vom afrikanischen Kontinent mit einem Anteil von knapp 40 % an erster Stelle, gefolgt von den Mathematik- und Naturwissenschaften. Ein Drittel der Studierenden vom amerikanischen Kontinent sind dagegen bei den Sprach- und Kulturwissenschaften eingeschrieben.

Nur für einige Semester oder bis zum Abschluss?

Im Prüfungsjahr 2002 absolvierten rund 29 100 Personen erfolgreich ihr Studium, mehr als 9 % davon waren Ausländer. Die Anzahl – aber auch der Anteil – ausländischer Absolventen ist zwischen 1993 und 2002 tendenziell gestiegen. Besonders die Kunst- und Musikhochschulen konnten den Anteil ausbauen. Die meisten Abschlüsse hingegen wurden an den Universitäten abgelegt – jeder neunte der ausländischen Absolventen bestand seine Prüfung in Heidelberg, jeder elfte in Tübingen. Über die Hälfte der im Jahr 2002 abgelegten Prüfungen wurde in Studiengängen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften abgelegt. Obwohl die Sprach- und Kulturwissenschaften bei den ausländischen Studierenden sehr gefragt sind, ist diese Fächergruppe bei den Absolventen mit einem Anteil von circa 11 % eher schwach vertreten. Die Vermutung liegt nahe, dass viele an der Sprache und Kultur interessiert sind, ohne ein grundständiges Studium zu absolvieren, sondern eher im Rahmen eines begrenzten Auslandsaufenthaltes unsere Sprache studieren.

Wie viele der ausländischen Studierenden letztlich ihr Studium erfolgreich abschließen werden oder wie viele lediglich für einige Semester in Baden-Württemberg studieren, lässt sich nur sehr schwer ermitteln. Von daher gestalten sich entsprechende Interpretationen schwierig. Durch eine Sonderauswertung, in der betrachtet wurde, welche Abschlüsse die ausländischen Erstimmatrikulierten des WS 2003/04 anstrebten, ergab sich, dass etwa 47 % der über 9 000 ausländischen Studierenden im 1. Hochschulsemester ein grundständiges Studium belegen (Erst- oder Zweitstudium). Am häufigsten wird das Diplom an einer Universität angegeben. Jeder Neunte schreibt sich für ein Aufbaustudium ein, davon allein 87 % für ein Masterstudium. Jeder Siebzigste belegt ein Promotionsstudium. Allerdings streben auch 27 % einen Abschluss im Ausland und 14 % keinen bestimmten Abschluss an.

Die zehn »Neuen« der EU

Am 1. Mai 2004 begrüßte die Europäische Union im Zuge der Osterweiterung zehn neue Staaten in der Gemeinschaft. Studienbewerber dieser Beitrittsländer sind somit zukünftig genauso wie die der anderen EU-Länder den deutschen Staatsbürgern gleichgestellt. Mit insgesamt 2 828 Personen sind die Studierenden aus den neuen EU-Mitgliedstaaten an Baden-Württembergs Hochschulen (Stand: WS 2003/04) eher in der Minderheit, dennoch hat sich die Zahl innerhalb der letzten 10 Jahre vervierfacht. Allein aus Polen kamen 1 171 Studierende, gefolgt von Ungarn mit 506 Studierenden.

Der Anteil der Bildungsinländer (i-Punkt 2) bei den »Neuen« ist unterschiedlich hoch. Slowenien hat mit 72 % den größten Anteil, bei Studierenden aus Polen liegt der Anteil bei 15 % und von den Studierenden mit ungarischer Staatsangehörigkeit erlangten 10 % ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland.

Das Interesse gilt vor allem den Sprach- und Kulturwissenschaften sowie den Rechtswissenschaften. Da gerade in der erstgenannten Fächergruppe die Zahl der Studentinnen gewöhnlich höher als die der Studenten ist, erklärt sich bei den Beitrittsländern auch die hohe Frauenquote von knapp 69 %. Die Wahl der am häufigsten gewählten Fächergruppen entspricht dem Trend der EU insgesamt.

1 DAAD – Deutscher Akademischer Austauschdienst (www.daad.de).

2 Bologna-Prozess: Im Juni 1999 unterzeichneten 29 europäische Bildungsminister die Bologna-Erklärung zur Schaffung eines europäischen Hochschulraumes bis 2010 sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas als Bildungsstandort weltweit (www.bologna-berlin2003.de).

3 Vgl. Blume, Georg: Die zweite Wahl, in: DIE ZEIT, Ausgabe 52/2002, http://zeus.zeit.de/text/2002/52/B-China-Studenten.