:: 9/2004

Repräsentative Wahlstatistik zur Europawahl am 13. Juni 2004 in Baden-Württemberg

Bei der Europawahl am 13. Juni 2004 hat die CDU in Baden-Württemberg mit einem Stimmenanteil von 47,4 % zwar gegenüber 1999 3,5 Prozentpunkte verloren, blieb aber dennoch mit Abstand stärkste Partei im Land. Die SPD kam in Baden-Württemberg nur noch auf 19,6 % der Stimmen und musste damit ihr niedrigstes Wahlergebnis bei einer Parlamentswahl im Land überhaupt hinnehmen. Gegenüber der Europawahl 1999 verlor sie 6,5 Prozentpunkte. Die GRÜNEN hingegen erreichten mit 14,4 % ihr bestes Ergebnis bei einer Parlamentswahl in Baden-Württemberg und ein Plus von 4,6 Prozentpunkten. Die FDP konnte in Baden-Württemberg 6,8 % der gültigen Wählerstimmen auf sich vereinen, 1,9 Prozentpunkte mehr als 1999. Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl 2004 lag in Baden-Württemberg mit 53,1 % wieder erheblich über dem Rekordtief von 40,6 % bei der Europawahl 1999 (Tabelle 1). Wie aus den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik hervorgeht, waren unter den Wählern der CDU und der SPD die älteren Wähler deutlich überrepräsentiert, die GRÜNEN hingegen erwiesen sich als Partei mit dem höchsten Erst- und Jungwähleranteil. Auch die FDP hatte bei der Europawahl 2004 überdurchschnittlich viele jüngere Wähler.

Insgesamt zeigt sich, dass durch die demografische Alterung das zahlenmäßige Gewicht der Senioren an den Wahlberechtigen in den letzen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Da gleichzeitig die jüngeren Baden-Württemberger eine deutlich geringere Wahlbeteiligung aufwiesen als die älteren, war bei der Europawahl 2004 nur noch jeder zehnte Wähler jünger als 30 Jahre, aber gut ein Drittel älter als 60 Jahre.

Unter den Wahlberechtigten doppelt so viele Senioren wie junge Leute

Am 13. Juni 2004 waren von den insgesamt rund 10,7 Mill. Einwohnern Baden-Württembergs 7 487 111 Männer und Frauen zur 6. Direktwahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Damit ist die Zahl der Wahlberechtigten seit der letzten Europawahl am 13. Juni 1999 um 220 685 Personen angestiegen. Wahlberechtigt waren nicht nur Deutsche, sondern auch Bürgerinnen und Bürger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger), die in Baden-Württemberg wohnen und sich in das Wählerverzeichnis ihrer baden-württembergischen Gemeinde eintragen ließen bzw. bereits seit der Europawahl 1999 eingetragen waren.

Infolge der demografischen Alterung der Gesellschaft hat sich die Altersstruktur der Wahlberechtigten seit der ersten Europawahl 1979 erheblich verschoben, das Gewicht der älteren Wahlberechtigten hat deutlich zugenommen. Während bei der Europawahl 1979 die Gruppe der unter 30-Jährigen und die der 60-Jährigen und Älteren mit 22 % bzw. 25,5 % noch annähernd gleich groß war, hat sich der Anteil der 60-Jährigen und Älteren bei der Europawahl 2004 mit rund 33 % gegenüber den jüngeren Wahlberechtigten (knapp 16 %) mehr als verdoppelt. Das heißt, rein quantitativ betrachtet hat sich das politische Einflusspotenzial der älteren Wahlberechtigten in den letzten 25 Jahren deutlich erhöht.

Geringe Wahlbeteiligung: Junge Wahlberechtigte »verschenken« politisches Einflusspotenzial

Die zunehmende quantitative Bedeutung der älteren Baden-Württemberger bei Wahlen wird noch dadurch verstärkt, dass die Jüngeren von ihrem Wahlrecht seltener Gebrauch machen. Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl 2004 lag in Baden-Württemberg mit 53,1 % wieder erheblich über dem Rekordtief von 40,6 % bei der Europawahl 1999. Der Wahleifer der jungen Wahlberechtigten blieb indes deutlich hinter dem Landesergebnis und den Beteiligungsquoten der älteren Wahlberechtigten zurück. So machten gut 55 % der 60-jährigen und älteren Baden-Württemberger, jedoch nur rund 37 % der unter 30-jährigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch.1 Das heißt, nicht nur die zahlenmäßige Dominanz der älteren Wahlberechtigten, sondern auch die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung der jüngeren Generation verstärkt die Entwicklung, dass das Einflusspotenzial der jüngeren Bürgerinnen und Bürger quantitativ betrachtet deutlich geringer ist als das der älteren. So waren über 35 % der Wähler der Europawahl 2004 in Baden-Württemberg 60 Jahre oder älter, aber nur gut jeder Zehnte war unter 30 Jahre alt, das heißt, die Gruppe der Wähler im Seniorenalter war dreimal so groß wie die der jungen, unter 30-jährigen Wähler. Damit »verschenken« die jüngeren Leute durch mangelnden Wahleifer politisches Einflusspotenzial (Schaubild 1).

Wie bei früheren Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen war auch bei der Europawahl 2004 eine mit dem Alter zunehmende Wahlbeteiligung zu beobachten: Die niedrigste Wahlbeteiligung wiesen die 21- bis 24-jährigen baden-württembergischen Wahlberechtigten auf, von denen sich lediglich gut ein Drittel an der Wahl beteiligten, bei den 25- bis 34-jährigen waren es rund 39 %, bei den 35- bis 44-jährigen bereits knapp 49 %, bei den 45- bis 59-jährigen gut 53 % und bei den 60- bis 69-jährigen sogar knapp 60 %. Bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten lässt die Wahlbeteiligung deutlich nach (51,5 %) (Schaubild 2).

Männer beteiligten sich erneut stärker an der Wahl, Frauen holen aber auf

Die Wahlbeteiligung der Frauen lag bei der Europawahl 2004, wie bereits bei früheren Wahlen, unter jener der Männer. So beteiligten sich 49,9 % der Männer, aber nur 49,1 % der Frauen an der Wahl zum Europäischen Parlament. Allerdings haben die Frauen gegenüber 1999 leicht aufgeholt. Damals lagen sie in der Wahlbeteiligung noch 1,6 Prozentpunkte hinter den Männern, 2004 waren es nur noch 0,8 Prozentpunkte. Die gegenüber den Frauen höhere Beteiligung der Männer ist im Übrigen nicht durchgehend in allen Altersgruppen zu beobachten. Bereits bei der Europawahl 1999 wiesen sowohl die 30- bis 34-jährigen als auch die 40- bis 49-jährigen Frauen eine höhere Beteiligungsquote auf als ihre männlichen Altersgenossen. Bei der Europawahl 2004 lagen die Beteiligungsquoten der 25- bis 59-jährigen Frauen komplett über denen der Männer gleichen Alters. Ein besonders auffälliger Vorsprung der Männer ist allerdings nach wie vor in der Altersgruppe der 70-Jährigen und Älteren zu beobachten. Hier machten bei der Europawahl 2004 lediglich 47 % der Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch, bei den männlichen Wahlberechtigten waren es hingegen 59 %.

CDU trotz Stimmenverlusten auf Platz 1 bei allen Altersgruppen

Nach den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik ist der Stimmenrückgang der CDU nicht zuletzt auch auf die Wahlentscheidung der jungen, 18- bis 24-jährigen sowie auf die der 45- bis 59-jährigen Wähler zurückzuführen. In diesen beiden Altersgruppen hatten die Christdemokraten – prozentual betrachtet – überdurchschnittlich hohe Stimmenverluste, wobei die Stimmenrückgänge bei den Frauen dieser Altersgruppen sogar noch ausgeprägter waren als bei den Männern. Trotz der Stimmenverluste nimmt jedoch die CDU nach wie vor in allen Altersgruppen bei Männern und Frauen mit weitem Abstand den ersten Platz in der Wählergunst ein. Wie bereits bei der Europawahl 1999 war die CDU bei den Senioren ganz besonders erfolgreich: Gut 57 % der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Bei den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern hingegen blieb die CDU in allen Altersgruppen unter ihrem Landesdurchschnitt. Während bei der Europawahl 1999 die CDU noch stärker von Frauen als von Männern präferiert wurde, haben bei der Europawahl 2004 Männer mit 47 % fast ebenso so häufig die CDU gewählt wie Frauen (47,3 %) (Tabelle 2).2

SPD verliert vor allem in mittleren Altersgruppen

Die Sozialdemokraten büßten vor allem bei den 25-bis 59-jährigen Wählerinnen und Wählern überdurchschnittlich stark Stimmen ein. Ebenso wie die CDU hat auch die SPD bei den Frauen noch etwas höhere Verluste erlitten. Den stärksten Rückhalt fand die SPD mit einem Stimmenanteil von gut 22 % bei den 60-jährigen und älteren, den geringsten mit knapp 15 % bei den 25- bis 34-jährigen Wählerinnen und Wählern. Von den Männern dieser Altersgruppe hatten sogar nur knapp 14 % die SPD gewählt. Auffällig ist, dass die SPD bei der Europawahl 2004 in der Wählergunst der unter 45-jährigen Baden-Württemberger deutlich hinter den GRÜNEN lag. Bei der letzten Europawahl hatte die SPD in allen Altersgruppen noch einen erheblichen Vorsprung vor den GRÜNEN wahren können. Auch die SPD wurde bei der Europawahl 2004 nahezu gleichermaßen von Männern (19,8 %) als auch Frauen (19,4 %) gewählt.

Die GRÜNEN liegen bei jüngeren Wählern vor der SPD

Während die CDU und insbesondere die SPD bei der Europawahl 2004 Stimmenverluste hinnehmen mussten, konnten GRÜNE und FDP prozentual Wähler hinzugewinnen: Der Wahlerfolg der GRÜNEN basierte dabei im Wesentlichen auf Stimmenzuwächsen bei den Erst- und Jungwählern (+5,8 Prozentpunkte) sowie bei den 45- bis unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern (+7,3 Prozentpunkte). Die höchsten Stimmenanteile erzielten die GRÜNEN bei den 35- bis 44-jährigen Frauen: Gut jede vierte Baden-Württembergerin dieser Altersgruppe gab ihre Stimme den GRÜNEN. Am wenigsten Erfolg war ihnen hingegen bei den 60-jährigen und älteren Männern beschieden, von denen nur rund 4 % die GRÜNEN wählten. Ebenso wie bei der Europawahl 1999 schnitten die GRÜNEN auch 2004 bei den Frauen mit 15,4 % der gültigen Stimmen besser ab als bei den Männern (13,6 %).

FDP profitiert vor allem von Jungwählern

Die baden-württembergischen Liberalen erhielten mehr Stimmen von Männern (7,7 %) als von Frauen (6,5 %). Den Aufwärtstrend bei der Europawahl 2004 hat die FDP vor allem den jüngeren, unter 35-jährigen Wählern zu verdanken. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen dieser Altersgruppe erzielte die FDP überdurchschnittliche Stimmenzuwächse. Mit Abstand am erfolgreichsten waren die Liberalen bei den 18- bis 34-jährigen Männern: Nahezu jeder zehnte der unter 35-jährigen männlichen Wähler gab seine Stimme bei der Europawahl 2004 der FDP.

Wählerschaft der CDU überdurchschnittlich stark von Senioren geprägt

Nachdem in den vorherigen Abschnitten dargestellt wurde, wie sich das Wahlverhalten von Männern und Frauen und von Wählern verschiedener Altersgruppen unterscheidet, wird nun die Perspektive geändert und die demografische Zusammensetzung der Wählerschaft der Parteien aufgezeigt (Schaubild 3). Die CDU hat von allen Parteien den höchsten Anteil an älteren Wählern. So waren bei der Europawahl 2004 rund 43 % der CDU-Wähler 60 Jahre und älter. Von den weiblichen CDU-Wählern war sogar nahezu die Hälfte über 60 Jahre alt. Von den baden-württembergischen Wählern insgesamt waren hingegen nur gut 35 % Senioren. Alle Altersgruppen unter 60 Jahren waren in der Wählerschaft der CDU unterrepräsentiert. Die Wählerschaft der SPD wird ebenfalls – wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie die CDU – in überdurchschnittlichem Maße von älteren Wählern dominiert: Immerhin knapp 40 % der SPD-Wähler bei der Europawahl 2004 waren 60 Jahre oder älter. Auch die Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen war noch überdurchschnittlich stark vertreten. Der Anteil der unter 35-Jährigen lag in der SPD-Wählerschaft deutlich unter dem Durchschnitt: Während von allen baden-württembergischen Wählern rund 19 % dieser Altersgruppe angehörten, waren es unter den SPD-Wählern nur gut 15 %. Damit zeigt sich für die SPD gegenüber der ersten Europawahl 1979 eine eindeutige »Alterungstendenz«. Damals waren noch rund 28 % der SPD-Wähler unter 35 Jahre alt.

Erst- und Jungwähleranteil der GRÜNEN am höchsten

Im Gegensatz zu CDU und SPD waren in der Wählerschaft der GRÜNEN die Senioren stark unterrepräsentiert, während alle Altersgruppen unter 60 Jahren überproportional vertreten waren. So war – wie bereits erwähnt – bei der Europawahl 2004 mehr als jeder dritte Wähler 60 Jahre oder älter. Von den Wählern der GRÜNEN gehörten nur rund 12 % zur Altersgruppe der Senioren. Die quantitativ stärkste Gruppe unter den Wählern der GRÜNEN war die Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen. Jeder dritte GRÜNEN-Wähler gehörte dieser Altersgruppe an, während von den Wählern der Europawahl insgesamt nur rund 21 % zwischen 35 und 44 Jahre alt waren. Unter den Wählern der GRÜNEN ist außerdem der Anteil der jüngeren, unter 35-Jährigen mit rund 27 % am höchsten. Obwohl sich die GRÜNEN auch heute noch als Partei mit einem hohen Anteil jüngerer Wähler präsentiert, ist ihre Wählerschaft im Vergleich zu 1979 doch deutlich älter geworden. Damals waren knapp 60 % der GRÜNEN-Wähler unter 35 Jahre alt. Auch die Liberalen erwiesen sich bei der Europawahl 2004 als Partei mit überdurchschnittlich hohem Anteil jüngerer Wähler. So waren unter den Wählern der Liberalen die 18- bis 34-Jährigen mit einem Wähleranteil von knapp 23 % deutlich überrepräsentiert.

1 Im Rahmen der Repräsentativen Wahlstatistik wird die Wahlbeteiligung der Wähler ohne Wahlschein betrachtet.

2 Beim Vergleich der Ergebnisse zu Stimmenabgabe und Wählerschaft der Repräsentativen Wahlstatistik der Europawahl 2004 mit den entsprechenden Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik früherer Europawahlen ist zu berücksichtigen, dass bei der Europawahl 2004 erstmals auch die Briefwähler in die Ergebnisse einbezogen wurden.