:: 10/2004

Wohin führt der Strukturwandel in der Landwirtschaft?

Mit der Agrarstrukturerhebung 2003 wurde erstmals seit der Landwirtschaftszählung 1999 wieder eine große agrarstatistische Erhebung bei allen landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg durchgeführt. Gerade vor dem Hintergrund der beschlossenen Neuausrichtung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (vgl. i-Punkt) und der Erweiterung der Europäischen Union auch um agrarwirtschaftlich bedeutende Staaten ist eine umfassende und aktuelle Informationsgrundlage der heimischen Landwirtschaft von Bedeutung. Im Jahr 2003 wirtschafteten noch knapp 65 800 land-wirtschaftliche Betriebe1 auf einer Fläche von gut 1,45 Millionen Hektar (Mill. ha). Im Zuge des Strukturwandels kam es im Südwesten innerhalb eines knappen Vierteljahrhunderts somit unter anderem zu einer Halbierung der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe, einem deutlichen Zuwachs der Tierbestände je Betrieb und einem Rückgang der Arbeitskräfte um 30 %.

Immer weniger Betriebe bewirtschaften immer mehr Fläche

Das Tempo, mit dem der Strukturwandel in der Landwirtschaft Baden-Württembergs abläuft, hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend verschärft: Die jahresdurchschnittliche Abnahmerate der landwirtschaftlichen Betriebe hat mit −3,5 % im Jahr 2003 einen neuen Höchstwert erreicht. Zu Beginn der 1980er-Jahre lag die jährliche Abnahmerate erst bei knapp −2 %. Während immer mehr Betriebe ihre Produktion aufgaben, ging die landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) dagegen nur in bedingtem Maße zurück, wodurch die durchschnittliche Flächenausstattung der verbleibenden Betriebe stetig anstieg. Obwohl die Betriebszahlen besonders stark bei den kleinen Betrieben weggebrochen sind (−58,1 % bzw. −45 800 Betriebe unter 10 ha LF seit 1979), prägen noch immer traditionell kleinbetriebliche Strukturen die baden-württembergische Landwirtschaft. So bewirtschaften nach wie vor gut 50 % der Betriebe eine LF von unter 10 ha, auf die allerdings nur ein Anteil von 8,4 % der LF des Landes entfällt. Demgegenüber bewirtschaften lediglich 8 400 größere Betriebe mit einer Flächenausstattung von 50 und mehr ha über die Hälfte der 1,45 Mill. ha LF.

Wachstumsschwelle liegt inzwischen bei 75 ha

Die Zahl der Betriebe mit 50 bis 75 ha LF hat sich seit 1979 von rund 1 200 auf knapp 4 300 nahezu vervierfacht, Betriebe mit 75 bis 100 ha LF haben sich von unter 300 sogar auf über 2 000 versiebenfacht und Betriebe mit mehr als 100 ha LF sind von unter 300 bis auf über 2 100 nahezu um ein Achtfaches gestiegen. Gleichzeitig zeigt sich im Zeitraum 1999 bis 2003 erstmals ein leichter Rückgang auch bei den Betrieben mit 50 bis 75 ha LF. Damit hat sich die Wachstumsschwelle, jene Kenngröße, unterhalb derer die Zahl der Betriebe abnimmt und oberhalb derer die Zahl der Betriebe zunimmt, weiter nach oben verschoben und dürfte inzwischen bei einer Betriebsgröße von etwa 75 ha LF liegen.

Nebenerwerbsbetriebe dominieren bei den Betriebszahlen…

Über 90 % der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg werden in der Rechtsform Einzelunternehmen, dem klassischen Familienbetrieb, geführt. Dabei spielt der landwirtschaftliche Nebenerwerb im Südwesten eine ausgeprägte Rolle. Mit 39 600 Betrieben werden auch heute noch 64,2 % der Betriebe in der Kombination von landwirtschaftlichem und außerbetrieblichem Einkommen bewirtschaftet. Mit durchschnittlich 10 ha LF bewirtschaften die Nebenerwerbsbetriebe jedoch deutlich weniger Fläche als der Durchschnitt der Betriebe in Baden-Württemberg (22 ha). Gut jeder vierte Nebenerwerbsbetrieb hat seinen Produktionsschwerpunkt im Dauerkulturanbau (Obst, Wein).

… Haupterwerbsbetriebe dominieren bei den Produktionsanteilen

Obwohl die Haupterwerbsbetriebe lediglich ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe ausmachen und ihre Zahl seit 1979 um über 60 % von 55 900 auf 22 000 im Jahr 2003 zurückging, stellen sie das Rückgrat der hiesigen Landwirtschaft dar und dominieren bei den Produktionsanteilen deutlich. Sie bewirtschaften 61,6 % der landwirtschaftlichen Flächen und halten jeweils 70 % der Rinder- und Schweinebestände. Mit einer durchschnittlichen Flächenausstattung von knapp 41 ha LF bewirtschaftet ein Haupterwerbslandwirt rund viermal mehr Fläche als ein Nebenerwerbslandwirt.

Ihren betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt haben die Haupterwerbsbetriebe im Land im Bereich Futterbau/Weidevieh: 40 % aller Betriebe verdienen vor allem mit Milchviehwirtschaft und Rindermast ihr Geld. Es folgen die Pflanzenbau-Viehhaltungs-Verbundbetriebe (16,7 %), bei denen keine deutliche Schwerpunktbildung erkennbar ist, und die Dauerkulturbetriebe (14,1 %).

Betriebsgrößenstruktur in Baden-Württemberg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt

Die deutsche Landwirtschaft ist gekennzeichnet durch regionale Unterschiede, die sich auch in der Betriebsgrößenstruktur widerspiegeln. Vor allem im Südwesten Deutschlands sind über die Generationen hinweg durch Aufsplittung der landwirtschaftlichen Flächen vielerorts kleinflächige Betriebsstrukturen entstanden. Daneben fördert der Anbau von Sonderkulturen, bei dem durch den höheren Erlös je Flächeneinheit weniger Betriebsfläche benötigt wird, diese Betriebsstrukturen. So liegt die durchschnittliche Betriebsgröße eines landwirtschaftlichen Betriebes im Südwesten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Baden-Württemberg weist mit 22 ha LF pro Betrieb die kleinste durchschnittliche Betriebsgröße im Bundesländervergleich auf, die Flächen sind hier nur gut halb so groß wie im Bundesdurchschnitt (gut 40 ha) (Schaubild 1). Bayern und Rheinland-Pfalz liegen mit jeweils 24 ha durchschnittlicher Betriebsgröße nur knapp davor.

Ganz anders zeigen sich die Betriebsgrößenstrukturen in den neuen Bundesländern: Während die durchschnittliche Flächenausstattung in den alten Bundesländern bei gut 29 ha liegt, bewirtschaftet ein Betrieb in den neuen Bundesländern mit 185 ha mehr als das Sechsfache an landwirtschaftlicher Fläche. Die großzügigen Strukturen im Osten Deutschlands rühren in erster Linie aus Übernahmen und Weiterführungen der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGen) zu Zeiten der DDR her.

Weniger als die Hälfte der bewirtschafteten Flächen im eigenen Besitz

Schon lange ist die eigene Fläche als Produktionsgrundlage meist nicht mehr ausreichend. Für das nötige Flächenwachstum werden deshalb in der Regel die Flächen von aufgebenden oder sich verkleinernden Betrieben übernommen. Neben der Möglichkeit des Zukaufs spielt die Zupacht die weitaus größere Rolle. So gaben zwei Drittel der Betriebe an, auch zugepachtete Flächen zu bewirtschaften. Mittlerweile hat sich der Pachtflächenanteil im Land auf 58,3 % erhöht (842 200 ha LF). Dabei gingen die von Familienangehörigen gepachteten Flächen seit 19992 deutlich um 10,8 % zurück; ihr Anteil lag im Jahr 2003 bei 11,2 %. Andererseits stiegen die von anderen Verpächtern (Personen, die nicht zur Familie gehören) gepachteten Flächen immer weiter an, mit 88,8 % machen sie den Großteil der Pachtflächen aus (Schaubild 2).

Bedeutsam für die landwirtschaftlichen Betriebe ist vor allem die Höhe des Pachtentgeltes, die letztlich darüber entscheidet, ob eine weitere Flächenausdehnung wirtschaftlich noch lohnenswert ist. Das durchschnittliche Jahrespachtentgelt im Jahr 2003 lag bei 183 Euro/ha und hat sich damit seit 1999 nochmals um 6,4 % verteuert (1999: 172 Euro/ha). Für Ackerland waren dabei durchschnittlich 207 Euro/ha, für Dauergrünland 112 Euro/ha zu zahlen. Die höchsten Pachtpreise werden für Reblandflächen gezahlt (1 228 Euro/ha).

Die Größe des Ackerlandes seit 1979 nahezu konstant …

Im Jahr 2003 wurden insgesamt 57,6 % (837 300 ha) der LF des Landes ackerbaulich genutzt, während auf das Dauergrünland 38,9 % (565 100 ha) entfielen. Die restlichen Flächen waren überwiegend Obstanlagen und Reblandflächen (jeweils ca. 1,5 %). Im Laufe der letzten 24 Jahre sind die Ackerflächen nahezu konstant geblieben, während sich die Größe der Dauergrünlandflächen um 10,1 % verringert hat. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen insgesamt in diesem Zeitraum um 51 000 ha oder 3,4 % zurückgegangen sind, zum großen Teil zugunsten von Siedlungs- und Verkehrsflächen.

… aber deutliche Verschiebungen im Anbauspektrum

Fruchtfolgegestaltung, Absatzmöglichkeiten am Markt und Neuerungen in Züchtung und Forschung beeinflussen die Anbauentscheidungen. Im Vergleich mit 1979 mussten die Hackfrüchte (−59,1 % auf 28 700 ha) und die Futterpflanzen (−31 % auf 105 200 ha) die größten Einbußen hinnehmen, letztere vor allem wegen der gesunkenen Viehbestände (Tabelle). Der Anbau von Futterrüben ist in dieser Zeit nahezu eingestellt worden (−97,8 % auf 500 ha). Handelsgewächse hingegen hatten hohe Zuwachsraten zu verzeichnen (400 % auf 76 900 ha), deren Ausweitung nahezu ausschließlich auf den Anbau von Raps, hauptsächlich als nachwachsender Rohstoff für die Non-Food-Produktion, zurückzuführen sein dürfte. Auch beim Anbau von Getreide (einschließlich Körnermais), der zwei Drittel der Ackerfläche einnimmt, haben sich Verschiebungen unter den einzelnen Fruchtarten ergeben. Mit dem züchterischen Fortschritt sind vor allem die ertragsstärkeren Wintergetreidearten in den Vordergrund gerückt. Der Anbau von Triticale, einer Kreuzung aus Roggen und Weizen, weitet sich stetig aus (15 900 ha im Jahr 2003). Klassische Getreidearten wie Hafer (−52,5 % auf 44 000 ha) und Roggen (−63,3 % auf 6 700 ha) hingegen haben seit 1979 mehr als die Hälfte ihrer Anbaufläche eingebüßt. Die Brachflächen, deren Ausweitung auf die Einführung einer Flächenstilllegungsquote im Rahmen der europäischen Agrarpolitik Anfang der 1990er-Jahre zurückzuführen ist, sind um das 20fache bis auf 52 600 ha angestiegen.

Sinkende Viehbestände im Land…

Auch die Vieh haltenden Betriebe blieben vom Strukturwandel nicht verschont. 2003 hielten nur noch 42 200 – und damit weniger als zwei Drittel – der landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg Vieh (1979: 84 %). Insgesamt haben seit 1979 über 60 % bzw. 67 900 der Vieh haltenden Betriebe die Viehhaltung aufgegeben. Bei den Tierarten wurden vor allem die Rinderbestände deutlich abgebaut. Von 1979 bis 2003 sank der Bestand um 708 700 Rinder (−38,4 %) auf einen neuen Tiefststand von 1 138 300 Tiere. Beim Milchvieh hat sich trotz eines Rückgangs der Tierzahlen um 289 000 Stück seit 1979 deren Anteil am Rinderbestand kaum geändert: Auch heute noch sind mehr als ein Drittel der Rinder im Südwesten Milchkühe (1979: 37,2 %). Die Schweinebestände unterlagen in diesem Zeitraum ebenfalls Schwankungen, im Ergebnis allerdings stiegen die Tierzahlen zwischen 1979 und 2003 um 8,7 % auf 2,3 Mill. Tiere an. Der Schwerpunkt in der Schweinehaltung im Südwesten liegt eindeutig in der Zucht und Ferkelproduktion; mit 35,4 % machen die Ferkel (unter 20 kg Lebendgewicht) den größten Anteil aus, die Zuchtsauen haben einen Anteil von 13 % am Bestand.

… aber zunehmende Tierzahlen je Halter

Als Ergebnis der rückläufigen Bestands- und Halterzahlen stehen immer mehr Tiere in den Ställen der einzelnen Betriebe. So hat sich der durchschnittliche Rinderbestand seit 1979 von 22 auf 43 Tiere pro Betrieb nahezu verdoppelt, die Milchviehbestände sind sogar noch stärker von 9 auf 24 Tiere pro Betrieb angestiegen. Den größten Anstieg der Tiere pro Betrieb gab es in der Schweinehaltung. Standen 1979 noch durchschnittlich 25 Tiere auf den Höfen, ist ihre Zahl zwischenzeitlich um mehr als das Fünffache auf 136 angestiegen. Vergleichbare Entwicklungen sind auch bei anderen Tierkategorien feststellbar.

Immer mehr Fremdarbeitskräfte in der Landwirtschaft

Der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe und die Steigerung der Produktivität blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen3 (Tabelle). Seit 1979 ist ihre Zahl in Baden-Württemberg um 30 % zurückgegangen. Von den insgesamt 229 800 Arbeitskräften war 2003 nur noch knapp jeder Sechste in der Landwirtschaft als Vollbeschäftigter tätig. Mit dem überwiegenden Rückgang der Familienbetriebe ging auch eine deutliche Veränderung der Struktur der Arbeitskräfte einher. Seit 1979 hat sich die Zahl der Familienarbeitskräfte um über 50 % auf 133 900 reduziert. Ein gewisser Ausgleich ergab sich durch den Anstieg der Fremdarbeitskräfte. Ihre Zahl hat sich im selbem Zeitraum auf 95 900 Personen mehr als verfünffacht. Insgesamt ist ihr Anteil an den in der Landwirtschaft Beschäftigten damit von 6 % auf 42 % gestiegen; der Anteil der Familienarbeitskräfte sank von 94 % auf nur noch 58 %. Bemerkenswert hoch ist auch die Zahl der nicht ständig beschäftigten Arbeitskräfte (Saisonarbeitskräfte), deren Arbeitseinsatz nur weniger als drei Monate dauert. Mit gut 67 500 Personen waren es im Jahr 2003 über 70 % aller Fremdarbeitskräfte.

Der enorme technische und züchterische Fortschritt in den vergangenen Jahrzehnten hat Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungserfolge in hohem Maße zur Folge gehabt. Im Ergebnis ist der Arbeitseinsatz je Flächeneinheit (ausgedrückt in Arbeitskrafteinheiten – AKE) nahezu halbiert worden: Wurde 1979 noch die Arbeitskraft von 10 vollbeschäftigten Personen je 100 ha LF benötigt, so sind es 2003 gerade noch 5,3 AKE je 100 ha LF.

Weitere Ergebnisse aus der Agrarstrukturerhebung, auch auf regional tiefer gegliederten Ebenen, finden Sie unter oder auf der gerade erschienenen CD-ROM Agrarstrukturerhebung des Statistischen Landesamtes.

1 Betriebe mit mindestens 2 ha LF oder mit pflanzlichen oder tierischen Mindesterzeugungseinheiten.

2 Vergleichsbasis bilden die Repräsentativergebnisse.

3 Aufgrund von mehrfachen umfangreichen methodischen Änderungen sind Vergleiche mit Ergebnissen früherer Erhebungen nur mit Einschränkungen möglich.