:: 11/2004

Produktionsschwerpunkte des Verarbeitenden Gewerbes

In der Industriestatistik steht häufig die Konjunkturberichterstattung über die kurzfristige Entwicklung der Auftragseingänge, der Produktion und der Umsätze im Vordergrund. Die Darstellung erfolgt überwiegend in der Form von Indizes. Die sektorale Struktur des Verarbeitenden Gewerbes wird üblicherweise über die Umsätze und/oder Beschäftigten in wirtschaftssystematischer Gliederung abgebildet. Doch selbst bei tiefer sektoraler Differenzierung bleibt meistens verborgen, welche Produktionsschwerpunkte und Spezialitäten und welche Produktvielfalt die verschiedenen Wirtschaftszweige prägen. Für Transparenz über das industrielle Produktsortiment sorgt die Produktionsstatistik, die unterhalb der Wirtschaftszweigebene Daten nach tausenden von verschiedenen Güterarten liefert.

Die Ergebnisse der Produktionsstatistik bieten einen reichen Fundus an detaillierten Informationen über das Geschehen auf den verschiedenen Industrieproduktmärkten. Allerdings stellt diese Statistik an Befragte wie Nutzer wegen zahlreicher wenig aussagekräftigen oder praxisfernen Bezeichnungen und der teilweise überzogenen Detaillierung der vorgegebenen Produktnomenklatur (siehe i-Punkt 1) hohe Anforderungen. Hinzu kommt, dass die zugelassenen Maßeinheiten für die Angabe der Produktionsmengen in einigen Fällen nicht der Wirklichkeit des Produktions- und Abrechnungsgeschehens in den Betrieben entsprechen. Die auch anderen Güternomenklaturen immanente Problematik beeinträchtigt einerseits die Ergebnisqualität, weil es den Firmen die Zuordnung ihrer Erzeugnisse erschwert, und es ist für den Datennutzer in zahlreichen Fällen kaum möglich, ohne weitere Zusatzinformationen konkretere Vorstellungen über die hinter den »Kunstbezeichnungen« stehenden Industrieerzeugnisse zu bekommen. Der hohe Detaillierungsgrad bringt es auch mit sich, dass zahlreiche Güterarten aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht werden können. Davon sind nicht zuletzt auch Aufgliederungspositionen auf nationaler Ebene (neunte Stelle > 0) betroffen.

Das Güterverzeichnis beruht auf der so genannten PRODCOM, einer Produktliste, die per EU-Verordnung für alle Mitgliedstaaten bindend ist. Das Verzeichnis wird in etwa 5-jährigen Abständen überarbeitet. Dabei gilt es die Balance zwischen Länder- und Verbandsinteressen auf der einen Seite und den Belastungsgesichtspunkten der berichtspflichtigen Firmen auf der anderen Seite zu halten. Die Absicht, ab 2007 das Güterverzeichnis spürbar um überkommene Erzeugnisse und überzogene Detailpositionen insbesondere auch im Bereich der kleinbetrieblich strukturierten Branchen zu entlasten, wird ebenso zu einer besseren Akzeptanz der Produktionsstatistik führen wie die geplante Rückführung des Verlagsgewerbes in den Dienstleistungsbereich, wo es traditionell und sinnvoll verankert war.

Outputgrößen des Verarbeitenden Gewerbes: Produktionswert und Umsatz

Der Produktionswert der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes (siehe i-Punkt 2) belief sich im Jahr 2003 auf 192,2 Mrd. Euro. Der Gesamtumsatz betrug dagegen mit 241,7 Mrd. Euro fast 50 Mrd. Euro mehr (Schaubild 1). Knapp 90 % des Gesamtumsatzes resultieren aus Tätigkeiten der produzierenden Betriebsbereiche, der Rest in Höhe von 25 Mrd. Euro entfällt im Wesentlichen auf Handelstätigkeiten.1 Der Umsatz der produzierenden fachlichen Betriebsteile aus eigenen Erzeugnissen und Leistungen in Höhe von 216,7 Mrd. Euro liegt um nochmals knapp 25 Mrd. Euro über dem Produktionswert. Die Differenz ist zum Teil rein definitorischer Art. So enthält der Produktionswert im Unterschied zum Umsatz aus eigenen Erzeugnissen keine Verbrauchsteuern (zum Beispiel auf Mineralölerzeugnisse, Kaffee, Bier, Branntwein, Tabakwaren) und keine Frachtkosten. Eine Rolle kann bei Erzeugnissen mit sehr langer Produktionsdauer auch das zeitliche Auseinanderfallen von Produktionsmeldungen gemäß dem Produktionsfortschritt und der Umsatzmeldung nach Fertigstellung spielen.2 Sehr viel gravierender wirkt sich allerdings aus, wenn Unternehmen/Betriebe ihre Erzeugnisse in Lohnarbeit bei anderen Unternehmen oder als so genannte Converter (siehe i-Punkt 3) bei Dritten herstellen lassen. Im ersten Fall schlägt sich der Produktionswert beim Lohnauftragnehmer nur in Höhe der vom Auftraggeber gezahlten Vergütung statistisch als Produktionswert nieder. Im zweiten Fall fällt der Produktionswert beim Hersteller, der Umsatz aber beim Converter an. In beiden Fällen schlägt sich dies in einer Differenz zwischen Umsatz und Produktionswert nieder, wenn die Standorte der Hersteller in anderen Bundesländern oder – wie häufig – im Ausland liegen. Dieses Phänomen verbreitet sich in den letzten Jahren infolge der Globalisierung immer stärker. Damit fallen in Deutschland zwar die Umsätze an und suggerieren eine entsprechende Wirtschaftskraft, obwohl die Produktion im Ausland stattgefunden hat. Der Umfang dieser »Converterumsätze« dürfte nach Recherchen des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg schätzungsweise mindestens 13 Mrd. Euro betragen und damit 6 % des Umsatzes aus eigenen Erzeugnissen ausmachen. Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung dieses Phänomens im Zuge der weiter fortschreitenden Globalisierung noch weiter zunimmt.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Grund für die positive Differenz zwischen Umsatz und Produktion liegt auch in dem in manchen Branchen beträchtlichen Umfang produktionsverbundener bzw. produktbegleitender Dienstleistungen, denen kein entsprechendes Äquivalent an materieller Produktion gegenübersteht. Nach neuesten Untersuchungen3 beträgt der Anteil dieser Leistungen am Umsatz aus eigenen Erzeugnissen im Branchendurchschnitt knapp 4 %. Außerdem kann in bestimmten Wirtschaftszweigen, die militärische Güter herstellen, die strengen Geheimhaltungsrichtlinien unterliegen, eine Produktionsmeldung entfallen. Diese Effekte wirken sich am meisten in verschiedenen Investitionsgüterbranchen (Schaubild 2) aus, wo zum einen die internationale Verflechtung stark fortschreitet und zum anderen auch produktbegleitende Dienstleistungen wie zum Beispiel Montage, Inbetriebnahme oder Planung, Projektierung häufig Bestandteil des Gesamtauftrags sind.

Der Produktionswert, der demnach über 20 % niedriger als der Gesamtumsatz der Betriebe ausfällt und nur 89 % des Umsatzes aus eigenen Erzeugnissen beträgt, setzt sich aus tausenden von erzeugten Güterarten zusammen. In Baden-Württemberg werden von den Betrieben in den Produktionsstatistiken 3 870 unterschiedliche Positionen gemeldet. Die wertmäßig 50 bedeutendsten Produkte decken bereits über ein Drittel des gesamten Produktionswertes des Verarbeitendes Gewerbes (192 Mrd. Euro) ab. Unter den 25 größten Produktpositionen befinden sich alleine 16 Fahrzeugbauerzeugnisse, die fast ein Viertel des gesamten Produktionswertes ausmachen.

Autoland Baden-Württemberg

Mit einem Produktionswert von fast 50 Mrd. Euro stellt die Güterabteilung »Kraftwagen und Kraftwagenteile« fast 26 % der gesamten Industrieproduktion des Landes. Darunter entfallen 70 % auf die Güterklasse »Kraftwagen und Kraftwagenmotoren«. Im Land wurden 2003 zusammen 977 600 PKW, LKW, Omnibusse und Wohnmobile4 hergestellt. Weitere 28 % des Produktionswertes wurden in der Güterklasse »Teile und Zubehör für Kraftwagen und Kraftwagenmotoren« geschaffen.

Die Stellung Baden-Württembergs als »Autoland« wird auch dadurch deutlich, dass auch in anderen Güterabteilungen für Kraftfahrzeuge bestimmte Produkte einen wertmäßig bedeutenden Beitrag zu der Produktpalette liefern (Tabelle). In der Güterabteilung »Gummi- und Kunststoffwaren« werden »technische Teile aus faserverstärkten und sonstigen Kunststoffen für Straßenfahrzeuge« in Höhe von 712 Mill. Euro hergestellt, was immerhin 10 % des Produktionswertes dieser Güterabteilung ausmacht. Knapp 9 % der Produktion der Abteilung »Metalle und Metallhalbzeuge« entfallen auf die Herstellung von »Teilen aus Leichtmetallguss für Straßenfahrzeuge«, in der Abteilung »Metallerzeugnisse« macht der Produktionswert für »Blechformteile aus Stahl und für Drehteile aus Metall für Straßenfahrzeuge« zusammen über 11 % aus. In der sehr heterogen zusammengesetzten Gütergruppe »Möbel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgeräte, Spielwaren und sonstige Erzeugnisse« dominiert die Position »Sitze für Kraftfahrzeuge« mit einem Anteil von über 12 %. In der Abteilung »Nachrichtentechnik, Rundfunk- und Fernsehgeräte sowie elektronische Bauelemente« gehören »Rundfunkempfangsgeräte für Kraftfahrzeuge« mit zu den bedeutendsten Produktpositionen.5

Zusammen betragen diese Waren 3,5 Mrd. Euro. Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe von Einbauerzeugnissen für Kraftfahrzeuge in den unterschiedlichsten Güterabteilungen, wie zum Beispiel Klimaanlagen, Abgasreinigungssysteme, Scheinwerferlampen, Geschwindigkeitsmessgeräte usw. Zusammen macht dies einen weiteren Betrag von 0,5 Mrd. Euro aus. Das gesamte Volumen der Kraftfahrzeug-Produktion einschließlich Zubehör und Zuliefererkomponenten beträgt damit 53,5 Mrd. Euro oder annähernd 28 % des gesamten Produktionswertes.

30 % der deutschen Maschinenproduktion aus dem Land

Die Güterabteilung »Maschinen« nimmt mit fast 40 Mrd. Euro und einem Anteil von knapp 21 % an der gesamten Industrieproduktion die zweite Stelle unter den Güterabteilungen ein. Knapp 30 % der bundesweit hergestellten Maschinen stammen aus 2 018 baden-württembergischen Betrieben. Die Güterklasse »Maschinen für das Druckgewerbe und sonstige Wirtschaftszweige« stellt nach den beiden Kfz-Bereichen mit über 7 Mrd. Euro (Anteil 3,6 %) die drittgrößte Güterklasse. Darunter fällt mit den »Bogenoffsetdruckmaschinen« auch die wertmäßig bedeutendste Güterart unter den Maschinenerzeugnissen. In der Güterklasse »Maschinen für unspezifische Verwendung«, zu denen an erster Stelle »Spritz- und Sprühautomaten für Lacke und Farben« zählen, beträgt der Landesanteil sogar über 34 %.

Bei den »Chemischen Erzeugnissen«, mit einem Produktionswert von fast 12 Mrd. Euro die viertgrößte Güterabteilung des Landes, dominiert die Güterklasse »Pharmazeutische Spezialitäten« mit über 35 % an der gesamten Produktion der Güterabteilung. Mit 11,5 Mrd. Euro fällt der Produktionswert in der Abteilung »Geräte der Elektrizitätserzeugung und -verteilung« nur wenig niedriger als bei den »Chemischen Erzeugnissen« aus. Im Ernährungsgewerbe wurden 2003 in 773 Betrieben Erzeugnisse im Wert von gut 10 Mrd. Euro produziert. Mit einem Wertanteil von zusammen über 16 % sind »Brot, Bier und Wurst« die wichtigsten Güterpositionen in dieser Güterabteilung. Die Produktion von 434 000 Tonnen frischem Brot und Brötchen der knapp 300 Bäckereien liegt deutlich über dem geschätzten Jahresverbrauch der Bevölkerung des Landes von rund 255 000 Tonnen.6 Es ist zu vermuten, dass insbesondere die Produktion einiger Großbäckereien auch in anderen Bundesländern abgesetzt wird. Die Gruppe »Medizin-, Mess-, steuerungs-, regelungstechnische und optische Erzeugnisse, Uhren« erreicht mit 9,3 Mrd. Euro noch einen Produktionsanteil von fast 5 %. Die Produktionsschwerpunkte liegen in den Güterklassen »Mess-, Kontroll-, Navigationsinstrumente« und »Medizinische Geräte und orthopädische Vorrichtungen«.

1 Darüber hinaus zählen zu den Umsätzen der nicht im engeren Sinne industriell tätigen Betriebsteile unter anderem Umsätze aus Vermietung, Verpachtung und Leasing, für Dritte erbrachte Transportleistungen.

2 In der Praxis kommt diese theoretisch wünschenswerte Meldeweise allerdings nur wenig zum Tragen.

3 Statistisches Bundesamt, Projektbericht: Produktbegleitende Dienstleistungen 2002 bei Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors.

4 Eine detaillierte Darstellung ist auf der Ebene der 9-stelligen Güterarten aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich.

5 S. Fußnote 4.

6 Schätzung nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998.