:: 12/2004

Qualitätsaspekte der diesjährigen Winterweizenernte

Dem Getreideanbau kommt in der heimischen Landwirtschaft eine herausragende Bedeutung zu. Zur Ernte 2004 war eine Fläche von rund 485 000 ha im Land; das entspricht sechs Zehntel des Ackerlandes, mit Getreide bestellt. Stark im Anbau vertreten sind Winter- und Sommergerste (98 700 ha bzw. 94 000 ha) sowie Hafer (38 200 ha). Eindeutiger Favorit bei den Landwirten im Südwesten ist mit einer Anbaufläche von etwa 220 000 ha allerdings Winterweizen. Winterweizen findet heute als Brot-, Futter- und in geringem Umfang auch als Industriegetreide Verwendung. Er ist unter den hiesigen Vegetationsbedingungen die Getreideart mit dem bei weitem größten Ertragspotenzial. Winterweizen stellt allerdings höhere Ansprüche an Boden und Klima als die anderen Getreidearten und ist deshalb vorzugsweise auf den besseren Ackerbaustandorten zu finden. Im vorliegenden Beitrag liegt der Schwerpunkt weniger auf den quantitativen als vielmehr auf den qualitativen Aspekten der Winterweizenproduktion.

Die Feststellung von Erntemengen landwirtschaftlicher Feldfrüchte zählt traditionell zu den Kernaufgaben der Agrarstatistik und erfolgt auf rechnerischem Wege durch Multiplikation der beiden Komponenten Anbaufläche und Ertrag.1 Zur Feststellung der Ertragskomponente bedient man sich zunächst subjektiver Ertragsschätzungen landwirtschaftlicher Sachverständiger. Diese so genannte Ernteberichterstattung wird bei den wichtigsten Feldfrüchten um exakte, auf Stichprobenbasis vorzunehmende Erntemessungen ergänzt. Die Besondere Ernteermittlung2 (BEE) bringt ergänzend zu der geforderten Ergebnisgenauigkeit für ausgewählte Fruchtarten unter anderem zusätzliche Informationen über Sortenentwicklung und Beschaffenheitsmerkmale (Inhaltsstoffe, Verarbeitungseigenschaften) von Winterweizen.

Vegetationsbedingungen für Ausschöpfung des Ertragspotenzials entscheidend

Die Jahre 1995 und 2003 waren aus Sicht der Getreideproduzenten wenig erfreulich. Eine Nässeperiode im Frühjahr und eine lang anhaltende Sommertrockenheit führten 1995 zu Ertragseinbußen. Die Hoffnungen auf eine zufrieden stellende Ernte im Jahre 2003 erlitten bereits durch die ungünstigen Aussaatbedingungen für das Wintergetreide im Herbst 2002 einen ersten Dämpfer. Es folgten hohe Auswinterungsschäden. Angesichts des Jahrhundertsommers mit tropischen Temperaturen und ausbleibender Niederschläge mussten die Ertragserwartungen weiter nach unten korrigiert werden. Erfreulich war hingegen die Vegetationsentwicklung insbesondere in den Jahren 1996, 1998 und 2004. In diesen Jahren blieben Witterungsextreme aus, sodass sich die Getreidekulturen gut entwickeln konnten (Schaubild).

Hinsichtlich der Ertragskomponente zeigen sich – von den üblichen witterungsbedingten Schwankungen abgesehen – deutliche Unterschiede zwischen den Jahren 1990 bis 1995 und später. Lagen zu Beginn der 90er-Jahre die Durchschnittserträge bei Winterweizen noch bei 60 bis 65 dt/ha, so sind seit 1996 Erträge von 70 dt/ha und mehr eher die Regel als die Ausnahme.

Bei Winterweizen neben Kornertrag auch Anbau- und Backeigenschaften entscheidend

Die Ertragzuwächse werden in Fachkreisen mit einer neuen Generation an Pflanzenschutzmitteln und damit neueren Erkenntnissen in der Bestandsführung in Verbindung gebracht. Sie sind auch Ausdruck der züchterischen Bemühungen und Erfolge, die bei Winterweizen zu einem breiten Sortenangebot für alle Standorte und Produktionsziele führten (siehe Übersicht). Bis Mitte der 90er-Jahre hat die Vielfalt der angebauten Weizensorten in Baden-Württemberg zugenommen. Danach ist eine Dominanz einzelner Sorten unter den ausgewerteten BEE-Proben nicht mehr festzustellen. So erreichte beispielsweise im Jahr 2000 lediglich der B-Weizen »Flair« mit 13 % einen Anteilswert von jenseits der 10%-Marke. 2001 tauchte im Sortenspektrum dann erstmals der Name »Dekan« auf. Und zwar mit durchschlagendem Erfolg, denn in den beiden letzten Jahren wurde in jedem dritten Winterweizenfeld die Sorte »Dekan« gedrillt. »Dekan« ist als B-Weizen eingestuft3 , bringt einen relativ hohen Kornertrag bei gleichzeitig nur geringer Anfälligkeit für Pflanzenkrankheiten (Ausnahme: Braunrost). Der A-Weizen »Transit« hat nach einem kurzen Höhenflug dagegen wieder Anteilswerte verloren und ist auf das Niveau der Vorjahre zurückgefallen.

Die Änderungen innerhalb des Sortenspektrums hatten darüber hinaus Verschiebungen zwischen den einzelnen Qualitätsgruppen zur Folge. Wenn man unterstellt, dass die Qualitätsklassen E und A vorzugsweise zu Brotmehl herangezogen werden, Weizen der Kategorie C grundsätzlich und B-Weizen zu einem großen Teil in den Futtertrog wandern, so hat sich von 1996 zu 1997 die Relation von Brot- zu Futterweizen deutlich zugunsten von Brotweizen verschoben (Tabelle). Dieser Prozess kehrte sich allerdings zu Beginn des neuen Jahrhunderts wieder um. Innerhalb des Brotweizensektors läuft die Entwicklung weiterhin gegen die E-Weizen-Fraktion, während sich die A-Weizen nach einem zwischenzeitlichen Tief wieder der 40%-Marke nähern. Im Futterweizensektor hält der Trend weg vom C- und hin zum B-Weizen an. Dies könnte möglicherweise eine Reaktion auf die rückläufigen Tierzahlen bei gleichzeitig größerem Verwendungsspektrum von B-Weizen sein.

Wie die Untersuchungen auf ausgewählte Qualitätsmerkmale im Rahmen der Besonderen Ernteermittlung zeigen (siehe Tabelle), hatte die oben skizzierte Entwicklung im Anbauverhalten der baden-württembergischen Landwirte zunächst kaum Auswirkungen auf den Proteingehalt in der Trockenmasse und den Sedimentationswert. Erst die Zäsur 2000/2001 wirkte tendenziell in Richtung niedrigerer Proteingehalte. Der Proteingehalt von 13,7 % im Jahr 2003 erklärt sich vor dem Hintergrund des Jahrhundertsommers. Durch den allerorten beklagten Wassermangel war die Stärkeeinlagerung ins Getreidekorn beeinträchtigt, mit dem Nebeneffekt, dass die Proteinkonzentration anstieg.

Rekordergebnis bei der Winterweizenernte 2004

Die Winterweizenernte 2004 steht, sowohl was den Ertrag (78,1 dt/ha) als auch die Erntemenge insgesamt (1,7 Mill. t) anbelangt, für ein Rekordergebnis. Der Anbau von Winterweizen wurde gegenüber dem Vorjahr um 13,5 % auf 219 000 ha ausgedehnt. Denn im Unterschied zum Herbst 2002, als die schlechten Aussaatbedingungen zu deutlichen Einschränkungen im Anbau von Winter- zugunsten von Sommergetreide führten, konnten im Herbst 2003 die Wintersaaten zur Ernte 2004 überwiegend problemlos gedrillt (gesät) werden. Die Auswinterungsverluste hielten sich in engen Grenzen. Die kühle Witterung im Mai/Juni bei gleichzeitig ausreichend Niederschlägen kam der weiteren Entwicklung des Getreides allgemein und damit auch des Winterweizens sehr entgegen. Die vor der Regenperiode Mitte August geernteten Partien konnten zumeist mit Feuchtigkeitsgehalten von unter 14 % eingebracht werden, sodass eine Nachtrocknung in den allermeisten Fällen nicht erforderlich war. Später geerntetes Getreide wies dagegen höhere Feuchtigkeitsgehalte auf. Teilweise kam es wie zuvor in den Jahren 1996, 2000 und 2002 zu Qualitätseinbußen infolge Auswuchses. Ein Zehntel der untersuchten BEE-Proben erreicht bei der Fallzahl nicht die Interventionsgrenze von 220 Sekunden (siehe i-Punkt). So weisen einige Winterweizenpartien nurmehr Futterqualität auf. Die Rohstoffversorgung der heimischen Mühlen ist davon aber kaum betroffen.

Der durchschnittliche Proteingehalt der untersuchten Winterweizenproben zählt zu den niedrigsten Werten der letzten 10 Jahre (siehe Tabelle). Dennoch ist der Sedimentationswert vergleichsweise hoch. Trotz des niedrigen Eiweißgehaltes darf somit aufgrund der guten Kleberqualität von guten Backeigenschaften der Weizenernte 2004 ausgegangen werden. Dies belegen auch die Ergebnisse des Rapid-Mix-Testes. Die durchschnittliche Volumenausbeute ist jedenfalls unter baden-württembergischen Verhältnissen am oberen Ende der Skala angesiedelt.

1 Eine kurze Gesamtschau über die Grundzüge der Erntestatistik bei landwirtschaftlichen Feldfrüchten findet sich bei: Betzholz, Thomas: Ernte der Feldfrüchte 1995, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 5/1996, S. 209 ff.

2 Methodische Erläuterungen zur Besonderen Ernteermittlung siehe: Betzholz, Thomas: Exakte Ertragsfeststellung bei Getreide und Kartoffeln, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 5/1998, S. 228 ff.

3 Vgl. Bundessortenamt (Hrsg.): Beschreibende Sortenliste (diverse Jahrgänge) für Getreide, Mais, Ölfrüchte; Körnerleguminosen (großkörnig) und Hackfrüchte (außer Kartoffeln), Landbuchverlag, Hannover.