:: 1/2005

Zur Größenstruktur der Gemeinden in den Landkreisen Baden-Württembergs

Die Gemeindegrößenstruktur in den Landkreisen Baden-Württembergs ist gemessen an der Einwohnerzahl durch deutliche Unterschiede geprägt. Am kleinsten sind – im Durchschnitt – die Kommunen im Landkreis Lörrach, am größten diejenigen im Landkreis Karlsruhe. Die Ursachen für die Unterschiede zwischen den Kreisen sind vor allem historisch bedingt; aber auch die Gemeindereform zu Beginn der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts und die unterschiedliche Dynamik in der Bevölkerungsentwicklung haben zu diesem Ergebnis geführt.

In den 1 111 Gemeinden Baden-Württembergs leben derzeit etwa 10,7 Mill. Einwohner, davon annähernd 8,8 Mill. in den 35 Landkreisen sowie gut 1,9 Mill. in den 9 Stadtkreisen des Landes. Die Spannweite bei den kreisangehörigen Kommunen reicht von knapp 100 Einwohnern (Böllen im Landkreis Lörrach) bis etwa 112 000 (Stadt Reutlingen). Die durchschnittliche Einwohnerzahl je Gemeinde liegt bei 4 635.1

Kleine Gemeinden vor allem im Süden des Landes

Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern gibt es nur in 15 der 35 Landkreise. Diese 82 Kommunen konzentrieren sich dabei auf die südlichen Landesteile (siehe Schaubild 1). Allein im Regierungsbezirk Tübingen sind es immerhin 43 Gemeinden, im Regierungsbezirk Freiburg 32. Im Regierungsbezirk Stuttgart haben nur Drackenstein und Hohenstadt (beide Landkreis Göppingen) sowie Obergröningen (Ostalbkreis) weniger als 1 000 Einwohner, im Regierungsbezirk Karlsruhe gehören Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis) und Heddesbach (Rhein-Neckar-Kreis) sowie Grömbach und Wörnersberg (beide Landkreis Freudenstadt) zu dieser Größenklasse.

Gut 70 % der kreisangehörigen Kommunen, in denen 31 % der Landesbevölkerung leben, haben zwischen 1 000 und 10 000 Einwohner. Etwa 40 % der baden-württembergischen Bevölkerung lebt in Gemeinden mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern. Insgesamt 14 kreisangehörige Städte haben mehr als 50 000 Einwohner, darunter eine – Reutlingen – mehr als 100 000. Lediglich in 13 der 35 Landkreise gibt es Städte mit über 50 000 Einwohnern. Der Ostalbkreis ist der einzige Landkreis mit zwei Kommunen (Aalen und Schwäbisch Gmünd), die zu dieser Größenklasse gehören. In zwei Kreisen – Sigmaringen und Breisgau-Hochschwarzwald – gibt es keine Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern.

Kleinste Gemeinden im Landkreis Lörrach, größte im Landkreis Karlsruhe

Die im Schnitt kleinsten Gemeinden befinden sich im Landkreis Lörrach: Durchschnittlich 1 327 Einwohner bilden hier eine rechtlich selbstständige Gemeinde (vgl. Schaubild 2). Knapp die Hälfte der Kommunen hat hier weniger als 1 000 Einwohner. In keinem anderen Landkreis gibt es eine größere Zahl dieser kleinen Gemeinden, nämlich 20.

Am größten sind die Kommunen im Landkreis Karlsruhe mit immerhin 11 824 Einwohnern im Durchschnitt – obwohl es hier keine Stadt mit mehr als 50 000 Einwohnern gibt. Allerdings liegt der Anteil der Gemeinden mit 10 000 bis 20 000 Einwohnern deutlich höher als in allen anderen Landkreisen. Und immerhin 5 der 32 kreisangehörigen Gemeinden haben mehr als 20 000 Einwohner.

Ursachen der regionalen Siedlungsentwicklung

Die regionale Siedlungsentwicklung und die damit verbundene unterschiedliche Größenstruktur der Gemeinden in den baden-württembergischen Landkreisen sind vor allem historisch bedingt – überwiegend naturräumliche, aber auch politische und ökonomische Faktoren sind hierfür entscheidend. So konnte die vor dem Beginn des Industriezeitalters noch vorwiegend bäuerliche Bevölkerung in den agraren Gunsträumen mit relativ wenig Flächen für einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb auskommen; dementsprechend höher war hier die Bevölkerungsdichte. Dadurch konnte hier das Netz der Städte aufgrund der relativ sicheren landwirtschaftlichen Ertragsmöglichkeiten dichter sein als etwa in gebirgigen Landesteilen.2

Bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren die Städte die »Gewinner« der Bevölkerungsentwicklung, seit den 60er-Jahren hat sich dies grundlegend geändert: Damals erzeugte die hohe Bevölkerungs- und Wohndichte und die damit verbundene schwierige Wohnungsbeschaffung in Verbindung mit immer günstiger werdenden Verkehrsverbindungen und der zunehmenden Motorisierung eine von den Zentren weg gerichtete Wanderungsbewegung in das nähere Umland. Die Zunahme der Bevölkerungszahl in den Umlandgemeinden war dadurch bis Ende des vergangenen Jahrhunderts zum Teil erheblich stärker als in den Zentren (»Suburbanisierung«).3

Einfluss auf die Größenstruktur der Kommunen hatte schließlich auch die Gemeindereform mit dem Ziel der Stärkung der kommunalen Verwaltungskraft zu Beginn der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Damals wurde landesweit die Zahl der Kommunen durch Eingliederungen und Neubildungen um etwa zwei Drittel auf 1 111 verringert. Regional ist diese Reduzierung der Gemeindezahl sehr unterschiedlich ausgefallen: Die Spannweite reicht von lediglich 36 % im Landkreis Tuttlingen bis immerhin 87 % im Main-Tauber-Kreis.

Bezogen auf die Landkreise mit der höchsten bzw. geringsten durchschnittlichen Gemeindegröße – Karlsruhe bzw. Lörrach – hat die Gemeindegebietsreform an den regionalen Unterschieden allerdings wenig geändert: Die Gemeinden, die heute zum Landkreis Karlsruhe zählen, waren bereits vor der Reform im Schnitt annähernd doppelt so groß wie im Landkreis Lörrach. Und dass der Unterschied sogar noch größer geworden ist, ist darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Karlsruhe seit 1975 deutlich dynamischer als im Landkreis Lörrach verlaufen ist (+ 22 % gegenüber + 14 %).

Gibt es die optimale Gemeindegröße?

Das Land Baden-Württemberg zeichnet sich durch seine Vielfalt aus – und das nicht nur in landschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Vielfalt betrifft auch seine Kreise und deren Gemeindegrößenstruktur. Ob eher größere oder aber kleinere Kommunen von Vorteil sind, kann nicht allgemein gültig beantwortet werden. Einerseits wird mit wachsender Größe der Gemeinde die Verwaltung bürgerferner und der kommunalpolitische Willensbildungsprozess weniger durchschaubar.4

Andererseits sind sehr kleine Kommunen angesichts der vielseitigen Tätigkeit, der komplizierten Regelungen und der ständigen technischen Weiterentwicklung nur bedingt in der Lage, ihre Aufgaben effizient zu erledigen. Um diesen Mangel auszugleichen, wurde bereits 1968 das Rechtsinstitut der Verwaltungsgemeinschaft eingeführt.5 

Die Mindestgröße der örtlichen Verwaltungseinheiten konnte somit nicht nur durch so genannte Einheitsgemeinden, sondern auch durch einen freiwilligen Zusammenschluss von Kommunen zu Verwaltungsgemeinschaften erreicht werden. Daher sind alle kleinen Gemeinden Baden-Württembergs Mitglied in einer vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft oder in einem Gemeindeverwaltungsverband.

Als Mindestgröße für eine Verwaltungseinheit wurde von der Regierung Filbinger/Krause eine Einwohnerzahl von 8 000 Personen angestrebt. Allerdings wurde dieser Grundsatz dahingehend relativiert, dass vor allem in dünn besiedelten Räumen die besonderen örtlichen Verhältnisse eine geringere Personenzahl erforderlich machen können. In stärker verdichteten Regionen sollen die örtlichen Verwaltungseinheiten dagegen mehr Einwohner haben.6

Insgesamt zeigt sich, dass es nicht die optimale Gemeindegröße gibt, auch wenn sicherlich eine gewisse Einwohnerzahl nicht unterschritten werden sollte. Hierzu sind die Gemeinden und deren Strukturen nicht zuletzt aufgrund ihrer Lage zu unterschiedlich (zum Beispiel Kommunen in verdichteten oder in ländlichen Gebieten). Hinzu kommt, dass den Gemeinden durch den Landesentwicklungsplan unterschiedliche Aufgaben je nach Größe und Lage zugewiesen werden, um die angestrebte Siedlungsentwicklung zu erreichen und zu unterstützen.7

1 Ermittelt wurde der so genannte Median, das heißt derjenige Durchschnitt, bei welchem 50 % der Gemeinden eine geringere und 50 % eine höhere Einwohnerzahl aufweisen. Das arithmetische Mittel, das die größeren Städte relativ betrachtet stärker gewichtet, liegt bei 7 946 Einwohner (jeweiliger Stand: 30. Juni 2004).

2 Vgl. Borcherdt, Christoph: Das Land Baden-Württemberg – ein Überblick, in: Geographische Landeskunde von Baden-Württemberg, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württembergs, S. 45 ff.

3 Seither zeichnet sich aber eine »Renaissance der Städte« ab: Der Anstieg der Bevölkerungszahl in den Mittelzentren entspricht nach Jahrzehnten erstmals wieder dem Landesdurchschnitt; vgl. Brachat-Schwarz, Werner: Das Ende der Suburbanisierung?, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 4/2004, S. 19 ff.

4 Vgl. Kommunalpolitik in Baden-Württemberg, hrsg. von Pfizer, Theodor/Wehling, Hans-Georg, 3. Auflage, S. 16 (Zitierweise: Kommunalpolitik).

5 Vgl. Kunze, Richard/Quecke, Albrecht: Das Kommunalrecht in Baden-Württemberg – ein Abriss, in: Kommunalpolitik, S. 64 f.

6 Vgl. Statistisch-prognostischer Bericht 1975, S. 33.

7 Vgl. Landesentwicklungs-plan 2002, hrsg. vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, S. 20 ff.