:: 2/2005

Wie die Lohnsteuer in den Länderfinanzausgleich einfließt

Mit einem Anteil von rund 31 % am gesamten Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden nimmt die Lohnsteuer bei der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs eine herausragende Stellung ein. Dabei stellt die Lohnsteuer keine eigenständige Steuer, sondern eine besondere Erhebungsform der Ein-kommensteuer dar. Das Einkommensteueraufkommen wird seit 1980 in dem Verhältnis 42,5:42,5:15 auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt. Für die 16 Bundesländer ist es dabei von entscheidendem Interesse, dass der ihnen zustehende Anteil an dieser Gemeinschaftsteuer auch in dem Umfang bei ihnen ankommt, wie es die gesetzlichen Regelungen vorsehen. Danach steht die Einkommensteuer dem Wohnsitzland des Steuerpflichtigen zu.

Da die Lohnsteuer aber nicht in jedem Fall an ein Finanzamt im Wohnsitzland gezahlt wird, werden in einem Clearingverfahren mittels so genannter »Zerlegungsrechnungen« die Ausgleichsansprüche bzw. -verpflichtungen zwischen den einzelnen Ländern ermittelt. Die dafür notwendigen Daten werden von den Statistischen Landesämtern bereitgestellt.

Steuerzerlegung: Ein wichtiger Baustein des Finanzausgleichs

Kennzeichnend für jeden föderalen Staat ist es, dass öffentliche Aufgaben von verschiedenen staatlichen Ebenen – in Deutschland: Bund, Länder und Kommunen – wahrgenommen werden. Zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben benötigen die einzelnen Gebietskörperschaften Finanzmittel. Der Finanzausgleich bildet einen der zentralen Punkte im Förderalismus der Bundesrepublik Deutschland. Vereinfacht ausgedrückt regelt dieser zum einen die (vertikale) Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen und zum zweiten die (horizontale) Aufteilung zwischen den einzelnen Bundesländern untereinander bzw. zwischen den einzelnen Kommunen.

Steuern spielen als Einnahmequellen der Gebietskörperschaften die größte Rolle und stehen deshalb auch beim Finanzausgleich im Vordergrund. Die Verteilung des Steueraufkommens wird im Artikel 106 des Grundgesetzes geregelt. Neben Steuern, die jeweils nur einer Gebietskörperschaft zustehen, wie beispielsweise die Mineralölsteuer dem Bund, die Erbschaftsteuer den Ländern oder die Gewerbesteuer den Gemeinden, steht das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer den Gebietskörperschaften gemeinsam zur Verfügung. Diese Gemeinschaftsteuern erbringen rund zwei Drittel der gesamten Steuereinnahmen.

Das »Sahnestück« des großen »Gemeinschaftsteuerkuchens« ist dabei die Einkommensteuer. Im Jahr 2003 hatte die Einkommensteuer einschließlich der Lohnsteuer und des Zinsabschlags mit einem Aufkommen von 146 Mrd. Euro einen Anteil von 33 % an den gesamten Steuereinnahmen = von 442 Mrd. Euro. Die Gemeinden erhalten von den 146 Mrd. Euro 15 %. Der Anteil von Bund und Ländern beträgt jeweils 42,5 %.

Um den Anteil, der den Bundesländern zusteht, konkurrieren nun 16 Länder unterschiedlicher Größe und Struktur. Es stellt sich das praktische Problem, den Anteil des Einkommensteueraufkommens entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auf die Länder zu verteilen. Dieser Vorgang wird »Steuerzerlegung« genannt. Dabei geht es konzeptionell zunächst einmal nur um eine korrekte Ermittlung des Steueraufkommens in den Ländern. Die folgende »Zerlegung« bildet auch die Basis für die spätere Umverteilung von »reichen« zu »armen« Bundesländern, dem Länderfinanzausgleich.

Lohnsteuer und Länderfinanzausgleich

Die Aufgabe der Steuerzerlegung sieht auf den ersten Blick recht einfach aus. Es soll ermittelt werden, welche Einkommensteuereinnahmen in den einzelnen Ländern angefallen sind. Dabei steckt die Tücke im Detail, wie ein einfaches Beispiel illustriert. Welchem Bundesland soll beispielsweise die Einkommensteuer eines Pendlers zugerechnet werden, der in Baden-Württemberg wohnt und in Hessen arbeitet?

Nach Artikel 107 Abs. 1 Grundgesetz steht der Länderanteil an der Einkommensteuer, und damit auch der Lohnsteuer, grundsätzlich dem Land zu, in dessen Gebiet die Steuer von den Finanzbehörden eingenommen wurde (Prinzip des örtlichen Aufkommens). Da aus Gründen der Steuererhebungstechnik nicht in jedem Fall gewährleistet ist, dass die Lohnsteuer dem richtigen Land zufließt, wird im Zerlegungsgesetz Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Lohnsteueraufkommens konkretisiert.

In § 1 Zerlegungsgesetz wird bestimmt, dass der Anspruch auf die Einkommensteuer unmittelbar dem Land zusteht, in dem der Steuerpflichtige mit Ablauf des 10. Oktober des Jahres seinen Wohnsitz hat. Für das obige Beispiel heißt das, dass die Einkommensteuer des Pendlers, und somit auch seine Lohnsteuer, dem Land Baden-Württemberg zuzurechnen ist.

Während sich bei der veranlagten Einkommensteuer die Frage der Zerlegung nicht stellt, denn die festgesetzte Steuer wird vom Steuerpflichtigen generell an das für seinen Wohnsitz zuständige Finanzamt gezahlt, können bei der Lohnsteuer zwei typische Situationen auftreten, die in Baden-Württemberg eine Zerlegung erforderlich machen:

  • Der im Beispiel geschilderte Fall eines Pendlers, der seinen Wohnsitz in Baden-Württemberg, seinen Arbeitsplatz aber jenseits der Landesgrenzen hat. Der Arbeitgeber führt die Lohnsteuer dieses Pendlers am Ort der Betriebsstätte an das dortige Finanzamt ab.
  • Ein Unternehmen mit Filialbetrieben in mehreren Bundesländern wickelt die Lohn- und Gehaltsabrechnung für alle Filialen zentral an seinem Hauptsitz ab, der nicht in Baden-Württemberg liegt. Auch die Lohnsteuer der Beschäftigten, die in Baden-Württemberg wohnen und hier in einer Filiale tätig sind, führt das Unternehmen an das für seinen Hauptsitz zuständige Betriebsfinanzamt ab.

Lohnsteuerkarten im Statistischen Landesamt

Im § 7 Abs. 3 Zerlegungsgesetz wird den Statistischen Landesämtern die Aufgabe übertragen, »…die Lohnsteuer, die nicht vom Wohnsitzland vereinnahmt worden ist, zu ermitteln, die hiervon auf die Einnahmeländer entfallenen Beträge festzustellen …«. Die für diese Aufgabe notwendigen Informationen werden den Statistischen Landesämtern von den Finanzämtern für das Jahr, in dem die Zerlegung durchzuführen ist (dem so genannten »Feststellungszeitraum«1), zur Verfügung gestellt. Die Auswertung dieser Informationen2 in den Statistischen Landesämtern erfolgt dabei anonym und unter strenger Beachtung des Steuergeheimnisses.

Im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg wird anhand der Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Land haben, in jedem Einzelfall geprüft, ob die Lohnsteuer an ein Finanzamt eines anderen Bundeslandes abgeführt wurde. Ist dies der Fall, wird die auf der Lohnsteuerkarte eingetragene einbehaltene Lohnsteuer der Zerlegung unterworfen. Da die Arbeitgeber auf den Lohnsteuerkarten ihrer Mitarbeiter festzuhalten haben3, an welches Betriebsstättenfinanzamt die Lohnsteuer abgeführt wurde, lassen sich die Zerlegungsfälle den Einnahmeländern recht zuverlässig zuordnen.

Rund 5,5 Millionen Lohnsteuerkarten waren für die Zerlegung 2001 in Baden-Württemberg durchzusehen. Daraus konnten insgesamt rund 426 000 Zerlegungsfälle nachgewiesen werden. Die ermittelten Zerlegungsfälle und -beträge wurden für jedes Einnahmeland aufsummiert (Tabelle 1). Dabei war bei der Zerlegung zusätzlich auf eventuell vom Arbeitgeber ausbezahltes Kindergeld zu achten. Denn da der Arbeitgeber das ausgezahlte Kindergeld mit der an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführenden »einbehaltenen Lohnsteuer« verrechnet, mindert das vom Arbeitgeber ausgezahlte Kindergeld die an das Finanzamt abzuführende »einbehaltene Lohnsteuer« und damit die Kasse des Einnahmelandes. Im Extremfall wurde Kindergeld ausgezahlt, ohne dass einzubehaltene Lohnsteuer anfiel. Daher wurde im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in gut 20 500 Fällen das von den Arbeitgebern ausgezahlte Kindergeld gesondert erfasst und in einem weiteren Rechenschritt mit der einbehaltenen Lohnsteuer verrechnet.4

Verbindliche Quoten für die Jahre 2004 bis 2006

Die Ergebnisse der Zerlegung wurden zum gesetzlich vorgegebenen Abschlusstermin – für die Lohnsteuerzerlegung 2001 war dies der 30. Juni 20045 – den obersten Finanzbehörden der Einnahmeländer mitgeteilt. Die von allen Statistischen Landesämtern ermittelten Ausgleichsansprüche führten zu Forderungen und Gegenforderungen der Länder untereinander. Diese werden allerdings nicht unmittelbar saldiert, sondern die Einnahmeländer errechnen daraus eine Zerlegungsquote. Dabei werden die Ausgleichsforderungen der Empfängerländer in Beziehung gesetzt zur insgesamt im Einnahmeland vereinnahmten Lohnsteuer.

Auf Grundlage dieser Quoten erhält das Wohnsitzland des Steuerpflichtigen in den nächsten drei Jahren vom laufenden Lohnsteueraufkommen des Einnahmelandes vierteljährlich den Betrag, der seiner Zerlegungsquote entspricht. Die für das Jahr 2001 ermittelten Quoten gelten also erst für die Jahre 2004 bis 2006. Der tatsächliche Saldo von Forderungen und Gegenforderungen ist so vom jeweils aktuellen kassenmäßigen Lohnsteueraufkommen in den Ländern abhängig. Dadurch werden die Veränderungen des Lohnsteueraufkommens während des Anwendungszeitraums der Quote berücksichtigt.

Höchste Ausgleichsansprüche an das Nachbarland Bayern

Im Jahr 2001 zahlten gut 427 000 Steuerpflichtige mit Wohnsitz in Baden-Württemberg Lohnsteuer in Höhe von zusammen 2,5 Mrd. Euro an Finanzämter jenseits der hiesigen Landesgrenzen (Tabelle 1). Von diesen 427 000 Zerlegungsfällen entfielen auf

Nordrhein-Westfalen125 000
Bayern116 000
Hessen92 000
Rheinland-Pfalz28 000

Beim Ranking der aus den Zerlegungsfällen resultierenden Ausgleichsansprüche von Baden-Württemberg an die anderen Bundesländer zeigt sich ein ähnliches Bild. Bedeutende Ausgleichsansprüche kann Baden-Württemberg geltend machen bei den Ländern

Bayern717 Mill. Euro
Hessen618 Mill. Euro
Nordrhein-Westfalen617 Mill. Euro
Rheinland-Pfalz189 Mill. Euro

Die geringsten Ansprüche stellt Baden-Württemberg an die ferner gelegenen Länder

Brandenburg7,0 Mill. Euro
Sachsen-Anhalt4,7 Mill. Euro
Mecklenburg-Vorpommern1,8 Mill. Euro

Danach entfallen auf die direkten Nachbarländer 55 % der Zerlegungsfälle und 60 % der Zerlegungsansprüche. Durch die räumliche Nähe dürften insbesondere die Tagespendler für die hohen Ausgleichsansprüche seitens Baden-Württembergs verantwortlich sein. Die beträchtlichen Ausgleichsansprüche des Südweststaats an die nördlicheren Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg dagegen dürften überwiegend auf der Lohnabrechnungspraxis von nicht baden-württembergischen Großunternehmen beruhen, die die einbehaltene Lohnsteuer an das für den Verwaltungssitz des Unternehmens zuständige Finanzamt abführen.

Vergleicht man das Ergebnis der Zerlegung 2001 mit dem von 1998, nahm die Zahl der Zerlegungsfälle um 11,4 % zu, der Betrag der Ausgleichsansprüche sogar um 22 %. Ein Blick auf Tabelle 1 zeigt eine recht uneinheitliche Entwicklung der Ausgleichsansprüche von Baden-Württemberg an die restlichen 15 Bundesländer. Während sie gegenüber Bremen absolut zurückgingen, nahmen die Ansprüche gegenüber

Sachsen+ 50 %
Berlin+ 38 %
Hessen+ 30 %
Hamburg+ 28 %
Mecklenburg-Vorpommern+ 27 %
Saarland+ 24 %
Nordrhein-Westfalen + 23 %

stark zu. Allerdings war das Ausgangsniveau bei Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gering.

Die direkten Nachbarländer erhalten die größten Beträge

Baden-Württembergs Ausgleichsansprüchen stehen die Forderungen der anderen Länder gegenüber, denn natürlich führen auch hiesige Unternehmen mit einer zentralen Lohnabrechnung in Baden-Württemberg die Lohnsteuer für ihre Beschäftigten in Filialbetrieben außerhalb des Landes an baden-württembergische Finanzämter ab.

Die Statistischen Ämter der anderen Länder ermittelten für das Zerlegungsjahr 2001 fast 640 000 Zerlegungsfälle mit Forderungen an das Land Baden-Württemberg in Höhe von 3,7 Mrd. Euro. Während die Fallzahlen im Vergleich zu 1998 um 12 % anstiegen, nahm der Betrag der Verpflichtungen um 21 % zu (Tabelle 2).

Wenig überraschend ist, dass über die Hälfte der Ausgleichsverpflichtungen von den direkten Nachbarn gefordert werden:

Bayern25 %
Rheinland-Pfalz15 %
Hessen14 %

Nordrhein-Westfalen als Nichtanrainer beansprucht mit 578 Mill. Euro 15,5 % der Ausgleichsverpflichtungen.

Erheblich mehr Zerlegungsfälle als 1998 wurde von nördlichen und östlichen Bundesländern festgestellt. Hier gab es überall Zunahmen im hohen zweistelligen Prozentbereich:

Brandenburg+ 54 %
Schleswig-Holstein+ 47 %
Berlin+ 40 %
Hamburg+ 33 %
Mecklenburg-Vorpommern+ 32 %
Sachsen-Anhalt+ 31 %

Nach Saldierung Forderung gegen drei Bundesländer

Ein gegenseitiges Aufrechnen der Verpflichtungen von 3,7 Mrd. Euro und der Ansprüche Baden-Württembergs von 2,5 Mrd. Euro ergibt für die Lohnsteuerzerlegung 2001 einen negativen Saldo, das heißt eine Belastung von 1,2 Mrd. Euro. Eine detaillierte Betrachtung nach Ländern zeigt (siehe Schaubild), dass nach der Saldierung folgende größere Umschichtungen zulasten von Baden-Württemberg gehen:

Rheinland-Pfalz373 Mill. Euro
Niedersachsen219 Mill. Euro
Bayern212 Mill. Euro
Sachsen126 Mill. Euro
Berlin91 Mill. Euro
Brandenburg84 Mill. Euro

Positive Salden ergaben sich für Baden-Württemberg gegenüber

Nordrhein-Westfalen39 Mill. Euro
Hamburg60 Mill. Euro
Hessen88 Mill. Euro

Die Zukunft der Lohnsteuerzerlegung

Die Möglichkeiten der elektronischen Datenübermittlung wird die Lohnsteuerzerlegung nicht überflüssig machen, aber den Ablauf erheblich verändern. Bereits für die Lohnsteuerzerlegung 2004 wird im Rahmen von ELSTER (ELektronische STeuerERklärung) ein großer Teil der papiernen Lohnsteuerkarten durch elektronische Lohnsteuerbescheinigungen ersetzt. Vor diesem Hintergrund denken die obersten Finanzbehörden und die Statistischen Ämter über neue Formen der Lohnsteuerzerlegung nach. Dabei sollen die Ergebnisse der Zerlegung möglichst nahe an den tatsächlichen Lohnsteueraufkommen in den Ländern liegen, und so wird auch schon über eine künftige jährliche Lohnsteuerzerlegung diskutiert. Für die Einführung von inhaltlichen und ablauftechnischen Abweichungen, die nicht dem Zerlegungsgesetz entsprechen, ist jedoch eine Änderung des Gesetzes notwendig.

1 Feststellungszeitraum ist jeweils das Jahr, für das nach dem Gesetz über Steuerstatistiken eine Lohnsteuerstatistik durchgeführt wird.

2 Einträge auf den Lohnsteuerkarten.

3 §41 Einkommensteuergesetz (EstG).

4 Im weiteren Text werden die Zerlegungsfälle und Beträge nach Kindergeldzerlegung dargestellt.

5 Das Statistische Landesamt wird immer wieder gefragt, warum die Daten erst Jahre nach dem Steuertermin vorliegen. Ganz einfach: Viele Steuerpflichtige lassen sich viel Zeit mit ihrer Steuererklärung.