:: 2/2005

Industrie im Jahr 2004: Zwei Schritte vor und einen zurück

Alles in allem steht die Südwestindustrie im Jahr 2004 deutlich besser als in den Jahren zuvor dar. Allen voran haben der »Maschinenbau« und der Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« den Konjunkturzug vor allem im 1. Halbjahr unter Dampf gesetzt. Das überwiegend seitens der ausländischen Auftriebskräfte vorgelegte hohe Tempo ist in der zweiten Jahreshälfte zum Teil wieder verpufft. Zum einen hat sich der kräftige Euroanstieg auf das Exportgeschäft, das in Baden-Württemberg zu 56 % in Ländern außerhalb der Eurozone ein Übergewicht hat, bemerkbar gemacht. Zum anderen wollte der Funke allenfalls nur sehr zaghaft auf die Inlandsnachfrage überspringen. Die zwischenzeitlich merkliche Abkühlung der Konjunktur ist zum Jahresende wieder einer positiveren Tendenz gewichen, zumal auch Signale für eine bessere Binnenkonjunktur sichtbar wurden.

Die Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes hat gemessen am Umsatz im Jahr 2004 unter dem Strich weit gehend das gehalten, was diverse Konjunkturindikatoren zuvor signalisierten.1 Nach dem Umsatzeinbruch von 2002 und dem sehr verhaltenen Verlauf im Jahr 2003 bedeutet die Steigerung der Umsätze (i-Punkt) von eigenen Erzeugnissen von preisbereinigt 3 ½ % geradezu einen Wachstumssprung. Bemerkenswert ist, dass in der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Situation2, die nur durch einen eher moderaten Erholungskurs gekennzeichnet ist, das Verarbeitende Gewerbe – noch stärker als 2003 und in deutlichem Unterschied zu früheren Jahren – damit wieder einen entscheidenden positiven Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum beisteuern konnte. Allerdings beruht das gestiegene Umsatztempo ganz überwiegend auf dem kräftigen Auslandsgeschäft (+7 %), das mit Ländern des Euroraumes besonders gut florierte. Der Inlandsabsatz (+1 %) ist dagegen kaum in Bewegung gekommen. Hauptgewinner sind vor allem die Investitionsgüterhersteller (+5 %) und die Vorleistungsgüterproduzenten (+4 %). Die Konsumgüterhersteller haben erstmals nach 3 Jahre anhaltenden Umsatzeinbußen das Vorjahresergebnis wieder annähernd erreicht.

Bei der Beschäftigung war auf den Jahresdurchschnitt bezogen nach 2 Jahren mit Arbeitsplatzeinbußen von jeweils 2,3 % immerhin eine Dämpfung des Rückgangs auf 1,5 % zu beobachten. Damit hat sich der Stellenrückgang 2004 im Monatsdurchschnitt auf 18 600 Beschäftigte reduziert, nachdem in den beiden letzten Jahren jeweils fast 30 000 Stellen abgebaut wurden. Zum Jahresende 2004 standen fast 13 500 Personen weniger als ein Jahr zuvor in Arbeit. Seit Anfang 2002 hat der Beschäftigtenstand insgesamt sogar um über 65 000 Arbeitskräfte abgenommen.

Nach zaghaftem Jahresauftakt lässt das 1. Halbjahr hoffen …

Zu Jahresbeginn war die positive Konjunkturstimmung der Vormonate zunächst wieder einer eher gedämpften Sicht gewichen. Denn die Auftragslage stagnierte gegenüber dem Vorquartal und ließ gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum nur wenig Dynamik erkennen. Auch die Umsatzentwicklung konnte sich vom Vorquartalsergebnis zunächst nicht absetzen. Gegenüber dem 1. Quartal des Jahres 2003 (1½ %) wurden zumindest erste Belebungssignale sichtbar, die aber ausschließlich auf den Export zurückgingen. Mit dem 2. Quartal hat sich die Konjunktursituation im Verarbeitenden Gewerbe dann grundlegend zum Positiven hin gewandelt. Die Nachfrage schnellte mit einem Plus von saisonbereinigt 4 % im Vergleich zum Vorquartal empor. Die Impulse gingen überwiegend von den ausländischen Bestellungen (+6 %) aus, aber auch die Inlandsnachfrage (+1½ %) zog sichtbar an. Das Umsatzwachstum legte mit 2 % ebenfalls deutlich zu und erreichte mit 4 % den höchsten Vorjahresanstieg seit über 3 Jahren. Nach wie vor waren aber die inländischen Absatzmärkte daran nicht beteiligt. Der Auslandsumsatz stieg dagegen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal mit 10½ % kräftig an.

Alles in allem hat das 1. Halbjahr mit einem ansehnlichen Umsatzwachstum im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode (+3 %) und einer deutlichen Nachfragesteigerung (+5 ½ %) verheißungsvoll abgeschlossen. Man muss bis ins Jahr 2000 zurückgehen, um eine ähnlich günstige Situation anzutreffen. Auch der Beschäftigtenabbau, der über das gesamte Jahr 2003 hinweg im Vergleich zum Vorjahr noch −2,3 % betrug, hatte sich bis Ende Juni sukzessiv auf 1,5 % verlangsamt. Der Rückgang um immer noch18 200 Stellen gegenüber Juni 2003 belegt aber, dass ein beschäftigungswirksames Wachstum noch in weiter Ferne war.

… doch die zweite Jahreshälfte macht vieles zunichte

Im 3. Quartal hat das Auftragswachstum dann jedoch beträchtlich an Fahrt verloren. Gegenüber dem 2. Quartal brachen die Bestellungen saisonbereinigt mit einem Minus von 1½ % deutlich ein. Im Jahresvergleich lag das Tempo mit einem Plus von 4 % weniger als halb so hoch wie im Quartal zuvor. Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte sind die Schubkräfte der Auslandsnachfrage nicht nur ausgeblieben, sondern sie sind erstmals seit dem Frühjahr 2003 sogar deutlich hinter das Vorquartalsergebnis (−3½ %) zurückgefallen. Die in den Vormonaten sichtbar belebte Inlandsnachfrage fiel ebenfalls wieder weit gehend aus. Der starke Euro bremste offensichtlich die Nachfrage in den Gebieten außerhalb des Euroraums. Der enorm gestiegene Ölpreis verunsicherte nicht nur die privaten Nachfrager, sondern er wirkte sich auch allgemein lähmend aus, was sich nicht nur in der Lagebeurteilung, sondern auch in weiteren Geschäftserwartungen negativ widerspiegelte.

Die Umsätze stagnierten im Vorquartalsvergleich, wobei die abgeschwächten Auslandsimpulse entscheidend waren. Der Binnenabsatz behauptete sich dagegen sogar mit einem zaghaften Plus von ½ % und konnte die Ausfälle im Exportgeschäft (−2½ %) weit gehend kompensieren. Insgesamt betrug der Vorsprung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresergebnis allerdings noch 3 %, was die besondere Dynamik des 2. Quartals unterstreicht. Ab Jahresmitte nahm die Zahl der Beschäftigten erstmals seit dem Jahr 2000 wieder über mehrere Monate hinweg zu. Ende September wurden immerhin 12 500 Arbeitsplätze mehr als im Mai gezählt. Ein vorübergehender Anstieg der Beschäftigtenzahl ist zwar wegen des vorübergehenden Einsatzes von Ferienkräften in der Haupturlaubszeit üblich. Er ist dennoch erwähnenswert, weil er gut doppelt so hoch ausfiel und doppelt so lange anhielt wie im Jahr zuvor.

Im letzten Vierteljahr ist die Wachstumsabschwächung in der Industriekonjunktur zum Stillstand gekommen. Die Umsatzentwicklung verflachte mit einem Rückgang um 2 % weiter. Im Vergleich zum Vorjahr fiel das letzte Quartal am schlechtesten aus. Die Nachfrage hat gegen Jahresende dagegen mit einem Plus von 1 ½ % gegenüber dem 3. Quartal wieder etwas angezogen. Demzufolge ist zu hoffen, dass es sich bei der Abschwächung nur um eine vorübergehende Konjunkturdelle handelte. Auch wenn sich hinter der gegen Jahresende wieder gefestigten Auftragslage zum Teil auch einzelne Sonderentwicklungen und Großaufträge verbergen und obwohl die Wachstumsprognosen für die Gesamtwirtschaft von den führenden Forschungsinstituten nach unten korrigiert wurden, ist damit zu rechnen, dass die Industriekonjunktur im Lande auch im Jahr 2005 den moderaten Wachstumspfad fortsetzen kann.

Maschinenbau, Elektrotechnik und Elektronik konjunkturelle Zugpferde

In den 8 588 Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes wurde 2004 wertmäßig ein Gesamtumsatz von knapp 251,4 Mrd. Euro erzielt. Der Zuwachs um 9,7 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr resultiert überwiegend aus einem Anstieg der Ausfuhren um 8,2 Mrd. Euro. Die Exportquote ist bei 45 % angelangt und hat damit einen neuen Höchsstand erreicht. Vor 10 Jahren betrug sie noch 31 %. Der Anteil der Ausfuhren in Eurogebiete hat sich geringfügig auf knapp 44 % erhöht. Die Beschäftigung hat mit im Monatsdurchschnitt 1 211 630 Personen einen Stand erreicht, der nur in den 50er-Jahren niedriger lag. Dafür haben die Beschäftigten durchschnittlich 30 Stunden (+2 %) mehr als im Jahr zuvor geleistet, was in etwa auch dem Plus von 4 Arbeitstagen (+1,6 %) gegenüber 2003 entspricht. Die Verdienste je geleisteter Arbeitsstunde haben sich mit 26,4 Euro gegenüber dem Vorjahresstand kaum verändert, die Jahreseinkommen je Beschäftigten sind dagegen auf 40 235 Euro (+2,1 %) gestiegen. Der Umsatz je Beschäftigten ist um über 11 000 Euro auf 207 520 (+5,6 %) gestiegen. Dagegen hat die Lohnquote (Anteil der Bruttoverdienste am Umsatz) mit 19,4 % den seit Jahren anhaltenden Rückgang fortgesetzt.

Im Einzelnen haben der »Maschinenbau« (+7 %) und der Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« (+6 ½ %) am stärksten von dem Umsatzwachstum profitiert und im Jahr 2004 klar die Rolle des Konjunkturmotors, die sonst eher an den »Fahrzeugbau« vergeben ist, übernommen. Besonders hervorzuheben sind darunter die Hersteller von

  • Verbrennungsmotoren, Turbinen, Pumpen, Kompressoren, Getrieben und Zahnrädern,
  • Werkzeugmaschinen,
  • Maschinen für die Metallerzeugung,
  • Bau- und Baustoffmaschinen,
  • Elektrokabeln und -leitungen,
  • elektronischen Bauelementen und Telekommunikationstechnik

In beiden Bereichen, die dem Umsatz nach die zweite und dritte Position im Verarbeitenden Gewerbe des Landes einnehmen, hatten die Auftragsimpulse im 3. Quartal allerdings besonders deutlich nachgelassen. Der »Maschinenbau« stellt zwar nach wie vor die größte Industriebranche, mit einem Abbau von 3 440 Arbeitsplätzen war er aber auch an dem Rückgang um insgesamt 18 600 Beschäftigten entsprechend stark beteiligt. Weitere 2 630 Arbeitsplätze wurden im Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« aufgegeben.

Der »Fahrzeugbau« hat mit einem vergleichsweise verhaltenen Umsatzwachstum von 4 %, das zudem erst in der zweiten Jahreshälfte erwirtschaftet wurde, seine in den letzten Jahren dominierende Rolle als Tempomacher zumindest vorübergehend eingebüßt. Dabei geht das Plus ausschließlich auf die sehr gute Entwicklung der Zuliefererfirmen (+17½ %), die vor allem im Ausland zulegten, zurück.

Die eigentlichen Kraftfahrzeughersteller schlossen mit einem Minus (−2 %) ab. Auch die Automobilhersteller im Südwesten haben die allgemeine Kaufzurückhaltung im Inland (−3 ½ %) zu spüren bekommen. Diverse Modellwechsel dürften sich ebenfalls auf das Geschäft in der ersten Jahreshälfte lähmend ausgewirkt haben. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die zahlreichen Rückrufaktionen, die auch den Premiumsektor nicht verschonten, sich ebenfalls nachfragehemmend ausgewirkt haben. Die Auftragslage (+7 %), die sich auch bei den Herstellern gegen Jahresende sichtbar gebessert hat, lässt aber von in- wie ausländischer Seite eine baldige Rückkehr der Automobilbranche zu alter Stärke erwarten. Zumindest das um mehr als 25 % auf 3,5 Mrd. Euro erhöhte Investitionsvolumen im Jahr 20033 lässt darauf schließen, dass die Autobauer über einen entsprechenden Absatz eine möglichst zügige Realisierung des eingesetzten Kapitals anstreben. Immerhin ist dieser Bereich mit einer Zunahme von 2 460 Arbeitsplätzen der einzige mit einer positiven Beschäftigtenentwicklung.

Unter den anderen der Größe nach bedeutenderen Wirtschaftsbereichen fallen insbesondere das »Papier-, Verlags- und Druckgewerbe«, die »Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren« und der Bereich »Metallerzeugung/-bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« mit nennenswerten Umsatzsteigerungen ins Gewicht. Etwas schlechter schnitt das »Ernährungsgewerbe« ab. Die »Chemische Industrie«, dem Umsatz nach immerhin der fünftgrößte Industriebereich, hat dagegen ein ausgesprochen schlechtes Jahr mit beträchtlichen Umsatzverlusten (−2 ½ %) hinter sich. Diese resultieren zum Teil allerdings auch daraus, dass deutsche Töchter ausländischer Unternehmen nur noch im Lohnauftrag der Muttergesellschaften produzieren.

1 Steiger, Hans-Hermann: Südwestindustrie wieder im Aufwind, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 2/2004, S. 3 ff.

2 Nach ersten vorläufigen Berechnungen stieg das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 1,7 %; siehe Pressemitteilung vom 8. Februar 2005.

3 Siehe Lauer, Thomas: Verarbeitendes Gewerbe: Investitionen drehen dank dem »Fahrzeugbau« wieder ins Plus, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 2/2005, S. 30–35.