:: 2/2005

Verarbeitendes Gewerbe: Investitionen drehen dank dem »Fahrzeugbau« wieder ins Plus

Von der unsteten konjunkturellen Situation des Jahres 2003 scheint die Investitionsbereitschaft der Südwestindustrie nicht in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, denn die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes haben 9,2 Milliarden Euro in Ausrüstungen und Immobilien und damit fast 2,9 % mehr als noch im Vorjahr investiert. Allerdings ist das Investitionsvolumen sowohl sektoral wie auch regional sehr stark konzentriert. Mehr und mehr ist es der »Fahrzeugbau«, der mit seinen Standortinvestitionen das Geschehen bestimmt.

Nach dem konjunkturell schwierigen Vorjahr fiel im Jahr 2003 die wirtschaftliche Entwicklung bei der Südwestindustrie wieder etwas besser aus. Bedingt durch eine merkliche Besserung in der zweiten Jahreshälfte konnte neben einer gegenüber dem Vorjahr stabilen Auftragslage eine leichte Umsatzsteigerung (½ %) erreicht werden. Alles in allem war trotz bestehender Unsicherheiten zu erwarten, dass zum Ende des Jahres 2003 eine Trendwende eingeleitet worden war und die positive Entwicklung im Folgejahr sich weiter durchsetzen wird.1

Unbeeindruckt von der zunächst noch unsicheren konjunkturellen Lage fanden die Investitionen 2003 wieder auf den Wachstumspfad zurück. Mit nominal 9,2 Mrd. Euro stiegen sie gegenüber dem Vorjahr um 256 Millionen Euro, womit eine merkliche Steigerung gegenüber dem Vorjahresvolumen um 2,9 % erreicht wurde. In den Jahren zuvor war die Investitionsentwicklung dagegen extremen Schwankungen unterworfen. So waren 2002 die Investitionen noch um 10,0 % zurückgegangen, während sie 2001 dagegen um 10,1 % zulegen konnten (Schaubild 1).

Rückgang bei Investitionen in Gebäude und Grundstücke hält an

Allerdings sind die Investitionsaufwendungen für Immobilien auch 2003 wiederum kräftig gesunken. Mit 0,9 Mrd. Euro sank das Investitionsvolumen um 9,6 % gegenüber dem Vorjahr und unterschritt erstmals seit 1997 die Marke von 1 Mrd. Euro. Die Aufwendungen für Ausrüstungsgüter legten dagegen um 4,5 % auf 8,3 Mrd. Euro zu. Damit findet auch der längerfristige Trend seine Fortsetzung, demzufolge der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit sich weg von den Immobilien und hin zu beweglichen Sachgütern bewegt. Während Anfang der 80er-Jahre der Anteil der Ausrüstungsinvestitionen noch unter 80 % der Gesamtinvestitionen lag, stieg er im Jahr 2003 auf knapp 90 %. Auch wenn Aufwendungen für Immobilien unter anderem als Hinweis für Erweiterungsabsichten gewertet werden, kann aus dieser Entwicklung keine generelle Umorientierung der Investitionsmotivation abgeleitet werden. Nach wie vor spielen Erweiterungsabsichten eine bedeutsame Rolle bei der Entscheidung über Investitionen.2 Des Weiteren finden auch aktuelle Tendenzen wie Ausgliederungen von Besitzgesellschaften oder alternative Finanzierungsmodelle in den Ergebnissen ihren Niederschlag.

Ein weiterer langfristig zu beobachtender Trend ist der Rückgang der Investitionsquote.3 Im Jahr 2003 betrug diese 3,8 % und lag damit nur unwesentlich höher als im Vorjahr (3,7 %), welches den bisherigen Tiefpunkt der letzten Jahre markiert. In den Jahren 1986 bis 1992 überstieg die Investitionsquote noch kontinuierlich die 5%-Marke. Seit 1994 bewegt sie sich jedoch nur noch in einem relativ engen Korridor von 3,7 % bis 4,2 %. Dies kann auch ein Indiz für eine nachlassende Neigung der Südwestindustrie sein, Re-Investitionen an ihren heimischen Standorten vorzunehmen. Die Notwendigkeit, auf den globalen Wachstumsmärkten präsent zu sein, aber auch die Nutzung von Arbeitskostenvorteilen in Billiglohnländern und die Nutzung von Fremdproduktion dürften dabei mit eine Rolle spielen. Zugenommen hat dagegen die Investitionsintensität.4 Mit 7 484 Euro je Beschäftigten lag sie um 363 Euro höher als im Vorjahr (5,1 %).

Der »Fahrzeugbau« prägt die Investitionsaktivität im Südwesten

Die Investitionstätigkeit 2003 zeigt eine augenfällige Dominanz des »Fahrzeugbaus«. Mit 3,5 Mrd. Euro steigerte er seine Investitionen gegenüber dem Vorjahr enorm um 743 Mill. Euro – eine Zunahme um 26,6 %. Mit einer

¾ Mrd. Euro entspricht allein der Zuwachs dieser Branche den gesamten Investitionen des immerhin fünftgrößten Bereichs »Metallerzeugung, -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« für das Jahr 2003. Auch ist dies absolut die höchste Investitionssteigerung des »Fahrzeugbaus« der letzten Jahre. Wie sehr die Gesamtentwicklung an die Investitionsdynamik der Vorzeigebranche der Südwestindustrie gebunden ist, zeigt zudem die Tatsache, dass es ohne den »Fahrzeugbau« zu

einem Investitionsrückgang von 7,9 % in der baden-württembergischen Industrie gekommen wäre. Auf die tragende Leitfunktion des »Fahrzeugbaus« verweist auch sein zunehmender Anteil an den Gesamtinvestitionen. Bewegte sich der Anteil der Investitionen des »Fahrzeugbaus« an den Gesamtinvestitionen in den Jahren 1995 bis 2001 zwischen 20 % und 29 %, überschritt dieser 2002 erstmals die 30%-Marke, um 2003 einen neuen Höchststand von 38,6 % zu erreichen (Schaubild 2). Allerdings ist anzumerken, dass das Zusammenfallen verschiedener Großinvestitionen in dieser Branche das Ergebnis 2003 beeinflusste und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren in einer vergleichbaren Dynamik fortsetzt. Generell gilt jedoch, dass die Investitionsentwicklung in der Südwestindustrie in den letzten Jahren an Breitenwirkung verloren hat und vermehrt von dieser Schlüsselindustrie dominiert wurde.

Andere bedeutsame Branchen der Südwestindustrie übten bei ihren Investitionen eine spürbare Zurückhaltung aus. Noch verhältnismäßig moderat fiel der Rückgang der beschäftigungsstärksten Branche, dem »Maschinenbau«, aus. Mit 1,2 Mrd. Euro reduzierte er seine Ausgaben in Sachanlagen gegenüber dem Vorjahr um 82 Mill. Euro (−6,3 %) und hielt damit seinen Rang als Branche mit dem zweithöchsten Investitionsvolumen. Einen erheblichen Rückgang erlebte dagegen der Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik«. Mit 1 Mrd. Euro gingen hier die Investitionen um 215 Mill. Euro zurück (−17,2 %). Auch die »Chemische Industrie« (−10,4 %) und der Bereich »Metallerzeugung, ‑bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« (−12,6 %) mussten zweistellige Rückgänge hinnehmen (Tabelle 1). Zusammen betrugen die Investitionseinschnitte dieser vier Branchen fast 500 Mill. Euro und zehrten die Zunahmen beim »Fahrzeugbau« zu zwei Dritteln wieder auf. Dennoch halten sie nach wie vor einen beachtlichen Anteil: Mit 3,8 Mrd. Euro flossen mehr als 40 % der Investitionen in diese Branchen.

Unter den weiteren Branchen konnten einige ihre Investitionsausgaben ausweiten. Beim »Papier-, Verlags- und Druckgewerbe« legten die Aufwendungen für Sachanlagen mit 587 Mill. Euro um 109 Mill. Euro zu (+22,7 %). Allerdings hatte diese Branche in den letzten 3 Jahren ihre Investitionen sehr stark zurückgefahren und ihr Investitionsvolumen lag daher 2003 noch unter dem Mittel der letzten 9 Jahre (607 Mill. Euro). Auch in einigen kleineren Branchen wie der »Textil- und Bekleidungsindustrie« (+17,7 %) und im Bereich »Glas- und Keramikgewerbe, Verarbeitung von Steinen und Erden« (+16,2 %) wurde wieder vermehrt investiert, wenngleich in diesen Fällen die Investitionen zum Teil weit unter dem Niveau früherer Jahre liegen.

Konzentration der Investitionstätigkeit auf wenige Stadt- und Landkreise

Die festgestellte fehlende Breitenwirkung korrespondiert auch mit einer Konzentration der Investitionen auf wenige Kreise. So profitieren die Stadt- und Landkreise, in denen der »Fahrzeugbau« die Struktur der Industrie bestimmt, maßgeblich vom Investitionswachstum dieser Branche. Auch bezogen auf die Investitionsintensität zeigt sich dieses Bild (Schaubild 3 und Tabelle 2).

Die Rangliste nach dem Gesamtinvestitionsvolumen wird angeführt von:

Stadtkreis Stuttgart1 243 Mill. Euro
Landkreis Böblingen679 Mill. Euro
Landkreis Rastatt542 Mill. Euro
Landkreis Heilbronn484 Mill. Euro

Insgesamt entfiel auf diese Kreise fast ein Drittel der Investitionen. Am unteren Ende der Rangskala lagen:

Landkreis Tübingen60 Mill. Euro
Stadtkreis Heidelberg59 Mill. Euro
Stadtkreis Pforzheim57 Mill. Euro
Stadtkreis Baden-Baden22 Mill. Euro

Insgesamt zeigt damit das Investitionsverhalten der Südwestindustrie aufgrund der überragenden Dominanz des »Fahrzeugbaus« ein sehr ambivalentes Bild. Die meisten anderen bedeutenden Branchen haben ihre Investitionen zum Teil sehr deutlich zurückgefahren. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die sich schon in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat. Dem »Fahrzeugbau« war es dabei als einziger Branche möglich, sein Investitionsvolumen in den letzten Jahren beständig zu steigern. Mit seinem Spitzenwert von 2003 erreichte er das 2,3-fache des Investitionsvolumens von 1995. Die anderen großen Branchen mussten in der jüngsten Vergangenheit zwar mehrmals spürbare Rückgänge hinnehmen, blieben aber zumeist über dem Investitionsvolumen von 1995. Stetige Investitionsrückgänge verzeichneten dagegen vor allem die kleineren Branchen des Landes. Offen bleibt jedoch, wie die weitere Entwicklung im Südwesten aussehen wird. So verweist eine Umfrage des ifo-Instituts auf eine gestiegene Investitionsplanung bei der westdeutschen Industrie für das Jahr 2004.5 Für eine weiter positive Entwicklung spricht auch, dass die Inlandsbestellungen bei den Investitionsgüterherstellern erstmals seit dem Februar 2000 wieder deutlich gestiegen sind. Doch trotz dieser günstigen Vorzeichen bleibt die weitere Entwicklung der Investitionen durch die unbeständige konjunkturelle Lage für den Südwesten unsicher.

1 Vgl. Steiger, Hans-Hermann: »Südwestindustrie wieder im Aufwind«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 2/2004, S. 3 ‑ 13.

2 Vgl. hierzu Weichselberger, Annette: Westdeutsche Industrie: Für 2004 Investitionsanstieg um 4 % geplant. Die neuen Ergebnisse des ifo Investitionstest, in: Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.): ifo Schnelldienst, Heft 1/2004, 57. Jahrgang, S. 35 – 40. Die Ergebnisse dieser Erhebung beziehen sich allerdings auf die westdeutsche Industrie.

3 Investitionen im Verhältnis zum Umsatz.

4 Investitionen je Beschäftigten.

5 Weichselberger, A.: Westdeutsche Industrie: 2004 Investitionsanstieg um 3 % geplant, in: Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.): ifo Schnelldienst, Heft 16/2004, 57. Jahrgang, S. 30 – 35.