:: 2/2005

Erhöhte Umweltrisiken durch Gefahrstoffe im Jahr 2003

Wasser gefährdende Stoffe finden in vielen Bereichen des täglichen Lebens Anwendung. Dies birgt immer auch nicht zu unterschätzende Risiken für die Umwelt. Insbesondere Gewässer und das Grundwasser sind dadurch vielfältigen Gefährdungen ausgesetzt. Schadstoffe, die in Oberflächengewässer gelangen, können nicht nur deren ökologischen Zustand beeinträchtigen, sondern ihre Nutzbarkeit auch längerfristig einschränken. Verschmutzungen des Grundwassers, das bevorzugt für die Trinkwasserversorgung genutzt wird, sind besonders schwerwiegend und oftmals kaum umkehrbar. Der sachgemäße Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen ist deshalb für den Gewässerschutz von großer Bedeutung. Pro Jahr werden im Land durchschnittlich 525 Unfälle registriert, bei denen zusammen im Schnitt 459 500 Liter Schadstoffe freigesetzt werden. Die entstehenden Umweltbeeinträchtigungen erfordern umfangreiche Sofort- und Folgemaßnahmen.

669 000 Liter Gülle gefährdeten 2003 die Umwelt

In den Jahren 1996 bis 2003 wurden in Baden-Württemberg 2 259 Unfälle bei der Beförderung Wasser gefährdender Stoffe und 1 942 Unfälle beim Umgang mit solchen Stoffen gemeldet. Infolge der insgesamt 4 201 Schadensfälle gelangten fast 3,7 Mill. Liter Wasser gefährdende Substanzen in die Umwelt (Tabelle 1). In der Mehrzahl der Fälle (91 %) liefen Mineralölprodukte wie leichtes Heizöl und Kraftstoffe, aber auch Motor-, Getriebe- und Hydrauliköl aus. Da es sich dabei meist um kleinere Unfälle mit Betriebsstofftanks handelt, lag der Mineralölanteil an der freigesetzten Gesamtmenge bei nur 42,6 %. Der größte Anteil an der Menge (57,4 %) entfällt auf Stoffe wie Spritz- und Düngemittel, Gülle, Lösungs- und Reinigungsmittel, Farben sowie verschiedenste Chemikalien.

Seit 1996 ging die Zahl der jährlich registrierten Unfälle zwar tendenziell zurück (Schaubild 1), die freigesetzte Schadstoffmenge kann jedoch, wie in den Jahren 1997 und 2003, aufgrund einzelner großer Schadensfälle stark ansteigen (Schaubild 2). Unfälle mit Jauche, Gülle und Silagesickersaft werden seit 2001 getrennt erfasst. In den Jahren 2001 und 2002 spielten derartige Unfälle in Baden-Württemberg eine nur untergeordnete Rolle (acht Schadensfälle, bei denen zusammen 29 000 Liter Schadstoffe austraten). Im Jahr 2003 ereigneten sich dagegen allein zwei gravierende Unfälle mit gewerblichen Lageranlagen für Gülle, bei denen zusammen rund 600 000 Liter Gülle in die Umwelt gelangten, Gewässer verunreinigten und sogar Fischsterben verursachten. Bei den insgesamt acht Gülleunfällen im Jahr 2003 wurden 68,5 % der insgesamt 975 500 Liter an Schadstoffen freigesetzt. Dazu ist anzumerken, dass es sich bei Gülle zwar nicht um einen Wasser gefährdenden Stoff im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes handelt, da Gülle nicht in eine Wassergefährdungsklasse eingestuft ist. Bei Freisetzung großer Mengen oder besonderen örtlichen Gegebenheiten stellen jedoch auch diese Stoffe eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Gewässer und Boden dar, wie die jüngsten Beispiele zeigen.

Das Jahr 2003 war in Baden-Württemberg durch solche Unfälle gekennzeichnet, bei denen jeweils große Schadstoffmengen in die Umwelt gelangten. Bei insgesamt neun Schadensereignissen wurden zusammen 879 000 Liter an Wasser gefährdenden Stoffen in die Umwelt freigesetzt. Pro Unfall waren das zwischen 10 000 und 300 000 Liter an Schadstoffen. Somit entfallen auf nur neun Schadensfälle 90 % der insgesamt freigesetzten Schadstoffmenge. Neben den Gülleunfällen waren darunter drei Verkehrsunfälle von Tankfahrzeugen, ein Unfall mit einer gewerblichen Lageranlage für Benzin und ein Schadensfall im Zusammenhang mit einer HBV-Anlage.1

Zusätzlich zu den 4 201 Unfällen bei Umgang und Beförderung wurden im gleichen Zeitraum von den unteren Verwaltungsbehörden auch rund 980 Schadensereignisse unbekannten Hergangs gemeldet. Diese gehören nicht zu den Unfällen beim Umgang mit und bei der Beförderung von Wasser gefährdenden Stoffen im engeren Sinne. Vorwiegend handelt es sich um Verunreinigungen von Gewässern und des Bodens, bei denen weder der Verursacher noch die Schadstoffquelle, die Unfallursache oder die Menge des freigesetzten Schadstoffes festgestellt werden konnten. Nicht selten sind diese Gewässergefährdungen die Folge von Straftaten wie beispielsweise der illegalen Entsorgung durch vorsätzliches Ablassen von Substanzen. Da solche Verschmutzungen oft erst recht spät entdeckt werden, können durch getroffene Gegenmaßnahmen bereits entstandene Schäden oft nur noch begrenzt werden. Diese Schadensfälle gehen zwar nur in ihrer Anzahl in die jährliche Statistik ein, zeigen aber die Vielfalt der Umweltrisiken, die der Einsatz Wasser gefährdender Stoffe mit sich bringt.

Unfallschwerpunkt Straßenverkehr

Fast die Hälfte aller 4 201 Schadensfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen im Land ereigneten sich im Zusammenhang mit Straßenfahrzeugen, wobei nur ein Viertel dieser Unfälle im Fernverkehr passierte. An 166 Unfällen seit 1996 sind Tank- und Silofahrzeuge beteiligt gewesen. Dabei sind 327 000 Liter Wasser gefährdende Substanzen in die Umwelt freigesetzt worden, die im Zuge von Sofortmaßnahmen zu nur zwei Dritteln wiedergewonnen und einer geordneten Entsorgung zugeführt werden konnten. Bei den weitaus meisten Unfällen mit Straßenfahrzeugen handelte es sich aber um Unfälle mit Pkw und Lkw, bei denen in der Regel der Betriebsstofftank beschädigt und dadurch Kraftstoff freigesetzt wurde. Insgesamt liefen bei diesen Unfällen 223 000 Liter aus, die zu 90 % wiedergewonnen wurden. Schadhafte Behälter oder Verpackung der transportierten Güter verursachten bei einem Fünftel der Unfälle im Straßenverkehr die Freisetzung Wasser gefährdender Stoffe. Beteiligt waren hauptsächlich Tanks und Mehrkammertanks, seltener Tankcontainer, Gebinde oder Gefäßbatterien.

Die zweithäufigste Unfallkategorie im Land sind Unfälle im Zusammenhang mit Lageranlagen. Ihr Anteil an allen Unfällen beträgt 35 %. Mehr als zwei Drittel der Schadensfälle mit Lageranlagen ereignen sich allerdings im nicht gewerblichen Bereich. Überwiegend sind dabei private Anlagen zur Lagerung von Heizöl oder anderen Mineralölprodukten betroffen. Weitere 10 % der Unfälle betrafen Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verwenden Wasser gefährdender Stoffe (HBV-Anlagen) sowie Einrichtungen zum Abfüllen und Umschlagen dieser Stoffe. Eher selten sind dagegen Unfälle im Schiffs- und Luftverkehr (44 Schadensfälle). Seit 1996 wurden keine Schadensfälle mit Rohrfernleitungen registriert.

Hauptschadensursache sind menschliche Fehler

Für gezielte Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensfällen und zur erfolgreichen Schadensbekämpfung ist die Kenntnis der Unfallursachen grundlegend. Die größte Schwachstelle beim Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen ist der Mensch. Wie die Analyse der Unfallursachen zeigt, ist in 55 % aller Schadensfälle menschliches Fehlverhalten für Umweltgefährdungen verantwortlich. Bei Beförderungsunfällen liegt der Anteil menschlicher Fehler bei den Unfallursachen besonders hoch. In 64 % der Fälle wurden Verkehrsunfälle und infolgedessen Umweltrisiken durch menschliches Versagen verursacht. Durch unzureichende Sicherung der Ladung und unsachgemäßen Umgang oder Unachtsamkeit beim Be- und Entladen wurden weitere 9 % dieser Unfälle hervorgerufen. Auch mutwillige Beschädigung war in einigen Fällen die Ursache für das Eintreten von Schadensfällen. Materialmängel lösten lediglich 27 % der Unfälle aus, an denen Fahrzeuge beteiligt waren. Diese traten meist am Behälter, am Fahrzeug selbst, den Armaturen oder den Sicherheitseinrichtungen auf.

Für Unfälle beim Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen waren ebenfalls hauptsächlich menschliche Fehler die Ursache (in 45 % der Fälle). Vor allem Bedien- oder Montagefehler führten beim Umgang mit solchen Substanzen zu Umweltschädigungen. Bedienfehler traten dabei insbesondere beim Befüllen auf. Weitere Ursachen für Umweltbeeinträchtigungen waren das vorsätzliche Beschädigen von Anlagen oder Behältern sowie die unerlaubte »Entsorgung« beispielsweise von Altöl, Farbresten oder gebrauchten Reinigungsflüssigkeiten. Auf Materialschäden durch Korrosion und Alterung von Anlagenteilen oder das Versagen von Schutzeinrichtungen waren 37 % der Schadensfälle zurückzuführen. Immer wieder werden Schadensfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen auch durch massive Hochwasserereignisse verursacht, besonders mit Lageranlagen für Heizöl im privaten bzw. öffentlichen Bereich. Dabei wurden beträchtliche Mengen an Heizöl weggeschwemmt, deren Rückgewinnung meist nicht möglich war. Daher gelangten diese Stoffe in die Gewässer und möglicherweise auch in das Grundwasser.

Gefährdungspotenzial von verschiedenen Faktoren abhängig

Entsprechend ihrem jeweiligen Gefährdungspotenzial werden Wasser gefährdende Stoffe und Stoffgruppen nach Wassergefährdungsklassen (WGK) eingestuft. Im Zeitraum von 1996 bis 2003 gelangten in 83 % aller Vorfälle Stoffe der WGK 2 (Wasser gefährdend) in die Umwelt, zusammen 1,4 Mill. Liter. Schadstoffe der WGK 3 (stark Wasser gefährdend) wurden in 8 % aller Schadensereignisse freigesetzt, die mit rund 166 000 Litern knapp 5 % der Gesamtmenge ausmachten. Die freigesetzten Stoffe der WGK 2 und 3 konnten in drei von vier Fällen nahezu vollständig wiedergewonnen werden. Bezogen auf alle 4 201 eingetretenen Schadensfälle konnte in 71 % aller Fälle die freigesetzte Menge vollständig wiedergewonnen werden. Bei rund 7 % der Schadensfälle gab es keine Möglichkeit der Rückgewinnung. Die freigesetzten Schadstoffe verblieben im Boden, im Gewässer oder im Grundwasser.

Die Gefährdung, die von Unfällen mit Wasser gefährdenden Stoffen ausgeht, hängt neben der Art und der Menge des freigesetzten Schadstoffes auch von der Empfindlichkeit des betroffenen Gebietes und vom Erfolg ergriffener Gegenmaßnahmen ab. Wichtige Anhaltspunkte für einzuleitende Sofort- und Folgemaßnahmen im Schadensfall liefert unter anderem die Wassergefährdungsklasse (Tabelle 2). Bei der Bewertung des Gefährdungspotenzials von Schadensfällen ist zudem die Empfindlichkeit des Schadensgebietes ein wichtiger Aspekt. So ereigneten sich immerhin 829 Umweltbelastungen in Wasserschutzgebieten, die meist durch Beförderungsunfälle verursacht wurden. Diese Schutzgebiete sollen Wasservorkommen im Interesse einer öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen schützen. Deshalb sind Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen dort besonders brisant. Zwar war in der Mehrzahl der Fälle lediglich die weitere Schutzzone betroffen, bei 95 Unfällen wurden jedoch auch Verschmutzungen in der engeren Schutzzone verursacht. Fünf Schadensfälle betrafen sogar den Fassungsbereich. Zusammen wurden dabei annähernd 1,2 Mill. Liter an Schadstoffen freigesetzt, darunter 52 400 Liter stark Wasser gefährdende Stoffe. Die Schadstoffe gelangten in 18 Fällen ins Grundwasser, was fünfmal sogar die Gefährdung der Wasserversorgung verursachte. Andere Schutzgebiete oder schutzwürdige Flächen wie Überschwemmungsgebiete von Fließgewässern und Heilquellenschutzgebiete sind seltener von solchen Beeinträchtigungen betroffen.

Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen bergen ein beträchtliches Gefahrenpotenzial insbesondere für Oberflächengewässer und das Grundwasser. Manche Beeinträchtigungen der Gewässerfunktionen werden oft erst mittel- bis längerfristig erkannt. Deshalb haben diese durch Unfälle verursachten Verunreinigungen nicht allein wasserwirtschaftliche Relevanz. Auch für die dauerhafte Sicherung der Wasservorkommen als Bestandteil des Naturhaushaltes kommt der Beobachtung dieser Schadensfälle Bedeutung zu.

1 Anlage zum Herstellen, Behandeln und Verwenden von Stoffen.