:: 3/2005

Immer weniger Krankenhausbetten immer mehr Patienten

Die Krankenhauslandschaft Baden-Württembergs ist im Umbruch begriffen. Schließungen wie in Hechingen stehen ebenso an wie Zusammenlegungen von Einrichtungen im Rems-Murr-Kreis. Gefährden solche Beschlüsse bereits die Versorgung der Bevölkerung? Die öffentliche Diskussion nährt solche Befürchtungen. Nach den Ergebnissen der Krankenhausstatistik scheinen diese Sorgen – auf das Land Baden-Württemberg als Ganzes bezogen – indes nicht begründet zu sein.

Die Zahl der in den Krankenhäusern Baden-Württembergs aufgestellten Betten sank im Jahr 2003 auf 63 364. Gegenüber 1990 bedeutet dies einen Rückgang um knapp 6 000 Einheiten. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle um gut 370 000 auf fast 2 Millionen zu. Allerdings blieben die Patienten im Durchschnitt nur noch 8,9 Tage in vollstationärer Behandlung. 1990 waren es noch 13,5 Tage. Dieser Umstand führte trotz der doch erheblich gestiegenen Patientenzahl dazu, dass die Anzahl der Pflegetage von 21,6 auf 17,5 Millionen und der durchschnittliche Auslastungsgrad der Krankenhausbetten insgesamt von 85,6 auf 75,8 % zurückgingen. Im Allgemeinen gilt eine 85-prozentige Bettenauslastung als erstrebenswert. Ein Wert, der 1990 auch noch vom überwiegenden Teil der Fachabteilungen zumindest annähernd erreicht und von einigen sogar übertroffen wurde.

Fachabteilungen unterschiedlich betroffen

Diese Entwicklung wirkte sich auf die einzelnen Fachbereiche der Krankenhäuser des Landes recht unterschiedlich aus (Tabelle 1). Hier spielte neben dem medizinischen Fortschritt, der die Belegungsdauer der Krankenhausbetten verkürzt, vor allem die Vorbereitung auf die Einführung der so genannten Fallpauschalen eine Rolle. Ein weit gehend fixes Entgelt, das für fest umrissene Behandlungsanlässe in einer nach oben wie nach unten begrenzten Behandlungszeit gezahlt wird, ändert das bisherige Abrechnungssystem der Kliniken mit den Kostenträgern grundlegend.

Eine Ausnahme bildet hier der psychiatrische Bereich, der schon deswegen von der Regel abweichen muss, weil sich Behandlungsdauern psychiatrischer Erkrankungen nicht im gleichen Maße standardisieren lassen wie die organischer Leiden. Zwar waren auch hier die Verweildauern deutlich rückläufig, dem stand jedoch ein erheblicher Zuwachs an Patienten gegenüber. Dieser erreichte ein Ausmaß, das eine Ausweitung des Bettenangebots der Psychiatrie notwendig machte. Dennoch stieg im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Nutzungs- oder Auslastungsgrad von 81,7 % im Jahre 1990 auf 93,8 % im Jahre 2003. Weniger ausgeprägt entwickelte sich die Psychiatrie für Erwachsene. Aber auch hier ging ein geringfügig auf 90,1 % gestiegener Auslastungsgrad mit einer deutlichen Zunahme an Behandlungsfällen, leicht angehobener Bettenzahl und deutlich reduzierter Behandlungsdauer im Krankenhaus einher.

Dagegen führte die Aufstockung des Bettenkontingents in der Orthopädie bei weniger stark angestiegenen Patientenzahlen und einer relativ kräftigen Abnahme der Verweildauer zu einem Absinken des Auslastungsgrades von 90,8 auf 72,7. Dies deutet auf einen erheblichen Bettenüberhang hin, der unter dem herrschenden Kosten- und damit Rationalisierungsdruck auf Dauer kaum Bestand haben dürfte. Vom Auslastungsgrad der Betten her gesehen, schneiden die Fachbereiche Augenheilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe noch ungünstiger ab. Trotz Bettenabbaus zwischen 20 und 29 % sank dort der Nutzungsgrad der aufgestellten Betten auf unter 65 %, teilweise sogar auf unter 60 %.

Auch die großen Fachbereiche Chirurgie und Innere Medizin blieben von der Entwicklung nicht verschont. Während in der Chirurgie die Fallzahl um lediglich 2,2 % auf 476 745 stieg, die Patienten im Durchschnitt aber rund 3 Tage weniger im Krankenhaus behandelt wurden, sank trotz des Abbaus von über 2 500 Betten der Nutzungsgrad von 85,8 auf 74 %. Dynamisch stieg dagegen die Patientenzahl im Fachbereich Innere Medizin. Dort mussten bei vergleichsweise geringer Reduzierung der ursprünglichen Bettenzahl von 20 950 auf 19 527 statt 462 491 nun 677 953 Behandlungsfälle versorgt werden. Gleichzeitig sank allerdings die Verweildauer von 14,4 auf 8,2 Tage, was wiederum zu einem weitaus geringeren Nutzungsgrad führte. Statt der 87,3 % im Jahre 1990 waren 2003 nur noch 78,4 % zu verzeichnen.

Nach den vorliegenden Ergebnissen aus der amtlichen Statistik ist davon auszugehen, dass sich die Situation auf dem Krankenhaussektor in den kommenden Jahren eher noch weiter verschärft. Trotz durchaus erkennbarer Bemühungen, die Anzahl der Krankenhausbetten in den meisten Fachbereichen zu reduzieren, verläuft die Entwicklung hin zu kürzeren Behandlungsdauern schneller als der Abbau offensichtlich vorhandener Überkapazitäten.

Rationalisierungsdruck stärker als demografischer Faktor

Selbst der aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und gleichzeitig älter werdender Bevölkerung weiter ansteigende Behandlungsbedarf vermag den steigenden Druck, der auf die Krankenhäuser zukommt, nicht auszugleichen. Aufschlussreich sind unter diesem Gesichtpunkt die Ergebnisse der Krankenhausdiagnosestatistik, die ab der ersten Hälfte der 90er-Jahre vorliegen. So waren von den rund 1,7 Millionen Behandlungsfällen des Jahres 1993 fast 28 % 65 Jahre und älter. Im Berichtsjahr 2003 war deren Anteil schon auf knapp 37 % angestiegen. Die Zahl der älteren Patienten nahm dabei um 55 % zu, die der Patienten insgesamt dagegen um 17 %. Nur auf die Bevölkerungsentwicklung bezogen lässt sich eine derart gestiegene Inanspruchnahme von vollstationären Krankenhausleistungen nicht erklären. Gegenüber den Fallzahlen fiel die Bevölkerungsentwicklung im gleichen Zeitraum mit einem Anstieg von insgesamt 5 % vergleichsweise gering aus, wenngleich auch hier die Zahl der 65-Jährigen und älteren um beinahe 23 % anstieg. Anteilsmäßig machten die älteren Menschen 14,4 % (1993) bzw. 16,8 % (2003) der 10,2 bzw. 10,7 Millionen Einwohner Baden-Württembergs aus. Der Behandlungsbedarf ergibt sich jedoch nicht aus einer einfachen Umrechnung der Bevölkerung auf die Krankenhausinanspruchnahme. Vielmehr fließen neben einer erhöhten Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen im höheren Alter auch Mehrfachzählungen in die Statistik ein. Die Krankenhausstatistik zählt als Leistungsstatistik den Grund jedes einzelnen vollstationären Aufenthaltes, nicht das Individuum, das wegen des gleichen Anlasses auch mehrmals im Jahr eine Klinik aufsuchen kann und dann in der Regel auch mehrmals gezählt wird.

Zahl der Krankenhäuser bisher kaum verändert

Es ist heute kaum abzuschätzen, welche Auswirkungen die aufgezeigten Faktoren künftig auf die Zahl der Krankenhäuser haben werden. Per saldo gab es trotz der dramatischen Entwicklung im Jahre 2003 sogar drei Einrichtungen mehr als 1990. Das mag zunächst verblüffen, ein Blick auf die Struktur nach Bettengrößenklassen zeigt freilich, dass dort doch einiges in Bewegung geraten ist (Tabelle 2). Nicht nur sind Einrichtungen in niedrigere Größenklassen gerutscht, wobei vor allem Häuser zwischen 200 und 500 aufgestellte Betten betroffen waren, es ist vor allem die Zahl der kleinen und kleinsten Einrichtungen gestiegen. Gerade Häuser unter 50 Betten haben sich behauptet und von der Zahl her sogar deutlich zugelegt. Allerdings verbirgt sich hinter dem »stolzen« Anstieg um gut 22 % ein gleichzeitiger Wegfall von 31 % der ehemals vorhandenen Betten (Schaubild). Ein Grund hierfür ist zum Beispiel darin zu sehen, dass sich im Jahre 2003 unter den 93 in dieser Größenklasse meldenden Einrichtungen 13 reine Tages- und Nachtkliniken befanden. Diese Kliniken melden statt aufgestellte Betten Plätze, die somit nicht in die Bettenzahl eingehen, und Behandlungen, die nicht voll-, sondern teilstationär gezählt werden. Im Jahre 1990 wies die Statistik dagegen nur eine einzige reine Tages- oder Nachtklinik nach.

Zudem sind in den Jahren bis 2003 eine Reihe so genannter Praxiskliniken mit sehr geringer Bettenzahl – aber vollstationärem Versorgungsangebot – hinzugekommen, die zwar zahlen-, jedoch nicht größenmäßig ins Gewicht fallen. Von den auf bestimmte Behandlungen spezialisierten privaten Kleinkliniken einmal abgesehen, lässt sich anhand der Tages- und Nachtkliniken ein – wenn auch geringer – Bestandteil des Wandels auf dem Krankenhaussektor erkennen. Hier werden heute Patienten versorgt, die vordem eher im kostenträchtigen vollstationären Bereich untergebracht waren.

Ausblick

Gemessen an einem Bettenauslastungsgrad von 85 %, der einer Maximalbelegung entspricht, gibt es in Baden-Württemberg viele Fachabteilungen, die diesen Auslastungsgrad recht deutlich verfehlen. Das wird auf die Dauer nicht ohne Folgen bleiben. Vorstellbar sind Szenarien, dass Krankenhäuser ihre geringer ausgelasteten Bereiche an andere Einrichtungen abgeben, um ihrerseits andere, lukrativere Fachabteilungen – auch im Austausch – auszubauen. Hier bieten sich gewisse Möglichkeiten, Kompetenzen zu konzentrieren, soweit dies mit einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zu vereinbaren ist. Die Versorgung bisher war, zumindest was die Grundversorgung anging, wohnortsnah. Ob sich eine derartige patientenfreundliche Versorgung generell aufrechterhalten lässt, muss sich erst noch zeigen. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich die Zusammenfassung zu Kompetenzzentren, ideal für das Qualitätsmanagement, auf die Bettenauslastung auswirkt. Mit solchen Konstruktionen könnte der angestrebte Auslastungsgrad erreicht oder gar überschritten werden. Ohne zusätzliche Betten würde im letzten Fall ein anderes Patientenmanagment notwendig werden. Zusätzliche Wartezeiten wären das Ergebnis. Oder aber Patienten werden unabhängig von ihrem Wohnort dort behandelt, wo gerade Kapazitäten frei sind.

Letztlich ist aber nicht nur für eine optimale Belegung der Krankenhausbetten Sorge zu tragen. Denn unabhängig von der Bettenzahl stellt allein schon die ansteigende Patientenzahl bei immer kürzerer Verweildauer der vollstationären Behandlungsfälle wachsende Anforderungen an ärztliches wie nichtärztliches Personal. Trotz eines Personalzuwachses im Beobachtungszeitraum um zusammengenommen 2 000 Vollkräfte auf knapp 106 000 stieg die Belastung je Vollkraft von 15,6 auf 19 Behandlungsfälle, wogegen die Belastung durch die zu betreuenden Betten lediglich von 0,6 auf 0,5 Betten je Vollkraft sank.

Die von den Krankenhäusern nachgewiesenen Kosten zeigen – wenig überraschend –, dass hier, wie überall, der Personalsektor am kostenintensivsten ist. Er überstieg die Sachkosten sowohl zu Beginn der 90er-Jahre wie auch 2003 um das Doppelte. Insgesamt stiegen die Personalkosten in diesem Zeitraum um knapp 49 % auf rund 5,2 Mrd. Euro. Das wird die Phantasie von Sanierern und Planern bewegen. Denn nur durch Zusammenschlüsse von Kliniken zu Einkaufskooperativen für medizinischen und nicht medizinischen Bedarf werden sich die Krankenhauskosten nicht entscheidend senken lassen.