:: 6/2005

Tourismus 2004: Trendwendedank Auslandsgästen und Städtetourismus

Im baden-württembergischen Übernachtungstourismus konnte die seit Herbst 2001 tendenziell rückläufige Entwicklung im Jahr 2004 gestoppt werden. Bei den Ankünften wurde durch einen Zuwachs um 3,4 % mit 14,3 Mill. Gästen sogar ein historischer Rekordwert erzielt. Die für das Übernachtungsgewerbe letztlich entscheidendere Übernachtungszahl nahm – wegen der anhaltenden Tendenz zu immer kürzeren Aufenthalten – mit + 0,3 % auf 40 Mill. allerdings deutlich schwächer zu. Diese Trendwende verdankt das heimische Tourismusgewerbe vor allem deutlichen Zuwächsen bei den Auslandsgästen und in den größeren Städten, während die kleineren Gemeinden weiterhin die Zurückhaltung deutscher Gäste zu spüren bekamen. In dieser Hinsicht folgte das Land bundesweiten Entwicklungstendenzen. Im Gegensatz zum vorhergehenden Jahr konnte sich Baden-Württemberg aber 2004 unter den Bundesländern gut behaupten.

Städtetourismus legt deutlich zu

Sowohl bundesweit als auch in Baden-Württemberg verlief die Entwicklung in den Beherbergungsbetrieben1 im Jahr 2004 zwischen den Gemeinden verschiedener Größen sehr unterschiedlich (Schaubild 1). Auf der einen Seite hatten die Gemeinden der verschiedenen Größenkategorien bis zu 20 000 Einwohnern, auf die sowohl im Bundesgebiet als auch in Baden-Württemberg etwa 60 % der Übernachtungen entfielen, mehr oder weniger deutliche Übernachtungsrückgänge hinzunehmen. Auf der anderen Seite verzeichneten die größeren Gemeinden – und hier vor allem die Großstädte ab 100 000 Einwohnern – deutliche Zuwächse bei den Gästeübernachtungen. Bundesweit öffnete sich die Schere zwischen den Kleinstgemeinden unter 2 000 Einwohnern (- 4,3 %) und den Großstädten (+ 7,8 %) dabei deutlich stärker als in Baden-Württemberg (- 3,3 bis + 3,7 %). Ingesamt ergaben sich leichte Zuwächse von 0,3 % im Land bzw. 0,1 % im Bund. Im Gegensatz zum vorhergehenden Jahr, als Baden-Württemberg mit einem Rückgang um 2,2 % noch deutlich schlechter als das Bundesgebiet (Übernachtungen unverändert) abgeschnitten hatte, entwickelte sich die Übernachtungsnachfrage im Land also 2004 wieder leicht überdurchschnittlich.

Die stark abweichende Entwicklung zwischen kleinen und großen Gemeinden schlug sich ansatzweise auch in den Ergebnissen der Bundesländer nieder: Mit weitem Abstand ragten nämlich die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen heraus, die ihr Übernachtungsergebnis 2004 zusammen um stattliche 13,4 % steigern konnten. Unter den Flächenländern schnitten Sachsen-Anhalt (+ 3,7 %) und Sachsen (+ 3,6 %) am besten ab, obwohl diese beiden östlichen Bundesländer nicht ausgesprochen städtisch geprägt sind. Die mit + 3 % ebenfalls überdurchschnittliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen erklärt sich dagegen vor allem aus der relativ starken Bedeutung der Großstädte in diesem Bundesland. Neben den genannten Ländern wies allein noch Baden-Württemberg ein Plus auf, während die unmittelbaren Nachbarn Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz durchweg leichte Rückgänge um 0,2 bis 0,4 % verzeichneten. Bemerkenswerterweise stand 2004 Mecklenburg-Vorpommern, das seit Jahren stets durch eine besonders günstige Entwicklung herausgeragt hatte, mit einem Rückgang um 6 % ganz am Ende der Skala. Damit verlor dieser Ostsee-Anrainer seinen erst 2003 hinter Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eroberten fünften Rang in der Übernachtungshitliste wieder an Hessen.

Boom bei den Auslandsgästen

Die Tourismusentwicklung des Jahres 2004 war zudem wesentlich geprägt durch eine nach-gerade boomartige Nachfragesteigerung bei den ausländischen Gästen. Bundesweit nahmen ihre Übernachtungen 2004 um 8,8 % zu, in Baden-Württemberg war der Anstieg mit 8,1 % nur unwesentlich geringer. Mit 45,4 Mill. Übernachtungen von Auslandsgästen im Bundesgebiet bzw. 6,3 Mill. im Land wurden auf beiden Ebenen neue Rekordwerte registriert. Auch in allen Bundesländern und Gemeindegrößenklassen stiegen die Ausländerübernachtungen an. Die bei den kleineren Gemeinden und in der Mehrzahl der Flächenländer registrierten Übernachtungsrückgänge lassen sich demnach ausschließlich auf eine reduzierte Nachfrage der deutschen Gäste zurückführen. Insgesamt wurden 2004 – bei gestiegenen Gästezahlen – sowohl bundesweit als auch in Baden-Württemberg 1,1 % weniger Übernachtungen von Inlandsgästen gezählt.

Die Auswirkungen der abweichenden Entwicklungen bei den Gästen aus Deutschland bzw. dem Ausland auf das Gesamtergebnis hängen allerdings nicht nur von den jeweiligen Veränderungsraten ab, sondern auch davon, welchen Teil diese beiden Gruppen zu den Übernachtungen beisteuern. Wie Schaubild 2 belegt, bewegt sich der Anteil der Ausländerübernachtungen zum Beispiel zwischen den Bundesländern in einer ganz erheblichen Spanne. Während in Berlin 2004 fast jede dritte Übernachtung auf einen internationalen Gast zurückging, war es in Mecklenburg-Vorpommern gerade jede vierzigste. Baden-Württemberg lag mit einem Ausländeranteil an den Übernachtungen von 15,7 % noch über dem Bundesdurchschnitt von 13,4 %. Generell rangieren auch hier die Stadtstaaten sowie die eher städtisch geprägten Bundesländer im Vorderfeld. Lediglich der relativ hohe Anteil in Rheinland-Pfalz passt nicht in dieses Muster, erklärt sich aber durch die unmittelbare Nachbarschaft vor allem zu den reisefreudigen Beneluxländern. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, lässt sich aber 2004 ein deutlich positiver Zusammenhang zwischen der Gesamtentwicklung der einzelnen Bundesländer und deren Ausländeranteil an den Übernachtungen erkennen. Vor allem die Länder mit relativ starker Bedeutung internationaler Gäste profitierten in besonderem Maß auch vom Boom bei den Ausländern.

Schweizer besuchen bevorzugt Baden-Württemberg

Angesichts des starken Einflusses der Auslandsgäste auf die Entwicklung des Jahres 2004 lohnt sich ein Blick auf die wichtigsten Herkunftsländer dieser Gäste (Schaubild 3). Im Vergleich zum Bundesgebiet fällt dabei insbesondere die starke Nachfrage von Reisenden aus der Schweiz in Baden-Württemberg ins Auge. Während die Eidgenossen gemessen an der Übernachtungszahl nämlich bundesweit hinter den Niederländern, den US-Amerikanern und den Briten 2004 lediglich auf Platz vier rangierten, übernahmen sie in Baden-Württemberg durch einen stattlichen Übernachtungszuwachs um 12 % wieder knapp die Spitzenposition von den Holländern. Letztere sind wiederum in Baden-Württemberg im Vergleich zu Deutschland insgesamt deutlich unterrepräsentiert, weil sie sich stärker zum Beispiel auf Nordrhein-Westfalen oder auch Rheinland-Pfalz konzentrieren. Offensichtlich spielt also – neben der generellen Reisefreudigkeit der verschiedenen Nationalitäten – die unmittelbare Nachbarschaft bei den Übernachtungsbuchungen eine wesentliche Rolle. Dies zeigt sich beispielsweise auch an einer überdurchschnittlichen Präsenz der Franzosen in Baden-Württemberg. Auf der anderen Seite sind Skandinavier im Südweststaat relativ schwach vertreten, weil sie sich stärker auf die nördlichen Bundesländer konzentrieren.

Obwohl bundesweit und im Land etwa drei Viertel der Ausländerübernachtungen auf Gäste aus Europa zurückgehen, ist auch die Rolle von Gästen aus anderen Erdteilen nicht zu vernachlässigen. Hier sind insbesondere die US-Amerikaner zu nennen, die in den 90er-Jahren in Baden-Württemberg zeitweise sogar die Spitzenposition innehatten. Auch die Japaner haben fast schon traditionell einen Stammplatz unter den Top Ten. Bemerkenswert war 2004 allerdings die rasante Aufwärtsentwicklung bei den Chinesen, denn ihre Übernachtungen stiegen in diesem Jahr bundesweit um fast 37 % und in Baden-Württemberg sogar um 66 %. Damit stießen sie erstmals in ähnliche Größenordnungen vor wie beispielsweise die Russen.

Starke Unterschiede zwischen den Betriebsarten

Die abweichenden Entwicklungen im Jahr 2004 zwischen kleineren und größeren Gemeinden einerseits sowie deutschen und internationalen Gästen andererseits spiegeln sich mittelbar auch in den verschiedenen Betriebsarten wider. Sowohl in den größeren Städten als auch bei den Auslandsgästen konzentriert sich nämlich die Nachfrage vergleichsweise stark auf die Hotellerie (Hotels, Hotels garnis, Gasthöfe, Pensionen). So betrug der Übernachtungsanteil der Hotellerie 2004 im Landesdurchschnitt 60,9 %, bei Auslandsgästen hingegen 81,3 % und in Großstädten (bezogen auf alle Gäste) sogar 88,2 %. Insofern kann es nicht überraschen, dass die Hotellerie 2004 mit Übernachtungszuwächsen um 2,9 % im Bund bzw. 3 % in Baden-Württemberg besonders gut abschnitt. Dagegen musste die Parahotellerie, zu der zum Beispiel Ferienwohnungen, Campingplätze, Jugendherbergen oder Erholungsheime gezählt werden, Rückgänge um 1,2 % im Land und sogar um 2,9 % im Bund hinnehmen. Besonders negativ war die Entwicklung jedoch bei den nahezu ausschließlich von deutschen Gästen frequentierten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Hier nahmen die Übernachtungen nämlich 2004 in Baden-Württemberg um 6,7 % bzw. im gesamten Bundesgebiet um 4,7 % ab. Dies dürfte einerseits auf einer Unsicherheit vieler Arbeitsplätze beruhen, die sich negativ auf die Nachfrage nach Kuren auswirkt. Andererseits dürfte hier auch eine restriktivere Vergabepraxis der Kostenträger wegen der Sparzwänge im Gesundheitswesen eine Rolle spielen.

Trotz dieser ungünstigen Nachfrageentwicklung ragten die Vorsorge- und Reha-Kliniken mit einer Bettenbelegung2 von 70,8 % auch im Jahr 2004 noch deutlich unter den Betriebsarten heraus (Schaubild 4). Allerdings scheinen hier Belegungsverhältnisse wie in der ersten Hälfte der 90er-Jahre, als die Auslastung über 90 % betrug, heute unerreichbar. Gleichwohl lag die durchschnittliche Bettenauslastung selbst bei den noch vergleichsweise gut belegten Hotels, Boardinghouses, Erholungs-, Ferien- und Schulungsheimen, Hotels garnis sowie Pensionen mit einer Spanne von knapp 39 bis 34 % gerade etwa halb so hoch wie in den stationären Kureinrichtungen. Jugendherbergen und Hütten, Gasthöfe und die verschiedenen Formen von Ferienimmobilien mussten sich im Jahresverlauf 2004 dagegen mit einer Belegung jedes vierten bis fünften angebotenen Bettes begnügen. Auf den besonders saisonal geprägten Campingplätzen konnte sogar nur jeder achte angebotene Stellplatz besetzt werden. In den Hotelleriebetrieben, und hier speziell bei den häufig auf geschäftliche Kunden ausgerichteten Hotels und den Hotels garnis, belegt eine deutlich höhere Zimmerauslastung aber auch, dass die Auslastungssituation mit der Bettenbelegung relativ ungünstig dargestellt wird. Aus der Sicht eines Betriebes ist nämlich die Besetzung eines Doppelzimmers mit einem Einzelgast ebenfalls eine durchaus willkommene Belegungsart.

1 Die Angaben beziehen sich auf Betriebe ab neun Schlafgelegenheiten einschließlich Reiseverkehrscamping sowie Vorsorge- und Reha-Kliniken, aber ohne Dauercamping.

2 Dito.