:: 7/2005

Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung

Mit dem In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform 2004 wurde das Ziel verfolgt, die Krankenkassenbeiträge mittelfristig zu senken. In der Vergangenheit sind bereits zahlreiche Gesundheitsreformen auf den Weg gebracht worden, die mehr oder weniger, aber nie auf Dauer, dafür sorgen konnten, dass die Beitragssätze stabil blieben. Angesichts der weiteren Alterung der Gesellschaft dürfte aber auch die jetzige Gesundheitsreform nicht die letzte Gesundheitsreform in Deutschland gewesen sein.

Starker Anstieg der Beitragssätze seit 2001

Mit dem In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform 2004 wurde das ehrgeizige Ziel verfolgt, eine deutliche Senkung der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen, indem alle am Gesundheitssystem Beteiligten auch an den notwendigen Sparmaßnahmen beteiligt werden sollten. Als Ursachen für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen werden der medizinische Fortschritt, stetig ansteigender Arzneimittelkonsum und eine stärkere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sowie eine wachsende Zahl von Beschäftigten im Gesundheitswesen angeführt. Hinzu kommt die fortschreitende Alterung der Bevölkerung, die vor allem auch für die zukünftige Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen von überragender Bedeutung sein wird.

Das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vom November 2003 ist das bisher letzte in einer Reihe von großen Gesundheitsreformgesetzen, die in den vergangenen 25 Jahren insbesondere mit dem Ziel der Beitragsstabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet wurden. Trotzdem ist seit Ende der 70er-Jahre der durchschnittliche Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg von gut 11 % auf über 14 % angestiegen (Schaubild 1). Während nach einer deutlichen Steigerung zu Anfang der 90er-Jahre der durchschnittliche Beitragssatz von 1993 bis 2000 relativ stabil blieb, ist dieser ab 2001 wieder stark angestiegen.

Deutlich positive Wirkungen auf die Beitragssatzentwicklung im Land hatten das Gesundheitsreformgesetz von 1988 und das Gesundheitsstrukturgesetz, das 1993 in Kraft trat. Auch nach Einführung des freien Kassenwahlrechts 1996 sanken die Beitragssätze im Landesdurchschnitt unter 13 % und verharrten bis 1999 auf diesem Niveau.

Fast 90 % in der gesetzlichen Krankenversicherung

Von den 10,7 Millionen Baden-Württembergern waren Ende 2004 annähernd 88 % bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert. Der überwiegende Teil, rund zwei Drittel der baden-württembergischen Bevölkerung, waren bei der Ortskrankenkasse, den Betriebskrankenkassen, der Innungskrankenkasse oder der landwirtschaftlichen Krankenkasse versichert. Für diese gesetzlichen Krankenkassen liegen seit mehr als zwei Jahrzehnten Daten über Beitragseinnahmen und Leistungsausgaben in vergleichbarer Form auf Landesebene vor. Dagegen stehen keine auf Baden-Württemberg regionalisierten Ergebnisse in veröffentlichter Form für die Ersatzkassen zur Verfügung. Trotz des Fehlens dieser Daten vermitteln auch die Ergebnisse der für Baden-Württemberg verfügbaren gesetzlichen Kassen ein verlässliches Bild über die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im Land.

Seit Einführung der freien Kassenwahl 1996 haben die Betriebskrankenkassen einen deutlichen Mitgliederzuwachs in und außerhalb Baden-Württembergs zu verzeichnen, während Orts-, Innungs- und landwirtschaftliche Krankenkassen rückläufige Mitgliederzahlen ausweisen. Durch Abwanderung von Betriebskrankenkassen in andere Bundesländer hat sich aber seit 2002 deren Mitgliederanzahl im Land ebenfalls wieder vermindert. Außerdem waren auch die Betriebskrankenkassen gezwungen, ihre Beitragssätze anzupassen, was augenscheinlich vor allem freiwillige Mitglieder abschreckte.

Insgesamt waren zum Jahresbeginn 2005 fast 6,8 Mill. Personen im Land bei den oben genannten Kassen versichert. Darunter befanden sich:

  • beitragsfrei mitversicherte
  • Familienangehörige 2,1 Mill.
  • Pflicht- oder freiwillige Mitglieder 3,3 Mill.
  • Rentner oder Rentenantragsteller 1,4 Mill.

Im Vergleich zum Jahresbeginn 2004 hat die Zahl der Versicherten um rund 2 % abgenommen. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Rentnern bzw. Rentenantragstellern einerseits und Pflicht- und freiwilligen Mitgliedern andererseits betrug zum Jahresbeginn 2005 1 zu 2,4.

Leistungsausgaben pro Kopf 2004 gesunken

Als direktes Ergebnis der Gesundheitsreform sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf rund 2 551 Euro pro Kopf gesunken. Das waren 2,7 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Wie bei der Renten- und der Pflegeversicherung wird auch bei der Krankenversicherung trotz der Gesundheitsreform der wachsende Anteil älterer und alter Menschen an den Versicherten zu großen Herausforderungen in finanzieller Hinsicht führen. Immer mehr ältere Versicherte werden immer weniger jüngeren Beitragszahlern gegenüberstehen. Dies ist allerdings nicht die einzige Auswirkung auf die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung. Neben einem ungünstiger werdenden zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern werden durch eine weitere Alterung der Bevölkerung auch die durchschnittlichen Leistungsausgaben wieder zunehmen.

2004 waren die Pro-Kopf-Leistungsausgaben für Rentner und ihre Familienangehörigen – verglichen mit den übrigen Mitgliedern und deren Familienangehörigen – etwa doppelt so hoch (Schaubild 2). Das macht deutlich, wie sich die Veränderungen in der Altersstruktur weiter auswirken werden.

Seit 1990 sind die Pro-Kopf-Ausgaben für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Land um fast 43 % angestiegen. Dabei stiegen die Pro-Kopf-Ausgaben für Rentner und ihre Familienangehörigen um 49 %, während die für die übrigen Mitglieder und deren Familienangehörigen rund 38 % zu Buche schlugen. Im gleichen Zeitraum nahm die allgemeine Teuerungsrate um 33 % zu.

Große Unterschiede zwischen Rentnern und Rentenantragstellern und den übrigen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen auch bei den Beitragseinnahmen. Die Beitragseinnahmen je Mitglied (ohne Rentner) beliefen sich im Jahre 2004 auf durchschnittlich 3 431 Euro und waren damit fast doppelt so hoch wie die der Rentner. Rentner zahlten in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr durchschnittlich 1 851 Euro an Krankenkassenbeiträgen.

Beitragseinnahmen im Land sind deutlich höher als Leistungsausgaben

Betrachtet man allein die Beitragseinnahmen in Baden-Württemberg, so sind diese mit 14,1 Mrd. Euro deutlich höher als die Leistungsausgaben, die nicht ganz 12,1 Mrd. betrugen.

Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung im Land, zumindest für die hier betrachteten Kassen, wäre noch besser, wenn die betroffenen Kassen keinen Finanzausgleich über die Landesgrenzen hinweg leisten müssten. Als Folge dieser Finanzausgleichszahlungen wurden im Jahr 2004 rund 1,1 Milliarden Euro netto über die Landesgrenze hinweg in andere Bundesländer transferiert.

Neben einer günstigeren Wirtschaftsstruktur und den daraus resultierenden höheren Durchschnittseinkommen spielt auch die Altersstruktur der Versicherten eine Rolle. In den betrachteten Kassen waren in Baden-Württemberg am 1. Januar 2005 etwa 29 % der Versicherten Rentner oder Rentenantragsteller, während dieser Anteil im Bundesgebiet bei 32 % lag. In den neuen Bundesländern waren dies sogar fast 38 %. Angesichts der deutlich geringeren Einnahmen je Rentner und gleichzeitig deutlich höherer Leistungsausgaben wirkt sich dies auf die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung vor allem in Ostdeutschland nachteilig aus. Derzeit ist die Relation zwischen versicherten Rentnern und den übrigen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg noch relativ günstig und die baden-württembergischen Krankenkassen können einen positiven Betrag für die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland leisten. Der fortschreitende demografische Alterungsprozess auch im Land Baden-Württemberg wird sich bald auch hier zu Lande negativ auf die finanzielle Situation der Krankenversicherungen auswirken.

Krankenhausbehandlung mit Abstand teuerste Ausgabenart

Die kostenintensivste Leistungsart für die Krankenversicherung ist die Behandlung im Krankenhaus. Rund jeder dritte für Versicherungsleistungen ausgegebene Euro war 2004 für Krankenhausbehandlungen aufzubringen (Schaubild 3). Mit der Einführung von Fallpauschalen werden Entlastungen bei den Ausgaben für Krankenhausleistungen erwartet. Andererseits wird dadurch die nachgelagerte Versorgung etwa durch Pflegedienste mehr in Anspruch genommen, was wiederum mit zusätzlichen Kosten verbunden sein dürfte.

Die zweitgrößte Ausgabenposition der gesetzlichen Krankenversicherung bilden die Ausgaben für Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel. Rund 22 % der gesamten Leistungsausgaben entfallen auf diese Ausgabenart. Ebenfalls zu den großen Ausgabenpositionen zählen mit 17 % die Leistungsausgaben für ärztliche Leistungen. Rund 6 % der Leistungsausgaben entfielen im vergangenen Jahr auf Lohnfortzahlungen im Krankheitsfalle und auf die Behandlung durch Zahnärzte. Nur 3 % wurden für Zahnersatz ausgegeben.

Mit der ab dem Jahr 2004 in Kraft getretenen Gesundheitsreform werden verschiedene Einsparungen bei den Leistungsausgaben der Krankenversicherung angestrebt. Sterbegeld und Entbindungsgeld sind aus dem Leistungskatalog ausgegrenzt. Auch werden Fahrten im Rahmen der ambulanten Versorgung nicht mehr erstattet.

Zum 1. Januar 2005 ist das Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz verabschiedet worden. Zukünftig wird die Beteiligung der Krankenkassen an den Kosten der Behandlung sich am Befund orientieren. Zur Finanzierung von Zahnersatz und Krankengeld wird ab dem 1. Juli 2005 ein einkommensabhängiger Beitrag in Höhe von 0,9 % erhoben. Die Arbeitgeber beteiligen sich nicht an den Kosten. Im Gegenzug werden die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, ihren Beitragssatz um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Unter Berücksichtigung einerseits des zusätzlichen Beitrags und andererseits der Beitragssatzsenkung ergibt sich unter dem Strich für die Versicherten eine Mehrbelastung von 0,45 Prozentpunkten. Die Arbeitgeber werden hingegen in gleicher Höhe pro Beschäftigten entlastet.

Gemessen an den Leistungsausgaben 2003, dem Jahr vor der Gesundheitsreform, werden die bis einschließlich 2006 beschlossenen Leistungsausschlüsse rund 10 % der Leistungsausgaben einsparen helfen. Allein durch den Wegfall des Krankengeldes werden rund 6 % eingespart. Neben diesen Leistungsausschlüssen müssen Patienten Zuzahlungen erbringen, die jedoch summiert über ein Jahr 2 % (1 % bei chronisch Kranken) des Bruttojahresgehalts nicht übersteigen dürfen. Dies führt zu einer weiteren Entlastung der Kassen.