:: 7/2005

Südwestindustrie: Wenige Großbetriebe prägen das wirtschaftliche Geschehen

Im Verarbeitenden Gewerbe in Baden-Württemberg ist eine merkliche Konzentration der Beschäftigten auf wenige Großbetriebe nachweisbar. Auf die 10 größten Betriebe verteilten sich 2003 mehr als 11 % der tätigen Personen der Südwestindustrie. Noch stärker ist der Anteil bei den Umsätzen und den Investitionen in Sachanlagen ausgeprägt. Hintergrund ist insbesondere die beachtliche Dominanz der großen Betriebe im »Fahrzeugbau«. In anderen bedeutsamen Branchen fällt dagegen die Konzentration weitaus geringer aus.

Im Allgemeinen wird die Verteilung wirtschaftsstatistischer Bestandsdaten anhand von Größenklassenergebnissen veranschaulicht.1 Dabei stellt sich in der Regel heraus, dass verhältnismäßig wenige wirtschaftliche Einheiten einen überproportional hohen Einfluss auf die wirtschaftliche Struktur besitzen. Hierzu entsprechend soll in diesem Beitrag die Konzentration anhand der Anteile der – gemessen an den Beschäftigten – größten Betriebe an wesentlichen ökonomischen Strukturmerkmalen der Südwestindustrie veranschaulicht werden. Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen der Investitionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe. Da der Berichtskreis dieser Erhebung weit gehend identisch ist mit dem »Monatsbericht für Betriebe«, bestehen keine bedeutenden Abweichungen mit dem genannten Größenklassenvergleich (vgl. auch i-Punkt). Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränkt sich die Darstellung auf die jeweiligen Anteile der gemessen an den Beschäftigten 10 bzw. 25 größten Betriebe. 1

In den 8 313 Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg waren im Jahr 2003 insgesamt 1 227 000 Personen beschäftigt. Zusammen erwirtschafteten diese Betriebe Umsätze in Höhe von 241 Mrd. Euro. Die Höhe der Investitionen in Sachanlagen lag bei 9,2 Mrd. Euro. Gemessen an der Beschäftigtenzahl vereinigten die 10 größten Betriebe mit 138 000 Beschäftigten 11,3 % der tätigen Personen auf sich (Tabelle). Erweitert man die Betrachtung auf die 25 beschäftigungsstärksten Betriebe (dies entspricht 0,3 % aller Betriebe der Südwestindustrie), so waren dort 200 000 Personen tätig. Dies entsprach 16,3 % aller Beschäftigten der Südwestindustrie.

Eine noch höhere Konzentration zeigt sich bei den realisierten Umsätzen. Mit 41 Mrd. Euro wurden 17,1 % der gesamten Industrieumsätze von den 10 Betrieben mit den meisten Beschäftigten erwirtschaftet. Damit ergab sich hier ein Umsatz von knapp 300 000 Euro je Beschäftigten. Beim gesamten Verarbeitenden Gewerbe lag diese Kennzahl um etwa 100 000 Euro niedriger. Die 25 größten Betriebe kamen auf Umsätze in Höhe von 58 Mrd. Euro und damit auf einen Anteil von 24,2 %. Das ergab je Beschäftigten einen Umsatz von mehr als 290 000 Euro. Am stärksten war die Konzentration bei den Investitionen ausgeprägt. Auf die 10 größten Industriebetriebe entfiel mit 1,9 Mrd. Euro jeder fünfte investierte Euro. Daraus errechnet sich eine Investitionsintensität2 von 13 700 Euro. Die 25 größten Betriebe wendeten 3,1 Mrd. Euro für Sachanlagen auf; dies entspricht einem Anteil von 34,0 %. Je Beschäftigten entfielen in diesen Betrieben Investitionen in Höhe von 15 600 Euro und damit mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt der Südwestindustrie insgesamt (7 500 Euro).3

Konzentrationstendenzen haben sich in den letzten Jahren verstärkt

Das Gewicht der größten Betriebe hat sich seit 1995 tendenziell verstärkt. Damals waren 1 266 000 Personen bei 8 361 Betrieben der Südwestindustrie beschäftigt. Der Beschäftigtenanteil der 10 größten Betriebe lag mit 118 000 tätigen Personen noch bei 9,3 % und damit also um 2,0 Prozentpunkte niedriger als 2003. Auch beim Umsatz (11,1 %) und den Investitionen (15,2 %) fiel die Konzentration deutlich niedriger aus. Das bedeutet, der Konzentrationsanteil verstärkte sich um mehr als die Hälfte bzw. fast ein Drittel gegenüber 1995. Bei Betrachtung der 25 größten Betriebe zeichnet sich ebenfalls eine deutliche Zunahme der Konzentration ab. Insbesondere der Investitionsanteil hat stark zugelegt, der Anteil ist gegenüber 1995 um fast 13 Prozentpunkte gestiegen, was einer Zunahme um über 60 % entspricht.

Im gesamten Bundesgebiet vereinigten im Jahr 20024 die 10 größten Betriebe 4,9 % der Beschäftigten auf sich. Dagegen war in Baden-Württemberg der Anteil der 10 größten Betriebe im gleichen Jahr mit 11,0 % aller tätigen Personen mehr als doppelt so hoch. Deutliche Unterschiede ergeben sich auch im Vergleich der jeweiligen 25 beschäftigtenstärksten Betriebe des Jahres 2002: Während im Südwesten der Beschäftigtenanteil 15,9 % betrug, lag er in Deutschland mit 7,7 % um die Hälfte niedriger.

Konzentrationsgrad beim Fahrzeugbau am höchsten

Innerhalb der einzelnen Branchen der Südwestindustrie ergeben sich sehr große Differenzen bei den Beschäftigtenanteilen der jeweils größten Betriebe (Schaubild 1). Am stärksten ausgeprägt sind dabei die Konzentrationstendenzen im »Fahrzeugbau«. Dort beschäftigten 2003 die 10 größten Betriebe, die zusammen nur 2,9 % aller Betriebe dieser Branche in Baden-Württemberg ausmachen, mit 135 000 Personen 56 % der Beschäftigten. Damit sind 11 % der tätigen Personen der gesamten Südwestindustrie in diesen 10 Betrieben tätig. Noch stärker ist der Konzentrationsanteil in Bezug auf Gesamtumsatz und Investitionen. Mit 45,4 Mrd. Euro Umsatz und 2,4 Mrd. Euro Investitionen trugen diese 10 Betriebe jeweils etwa 70 % zum Gesamtwert des Bereichs »Fahrzeugbau« bei (Schaubild 2). Bezogen auf die gesamte Südwestindustrie belief sich der Anteil auf 18,8 % bei den Umsätzen und sogar 26,6 % bei den Investitionen. Noch deutlicher wird der Konzentrationsgrad innerhalb des »Fahrzeugbaus«, wenn man die 25 beschäftigtenstärksten Betriebe dieser Branche betrachtet: Mit 173 000 Beschäftigten sind 71,7 % aller Beschäftigten des »Fahrzeugbaus« in nur 7,1 % aller Betriebe tätig. Auf die restlichen 325 Betriebe verteilen sich noch etwa 68 000 tätige Personen. Beim Umsatz und den Investitionen lag der jeweilige Anteil der 25 größten Betriebe dieser Branche bei fast 80 %.

Auch die »Chemische Industrie« weist weit überdurchschnittliche Konzentrationsanteile auf. Der Anteil der 10 größten Betriebe belief sich auf 35,3 % aller tätigen Personen. Etwas niedriger lag dagegen der Anteil bei den Umsätzen (33,0 %). Dagegen entfiel mehr als die Hälfte (55,1 %) der Investitionen dieser Branche auf diese Betriebe. Der Beschäftigtenanteil der 25 größten Betriebe lag bei 52,6 %.

In anderen Branchen ist der Konzentrationsgrad demgegenüber wesentlich geringer ausgeprägt. Die niedrigste Beschäftigtenkonzentration der 10 größten Betriebe wies dabei der Bereich »Metallerzeugung, ‑bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« mit einem Zehntel aller dort tätigen Personen auf. Damit lag dieser Bereich als einziger unter dem Branchendurchschnitt. Auch bei den Umsätzen (11,9 %) und bei den Aufwendungen für Sachanlagen (10,2 %) war hier der Konzentrationsanteil unter allen Branchen am niedrigsten. Im »Maschinenbau«, nach der absoluten Betriebs- und Beschäftigtenzahl die größte Branche in der Südwestindustrie, wiesen die 10 größten Betriebe mit 11,6 % ebenfalls nur einen geringen, knapp überdurchschnittlichen Beschäftigtenanteil auf. Bei den Umsätzen (14,0 %) und den Investitionen (16,9 %) lag der Anteil sogar unter dem Branchendurchschnitt. Auch im Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« fallen die Konzentrationsanteile verhältnismäßig niedrig aus.

Von 1995 bis 2003 haben sich die Konzentrationsanteile innerhalb der einzelnen Branchen in Baden-Württemberg unterschiedlich entwickelt. Bemerkenswerterweise ließ in einigen bedeutenden Branchen die Tendenz zur Beschäftigtenkonzentration etwas nach. So verringerte sich der Beschäftigtenanteil der jeweils 10 größten Betriebe beispielsweise im Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« um 2,4 Prozentpunkte. Auch im »Fahrzeugbau« (‑ 1,9 Prozentpunkte), dem Bereich »Metallerzeugung, ‑bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« (‑ 1,7 Prozentpunkte) und im »Maschinenbau« (‑ 1,3 Prozentpunkte) nahmen die Anteile der 10 größten Betriebe etwas ab. Dagegen stieg der Konzentrationsanteil bei der »Chemischen Industrie« (+ 1,7 Prozentpunkte) und dem »Papier-, Verlags- und Druckgewerbe« (+ 0,7 Prozentpunkte) leicht an. Das »Textil- und Bekleidungsgewerbe« (+ 8,8 Prozentpunkte) verzeichnete in diesem Zeitraum den höchsten Anstieg.

Trotz der stark divergierenden Konzentrationsanteile innerhalb der einzelnen Branchen zeigt sich insgesamt sehr deutlich, dass die wirtschaftliche Struktur von größeren bzw. Großbetrieben beeinflusst wird. Für die Statistik lässt sich daraus ableiten, dass ein Verzicht auf die Einbeziehung von vielen kleinen bzw. Kleinstbetrieben in die Erhebungen der amtlichen Statistik zumindest für die Konjunkturbetrachtung mit relativ geringen Informationsverlusten verbunden ist.5

1 Lauer, Thomas: Verarbeitendes Gewerbe: »Starke Konzentration der Beschäftigten und Umsätze in den Großbetrieben«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2004, S. 24 - 29.

2 Investitionen je Beschäftigten.

3 Zur detaillierten Darstellung der Investitionsentwicklung im Jahr 2003 für die Südwestindustrie vgl. Lauer, Thomas: Verarbeitendes Gewerbe: Investitionen drehen dank dem »Fahrzeugbau« wieder ins Plus, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2005, S. 30 - 35; bezüglich der allgemeinen, insbesondere auch konjunkturellen Entwicklung der Südwestindustrie im Jahr 2003 vgl. Steiger, Hans-Hermann: Südwestindustrie wieder im Aufwind, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2004, S. 3 - 13.

4 Für ganz Deutschland liegen veröffentlichte Daten für die Beschäftigten und die Investitionen derzeit nur bis zum Jahr 2002 vor.

5 Vgl. hierzu auch: Steiger, Hans-Hermann: Was wäre, wenn…? Anregung zur Novellierung der Industrieberichterstattung, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 4 / 1997, S. 159 - 166. Aktuell wird von einer Arbeitsgruppe der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder eine Anhebung der Abschneidegrenze von bisher 20 Beschäftigte auf 30 Beschäftigte bei den unterjährigen Erhebungen für das Verarbeitende Gewerbe diskutiert.