:: 7/2005

Insolvenzgeschehen in Baden-Württemberg im Jahr 2004

Erste Ergebnisse zum Handwerk

Das Insolvenzgeschehen wird vom Konjunkturverlauf geprägt. Die Entwicklung der Zahl der Konkursanmeldungen ist zugleich konjunktureller Spätindikator. Das Hauptziel eines gerichtlichen Konkursverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger: Es kann entweder durch Verwertung und Verteilung des Schuldnervermögens erreicht werden oder durch eine einvernehmliche Regelung zwischen Schuldnern und Gläubigern, dem Insolvenzplan. Nach dem Motiv des Konkursantrags unterschieden, kommt sowohl die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit als auch die drohende Zahlungsunfähigkeit, bei Kapitalgesellschaften auch die Überschuldung vor (bzw. Mischformen). Der Verlauf eines Insolvenzverfahrens geht über die Befragung der Gerichte in die Insolvenzstatistik ein.

In diesem Beitrag stehen die Insolvenzen der Handwerksunternehmen im Jahr 2004 im Mittelpunkt. Die Auswertung für das Handwerk wurde für das Jahr 2004 erstmals durchgeführt. Eine gleichzeitige Betrachtung des Insolvenzgeschehens für alle Unternehmen ist jedoch sinnvoll. Von den insgesamt 3 191 Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr betrafen 795 Handwerksbetriebe. 25 000 Arbeitnehmer waren 2004 im Land von Insolvenzen betroffen, davon arbeiteten 24 % in Handwerksbetrieben.

2004: In Baden-Württemberg rund 3 200 Unternehmensinsolvenzen 1

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2004 von den Amtsgerichten 3 191 Unternehmensinsolvenzverfahren entschieden: 1 352 Verfahren wurden mangels Masse abgewiesen und 1 839 eröffnet.2 Ihrem wirtschaftlichen Schwerpunkt zugeordnet, zählten rund 22 % (688 Fälle) der insolventen Unternehmen zum Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen einschließlich Vermietung beweglicher Sachen sowie Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen. Ebenfalls nahezu 22 % der Unternehmenspleiten betrafen Firmen aus dem Bereich Handel (686 Fälle); darunter zählten rund 10 % zum Einzelhandel. Es folgt mit einem Anteil von 18 % (582 Fälle) das Baugewerbe und von 15 % das Verarbeitende Gewerbe. Im Wirtschaftszweig Verarbeitendes Gewerbe waren relativ häufig Firmen aus dem Maschinenbau und der Branchen des Bereichs Herstellung von Metallerzeugnissen sowie des Holzgewerbes betroffen. Deutlich seltener kam es im Bereich Erbringung sonstiger öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen (200 Fälle) zur Zahlungsunfähigkeit. Für das Gastgewerbe wurden 198 Insolvenzfälle gezählt und im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung kam es 194-mal zur Konkursanmeldung. Der Rest verteilt sich auf Firmen in der Land- und Forstwirtschaft, Bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden; Energiewirtschaft, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzverfahren lag 2004 aber gut um 1 % unter dem Vorjahresergebnis. Damit kam die mehr oder weniger hohe Zunahme der Konkursverfahren im vergangenen Jahr zum Stillstand. Dennoch war die Entwicklung in den einzelnen Wirtschaftszweigen (noch) nicht einheitlich. Eine weiterhin steigende Insolvenzzahl errechnete sich für Unternehmen der Dienstleistungssparten. Deutliche Zunahmen waren in den Bereichen

  • Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen + 40,0 %,
  • Erbringung sonstiger öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen + 16,3 %,
  • Gastgewerbe + 9,4 %,
  • Kredit- und Versicherungsgewerbe + 5,4 %

zu verzeichnen.

Seltener als im Vorjahr kam es zur Zahlungsunfähigkeit oder zur Überschuldung in den Bereichen

  • Handel – 6,0 %,
  • Baugewerbe – 3,5 %,
  • Verarbeitendes Gewerbe – 1,4 %.

Nur 25 % der Unternehmensinsolvenzverfahren betrafen Handwerksbetriebe

Durch die inzwischen beachtliche Zahl an jährlichen Firmenpleiten tauchte zunehmend die Frage nach der Zahl der insolventen Handwerksunternehmen auf. Die Handwerkseigenschaft der Unternehmen wird jedoch nicht unmittelbar erhoben, kann aber mithilfe des Unternehmensregisters (überwiegend) ergänzt werden (vgl. dazu: i-Punkt).3

Insgesamt waren im vergangenen Jahr 795 baden-württembergische Handwerksunternehmen zahlungsunfähig. Das waren 25 % aller Unternehmensinsolvenzen, die im Jahr 2004 bei den Gerichten Baden-Württembergs entschieden wurden. Werden die einzelnen Branchen betrachtet, streute der Anteil der Handwerksbetriebe an der Gesamtzahl der insolventen Unternehmen jedoch beachtlich. Im Baugewerbe waren 70 % der insolventen Unternehmen Handwerksbetriebe (Tabelle). Im Verarbeitenden Gewerbe waren es immerhin 44 %. Weiterhin waren 14 % der insolventen Firmen im Handel in die Handwerksrolle eingetragen. Hier ist in erster Linie »Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern« zu erwähnen (Schaubild 1).

Schält man das Handwerk heraus, so gehörten 52 % der insolventen Unternehmen zum Baugewerbe, 27 % zählten zum Verarbeitenden Gewerbe und 12 % zum Handel einschließlich Instandhaltung und Reparaturen von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern. Der Rest betrifft weitere Dienstleistungsbereiche. Dazu zählen zum einen unternehmerische Dienstleistungen wie zum Beispiel Ingenieurs- oder Architekturbüros, also in die Handwerksrolle eingetragene Ingenieure. Zum anderen zählen zu den persönlichen Dienstleistungen zum Beispiel Friseure, Bestattungsunternehmen, Reinigungsunternehmen (Schaubild 2).

Die höchste Insolvenzhäufigkeit im Baugewerbe

Die bloße Betrachtung der Zahl der Konkursverfahren und deren Entwicklung stellt noch keine Beziehung zur Zahl der insgesamt niedergelassenen Unternehmen eines Wirtschaftszweiges (oder eines Bundeslandes) her. Die relative Insolvenzhäufigkeit bezieht jeweils die Zahl der Insolvenzverfahren auf die Zahl der insgesamt vorhandenen Unternehmen (rechnerisch hier auf 1 000 Unternehmen). Danach war im vergangenen Jahr die Insolvenzhäufigkeit aller Unternehmen im Baugewerbe mit 14 am höchsten (das heißt, auf 1 000 Unternehmen des Baugewerbes kamen 14 Insolvenzverfahren), gefolgt vom Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung mit einer Insolvenzhäufigkeit von 13. Für das gesamte Verarbeitende Gewerbe beträgt die Insolvenzhäufigkeit rund 10, das heißt, 1 % der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes meldeten Konkurs an, während für den Handel lediglich eine Insolvenzhäufigkeit von 7 und im Gastgewerbe von 6 ermittelt wurde (Schaubild 3).

Die Betrachtung nach Kreisen zeigt außerdem, dass im Südosten des Landes (Kreise Biberach, Ravensburg, Bodenseekreis, Waldshut, Sigmaringen) die Insolvenzhäufigkeit in der Regel niedriger ist als im Norden Baden-Württembergs (Neckar-Odenwald-Kreis, Stadtkreis Mannheim sowie die Kreise Heidenheim, Göppingen, Ostalb) (Schaubild 4).

In der Gesamtwirtschaft kamen im Jahr 2004 in Baden-Württemberg auf 1 000 niedergelassene Unternehmen rund 8 Insolvenzverfahren.4 Die Insolvenzhäufigkeit beim Handwerk ist geringfügig höher (8 ½). Ursächlich hierfür ist in erster Linie die höhere Insolvenzhäufigkeit im Baugewerbe. Die Insolvenzhäufigkeit für die Unternehmen ohne Baugewerbe war sowohl in der Gesamtwirtschaft als auch im Handwerk entsprechend geringer: Die Insolvenzhäufigkeit des Handwerks im Baugewerbe übertraf mit rund 20 alle übrigen Wirtschaftsbereiche (Schaubild 3).

Gläubigerforderungen 2004 insgesamt 3,7 Mrd. Euro, 14 % davon gegenüber Handwerksunternehmen

Von den Unternehmensinsolvenzverfahren des Jahres 2004 wurden 58 % eröffnet und weitere 42 % wurden von den Gerichten mangels Masse abgewiesen, da hier das vorhandene Vermögen nicht reichte, die Verfahrenskosten zu decken. Diese Forderungen der Gläubiger waren also gänzlich verloren.

Die Forderungen der Gläubiger gegenüber insolventen Unternehmen beliefen sich 2004 auf 3,7 Mrd. Euro (Tabelle). Das waren im Durchschnitt 1,15 Mill. Euro je Unternehmenskonkursverfahren, während im Vorjahr 0,9 Mill. Euro je Verfahren verzeichnet wurden; für das Jahr 2004 war damit ein deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Forderungshöhe zu verzeichnen. Dieser Durchschnittswert ist jedoch branchenabhängig. Relativ gering waren die durchschnittlichen Schulden der insolventen Betriebe im Gastgewerbe mit 177 000 Euro sowie im Bereich Erbringung sonstiger und persönlicher Dienstleistungen mit 299 000 Euro. Deutlich höhere Durchschnittsverbindlichkeiten ergaben sich zum Beispiel für den Handel mit 1,3 Mill. Euro. Für das Verarbeitende Gewerbe errechneten sich 1,2 Mill. Euro, für das Baugewerbe dagegen 0,5 Mill. Euro.5

Die durchschnittlichen Forderungen der Gläubiger gegenüber insolventer Handwerksunternehmen waren mit 0,6 Mill. Euro je Fall nur halb so hoch wie bei den Unternehmen insgesamt. Für die insolventen Handwerksbetriebe im Baugewerbe wurden 0,5 Mill. Euro ermittelt, im Verarbeitenden Gewerbe 0,8 Mill. Euro und im Handel 1,1 Mill. Euro. Insgesamt summierten sich die Forderungen der Gläubiger gegenüber insolventen Handwerksunternehmen auf 515 Mill. Euro; das waren 14 % der Verpflichtungen aller insolventen Unternehmen des Jahres 2004 (Tabelle).

Vom Insolvenzgeschehen tangierte Arbeitsplätze

Von den Unternehmenszusammenbrüchen im Jahr 2004 waren 25 087 Arbeitnehmer betroffen, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 22 306 Arbeitnehmer. Statistisch ermitteln lässt sich jedoch nur die Zahl der Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch im insolventen Unternehmen tätig sind und somit unmittelbar von der Unternehmensschließung oder der Sanierung betroffen sind. Diese Zahl ist nicht identisch mit der Zahl der vernichteten Arbeitsplätze, da in vielen Fällen eine Fortführung der Unternehmen unter anderem Namen oder anderem Besitzer erfolgt. Andererseits ist aber zu beachten, dass viele Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz schon vor der Konkurseröffnung wechseln.

31 % der unmittelbar betroffenen Beschäftigten arbeiteten im Handel, 26 % im Bereich Verarbeitendes Gewerbe und 15 % im Baugewerbe. Weitere 14 % der noch beschäftigten Arbeitnehmer waren im zusammengefassten Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen, und hier insbesondere in den unternehmerischen Dienstleistungsbereichen tätig (Tabelle).

Aus dem Handwerk stammten 6 118 Beschäftigte, die von Konkursverfahren tangiert wurden; das waren rund 24 % aller von Insolvenzen unmittelbar betroffenen Beschäftigten im Jahr 2004. Rund 44 % der betroffenen Beschäftigten im Handwerk waren bei insolventen Firmen des Baugewerbes beschäftigt, 35 % im Verarbeitenden Gewerbe, weitere 15 % im Handel. Nur 5 % der vom Insolvenzgeschehen Betroffenen (im Handwerk) waren in Dienstleistungsbereichen mit Handwerkseigenschaft beschäftigt.

1  Das Insolvenzstatistikgesetz umfasst neben der Zahl gerichtlich entschiedener Verfahren (mangels Masse abgewiesene Verfahren, Schuldenbereinigungspläne und eröffnete Verfahren) auch weitere Sachverhalte wie Zahl der unmittelbar betroffenen Beschäftigten, voraussichtliche Forderungen der Gläubiger, das Alter der Unternehmen sowie den Grund (Motiv) der Konkursanmeldung. Der Verlauf eines Insolvenzverfahrens geht über die Befragung der Gerichte in die Insolvenzstatistik ein. Siehe dazu: § 39 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1999 (BGBl. 1 S. 2 398) geändert worden ist. Dabei handelt es sich um eine Bundesstatistik.

2  Die Zahl der Insolvenzen der übrigen Schuldner (Privatkonkurse) belief sich auf 8 400 Verfahren; diese Verfahren verteilten sich zu 54 % auf die Verbraucherkonkurse, zu 40 % auf die Verfahren ehemals selbstständig Tätiger oder ehemalige Gesellschafter von Personengesellschaften. Weitere 6 % fielen auf die Nachlasskonkurse.

3  Bei der Konzeption des Insolvenzstatistikgesetzes wurde erst kurz vor der Verabschiedung die Frage nach dem Eintrag in die Handwerksrolle gestrichen. Man erwartete erhebliche Lücken in den Meldungen. Dies bedauerten bundesweit der Handwerkstag und die Handwerkskammern. Die Lösung sah daher die Statistik zunehmend in der Zuordnung der Handwerkseigenschaft mittels der Angaben aus dem Unternehmensregister. Die Vollzähligkeit hängt von der Qualität der Meldungen ab, da sehr kleine Unternehmen oder junge Unternehmen nicht oder noch nicht im Unternehmensregister geführt werden.

4  Für die Berechnungen wurden die Umsatzsteuerstatistik 2003 sowie Angaben aus der Handwerksberichterstattung zugrunde gelegt.

5  So hatten im Jahr 2004 rund 27 % der insolventen Unternehmen Schulden in Höhe von über 500 000 Euro bzw. 15 % von über 1 Mill. Euro. Dagegen war die Verschuldung bei 20 % der insolventen Unternehmen geringer als 50 000 Euro.