:: 8/2005

Vor der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005

Der Ausgang der Bundestagswahl 2002 – ein Rückblick

Am 18. September 2005 wird der Bundestag neu gewählt werden. Dieser um ein Jahr vorgezogene Wahltermin resultiert aus der Entscheidung des Bundespräsidenten vom 21. Juli 2005, den Bundestag nach Artikel 68 Grundgesetz aufzulösen. Laut Grundgesetz muss eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Vor dem Hintergrund der nun anstehenden Bundestagswahl soll zunächst eine Rückschau auf die Ergebnisse der Bundestagswahl 2002 geboten werden. Da neben den Wahlergebnissen in Bund, Ländern und den Wahlkreisen immer auch das Wahlverhalten der Bürger von großem Interesse ist, sollen mit den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik auch Daten zur Wahlbeteiligung und zur Stimmenabgabe nach Geschlecht und Alter dargestellt werden. In einem Ausblick auf die kommende Bundestagswahl wird abschließend auf Änderungen der Wahlkreiseinteilung des Landes sowie auf die Zahl und Struktur der Wahlberechtigten eingegangen.

Bundestagswahl 2002: Rot-Grün verteidigte knapp die Mehrheit im Bundestag

Bei der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag am 22. September 2002 konnte die rot-grüne Bundesregierung ihre Mehrheit im Bundestag knapp verteidigen. Während die SPD Verluste in Höhe von 2,4 Prozentpunkten hinnehmen musste und 38,5 % der Zweitstimmen erzielte, konnte ihr Koalitionspartner, die GRÜNEN, mit einem Plus von 1,9 Prozentpunkten gestärkt aus der Wahl hervorgehen. Sie erreichten 8,6 % der gültigen Zweitstimmen. Die Unionsparteien steigerten ihren Zweitstimmenanteil gegenüber der Bundestagswahl 1998 um 3,4 Prozentpunkte und kamen somit, wie die SPD, ebenfalls auf 38,5 %. Die Liberalen erreichten bei einem Zugewinn von 1,2 Prozentpunkten 7,4 % der Zweitstimmen. Die PDS kam auf 4 % der gültigen Zweitstimmen (−1,1 Prozentpunkte), verfehlte damit die 5 %‑Hürde und war im 15. Deutschen Bundestag nur durch 2 Direktmandate, jedoch nicht als Fraktion vertreten. Auf sonstige Parteien entfielen 3 % der gültigen Stimmen.

Der 15. Deutsche Bundestag setzte sich aus 603 Abgeordneten einschließlich 5 Überhangmandaten (4 für die SPD und 1 für die CDU) zusammen. Auf die SPD entfielen insgesamt 251 Sitze, auf die GRÜNEN 55. Die Unionsparteien CDU/CSU stellten 248 Abgeordnete und die Liberalen 47. Die PDS konnte in Berlin 2 Direktmandate erringen und entsandte folglich 2 Abgeordnete in den Deutschen Bundestag. Demnach verfügte die rot‑grüne Koalition über 306 Sitze – 9 Mandate mehr als die anderen im Bundestag vertretenen Parteien. CDU, CSU und FDP kamen zusammen auf 295 Sitze (Schaubild 1).

Baden‑Württemberg konnte insgesamt 76 Abgeordnete in den 15. Deutschen Bundestag entsenden; davon gehörten 34 der CDU und 27 der SPD an. Die GRÜNEN stellten 9 Abgeordnete und die FDP/DVP 6. Die PDS war – wie bereits erwähnt – nur durch zwei Berliner Direktmandate im Bundestag vertreten; folglich waren aus Baden‑Württemberg keine Abgeordneten der PDS im Bundestag.

Union in Baden‑Württemberg erzielte zweitbestes Länderergebnis

Gegenüber der Bundestagswahl 1998 konnten die Unionsparteien bei der Wahl 2002 bundesweit und in 14 der 16 Bundesländer Zweitstimmenanteile hinzugewinnen. In Baden‑Württemberg lag der Stimmenzuwachs der CDU mit einem Plus von 5,0 Prozentpunkten deutlich über dem Gewinn auf Bundesebene (+ 3,4 Prozentpunkte). Im Bundesländervergleich der Unionsparteien erreichte die CDU in Baden‑Württemberg mit 42,8 % hinter Bayern (58,6 %) das zweitbeste Wahlergebnis. Auf Landesebene stellte dieses Resultat für die Baden‑Württembergische CDU allerdings das drittniedrigste Ergebnis bei Bundestagswahlen in Baden‑Württemberg dar. Lediglich bei der ersten Bundestagswahl 1949 und bei der Bundestagswahl 1998 erreichte die CDU mit 39,6 % bzw. 37,8 % geringere Stimmenanteile (Tabelle 1).

Zweitstimmenvorsprung der CDU vor der SPD wieder angewachsen

In 36 der 37 Wahlkreise konnte die Baden‑Württembergische CDU bei der Bundestagswahl 2002 Zweitstimmengewinne erringen, lediglich im Wahlkreis Freiburg musste sie mit −0,2 Prozentpunkten minimale Stimmenverluste hinnehmen. In den Wahlkreisen Biberach, Zollernalb-Sigmaringen, Odenwald-Tauber und Rottweil-Tuttlingen erzielte die CDU bei der Bundestagswahl 2002 nicht nur zum wiederholten Male ihre besten Ergebnisse, sondern konnte gleichzeitig auch die absolute Mehrheit der Zweitstimmen erreichen. Weitere CDU-Hochburgen1 waren die Wahlkreise Calw, Ravensburg-Bodensee, Schwarzwald-Baar und Ulm. Die niedrigsten Zweitstimmenanteile hatten die Christdemokraten bei der Bundestagswahl 2002 in den Großstädten des Landes: namentlich in den Wahlkreisen Freiburg, Stuttgart I und II, Mannheim, Karlsruhe-Stadt und Heidelberg. Auch der Wahlkreis Lörrach-Müllheim zählte zu den christdemokratischen Diasporagebieten.2 In diesen Bundestagswahlkreisen erreichte die CDU weniger als 37 % der gültigen Zweitstimmen.

Bei sämtlichen Bundestags-, Landtags- und Europawahlen in Baden‑Württemberg konnte die CDU bislang einen Stimmenvorsprung vor den Sozialdemokraten aufweisen. Bei der Bundestagswahl 1953 war mit fast 30 Prozentpunkten Unterschied der bislang größte Stimmenvorsprung seitens der Union festgestellt worden. 1972 war der Abstand zwischen Christdemokraten und SPD auf knapp 11 Prozentpunkte geschrumpft, um dann bis zur Wahl 1983 wieder auf über 20 Prozentpunkte anzusteigen. Bei der Bundestagswahl 1998 hatte sich der Zweitstimmenabstand zwischen CDU und SPD auf nur noch 2,2 Prozentpunkte reduziert. Bei der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag 2002 wuchs der Vorsprung der CDU vor der SPD in Baden‑Württemberg wieder auf 9,3 Prozentpunkte.

Einbußen der Sozialdemokraten im Land zwar geringer als im Bund …

Deutschlandweit verzeichnete die SPD bei der Bundestagswahl 2002 einen Rückgang des Zweitstimmenanteils um 2,4 Prozentpunkte auf 38,5 %. Mit einem Minus von 2,1 Prozentpunkten fielen die Einbußen in Baden‑Württemberg zwar etwas geringer aus als im Bund, mit 33,5 % der Zweitstimmen reiht sich Baden‑Württemberg dennoch in die Gruppe der drei Bundesländer mit dem niedrigsten SPD-Landesergebnis ein. Lediglich in Sachsen (33,3 %) und Bayern (26,1 %) schnitten die Sozialdemokraten schlechter ab. Zu Zeiten der sozialliberalen Koalition hatte die Baden‑Württembergische SPD bei Bundestagswahlen von 1969 bis 1980 noch Zweistimmenanteile zwischen 37 und 39 % auf sich vereinen können. Bei den Bundestagswahlen 1983 bis 1994 kam die SPD in Baden‑Württemberg nur noch auf Zweitstimmenanteile um die 30 %. Mit 33,5 % der gültigen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2002 konnten die Sozialdemokraten zwar ihren Wahlerfolg von 1998 (35,6 %) nicht wiederholen, überschritten aber deutlich die 30%‑Marke.

… allerdings Verluste in allen Wahlkreisen des Landes

Auf Wahlkreisebene verzeichnete die SPD ausschließlich Rückgänge der Zweitstimmenanteile. Die geringsten Einbußen mit unter 1 Prozentpunkt hatten die Sozialdemokraten in den Wahlkreisen Waldshut, Lörrach-Müllheim, Stuttgart I, Freiburg und Tübingen zu verbuchen. In 6 Wahlkreisen mussten sie jedoch Zweitstimmenrückgänge von über 3 Prozentpunkten hinnehmen, wobei der stärkste Rückgang im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen (−3,9 Prozentpunkte) zu verzeichnen war. Das mit Abstand beste Resultat erzielte die SPD wiederholt im Wahlkreis Mannheim (41,3 %), dem einzigen Wahlkreis, in dem die SPD mehr als 40 % der Zweitstimmen erhielt. Weitere Hochburgen der Sozialdemokraten waren die beiden südbadischen Wahlkreise Lörrach-Müllheim und Emmendingen-Lahr, Karlsruhe-Stadt sowie die Wahlkreise Stuttgart II, Heilbronn und Göppingen. Bei den Diasporagebieten der Sozialdemokraten handelt es sich im Wesentlichen um traditionelle Hochburgen der CDU. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem Biberach (24,3 %) und die drei ebenfalls im Süden des Landes gelegenen Wahlkreise Zollernalb-Sigmaringen, Rottweil-Tuttlingen und Ravensburg-Bodensee. Aber auch die Wahlkreise Calw und Odenwald-Tauber zählten mit unter 30 % der Zweitstimmen zu den Diasporawahlkreisen der SPD.

GRÜNE im Land erzielten bei der Bundestagswahl 2002 Spitzenergebnis

Mit 11,4 % der Zweitstimmen (+2,2 Prozentpunkte gegenüber 1998) erzielten die GRÜNEN bei der Bundestagswahl 2002 ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl in Baden‑Württemberg. Auf Bundesebene lagen der Zweitstimmenanteil (8,6 %) und die Gewinne (+ 1,9 Prozentpunkte) etwas niedriger. In der Länderrangfolge belegten die GRÜNEN Baden‑Württembergs hinter Hamburg, Bremen und Berlin den 4. Platz. Bei ihrer ersten Bundestagswahl im Jahre 1980 hatten die GRÜNEN in Baden‑Württemberg lediglich 1,8 % der Zweitstimmen erhalten und lagen damit noch deutlich unter der 5%‑Marke. Im Laufe der 80er-Jahre konnten sie ihren Stimmenanteil jedoch deutlich steigern (1983 auf 6,8 % und 1987 auf 10,0 %). Zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 mussten die GRÜNEN mit nur 5,7 % der Zweitstimmen allerdings auch in Baden‑Württemberg – wie auch bundesweit – einen deutlichen Zweitstimmenrückgang hinnehmen. Bei den folgenden Bundestagswahlen 1994 und 1998 hat sich ihr Zweitstimmenanteil mit 9,6 % bzw. 9,2 % wieder merklich erhöht.

Die GRÜNEN konnten bei der Bundestagswahl 2002 in allen Wahlkreisen des Landes zulegen. Die stärksten Zuwächse erzielten sie mit jeweils 4 Prozentpunkten in ihren Hochburgen Heidelberg und Freiburg und konnten diese damit weiter ausbauen. Ihr bestes Ergebnis hatten die GRÜNEN mit 25 % der Zweitstimmen in ihrer Traditionshochburg Freiburg. Weitere überdurchschnittliche Ergebnisse konnten sie wiederholt vor allem in den Universitätsstandorten Stuttgart, Heidelberg, Karlsruhe und Tübingen erreichen. Sogar in ihren Diasporawahlkreisen, die teilweise den traditionellen CDU‑Hochburgen entsprechen, konnten die GRÜNEN Stimmengewinne verbuchen und erreichten dort zwischen 7 % und 9 % der Zweitstimmen (Schaubild 4).

2002: Verluste für die Liberalen im »Stammland« Baden‑Württemberg

Für die Liberalen zeigte sich auf Landes- und Bundesebene ein gegenläufiger Trend: Während sie bundesweit ihren Zweitstimmenanteil um 1,2 Prozentpunkte auf 7,4 % erhöhen konnten, musste die FDP/DVP in ihrem Stammland Baden‑Württemberg bei einem Verlust von 1,0 Prozentpunkt mit 7,8 % der Zweitstimmen ihr zweitniedrigstes Landesergebnis bei einer Bundestagswahl in Baden‑Württemberg hinnehmen. Nur 1969 hatte die FDP/DVP mit 7,5 % einen noch geringeren Zweitstimmenanteil in Baden‑Württemberg erhalten.

Mit diesem Ergebnis setzte sich der Abwärtstrend der FDP/DVP bei Bundestagswahlen in Baden‑Württemberg fort. Bei den Bundestagswahlen 1987 und 1990 hatten die Liberalen noch jeweils rund 12 % der Zweitstimmen erzielen können, 1994 waren es noch 9,9 %, 1998 noch 8,8 % und 2002, wie bereits erwähnt, 7,8 %. Außer in Baden‑Württemberg hatten die Freien Demokraten nur noch in Bayern geringfügige Zweitstimmenverluste erlitten, in allen anderen Bundesländern konnten sie hingegen Zuwächse von bis zu 3,7 Prozentpunkten verbuchen.

Die FDP/DVP erzielte in den Wahlkreisen Mannheim, Bruchsal-Schwetzingen und Offenburg Zweitstimmenzugewinne, im Wahlkreis Rhein-Neckar blieb der Stimmenanteil konstant. In allen anderen Wahlkreisen Baden‑Württembergs mussten die Liberalen jedoch Verluste bis knapp 3 Prozentpunkte hinnehmen. Am stärksten waren die Zweitstimmenrückgänge in den Wahlkreisen Tübingen und Stuttgart I

(−2,7 bzw. −2,6 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 1998). Trotz der Verluste im Wahlkreis Stuttgart I zählte dieser mit einem Zweitstimmenanteil von 9,3 % erneut zu den Hochburgen der FDP/DVP. Weitere Hochburgen waren 2002 der Wahlkreis Konstanz, wo die

Liberalen mit 9,5 % ihr bestes Landesergebnis erzielten, sowie die Wahlkreise Schwäbisch Hall-Hohenlohe, Böblingen, Waiblingen, Neckar-Zaber und Karlsruhe-Stadt.

Wahlbeteiligung in Bund und Ländern erneut rückläufig

Bei der Bundestagswahl 2002 war die Wahlbeteiligung in Bund und Land erneut rückläufig. Während bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag 1994 und 1998 – nach einer längeren Phase zunehmender »Wahlmüdigkeit« – die Beteiligung an Bundestagswahlen bundes- und landesweit wieder zugenommen hatte, setzte sich dieser Trend mit der Bundestagswahl 2002 nicht weiter fort: Lediglich 81,1 % (−2,0 Prozentpunkte gegenüber 1998) der insgesamt 7,4 Mill. wahlberechtigten Baden‑Württemberger gaben ihre Stimme ab. Bundesweit lag die Wahlbeteiligung bei nur noch 79,1 % und war mit einem Minus von 3,1 Prozentpunkten sogar noch stärker rückläufig als in Baden‑Württemberg. Mit der Beteiligungsquote von rund 81 % nahm Baden‑Württemberg im Bundesländervergleich hinter Bayern – dem einzigen Land mit gestiegener Wahlbeteiligung – den 2. Platz ein. Bei der Bundestagswahl im November 1972 war in Baden‑Württemberg noch eine Rekord-Wahlbeteiligung von 90,2 % erreicht worden. Danach hatte der Wahleifer sowohl bundesweit als auch in Baden‑Württemberg kontinuierlich nachgelassen. Der Tiefststand der Wahlbeteiligung wurde – mit Ausnahme der ersten Bundestagswahl 1949 – mit 77,4 % bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 erreicht.

Die Wahlbeteiligung war bei der Bundestagswahl 2002 in allen 37 Bundestagswahlkreisen rückläufig. Die höchsten Rückgange verzeichneten die Wahlkreise, die gleichzeitig auch bereits die niedrigste Wahlbeteiligung aufwiesen: Mannheim (76,0 %) und Schwäbisch Hall-Hohenlohe (78,2 %). Aber u.a. auch in den Wahlkreisen Offenburg, Lörrach-Müllheim, Karlsruhe-Stadt, Stuttgart II und Rastatt lag der Wahleifer unter dem Landesdurchschnitt von 81,1 %. Die höchste Wahlbeteiligung hatten die drei Wahlkreise Neckar-Zaber (84,3 %), Nürtingen (83,9 %) und Heidelberg (83,7 %) zu verzeichnen. Mit Rückgängen unter 1 Prozentpunkt waren in den Wahlkreisen Offenburg und Ravensburg-Bodensee die geringsten Abnahmen zu beobachten.

CDU gewann 30 der 37 Direktmandate im Land

Bei der letzten Bundestagswahl 2002 eroberte die CDU in Baden‑Württemberg mit 30 der 37 Wahlkreise wieder deutlich mehr Mandate als 1998, als sie 26 der 37 Baden‑Württembergischen Direktmandate gewinnen konnte. Dementsprechend erzielte die SPD bei der Bundestagswahl 2002 in sieben Wahlkreisen die Erststimmenmehrheit. Noch zur Bundestagswahl 1998 hatten die Sozialdemokraten 11 der 37 Baden‑Württembergischen Direktmandate gewonnen. Bei den Bundestagswahlen 1983, 1987 und 1990 hatte die SPD in Baden‑Württemberg jeweils nur ein Direktmandat erringen können. Bei der Bundestagswahl 1994 waren sie bei den Direktmandaten leer ausgegangen, denn die Christdemokraten hatten erstmals alle 37 Direktmandate in Baden‑Württemberg gewonnen. Seit der Bundestagswahl 1957 wurden die Direktmandate in Baden‑Württemberg ausschließlich von Kandidaten von CDU und SPD gewonnen. Auch bei der Bundestagswahl 2002 war es den Bewerbern der GRÜNEN, der Liberalen und anderer Parteien nicht gelungen, Erstmandate in Baden‑Württemberg zu erringen.

Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik der Bundestagswahl 2002

Neben den Wahlergebnissen in Bund, Ländern und Wahlkreisen steht auch das Wahlverhalten der Bürger immer wieder im Mittelpunkt des Interesses. So wird zum Beispiel gefragt, welche Bevölkerungsgruppen besonders stark von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und welche eher »wahlmüde« sind. Auch die Fragen »Wie setzt sich die Wählerschaft der großen und kleinen Parteien zusammen? Welche Parteipräferenzen haben jüngere und ältere Wähler, Männer und Frauen?« werden immer wieder gestellt.

Antworten auf diese Fragen gibt die Repräsentative Wahlstatistik, die bei der Bundestagswahl 2002 zum ersten Mal seit 1990 wieder durchgeführt wurde, nachdem sie bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998 ausgesetzt worden war. Die Repräsentative Wahlstatistik liefert Informationen über die Wahlbeteiligung und die Stimmabgabe nach Geschlecht und Altersgruppen. Darüber hinaus sind Aussagen über die Zusammensetzung der Wählerschaft von Parteien nach Geschlecht und Altersgruppen möglich. Anders als die Wahlanalysen der Forschungsinstitute spiegelt die Repräsentative Wahlstatistik nicht das erfragte, sondern das tatsächliche Wahlverhalten wider. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik sowohl für Bürger, Politik und Medien als auch für Meinungsforschungsinstitute von besonderem Interesse.

2002 waren doppelt so viele Senioren wie junge Wähler wahlberechtigt

Infolge der demografischen Alterung der Gesellschaft nimmt das Gewicht der älteren Wahlberechtigten immer mehr zu: Unter den Wahlberechtigten der Bundestagswahl 1980 war die Gruppe der unter 30‑Jährigen und die der über 60-Jährigen mit jeweils etwa 25 % noch annähernd gleich groß. Bei der Bundestagswahl 2002 war die Gruppe der jüngeren Wahlberechtigten mit knapp 16 % nur noch halb so groß wie die der Senioren, denn nahezu jeder dritte Wahlberechtigte war 60 Jahre und älter. Damit haben die älteren Wahlberechtigten stark an politischem Einflusspotenzial gewonnen, während die Möglichkeit der jüngeren Bevölkerung, auf das politische Geschehen per Stimmzettel Einfluss zu nehmen, rein quantitativ betrachtet, beträchtlich gesunken ist.

Je älter die Bürger, desto höher die Wahlbeteiligung

Diese Entwicklung wird noch dadurch verstärkt, dass die Wahlbeteiligung der jüngeren Wähler deutlich unter der der Älteren liegt. So blieb bei der letzten Bundestagswahl der Wahleifer der jungen Bürgerinnen und Bürger deutlich hinter dem der älteren Generationen zurück. Am 22. September 2002 gaben nahezu 80 % der über 60-Jährigen, jedoch nur knapp 70 % der unter 30-Jährigen ihre Stimmen ab. Die niedrigste Wahlbeteiligung wiesen die 21- bis 24-jährigen Baden‑Württemberger auf, von denen sich lediglich rund 67 % an der Wahl beteiligten. Mit zunehmendem Alter stieg die Wahlbeteiligung kontinuierlich an, die höchste Wahlbeteiligung wurde bei den 60- bis 69-Jährigen mit gut 85 % erreicht. Bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten war wiederum eine nachlassende Wahlbeteiligung zu beobachten. Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung der jüngeren Generation und der überdurchschnittlich hohen Beteiligungsquote älterer Menschen wird das durch die demografische Alterung der Gesellschaft erzeugte quantitative Ungleichgewicht zwischen älteren und jüngeren Wahlberechtigten bei den Wählern noch verschärft. Bei der Bundestagswahl 1980 lag der Anteil der unter 30-jährigen Wähler um lediglich 3,5 Prozentpunkte unter dem Anteil der über 60-jährigen Wähler. Bei der Bundestagswahl 2002 hingegen war der Seniorenanteil unter den Wählern aufgrund der demografischen Alterung und der höheren Wahlbeteiligung mehr als doppelt so groß wie der der unter 30-jährigen Wähler (Schaubild 6).

Wahlbeteiligung der Frauen erneut niedriger als die der Männer

Ebenso wie bei früheren Wahlen wiesen auch bei der Bundestagswahl 2002 Frauen insgesamt betrachtet eine geringere Wahlbeteiligung auf: So machten rund 79 % der Männer, jedoch nur 77 % der Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Im Gegensatz zu früheren Bundestagswahlen ist eine höhere Wahlbeteiligung von Männern jedoch nicht mehr durchgängig in allen Altersgruppen zu beobachten. Die 30- bis unter 60-jährigen Frauen wiesen sogar einen etwas höheren Wahleifer auf als ihre männlichen Altersgenossen. Von den unter 30-jährigen und den 60-jährigen und älteren Wahlberechtigten hingegen beteiligten sich mehr Männer als Frauen an den Wahlen. Ganz besonders ausgeprägt war die Differenz der Wahlbeteiligung zwischen den Geschlechtern bei den 70-Jährigen und Älteren: In dieser Altersgruppe gaben bei der Bundestagswahl 2002 immerhin knapp 82 % der wahlberechtigten Männer, jedoch nur gut 69 % der Frauen ihre Stimme ab.

Männer wählten häufiger CDU und Liberale, Frauen die Sozialdemokraten und die GRÜNEN

Hinsichtlich der Stimmabgabe von Männern und Frauen zeigten sich bei der Bundestagswahl 2002 folgende Unterschiede: Die CDU, die Liberalen und die sonstigen Parteien erzielten bei den Männern überdurchschnittliche, bei den Frauen unterdurchschnittliche Ergebnisse. Umgekehrt unterstützten Frauen häufiger als Männer die Sozialdemokraten und die GRÜNEN.

So gaben Männer und Frauen bei der Bundestagswahl 2002 in Baden‑Württemberg ihre Stimme ab:

ParteiinsgesamtMännerFrauen
CDU42,943,542,3
SPD33,531,735,1
GRÜNE11,310,811,7
FDP/DVP7,88,86,8
Sonstige4,65,14,1

Besonders ausgeprägt waren die geschlechtsspezifischen Parteipräferenzen im Falle der SPD: 35,1 % der Frauen, jedoch nur 31,7 % der Männer machten ihr Kreuz bei der SPD.

CDU wird immer häufiger von Senioren gewählt

Betrachtet man die Stimmabgabe nach Altersgruppen über die letzten beiden Jahrzehnte hinweg, so zeigt sich, dass sich hinsichtlich der Parteipräferenzen jüngerer und älterer Wähler offensichtlich deutliche Verschiebungen ergeben haben: Bei der Bundestagswahl 2002 haben lediglich die Senioren im Alter von 60 und mehr Jahren überdurchschnittlich oft die CDU gewählt. Von allen anderen Altersgruppen wurde die Union in unterdurchschnittlichem Maße unterstützt. Bei der Bundestagswahl 1990 hingegen erzielte die CDU nicht nur unter den Senioren, sondern auch unter den 45- bis 59-Jährigen überdurchschnittliche Erfolge und bei der Bundestagswahl 1980 lagen die Zweitstimmenanteile für die Union bereits bei den Wählerinnen und Wählern im Alter von 35 und mehr Jahren über dem Landesdurchschnitt. Das heißt, dass die CDU in Baden‑Württemberg immer seltener von jüngeren Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurde und einen zunehmenden Rückhalt bei den Senioren erfuhr. Auch bei den GRÜNEN zeigte sich ein gewisser »Alterungseffekt«: Während bei der Bundestagswahl 1980, als die GRÜNEN zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl kandidierten, vor allem die Jungwähler im Alter von 18 bis 24 Jahren die GRÜNEN wählten, sind es mittlerweile die mittleren Altersgruppen, die 35- bis 44-Jährigen, die die GRÜNEN besonders häufig wählen (Tabelle 2).

Bei der SPD wiederum zeigt sich mittlerweile kein klarer Zusammenhang mehr zwischen Alter und Parteipräferenz. Bei der Bundestagswahl 1980 wählten die unter 35-Jährigen noch überdurchschnittlich oft die SPD. Bei der Bundestagswahl 2002 zeigte es sich, dass sich die Altersgruppen in ihrer Neigung, die Sozialdemokraten zu wählen, nicht mehr sehr stark voneinander unterscheiden. Am seltensten gaben die 25- bis 34-Jährigen ihre Zweitstimme der SPD (32,4 %), am häufigsten die 35- bis 44-Jährigen mit 35,1 %. Auch bei den Liberalen ist zwischen Alter und Parteienpräferenz kein eindeutiger Zusammenhang erkennbar.

Neue Wahlkreiseinteilung bei der Bundestagswahl 2005

Für die Bundestagswahl 2005 wurden wieder Änderungen im Zuschnitt der Bundestagswahlkreise erforderlich. In Baden‑Württemberg ergaben sich Änderungen in folgenden Bundestagswahlkreisen:

  • 261 Böblingen
  • 263 Nürtingen
  • 267 Neckar-Zaber
  • 268 Heilbronn

Die Gemeinden Steinenbronn und Waldenbuch, die bei der Bundestagswahl 2002 noch zum Bundestagswahlkreis Böblingen gehört hatten, werden dem Bundestagswahlkreis Nürtingen zugeschlagen. Die Gemeinde Leingarten, die bei der Bundestagswahl 2002 noch Teil des Wahlkreises Heilbronn war, wird bei der anstehenden Bundestagswahl zum Wahlkreis Neckar-Zaber zählen. Diese Neugliederungen waren aufgrund von Änderungen der Bevölkerungszahlen notwendig geworden.

Auch in anderen Ländern mussten zum Teil erhebliche Änderungen der Wahlkreise vorgenommen werden. So hat zum Beispiel Thüringen nach der neuen für die Bundestagswahl 2005 geltenden Wahlkreiseinteilung einen Wahlkreis weniger und Bayern einen Wahlkreis mehr.

Bei der Bundestagswahl 2005 voraussichtlich knapp 320 000 Erstwähler

Die genaue Zahl der bei der Bundestagswahl 2005 wahlberechtigten Personen wird erst in der Wahlnacht zusammen mit dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis vorliegen, nachdem alle Kreiswahlleiter die Wahlberechtigtenzahlen gemeinsam mit dem Wahlergebnis ihres Bundestagswahlkreises gemeldet haben. Vor der Wahl kann die Zahl der Wahlberechtigten näherungsweise aus der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung abgeleitet werden. Bei Vorausrechnung der vorliegenden Daten bis zum Wahltermin am 18. September 2005 ergibt sich eine Zahl von rund 7,6 Mill. Deutschen im Alter von 18 und mehr Jahren in Baden‑Württemberg, die bei der kommenden Bundestagswahl wahlberechtigt sein werden.

Gegenüber der Bundestagswahl 2002 würde dies einen Anstieg der Wahlberechtigtenzahlen um etwa 168 000 bedeuten. Wie die langfristige Betrachtung zeigt, hat sich gegenüber der ersten Bundestagswahl 1949 die Zahl der Wahlberechtigen in Baden‑Württemberg nahezu verdoppelt. Allein in den letzten beiden Jahrzehnten ist die Wahlberechtigtenzahl im Land um über eine Million angestiegen. Mit einem Anteil von rund 52 % sind Frauen unter den wahlberechtigten Bürgern leicht überrepräsentiert.

Voraussichtlich knapp 320 000 junge Männer und Frauen werden sich im September erstmals an einer Bundestagswahl beteiligen können. Der Anteil der Jungwähler, also der Wahlberechtigen unter 30 Jahren, wird bei ca. 16 % liegen, der der Senioren im Alter von 60 und mehr Jahren bei über 30 %.

1 Als Hochburgen werden die Wahlkreise bezeichnet, in denen eine Partei die höchsten Zweitstimmenanteile erzielt hat.

2 Als Diasporagebiete werden die Wahlkreise bezeichnet, in denen eine Partei die niedrigsten Zweitstimmenanteile erzielt hat.