:: 8/2005

Demografische Entwicklung und Pflegebedürftigkeit in Baden‑Württemberg

Herausforderungen an die Pflegeeinrichtungen

Die demografische Alterung der Bevölkerung in Baden‑Württemberg ist absehbar. Dies wird Konsequenzen für den künftigen Bedarf an Pflegeplätzen und -personal haben. Sollten ältere Menschen in Zukunft genauso häufig pflegebedürftig werden wie heute, dann steigt die Zahl der zu versorgenden Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 um rund 70 %. Allerdings wären nicht alle Teile des Landes davon gleich stark betroffen. Dies sind Ergebnisse der jüngsten Status-quo-Modellrechung des Statistischen Landesamtes.

Fast zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden derzeit noch zu Hause versorgt. In den nächsten 25 Jahren könnte jedoch der Anteil der stationären Pflege zunehmen. Anhand verschiedener Szenarien lässt sich zeigen, dass das zahlenmäßige Verhältnis von potenziell pflegenden Angehörigen zu Pflegebedürftigen im Jahr 2030 ungünstiger sein wird als heute.

Die Zahl der Älteren wird bis zum Jahr 2030 stark ansteigen

Die Menschen in Baden‑Württemberg werden, wie in allen Industrieländern, immer älter. Es wird erwartet, dass dieser Trend anhält. Die steigende Lebenserwartung bewirkt zusammen mit der gesunkenen Geburtenrate eine tief greifende Änderung der Bevölkerungsstruktur. Immer mehr älteren Menschen stehen immer weniger jüngere gegenüber.

Ein Mittel, um sich eine Vorstellung von den bevorstehenden Veränderungen zu machen, sind Modellrechnungen, bei denen mögliche künftige Entwicklungen anhand verschiedener Annahmen »durchgespielt« werden. So basiert die Bevölkerungsvorausrechnung1.des Statistischen Landesamtes auf drei Annahmen:

  • Die Geburtenrate in Baden‑Württemberg bleibt auf dem, seit einigen Jahren in etwa stabilen, Niveau von 1,36 Kindern pro Frau.
  • Die Lebenserwartung steigt ähnlich wie in den letzten Jahrzehnten. Derzeit haben Frauen eine Lebenserwartung von 82 Jahren, Männer von fast 77 Jahren. Bis zum Jahr 2030 erhöht sich die Lebenserwartung von Männern und Frauen um etwa 3 Jahre.
  • Die EU-Osterweiterung und ein weiterhin bestehendes Gefälle zwischen wirtschaftlich erfolgreichen und weniger erfolgreichen Regionen in Deutschland führen zu weiteren Wanderungsgewinnen Baden‑Württembergs. Der durchschnittliche jährliche Zuwanderungsgewinn liegt bei 38 000 Personen.

Sollten diese Annahmen zutreffen, so wird die Einwohnerzahl Baden‑Württembergs im Jahr 2030 etwas höher liegen als heute. Die Altersstruktur der Bevölkerung wird sich aber merklich verändern (Schaubild 1). So geht die Zahl der unter 60-Jährigen zurück (von 55 % auf 30 %), während auf der anderen Seite die Zahl der Älteren deutlich steigt (von 24 % auf 53 %). Die Zahl der hochbetagten Menschen wird sich sogar weit mehr als verdoppeln (von 2 % auf 4 %).

Pflegebedürftigkeit nimmt mit dem Alter merklich zu

Pflegebedürftigkeit ist vor allem ein Phänomen des Alterns. Oft ist sie die Folge von Akuterkrankungen, die im Alter häufiger als in jüngeren Jahren auftreten, wie zum Beispiel Herz- und Kreislauferkrankungen. Pflegebedürftigkeit entsteht oft auch, wenn sich mit zunehmendem Alter chronisch verlaufende Krankheiten häufen. In der Fachsprache wird dieser Zustand als Multimorbidität bezeichnet.

Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, nimmt bei Frauen und Männern mit dem Alter deutlich zu. In Baden‑Württemberg ist heute weniger als ein halbes Prozent der unter 60-Jährigen pflegebedürftig.2 er Anteil der Pflegebedürftigen liegt bei den »jungen Alten« zwischen 60 und 65 Jahren lediglich bei 1,3 %, steigt aber bis zur Altersgruppe der 75- bis unter 80-Jährigen auf mehr als 8 % und erreicht bei den Hochbetagten zwischen 85 und 90 Jahren über 30 %, bei den über 90-Jährigen sogar mehr als 50 %.

Die heutigen Pflegehäufigkeiten weisen erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Frauen über 60 Jahre tragen als Gesamtgruppe ein höheres Pflegerisiko als Männer. Zwar ist der Anteil der Pflegebedürftigen bei Frauen in der Altersgruppe der 60- bis unter 75-Jährigen etwas niedriger als bei den Männern, bei den 75- bis 80-Jährigen ist er jedoch schon höher und nimmt mit dem Alter auch deutlich stärker zu als bei den Männern (vgl. Schaubild 2).

Ältere Menschen leben auch bei Pflegebedürftigkeit meist im eigenen Haushalt

Nur etwas mehr als 2 % aller 60-Jährigen und Älteren leben heute in Altenheimen und vergleichbaren Einrichtungen. Die übrigen fast 98 % bilden einen eigenen Privathaushalt. Der Anteil der Heimbewohner steigt zwar mit zunehmendem Alter an: Bei den 75-Jährigen und Älteren sind es etwa 6 %. Dennoch spielt sich das Leben im Alter heute weitaus überwiegend in den eigenen vier Wänden ab. Dabei verändern sich allerdings die Formen des Zusammenlebens je nach der Altersphase. So ist der Anteil der Einpersonenhaushalte bei den Älteren deutlich höher (Tabelle). Das Zusammenleben in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften spielt in allen Phasen bei den Älteren heute zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle.

Selbst bei Pflegebedürftigkeit können Ältere heute meist in der gewohnten Umgebung bleiben. Von den 189 000 älteren Pflegebedürftigen, die Ende 2003 in Baden‑Württemberg lebten, wurden fast zwei Drittel zu Hause versorgt (vgl. auch Schaubild 5). 75 000 Pflegebedürftige wurden ausschließlich durch Familienangehörige oder andere privat organisierte Hilfe zu Hause betreut. Die Pflegeversicherung zahlt für diese Form der Versorgung das so genannte Pflegegeld, dessen Höhe je nach Schwere der Pflegebedürftigkeit gestaffelt ist. Bei weiteren 44 000 Fällen wurde die Pflege ganz oder teilweise durch ambulante Dienste übernommen. In einem Pflegeheim stationär versorgt wurden gut 70 000 Pflegebedürftige im Alter von 60 und mehr Jahren.

Die mit der häuslichen Pflege verbundenen Aufgaben sind oft auf mehrere Schultern verteilt – im Schnitt sind es zwei bis drei Personen, die in private Pflegearrangements einbezogen sind. Dennoch trägt meist eine Person die Hauptverantwortung für Pflege und Betreuung. Nach den Ergebnissen von Infratest sind dies zu 80 % Familienangehörige. Einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 1998 zufolge handelte es sich bei einem Drittel aller privaten Hauptpflegepersonen um den Ehepartner und bei einem weiteren Drittel um die Tochter oder Schwiegertochter des Pflegebedürftigen.3

Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte bis 2030 um rund 70 % steigen

Angesichts der sich weiter fortsetzenden demografischen Alterung der Bevölkerung des Landes drängt sich die Frage nach der künftigen Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und nach ihrer Versorgung auf. Der künftige Pflegebedarf hängt dabei wesentlich davon ab, wie sich der Gesundheitszustand älterer Menschen bei steigender Lebenserwartung entwickelt. Da statistische Erkenntnisse aus der Vergangenheit fehlen, kann die künftige Entwicklung allenfalls anhand von Annahmen geschätzt werden.

Bei den Überlegungen zur künftigen Pflegebedürftigkeit stehen sich in der Fachwelt »Pessimisten« und »Optimisten« gegenüber. Pessimistisch sind die Anhänger der Medikalisierungsthese. Sie sind der Auffassung, dass der medizinisch-technische Fortschritt zwar die Sterblichkeit verringert, nicht aber den durchschnittlichen Gesundheitszustand der älteren Bevölkerung. Die Anhänger dieser These erwarten eine Zunahme chronischer Krankheiten und als Folge steigende Pflegebedürftigkeit. Nach der weitaus optimistischeren Kompressionsthese führt der medizinisch-technische Fortschritt zusammen mit einer zunehmend gesundheitsbewussteren Lebensführung nicht nur zu einer höheren Lebenserwartung, sondern auch zu einer Verlängerung der in Gesundheit verbrachten Lebensphase.

In der hier vorgestellten Status-quo-Modellrechnung bis zum Jahr 2030 wird allein der Einfluss der demografischen Alterung auf die Pflegebedürftigkeit im Land abgebildet. Es wird angenommen, dass alle übrigen Einflussgrößen – zum Beispiel der durchschnittliche Gesundheitszustand der Bevölkerung – sich in den nächsten 25 Jahren nicht verändern. Unterstellt man, dass die Pflegehäufigkeiten gleich bleiben, so würde sich die Zahl der Pflegebedürftigen im Alter von 60 und mehr Jahren bis 2030 um fast 73 % erhöhen. Von rund 189 000 älteren pflegebedürftigen Menschen im Jahr 2003 würde die Zahl der Pflegebedürftigen auf etwa 326 000 ansteigen (Schaubild 3). Mit dieser Zunahme verbunden wäre gleichzeitig eine Alterung der Pflegebedürftigen. Der Anteil der Hochbetagten an den 60-jährigen und älteren Pflegebedürftigen würde von knapp 40 % im Jahr 2003 bis auf 49 % im Jahr 2030 ansteigen.

Regional unterschiedliche Zunahme der Pflegebedürftigenzahl

Es wird erwartet, dass der demografisch bedingte Anstieg der Pflegebedürftigenzahlen in Baden‑Württemberg regional unterschiedlich stark ausfällt. Hierauf deuten auch die Ergebnisse der kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes hin. Danach haben Kreise, in denen die Bevölkerung heute bereits älter ist als im Landesdurchschnitt, bis 2020 eine geringere Alterung zu erwarten als Kreise, in denen der Altersdurchschnitt heute noch relativ niedrig ist. Wie stark die demografische Alterung die Zahl der Pflegebedürftigen in den Kreisen in den nächsten 15 Jahren steigen lassen könnte, veranschaulicht der demografische Index der Pflegefälle, der in Schaubild 4 dargestellt ist. Bei der Berechnung des demografischen Index wurden für alle Kreise die landesdurchschnittlichen Pflegehäufigkeiten angenommen.

Die Kreise im Ländlichen Raum im engeren Sinne und in den Randzonen der Verdichtungsräume mit heute noch vergleichsweise junger Bevölkerung haben, sowohl was die Zahl älterer Menschen als auch was die Zahl der Pflegebedürftigen betrifft, bis 2020 hohe Zunahmen zu erwarten. Die stärkste Dynamik aufgrund der demografischen Alterung dürfte die Entwicklung der Pflegebedürftigen in den Umlandkreisen Heilbronn, Karlsruhe und Breisgau-Hochschwarzwald entfalten. Auch in den übrigen Umlandkreisen, ebenso wie in vielen eher ländlichen Kreisen, liegt der demografische Index über dem Landesdurchschnitt von 100. Den niedrigsten Wert nimmt der demografische Index der Pflegefälle in den Stadtkreisen Heidelberg, Stuttgart, Freiburg, Mannheim, Ulm und Baden-Baden an, wo heute bereits überdurchschnittlich viele ältere Menschen leben. Wie hoch die Zahl der Pflegebedürftigen in Kreisen künftig tatsächlich sein wird, hängt allerdings von einer Reihe weiterer Faktoren ab, die hier nicht berücksichtigt werden konnten. Ein Einflussfaktor ist beispielsweise die Höhe des Angebots an stationären Pflegeplätzen.

90 % mehr stationär zu versorgende Pflegebedürftige bis 2030?

Besonders interessant für die Schätzung des künftigen Infrastruktur- und Personalbedarfs in der Pflege ist die Vorausschätzung der Zahl der Pflegebedürftigen nach Art der Pflege. Allerdings bedeutet die Verwendung konstanter Pflegehäufigkeiten hier eine weitere Einschränkung der Aussagekraft der Status-quo-Modellrechnung. Sie beinhaltet die Annahme, dass familiäre Pflege künftig genau so verfügbar sein wird wie heute. Angesichts der Tatsache, dass sich die Haushalts- und Familienstrukturen ändern, muss aber damit gerechnet werden, dass alte Menschen künftig weniger Unterstützungsleistungen aus dem unmittelbaren Familienkreis erwarten können. Die Ergebnisse der Status-quo-Modellrechnung werden daher in einer zweiten Stufe ergänzt durch ein Szenario zur Entwicklung des Pflegepotenzials durch die Tochter oder Schwiegertochter. Als potenziell pflegende Tochter oder Schwiegertochter wurden dabei 40- bis unter 60-jährige Frauen definiert, die verheiratet mit einem Partner zusammenleben und 0 bis maximal 20 Stunden erwerbstätig sind.

Laut Status-quo-Modellrechnung würde sich die Zahl der stationär versorgten 60-jährigen und älteren Pflegebedürftigen bis 2030 um etwa 46 000 gegenüber dem Stand des Jahres 2003 auf dann 117 000 erhöhen. Das bedeutet eine Zunahme um fast zwei Drittel. Die Zahl der durch professionelle Pflegedienste zu Versorgenden würde bis 2030 um 73 % auf 76 000 steigen, die Zahl der Pflegegeldempfänger um 79 % auf 133 000 (Schaubild 5, mittlere Säule). Diesen Modellergebnissen liegt allerdings die Annahme zugrunde, dass die Rahmenbedingungen der Pflege sich bis 2030 nicht ändern.

In dem Szenario zur Entwicklung des Pflegepotenzials durch die Tochter oder Schwiegertochter wurde zusätzlich untersucht, wie wahrscheinlich es ist, dass ältere Pflegebedürftige im Jahr 2030 genauso häufig wie heute von ihrer Tochter oder Schwiegertochter zu Hause versorgt werden. Die Betreuungswahrscheinlichkeit wurde anhand des Quotienten »Potenziell pflegende Töchter oder Schwiegertöchter je 100 Pflegebedürftige im Alter von 60 und mehr Jahren« abgebildet. Dieser Quotient sinkt im Szenario bis 2030 um mehr als 40 % von heute etwa 330 potenziell pflegenden (Schwieger-)Töchtern je 100 Pflegebedürftige auf nur noch 190. Verursacht wird der Rückgang des Betreuungsquotienten vor allem dadurch, dass die demografische Entwicklung die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich ansteigen lässt, während aus dem gleichen Grund die Zahl 40- bis unter 60-jähriger Frauen im Jahr 2030 in etwa auf heutigem Niveau liegt.4

Um dieses Ergebnis auf die Zahl der Pflegebedürftigen nach Pflegearten im Jahr 2030 übertragen zu können, mussten weitere Annahmen getroffen werden. Erstens wurde in Anlehnung an eine repräsentative Infratest-Befragung (siehe oben) angenommen, dass heute 33 % aller Pflegegeldempfänger von Tochter oder Schwiegertochter gepflegt werden. Zweitens wurde angenommen, dass sich die grundsätzliche Pflegebereitschaft der potenziellen Pflegepersonen nicht ändert. Der Anteil der Pflegegeldempfänger, der durch die (Schwieger-)Tochter versorgt wird, sinkt in diesem Szenario um den gleichen Prozentsatz wie der Betreuungsquotient. Demnach würde die Zahl der Pflegegeldempfänger bei gesunkenem Betreuungsquotienten im Jahr 2030 um etwa 18 000 oder knapp 14 % niedriger liegen als bei konstantem Betreuungsquotienten. In der rechten Säule von Schaubild 5 wurden diese 18 000 Pflegebedürftigen komplett den stationär Versorgten zugerechnet.

Zwar kann die Überlastung privater Pflegepersonen auch teilweise durch die Unterstützung ambulanter Pflegedienste ausgeglichen werden, gleichzeitig wird es durch den Rückgang des Pflegepotenzials aber auch bisher durch ambulante Pflegedienste teilversorgte Pflegebedürftige geben, die aufgrund fehlender Pflegepersonen stationär versorgt werden müssen.

Allein dieses eher zurückhaltende Szenario eines zurückgehenden Betreuungsquotienten würde im Jahr 2030 schon eine erhebliche Verschiebung der Pflegestruktur bewirken. Während bei unverändertem Betreuungsquotienten nur 36 % aller Pflegebedürftigen stationär versorgt werden müssten, würde dieser Anteil im Szenario mit sinkendem Betreuungsquotienten auf 41 % ansteigen. Der Anteil der Pflegegeldempfänger würde entsprechend sinken. Die Zahl der im Jahr 2030 stationär versorgten Pflegebedürftigen liegt in der Modellvariante mit sinkendem Betreuungsquotienten um über 90 % über dem heutigen Niveau.

Künftig wird die häusliche Pflege durch Familienangehörige seltener

Die häusliche Pflege durch den Partner wurde bei dem hier vorgestellten Szenario zum Pflegepotenzial nicht mit einbezogen. Laut Infratest hat sie heute die gleiche Bedeutung wie die Pflege durch die (Schwieger-)Tochter. Bei weiter steigender Lebenserwartung liegt daher die Frage nahe, ob künftig eine steigende Pflegewahrscheinlichkeit durch den Ehe- oder Lebenspartner den Rückgang des Betreuungsquotienten durch die (Schwieger-)Tochter ausgleichen könnte.

Im Jahr 2003 lebten knapp 80 % der Männer und etwa die Hälfte der Frauen mit einem Lebenspartner zusammen. Frauen leben im Alter häufiger allein, weil sie aufgrund ihrer Lebenserwartung ihre Ehemänner häufiger überleben. Außerdem führen die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs in der Altersgruppe der 75-Jährigen und Älteren heute noch zu einem größeren Frauenüberschuss. Bis zum Jahr 2030 wird dies allerdings keine Rolle mehr spielen.

Wie häufig ältere Menschen künftig mit Partner zusammenleben, wird außerdem von der steigenden Häufigkeit nicht ehelicher Lebensgemeinschaften, steigenden Scheidungshäufigkeiten und sinkender Heiratsneigung beeinflusst. Die Frage, wie sich diese Trends in der Summe auswirken könnten, wurde ebenfalls mithilfe von Modellrechnungen unter verschiedenen Annahmen untersucht.5. Dabei ergab sich, dass selbst unter »optimistischen« Annahmen der Anteil älterer Frauen, die mit Partner leben, im Jahr 2030 nicht höher liegt als 2003. Der Anteil älterer Männer, die mit Partnerin leben, würde nach diesen Berechnungen sogar sinken. Die Wahrscheinlichkeit, dass der mögliche Rückgang der Betreuung durch die (Schwieger-)Tochter bis zum Jahr 2030 ausgeglichen werden könnte, ist vor diesem Hintergrund damit eher als gering einzuschätzen.

Folgen für den Bedarf an Personal in Pflegeeinrichtungen

Für die Versorgung der rund 120 000 Personen, die zum Jahresende 2003 von den Pflegeheimen und Pflegediensten in Baden‑Württemberg betreut wurden, beschäftigten die Träger der Einrichtungen rund 88 600 Menschen als Voll- und Teilzeitkräfte. Etwa 54 % des Personals hat einen Abschluss in einem pflegerischen Beruf, einem nicht ärztlichen Heilberuf oder aber einen hauswirtschaftlichen Berufsabschluss. Die Übrigen haben keinen bzw. einen fachfremden Berufsabschluss oder sie befinden sich noch in der Ausbildung.

Der künftige Personalbedarf an Pflegeeinrichtungen hängt wesentlich von der Entwicklung der Pflegebedürftigenzahlen und des Potenzials an häuslicher Pflege ab. Wird der heutige Personalbestand je Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 als konstant angenommen, so lassen sich die Schätzungen zur Entwicklung der stationär und ambulant versorgten Pflegebedürftigen in den geschätzten künftigen Personalbedarf umrechnen. Sollten Pflegebedürftige im Jahr 2030 genauso häufig wie heute von Familienangehörigen oder privat organisierten Hilfen versorgt werden, dann würde sich der Bedarf an Pflegepersonal in etwa verdoppeln und läge bei rund 163 000 Personen (Schaubild 6: »konstanter Betreuungsquotient«). Sollte die familiäre Pflege seltener werden, so könnte dies sogar zu einem noch höheren Personalbedarf führen. In diesem Fall wären im Jahr 2030 etwa 184 000 Pflegekräfte erforderlich, um die gestiegene Zahl an Pflegebedürftigen zu versorgen (Schaubild 6: »sinkender Betreuungsquotient«).

Modellrechnungen sind keine Vorhersagen

Aus heutiger Sicht scheint es wahrscheinlich, dass Pflegebedürftige im Jahr 2030 seltener als heute zu Hause gepflegt werden. Die Änderung der Altersstruktur der Bevölkerung und die sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen deuten darauf hin. Gleichwohl ist zu beachten, dass die hier ermittelte Zahl der Pflegebedürftigen und der daraus resultierende Personalbedarf unter sehr vereinfachten Annahmen berechnet wurde. In der Modellrechnung ändern sich lediglich die Bevölkerungsstrukur und das private Pflegepotenzial in der angenommenen Weise. Weitere Einflussfaktoren wie mögliche Veränderungen der altersspezifischen Pflegerisiken oder der Dauer von Pflegebedürftigkeit, Änderungen des Versicherungssystems mit Auswirkungen auf die Bewertung von Pflegebedürftigkeit oder die Höhe der Leistungen für ambulante und stationäre Pflege sind in die Modellrechnungen nicht eingeflossen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die Ergebnisse, so wie sie hier dargestellt werden, eintreten werden. Dennoch zeigen sie deutliche Tendenzen auf, weisen auf mögliche zukünftige Engpässe hin und erfüllen damit die typische Aufgabe von Modellrechnungen.

1 Bevölkerungsvorausrechnung vom Januar 2003, Variante 1, Basisjahr 2001.

2 Der Artikel bezieht sich ausschließlich auf Pflegebedürftige laut Pflegeversicherungsgesetz, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Alle Angaben zum Anteil der Pflegebedürftigen an den Altersgruppen basieren auf der Pflegestatistik und beziehen sich auf den Durchschnitt der Berichtsjahre 1999, 2001, 2003.

3 Infratest-Ergebnisse 1998 zitiert nach: Schneekloth, Ulrich/Müller, Udo: Wirkungen der Pflegeversicherung, München 1999, S. 51.

4 Für eine ausführliche Darstellung der Szenarien »Pflege durch die (Schwieger-)Tochter« siehe »Trends und Fakten 2004 – Einfluss der demografischen Entwicklung auf die Pflege- und Krankenhausversorgung« (Abschnitt 3.5) (Zitierweise: »Trends und Fakten 2004«).

5 »Trends und Fakten 2004« (Abschnitt 3.4).