:: 8/2005

Luftbelastung in den Stadt- und Landkreisen Baden‑Württembergs

Luftreinhaltung und Klimaschutz sind zentrale Themen der aktuellen Umweltschutzpolitik. Die Erstellung von Luftreinhalteplänen und die Erarbeitung von Klimaschutzkonzepten werden auf verschiedener regionaler Ebene diskutiert und vorangetrieben. Dazu sind auch sektoral und regional gegliederte Informationen über Entstehungsstrukturen sowie zur zeitlichen Entwicklung der Emissionen von Luftschadstoffen und Klimagasen in methodisch vergleichbarer Form erforderlich.

Im vorliegenden Beitrag werden die unter Klimaschutzaspekten besonders relevanten CO2-Emissionen sowie die im Hinblick auf die verbindlichen EU-Grenzwerte für die Luftbelastung besonders zu beachtenden NOX- und Feinstaub-Emissionen in der regionalen Gliederung nach Stadt- und Landkreisen dargestellt.

Klimaschutz und Luftreinhaltung als regionale Ziele

Als Indikatoren für die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden die Ergebnisse von Immissionsmessungen herangezogen. Besonders im Blickfeld stehen dabei derzeit die Feinstaubbelastungen, die in einigen Städten und Gemeinden die seit Januar 2005 gültigen EU-Grenzwerte übersteigen. Aber auch für NOX werden verschiedentlich Konzentrationen gemessen, die deutlich über dem ab 2010 gültigen Grenzwert liegen, sodass weitere Anstrengungen zur Verringerung der Luftbelastung erforderlich sind.

Die Notwendigkeit von Klimaschutzkonzepten, insbesondere zur Reduzierung der Klimagas-Emissionen, leitet sich aus den für die globale Erwärmung der Erdatmosphäre wissenschaftlich weit gehend belegten Ursachen und den resultierenden Folgewirkungen ab. Insbesondere die Reduzierung der CO2-Emissionen ist erforderlich, um die Vorgaben des Kyoto-Protokolls bzw. die im Umweltplan des Landes formulierten Ziele zu erreichen. Durchgreifende Erfolge machen hierfür Maßnahmen auf regionaler Ebene erforderlich.

Mehr CO2 durch Kraftwerke und Verkehrssektor

Die Emittentenstrukturen sind beim CO2 sowie den besonders zu beachtenden Stickoxiden (NOX) und PM10-Feinstäuben1 sehr verschieden. Von den jährlichen Emissionen an CO2, für deren Entstehung fast ausschließlich der Verbrauch fossiler Energieträger maßgebend ist, entfallen im Landesdurchschnitt über 40 % auf industrielle Feuerungen und Kraftwerke für die öffentliche Versorgung (Tabelle). Dabei sind die Emissionen aus industriellen Feuerungen seit 1990 spürbar zurückgegangen (−19 %), während die der Kraftwerke um 21 % zugenommen haben. An zweiter Stelle folgt der Straßenverkehr, dessen 2-Emissionen seit 1990 kontinuierlich angestiegen sind (+17 %). Hinzu kommen die Emissionen des sonstigen Verkehrs (Schiffs-, Bahn-, Luft- sowie Offroadverkehr), sodass der Verkehrssektor insgesamt fast ein Drittel der jährlichen CO2-Emissionen im Land ausmacht. Die verbleibenden rund 28 % werden durch Feuerungen bei Haushalten, Kleingewerbe-, Handels- und Dienstleistungsbetrieben sowie anderen Kleinverbrauchern verursacht. Ihr Anteil ist seit 1990 bei absolut gesehen leichter Zunahme der Emissionen nahezu unverändert geblieben.

Im Gegensatz zu den Daten über Immissionsbelastungen, die aus kontinuierlich oder zeitlich befristet durchgeführten lokalen Messungen der Luftschadstoffkonzentrationen resultieren, werden Daten über Emissionen zum weitaus überwiegenden Teil durch Modellrechnungen auf der Grundlage geeigneter Indikatoren für emissionsrelevante Aktivitäten in der Gliederung nach Stadt- und Landkreisen sowie zugehöriger spezifischer Emissionsfaktoren ermittelt. Der Schätzcharakter der Modellrechnungen liegt sowohl in der Auswahl der verfügbaren Indikatoren als auch der Ermittlung der zugehörigen Emissionsfaktoren, die nur in größeren Zeitabständen überprüft und gegebenenfalls revidiert werden. Je nach konkretem Modell- und Berechnungsstand2 resultieren deshalb unterschiedliche Ergebnisse. Ein zentraler Indikator für die Entwicklung der Emissionen ist die Menge und die Zusammensetzung des Energieverbrauchs. Beim Straßenverkehr sind es die Kilometer-Fahrleistungen, gegliedert nach Fahrzeugarten und Schadstoffminderungsklassen sowie differenzierten Straßenkategorien, die maßgebend sind für die Höhe der Emissionen an Luftschadstoffen. Für besonders umweltrelevante und deshalb nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen liegen Einzelmessungen oder -berechnungen zu den an die Umwelt abgegebenen Emissionen vor, die in die Berechnungsmodelle einfließen.

Regional sehr unterschiedliche Verursacherstrukturen für CO2

Auf der Ebene der Stadt- und Landkreise bestehen gravierende Unterschiede in den Emittentenstrukturen, und die Pro-Kopf-Emissionen an CO2 streuen außerordentlich stark zwischen knapp 4 Tonnen im Rems-Murr-Kreis und gut 38 Tonnen je Einwohner und Jahr in der Stadt Heilbronn (Schaubild 1). Hauptursache für die großen regionalen Unterschiede ist die räumliche Konzentration der besonders emissionsrelevanten Kraftwerke und großen Industriefeuerungen. Dabei ist bis auf wenige Ausnahmen in allen Kreisen der Ausstoß von CO2 aus industriellen Feuerungen zurückgegangen. Bei den Kraftwerken ist die Entwicklung uneinheitlich und hängt stark von der jeweiligen Auslastung ab. Neben den Anstrengungen der Industrie zur Einsparung von Primärenergie wurde dort mehr und mehr auf den Fremdbezug von Strom und Fernwärme gesetzt. Diese Zunahme des Stromverbrauchs in der Industrie (+11 % seit 1990) hat indirekt zu höheren CO2-Emissionen bei den Kraftwerken für die öffentliche Versorgung geführt.

Bei den Sektoren »Haushalte und Kleinverbraucher« einerseits sowie »Straßenverkehr und sonstiger Verkehr« andererseits sind die regionalen Unterschiede zwar deutlich geringer ausgeprägt, dennoch bestehen auch hier bemerkenswerte Abweichungen bei den für die Stadt- und Landkreise je Einwohner errechneten CO2-Emissionen. Die Unterschiede bei den Haushalten und Kleinverbrauchern erklären sich nicht allein aus den Abweichungen im Gesamtenergieverbrauch, sondern auch durch klimatische Einflüsse. Von wesentlichem Gewicht ist vor allem auch die stark differierende Brennstoff-(Energieträger-)Struktur. In einigen Kreisen mindert der hohe Anteil von Strom und Fernwärme bei Heizung und Wasserbereitung die direkten CO2-Emissionen. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Einsatzrelation zwischen leichtem Heizöl und Erdgas bei Wohnungen. Erstens verursacht Erdgas einen um 24 % geringeren CO2-Ausstoß als leichtes Heizöl und zweitens streut der Anteil der erdgasbeheizten Wohnungen in den Kreisen zwischen knapp 5 und über 70 %.

Beim Straßenverkehr, der in den Stadt- und Landkreisen zwischen 1,4 und 3,6 Tonnen an CO2-Emissionen pro Einwohner verursacht, erklären sich die Unterschiede in erster Linie durch abweichende Verkehrstrukturen. Vor allem ist die Belastung durch überörtlichen Straßenverkehr auf Autobahnen und anderen Außerortsstraßen zu berücksichtigen. Wie auf Landesebene ist bei steigendem Anteil des Verkehrssektors auch in den meisten Stadt- und Landkreisen seit 1990 kein merklicher Rückgang der CO2-Emissionen erzielt worden.

70 % der NOX-Emissionen im Verkehrssektor

Bei den jährlichen NOX-Emissionen dominiert im Landesdurchschnitt eindeutig der Verkehr. Dieser verursacht immerhin fast 70 % der gesamten NOX-Emissionen (Tabelle). Davon macht der Straßenverkehr den weitaus überwiegenden Teil (53 Prozentpunkte) aus. Rund 17 % entfallen auf den sonstigen Verkehr, der sich aus Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr sowie in erheblichem Umfang dem so genannten Offroadverkehr in Landwirtschaft, Baustellen sowie Industrie- und Militäranlagen zusammensetzt. Die übrigen Sektoren »Industrie und Kraftwerke« sowie »Haushalte/Kleinverbraucher« machen knapp 21 bzw. unter 10 % der jährlichen NOX-Emissionen aus. Die Entwicklung war seit 1990 – ganz anders als beim CO2 – mit −34 % stark rückläufig. In erster Linie verringerte die Einführung geregelter Katalysatoren und sonstiger Abgasminderungsmaßnahmen die NOX-Emissionen um immerhin 42 %. Aber auch die NOX-Emissionen aus Kraftwerken haben um 34 % und die aus industriellen Feuerungen sogar um 41 % abgenommen. Beim Sektor »Haushalte und Kleinverbraucher« wurde bislang kaum eine Reduzierung der NOX-Emissionen erreicht.

In den Stadt- und Landkreisen, wo vor allem geprägt vom Straßenverkehr seit 1990 meist ein starker Rückgang festzustellen ist, ist die Belastung durch NOX-Emissionen sehr verschieden hoch. Die Pro-Kopf-Emissionen streuen zwischen 8 Kilogramm im Rems-Murr-Kreis und fast 35 Kilogramm in Mannheim je Einwohner und Jahr (Schaubild 2). Abgesehen von den durch die großen Kraftwerke und Industriefeuerungen hervorgerufenen regionalen Verzerrungen, sind die verbleibenden deutlichen Abweichungen vor allem durch den Straßenverkehr zu erklären. Die 2002 in den Kreisen durch den Straßenverkehr verursachten NOX-Emissionen streuen zwischen 5 und 18 Kilogramm pro Einwohner. Große Bedeutung hat dabei der Anteil des überörtlichen Verkehrs auf Autobahnen und anderen Außerortsstraßen. Von besonderer Relevanz im Hinblick auf die ab 2010 einzuhaltenden NOX-Immissionsgrenzwerte sind die innerorts verursachten NOX-Emissionen, die insbesondere in den Stadtkreisen auffällig hohe Anteile aufweisen.

43 % der Feinstaub-Emissionen durch Verkehr

Für die Höhe der Feinstaub-Emissionen sind neben den energieverbrauchsbedingten Emissionen in erheblichem Umfang auch Prozesse in der Industrie und anderen Bereichen maßgeblich. Im Straßenverkehr entstehen zusätzlich zu den durch Abgase bedingten Emissionen in erheblichem Umfang auch Feinstäube durch Reifen- und Bremsabrieb. Im Landesdurchschnitt entfallen 43 % der gesamten jährlichen Feinstaub-Emissionen auf den Sektor »Verkehr« (Tabelle). Der Straßenverkehr macht davon rund 26 Prozentpunkte, der sonstige Verkehr rund 17 Prozentpunkte aus. Nicht einbezogen sind dabei die im Straßenverkehr und sonstigen Verkehr durch Aufwirbelung verursachten Feinstaub-Emissionen. Bei Analysen der Verursacherstruktur der Immissionskonzentrationen sind diese »Aufwirbelungen« mit ins Kalkül einzubeziehen. Entsprechende aktuelle Untersuchungen3 gehen davon aus, dass die durch Aufwirbelung verursachten PM10-Stäube mehr als das 3-fache der durch Brems- und Reifenabrieb bedingten Feinstaub-Emissionen ausmachen. Damit stiege der Anteil des Straßenverkehrs und sonstigen Verkehrs an den jährlichen Emissionen deutlich an.

Gut 30 % der im Land emittierten Feinstäube werden durch Prozesse in Industrie und anderen Bereichen (zum Beispiel Landwirtschaft, Güterumschlag) verursacht. Aus Feuerungsanlagen der Energieversorgung, der Industrie sowie der Kleinfeuerungen in Haushalten und Kleingewerbebetrieben resultiert rund ein Viertel der jährlichen Feinstaub-Emissionen.

In den Stadt- und Landkreisen ist die Belastung durch straßenverkehrsbedingte Feinstaub-Emissionen je Einwohner sehr verschieden hoch. Die errechneten Werte streuen zwischen 250 und 700 Kilogramm pro Tausend Einwohner (Schaubild 3). Die Erklärung liegt – wie bei den NOX-Emissionen – hauptsächlich in der regional stark differierenden Belastung durch überörtlichen Verkehr auf Autobahnen und anderen Außerortsstraßen.

Von besonderer Relevanz für die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte ist die Menge der auf innerörtlichen Straßen emittierten Feinstäube, die wegen der hohen »Besiedlungsdichte« in den Stadtkreisen deutlich höher ausfällt als in den meisten Landkreisen. Allerdings ist auch bei relativ geringen innerörtlichen Feinstaub-Emissionen auf Landkreisebene nicht auszuschließen, dass besonders stark befahrene Straßenabschnitte durch den Straßenverkehr hoch belastet sind. Bei der wichtigen Frage der zu erwartenden Entwicklung der Feinstaub-Emissionen durch den Straßenverkehr ist von großer Bedeutung, dass nur ein Teil davon abgasbedingt ist. Dieser wird durch die verbesserte Ausstattung der Kraftfahrzeuge mit Abgasreinigungsvorrichtungen, insbesondere mit Partikelfiltern, zumindest mittelfristig zurückgehen. Zunehmen wird das Gewicht der allein fahrleistungsabhängigen Emissionen durch Abrieb und Aufwirbelung.4.

1 PM10 – Feinstaub mit einer Korngröße der Staubpartikel von maximal 10 Mikrometer Durchmesser; 10 Mikrometer sind einhundertstel Millimeter, das heißt auf einen Kubikmillimeter kommen mindestens 1 000 000 Staubpartikel.

2 Den Darstellungen liegt der Berechnungsstand Mai 2005 zugrunde.

3 I. Düring et. al.: Berechnung der Kfz-bedingten Feinstaubemissionen infolge Aufwirbelung und Abrieb für das Emissionskataster Sachsen, Ing.-büro A. Lohmeyer, Karlsruhe und Dresden, November 2004.

4 Vgl. Büringer, Helmut/Stenius, Walter: Emissionen im Straßenverkehr: Entwicklung bis 2020, Statistisches Monatsheft Baden‑Württemberg 5/2005.