:: 8/2005

Die Region Hochrhein-Bodensee – Stärken und Schwächen aus dem Blickwinkel des Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg

In seiner Reihe der Regionenhefte stellt das Statistische Landesamt nacheinander alle zwölf Regionen des Landes Baden‑Württemberg vor. Das aktuelle Heft über die Region Hochrhein-Bodensee ist das elfte in dieser Reihe, in der die Stärken und Schwächen der Regionen anhand von Daten und Analysen der amtlichen Statistik aufgezeigt werden. Auf 60 Seiten werden hierzu die Themen von der Abfallwirtschaft über die Bevölkerungsentwicklung bis zum Verkehr behandelt. Anlässlich der Vorstellung des Regionenheftes Hochrhein-Bodensee hielt die Präsidentin des Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg, Frau Dr. Meister-Scheufelen, am 26. April 2005 einen Vortrag vor der IHK Hochrhein-Bodensee. Die wesentlichen Inhalte sind hier zusammengefasst wiedergegeben.

Bevölkerungsentwicklung bis 2020

Im Jahr 2003 lebten über 661 000 Menschen in der Region. Bis ins Jahr 2020 wird nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes die Bevölkerungszahl in der Region noch einmal um 6,5 %, das heißt um ca. 36 000 Menschen auf knapp 697 000 zunehmen und damit leicht über den Zuwachsraten des Landes von 5,3 % liegen. Neben den zu erwartenden Veränderungen der Bevölkerungszahl werden die gravierenden Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung von weitaus größerer Tragweite sein (Schaubild 1). Die Bevölkerungsvorausrechnung zeigt dabei vier Phänomene:

  • Die Bevölkerung altert, das heißt, das Durchschnittsalter steigt. Im Jahr 2020 wird das Durchschnittsalter der Bevölkerung in der Region voraussichtlich von 41,1 auf 44,4 Jahre angestiegen sein (Schaubild 2).
  • Der Anteil der unter 20-Jährigen nimmt um knapp 14 % ab.
  • Die Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen, also das Erwerbspotenzial, nimmt nochmals um gut 6 % zu. Aufgrund der Alterung der Belegschaften wird damit die berufliche Weiterbildung immer bedeutender und ein wichtiger Standortfaktor.
  • Die Zahl der 60-Jährigen und Älteren steigt überproportional an, die der »Hochbetagten« im Alter ab 85 Jahren sogar um 59 %. Damit verbunden ist eine höhere Nachfrage nach Gesundheitsgütern und Gesundheitsdienstleistungen, aber auch ein erhöhter Bedarf an Pflegeheimplätzen.

Wohnungsdefizit im Landkreis Konstanz

Für die Region Hochrhein-Bodensee stellt sich das Problem der Wohnungsversorgung weit gehend entspannt dar. Fehlten hier noch Mitte der 1990er-Jahre über 7 000 Wohnungen, so wurde für das Jahr 2002 bereits eine rechnerische Voll- bzw. Überversorgung mit 2 600 Wohnungen ermittelt. Lediglich der Landkreis Konstanz wies noch ein Wohnungsdefizit auf. Bis zum Jahr 2020 wurde für die Region Hochrhein-Bodensee ein Bedarf von etwa 43 000 zusätzlichen Wohnungen errechnet. Der künftig zu erwartende Wohnungsbedarf wird zum einen von der steigenden Zahl der Haushalte – mit immer weniger Haushaltsmitgliedern – ausgelöst, aber auch durch den Ersatzbedarf (Abriss, Umwidmung).

Übergangsquoten auf weiterführende Schulen

Zum Schuljahr 2003/04 wechselte in der Region etwa jeder dritte Grundschüler auf eine Hauptschule, im Landesdurchschnitt waren es 32 %. Realschulen wurden in der Region mit 33 % häufiger gewählt als im Landesmittel. Die Übergangsquote auf die Gymnasien hingegen liegt um 3 Prozentpunkte unter dem Landeswert von 35 %. Während der Landkreis Konstanz mit einem Anteil von 37 % etwas besser dasteht, wechseln im Landkreis Waldshut mit 26 % deutlich weniger Grundschüler auf das Gymnasium als anderswo. Gründe hierfür sind in der eher dünnen Besiedlung des Landkreises zu sehen, der zudem als »topografisch schwierig« gilt. Auch das Verhalten der Eltern könnte eine weitere Ursache für die niedrige Übergangsquote im Landkreis Waldshut sein, da sie der Grundschulempfehlung nicht folgen können oder wollen.

Verfügbares Einkommen in der Region liegt bei 16 700 Euro

Im Jahr 2002 schuf ein Erwerbstätiger in der Region durchschnittlich Werte in Höhe von 49 300 Euro. Das waren im Schnitt 9 % weniger als im Land. Die Bruttowertschöpfung stieg landesweit von 1992 bis 2002 nominal um 29 %. In der Region lag die Zuwachsrate geringfügig darunter. Mit dem verfügbaren Einkommen je Einwohner, in dem alle Einkommensbestandteile sowie Abgaben wie Einkommensteuer und Sozialbeiträge zusammengefasst werden, lassen sich Angaben zur Wirtschaftskraft der Einwohner gewinnen. Danach stehen den Einwohnern der Region Hochrhein-Bodensee durchschnittliche Jahreseinkommen von 16 700 Euro zur Verfügung, landesweit sind es 17 800 Euro. Unter den Landkreisen der Region fallen die Einkommenswerte für den Landkreis Lörrach mit 17 000 Euro am höchsten aus.

Bei der Interpretation der Daten in Bezug auf den Wohlstand der Bevölkerung muss berücksichtigt werden, dass nur jene wirtschaftlichen Leistungen gemessen werden, die innerhalb der Grenzen einer Region erbracht worden sind. Die innerhalb der Region geschaffenen Werte liegen deutlich unter denjenigen, die von allen Regionsangehörigen geschaffen wurden, da etliche Einwohner der Region zum Beispiel in der Schweiz beschäftigt sind.

Arbeitsmarkt auch von der Schweiz bestimmt

Ein wichtiger Maßstab für die Situation der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes ist die Zahl der Arbeitsplätze je 1 000 Einwohner. Zuletzt lag sie in der Region Hochrhein-Bodensee mit 294 je 1 000 Einwohner deutlich unter dem Landeswert (355 je 1 000 Einwohner). Die Arbeitslosenquote lag im Dezember 2004 in der Region bei 6,9 %, was in etwa dem Landesdurchschnitt (7,0 %) entspricht. Auch die Struktur der Arbeitslosigkeit entspricht weit gehend der des Landes.

Eine Beschreibung der Erwerbsmöglichkeiten der Bewohner der Region ausschließlich anhand des Arbeitsplatzangebotes wäre jedoch im Falle der Region Hochrhein-Bodensee unvollständig. Denn erstaunlicherweise weist die Region auf den ersten Blick – trotz der unterdurchschnittlichen Arbeitsplatzdichte – traditionell einen leicht positiven Pendlersaldo aus: Im Jahre 2003 pendelten 1 800 mehr Arbeitnehmer zum Arbeiten ein als aus. Allerdings werden bei dieser Auswertung, die auf Daten der Bundesagentur für Arbeit beruht, lediglich die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Arbeitsort in Deutschland erfasst. Nicht berücksichtigt werden die Grenzgänger, bei denen der Hauptwohnsitz in einem anderen Staat liegt als der Arbeitsort.

Durch die Grenzlage der Region bestehen traditionell grenzüberschreitende Verflechtungen im Bereich Arbeitsmarkt, vor allem mit der Schweiz. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee waren im Jahr 2002 rund 30 000 deutsche Grenzgänger der Region in der Schweiz beschäftigt, während es in umgekehrter Richtung nur wenige 100 sind. Damit ist faktisch von einem Auspendlerüberschuss in der Region in einer Größenordnung von knapp 30 000 Personen auszugehen. Knapp die Hälfte der in der Schweiz arbeitenden Grenzgänger wohnt im Landkreis Lörrach. Ein Drittel der in der Region ansässigen Beschäftigten, die täglich zur Arbeit über die Grenze in die Schweiz fahren, kommen aus dem Landkreis Waldshut, weitere 20 % aus dem Landkreis Konstanz. Die einseitigen Pendlerströme werden durch attraktive Arbeitsplätze in der Schweiz bestimmt. Auch das Lohnniveau der Schweiz ist im Vergleich zur Region höher, während gleichzeitig in der Region Hochrhein-Bodensee die Lebenshaltungskosten niedriger sind als in der Schweiz.

Wirtschaftsstruktur der Region entspricht dem Land

Nach der üblichen Einteilung in drei Wirtschaftssektoren arbeiteten im Jahr 2003 in der Region Hochrhein-Bodensee fast 43 % aller Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe und 56 % im Dienstleistungsbereich. Das entspricht in etwa den Landeswerten. Im intraregionalen Vergleich werden jedoch wirtschaftsstrukturelle Unterschiede deutlich. Im Landkreis Konstanz ist der Dienstleistungsbereich mit einem Anteil an den Beschäftigten von knapp 61 % besonders stark vertreten und liegt deutlich über dem Regionen- und dem Landeswert. In den Landkreisen Lörrach und Waldshut hingegen ist der Anteil des tertiären Sektors mit jeweils rund 53 % leicht unterrepräsentiert.

Die beschäftigungsintensivsten Branchen der Region

Der neue Branchenspiegel ermöglicht es, die Branchenstruktur einer Region über alle Bereiche der Wirtschaft hinweg zu betrachten (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft). Mit diesem Branchenspiegel, der aus den Daten des neuen Unternehmensregisters erstellt wurde, verfügt das Statistische Landesamt über einen Datenpool, der vielfältige Auswertungen zur Struktur der Wirtschaft im Land möglich macht, wie zum Beispiel die Ermittlung der beschäftigungsintensivsten Branchen einer Region, welche anhand der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gemessen werden (Schaubild 3):

  • Das Gesundheits- und Sozialwesen ist – nach den Ergebnissen des Branchenspiegels – die beschäftigungsintensivste Branche in der Region. Hier arbeiteten gut ein Zehntel der gesamten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Erstaunlich ist, dass die Zahl der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen in der Region – wie auch im Land insgesamt – die des Maschinenbaus übersteigt. Auch in allen drei Kreisen der Region ist das Gesundheits- und Sozialwesen die Top-Branche.
  • Während der Maschinenbau, die Baden‑Württembergische Schlüsselbranche, landesweit die zweitbedeutendste Stelle innehat, ist dieser Bereich im Branchenranking von Hochrhein-Bodensee mit Rang 6 deutlich unterrepräsentiert.
  • In der Region hingegen ist die zweite Top-Branche der Einzelhandel. Im landesweiten Branchenmix belegt diese den dritten Platz.
  • Das Baugewerbe rangiert in der Region an dritter Stelle. Im Landesdurchschnitt ist dieses an sechster Stelle angesiedelt.
  • Sowohl landesweit als auch in der Region nehmen die unternehmensnahen Dienstleistungen den vierten Rang ein.
  • Nach wie vor prägt die chemische Industrie den Wirtschaftsraum Hochrhein-Bodensee. Auch dieser Wirtschaftszweig ist unter den zehn Top-Branchen der Region, während er landesweit von geringerer Bedeutung ist.
  • Einen weiteren bedeutenden Wirtschaftszweig für die Region stellt traditionell das Gastgewerbe dar.

Innovationskraft der Region liegt im unteren Mittelfeld

Das künftige Wachstums- und Beschäftigungspotenzial der Wirtschaft hängt nicht zuletzt von ihrer Fähigkeit ab, neue Technologien zu entwickeln und anzuwenden. Anhand eines neuen Innovationsindex untersucht das Statistische Landesamt die technologische Leistungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit verschiedener Regionen.1

Nach dem Innovationsindex verfügt Baden‑Württemberg über die höchste Innovationskraft in der Europäischen Union. Ausschlaggebend für die Spitzenposition im EU-weiten Innovationsindex ist vor allem die außerordentlich starke technologische Basis des Landes. Innerhalb des Landes zeigen sich große regionale Unterschiede: Die technologischen Hochburgen befinden sich in der Region Stuttgart sowie der Region Bodensee-Oberschwaben. Die Region Hochrhein-Bodensee belegt im Hinblick auf ihre Innovationskraft einen Platz im unteren Mittelfeld. Die Schwächen der Region Hochrhein-Bodensee liegen im technologischen Status quo, insbesondere in einem vergleichsweise geringen Besatz mit industriellen Hochtechnologiebranchen. Bei einem Vergleich der technologischen Entwicklung seit Mitte der 1990er-Jahre schneidet die Region dagegen besser ab. Insbesondere die Zahl der inländischen Patentanmeldungen je Einwohner hat sich an Hochrhein und Bodensee überdurchschnittlich dynamisch entwickelt.

Bei der Bewertung der am Ende des Landesinnovationsindex liegenden Regionen darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich hierbei um die Schlussgruppe innerhalb des EU-weit innovationsstärksten Landes handelt. Ein ungünstiges Abschneiden im Landesranking ist vor diesem Hintergrund zu relativieren.

Tourismus ist wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region

Der Tourismus hat sich in der Region Hochrhein-Bodensee schon seit geraumer Zeit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor mit einer arbeitsmarktpolitisch bedeutenden Komponente im Prozess der Umstrukturierung von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Die Fremdenverkehrsintensität lag 2003 in der Region mit 5,7 Übernachtungen je Einwohner deutlich über dem Landesdurchschnitt. Jeder neunte Übernachtungsgast in der Region war ausländischer Herkunft. Wie in Baden‑Württemberg insgesamt bilden die Schweizer in der Region die größte Gruppe bei den Auslandsgästen.

1 Siehe Weinmann, Thomas: Baden‑Württemberg ist die innovativste Region der EU, in: Statistisches Monatsheft Baden‑Württemberg 10/2004, S. 20 ff.