:: 9/2005

Beschäftigung – Wer wird wo gezählt und wo erfolgt der Nachweis?

Auf die scheinbar einfache Frage, wer eigentlich wo beschäftigt ist, kennt die amtliche Statistik mehrere Antworten, die durchaus auch sehr unterschiedlich ausfallen können. Zu dieser Themenstellung kamen schon bisher mehrere Datenquellen in Betracht, insbesondere der Mikrozensus, die Erwerbstätigenrechnung, die Beschäftigtenstatistik sowie verschiedene Bereichsstatistiken. Mit dem neu aufgebauten Unternehmensregister existiert nunmehr noch eine weitere Datenquelle, die ebenfalls Beschäftigtenangaben enthält, und zwar zudem in zwei unterschiedlichen Darstellungsformen. Dies soll zum Anlass genommen werden, den Inhalt und die Aussagekraft der verschiedenen Größen zu erläutern und sie anhand der Ergebnisse für das Jahr 2002 gegenüberzustellen. Die erhebliche Bandbreite der Gesamtergebnisse für Baden-Württemberg von knapp 3,7 Mill. bis zu 5,2 Mill. nachgewiesenen Personen verdeutlicht sehr anschaulich, dass die Frage nach der »richtigen« Zahl für den jeweiligen Zweck für den Datennutzer nicht ganz unerheblich ist, zumal die relativen Unterschiede in der regionalen bzw. wirtschaftssystematischen Darstellung sogar noch größer ausfallen können.

Starke Abweichungen der Gesamtergebnisse aus verschiedenen Quellen

Eine gängige Anfrage an das Statistische Landesamt könnte etwa wie folgt lauten: Wie viele Personen sind derzeit in Baden-Württemberg beschäftigt? Der Kunde ist vermutlich der Ansicht, damit sein Anliegen präzise formuliert zu haben. Umso überraschter wird er reagieren, wenn unsererseits nachgefragt wird, wofür diese Ergebnisse benötigt werden bzw. welche Schlussfolgerungen daraus abgeleitet werden sollen. Wie Schaubild 1 für das Jahr 2002 verdeutlicht, kann die amtliche Statistik dazu nämlich sehr unterschiedliche Daten zur Verfügung stellen, wobei die Darstellung auf sehr grob zusammengefasste Wirtschaftsbereiche1 sowie die Quellen reduziert ist, die ein relativ breites Spektrum der Wirtschaft abdecken.2 Bereits bei der Gesamtzahl der nachgewiesenen »Beschäftigten« liegt der höchste Wert von 5,2 Mill. (Erwerbstätigenrechnung) um 42 % über dem niedrigsten Ergebnis von knapp 3,7 Mill. (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort). In den Dienstleistungsbranchen sind die relativen Unterschiede sogar noch deutlich größer. Zudem stehen die verschiedenen Größen keineswegs in einer festen Relation zueinander. Auf jeden Fall weisen die Erwerbstätigen – als umfassendste der behandelten Größen – in beiden Darstellungsvarianten (Wohn- und Arbeitsort) überall die höchsten Werte auf.

Wesentliche Gründe für die Abweichungen

Worin sind nun diese Unterschiede begründet? Die Ursache lässt sich darauf reduzieren, dass die Fragestellung zumindest vier verschiedene Ebenen aufweist, die – je nach Zweckstellung und Nachweisschwerpunkt der einzelnen Statistiken – unterschiedlich abgegrenzt sein können. Konkret sind dies eine sachliche, eine zeitliche, eine räumliche sowie eine wirtschaftliche Dimension.

Wer wird überhaupt zu den Beschäftigten gezählt?

Bei der sachlichen Abgrenzung geht es zunächst um die grundsätzliche Frage, wer überhaupt als »Beschäftigter« betrachtet wird. Sehr weit gefasst sind dabei die sowohl im Mikrozensus als auch in der Erwerbstätigenrechnung nachgewiesenen Erwerbstätigen.3 Hierzu zählen alle Personen, die eine auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Tätigkeit auch nur in sehr geringem Umfang ausüben, allerdings mit der Maßgabe, dass jede Person grundsätzlich nur einmal nach dem Tätigkeitsschwerpunkt gezählt wird. Neben den Arbeitern und Angestellten sind hier auch die Beamten, Soldaten, Selbstständigen, geringfügig Beschäftigten sowie mithelfenden Familienangehörigen einbezogen. Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigen (SV-Beschäftigte), die den Nachweisschwerpunkt der Beschäftigtenstatistik und des Unternehmensregisters bilden, umfassen dagegen nur die Arbeiter und Angestellten. Alle anderen genannten Gruppen einschließlich der geringfügig Beschäftigten werden hier also nicht mitgezählt. Bei den SV-Beschäftigten handelt es sich also um die Teilmasse der »normalen Arbeitnehmer« unter den Erwerbstätigen, die bereits definitionsgemäß geringer ausfallen muss.

Wie ist der Zeitbezug?

Bei der zeitlichen Dimension können grundsätzlich Betrachtungszeitpunkte (Stichtage) oder -zeiträume unterschieden werden. In der Beschäftigtenstatistik erfolgt der Nachweis viermal jährlich jeweils zum Stichtag am Quartalsende. Das Unternehmensregister folgt dem gleichen Konzept, allerdings sind hier die SV-Beschäftigten nur zum letzten Kalendertag eines Jahres verfügbar. Als weitere Besonderheit kommt hinzu, dass nur die Beschäftigten der Betriebe bzw. Unternehmen mit Sitz im Land mitgerechnet werden, die jeweils 2 Jahre später noch aktiv sind. Wurde also ein Betrieb inzwischen geschlossen oder in ein anderes Bundesland verlegt, so werden die Beschäftigten von vor 2 Jahren nicht mehr berücksichtigt. Abweichend zu diesen Stichtagsregelungen wird in der Erwerbstätigenrechnung jeweils der Durchschnitt eines Zeitraums (Monat, Quartal oder Jahr) zugrunde gelegt, wobei in Schaubild 1 der Jahresdurchschnitt dargestellt ist. Der Mikrozensus nimmt beim Zeitbezug eine Zwischenposition ein, denn hier wird an einem Stichtag (bisher im Regelfall im April) nach der Erwerbsbeteiligung in der vorhergehenden Woche gefragt. Wenn die Beschäftigtenzahl saisonal schwankt oder tendenziell zu- oder abnimmt, unterscheidet sie sich also je nach konkretem Zeitbezug.

Was wird zu Baden-Württemberg gerechnet?

Die räumliche Dimension zielt auf die Frage, wo eine Person nachgewiesen wird. Ob sie also beispielsweise zu Baden-Württemberg gerechnet wird oder nicht. Zunächst kann hier zwischen dem Inländer- und dem Inlandskonzept unterschieden werden. Zu den Inländern zählen alle Einwohner eines Landes. Der Nachweis erfolgt am Wohnort, wobei auch Beschäftigte mitgezählt werden, die im Ausland, in einem anderen Bundesland oder – in der Darstellung nach Kreisen – auch einem anderen Kreis arbeiten. Das Inlandskonzept korrespondiert dagegen zum Nachweis am Arbeitsort, der im Sinne des Unternehmensregisters wiederum der Darstellung nach Betrieben entspricht. Die Differenz zwischen den beiden Konzepten sagt damit etwas über die Bedeutung grenzüberschreitender Pendlerströme aus.

Ein zusätzliches Element kommt bei der Darstellung nach Unternehmen hinzu, denn hier werden alle Beschäftigten der zugehörigen Betriebe (örtlichen Einheiten) aufaddiert. Der Nachweis erfolgt am rechtlichen Sitz des Unternehmens, auch wenn der Arbeitsort (Betrieb) und/oder der Wohnort des Beschäftigten anderswo liegen, beispielsweise in einem anderen Bundesland. Diese Darstellung dient also weniger dem Nachweis der Beschäftigung »vor Ort«. Sie ist eher ein Indikator für das von einem Gebiet ausgehende wirtschaftliche Potenzial.

Wie erfolgt die wirtschaftliche Zuordnung?

Bei der wirtschaftlichen Dimension schließlich geht es darum, nach welchen Kriterien bzw. Verfahren die Branchenzuordnung erfolgt. Grundsätzlich folgen alle genannten Quellen der deutschen Wirtschaftszweigsystematik WZ, die wiederum aus der EU-weit verbindlichen NACE4abgeleitet ist. Die Darstellung des Unternehmensregisters bezieht sich dabei auf die neuere Ausgabe WZ 2003, während sich die anderen Statistiken für das Jahr 2002 noch auf die Vorgängerversion WZ 93 stützen. Da sich die beiden Ausgaben der Systematik aber auf höherer Aggregationsebene – abgesehen von einigen Benennungen – kaum unterscheiden, beeinflusst dieser methodische Unterschied die Ergebnisse nur sehr unwesentlich. Deutlich gravierendere Auswirkungen hat dagegen die Frage, auf welche wirtschaftliche Einheit sich die Tätigkeitszuordnung bezieht. Bei der Unternehmensdarstellung ist dabei der Tätigkeitsschwerpunkt des gesamten Unternehmens entscheidend, auch wenn einzelne Betriebsstätten abweichende Aufgaben erledigen. So wird zum Beispiel ein von einer Gemeinde betriebenes Wasserwerk zwar als Betrieb dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet, in der Unternehmensdarstellung erfolgt der Nachweis aber unter den öffentlichen Dienstleistern (nämlich bei der Gemeinde als »Unternehmen«).

Alle anderen Darstellungen orientieren sich dagegen zumindest theoretisch am Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebs, also der örtlichen Einheit. Allerdings ist auch dieses theoretische Konzept mit gewissen Abstrichen zu versehen, je nachdem, wie die Angaben konkret gewonnen werden: So erfolgt die Zuordnung beim Mikrozensus entsprechend den Angaben der befragten Privatpersonen, die häufig mit den statistischen Zuordnungsprinzipien kaum vertraut sein dürften. Die Erwerbstätigenrechnung stützt sich dagegen auf eine Vielzahl von Basisstatistiken, mit denen tendenziell eine präzisere Zuordnung erfolgen kann. Hierzu zählt auch die Beschäftigtenstatistik, bei der die Verschlüsselung der Tätigkeit nach den Angaben des Betriebes durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Diese Zuordnung wird im Regelfall für den Betrieb auch in das Unternehmensregister übernommen. Allerdings kann sie hier auch korrigiert werden, wenn Zweifel bestehen oder abweichende Angaben aus einer Primärerhebung vorliegen, zu der die Einheit auskunftspflichtig ist.

Welche Gliederungstiefe ist möglich?

Neben diesen inhaltlichen Besonderheiten unterscheiden sich die genannten Statistiken auch hinsichtlich der möglichen (regionalen und wirtschaftssystematischen) Nachweistiefe erheblich. Die inhaltlich umfassende Erwerbstätigenrechnung orientiert sich als Bestandteil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen schwerpunktmäßig am Nachweis stark aggregierter Daten. Veröffentlicht werden maximal 15 originäre Wirtschaftsbereiche sowie einige daraus abgeleitete Zusammenfassungen auf Landesebene. Auch im Mikrozensus stellt die Erwerbstätigkeit nur einen Teilbereich aus einem sehr umfangreichen Fragenprogramm dar. Als Stichprobenerhebung ist die Nachweismöglichkeit auch hier relativ beschränkt, und zwar auf fünf originäre Wirtschaftsbereiche in den Regionen des Landes. In der Beschäftigtenstatistik und im Unternehmensregister beruhen die Daten dagegen auf den Einzelangaben für alle SV-Beschäftigten bzw. alle Betriebe mit SV-Beschäftigten. Damit bieten sich hier wesentlich günstigere Möglichkeiten für differenziertere Auswertungen. Während der Schwerpunkt bei der Beschäftigtenstatistik dabei auf persönlichen Merkmalen der Beschäftigten liegt, sind Betriebs- und Unternehmensmerkmale wie zum Beispiel die Unternehmensgröße ausschließlich im Unternehmensregister verfügbar. Auswertungsgrenzen bilden bei beiden Quellen lediglich Konventionen über Auswertungsprogramme sowie das Erfordernis einer Mindestbelegung der Tabellenfelder (Geheimhaltungsproblematik).

Erläuterung der Ergebnisunterschiede

Bei Kenntnis dieser Zusammenhänge lassen sich aus der Tabelle bzw. Schaubild 1 die wesentlichen Schlussfolgerungen ziehen: So lässt sich Baden-Württemberg per saldo als Einpendlerland charakterisieren. Dies zeigt sich sowohl bei den Erwerbstätigen insgesamt als auch bei den SV-Beschäftigten. Der genaue Umfang des Saldos sowie seine Verteilung auf die Wirtschaftsbereiche lässt sich jedoch aus einem Vergleich der beiden Erwerbstätigendarstellungen wegen unterschiedlicher zeitlicher Abgrenzungen und der vergleichsweise fraglichen Wirtschaftszweigzuordnung im Mikrozensus nicht genauer bestimmen. Bezogen auf die SV-Beschäftigten betrug dieser Saldo Ende 2002 knapp 150 000 Personen, wobei in allen Wirtschaftsbereichen ein Einpendlerüberschuss bestand. Auch wenn die unterschiedlichen Zeitabgrenzungen eine exakte Quantifizierung nicht zulassen, lag die Zahl der Erwerbstätigen im Land 2002 um ein gutes Drittel über den SV-Beschäftigten. Beschäftigte außerhalb der Sozialversicherungspflicht spielen dabei allerdings im Produzierenden Bereich eine deutlich geringere Rolle als in den verschiedenen Dienstleistungsbereichen. Vor allem in stärker von kleineren Unternehmen geprägten Branchen wie dem Gastgewerbe oder auch dem Handel dürften hierfür insbesondere tätige Inhaber und mithelfende Familienangehörige sowie ggf. auch geringfügig Beschäftigte verantwortlich sein. Im Bildungsbereich und in der öffentlichen Verwaltung dagegen spielen vor allem die Beamten eine wesentliche Rolle.

Ende 2002 waren 2,7 % der SV-Beschäftigten in Betrieben tätig, die 2 Jahre später zumindest in Baden-Württemberg nicht mehr existierten. Die SV-Beschäftigten in baden-württembergischen Betrieben und Unternehmen unterscheiden sich mit 3,71 gegenüber 3,70 Mill. insgesamt kaum. Angesichts der sehr geringen Differenz lässt sich Baden-Württemberg damit insgesamt weder als typischer Betriebsstandort noch als typisches Unternehmenssitzland charakterisieren. In der Aufgliederung nach Wirtschaftsbereichen zeigt sich hier allerdings ein etwas differenzierteres Bild: Während das Land im Produzierenden Gewerbe per saldo eher ein Unternehmenssitzland darstellt, lässt es sich in den Dienstleistungsbereichen Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen schwerpunktmäßig als Betriebsstandort einstufen. Verantwortlich dafür sind vor allem die Teilbereiche Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie Banken und Versicherungen, in denen viele baden-württembergische Filialen von Unternehmen aus einem anderen Bundesland gesteuert werden.

Stuttgarter Unternehmen strahlen stark nach außen

Eine Aufgliederung dieses Zusammenhangs nach Kreisen innerhalb des Landes in der Grobaufteilung zwischen Produzierendem Gewerbe und den einbezogenen Dienstleistungsbereichen in Schaubild 2 belegt aber nachdrücklich, dass Baden-Württemberg in sich diesbezüglich keineswegs homogen ist. Vor allem die Landeshauptstadt Stuttgart zeichnet sich nämlich insbesondere im Produzierenden Gewerbe, aber auch bei den Dienstleistungen als Standort von Unternehmen aus, die auch im Umland und teilweise in anderen Bundesländern über beschäftigungsstarke Betriebe verfügen. In diesem Sinne werden per saldo über 300 000 Arbeitsplätze über die Gemeindegrenze »exportiert«. In weit geringerem Umfang gilt dies allerdings nur noch für weitere vier Kreise des Landes, nämlich für die Landkreise Alb-Donau-Kreis, Tübingen und Breisgau-Hochschwarzwald sowie für den Stadtkreis Heidelberg. In allen anderen baden-württembergischen Kreisen übertrifft dagegen die Zahl der Betriebsbeschäftigten diejenige in Unternehmen mehr oder weniger stark, das heißt, hier sind häufiger Menschen in Betrieben beschäftigt, deren Unternehmenssitz außerhalb des Kreises liegt. Besonders ausgeprägt ist dies im unmittelbar an die Landeshauptstadt angrenzenden Landkreis Böblingen. Daneben finden sich unter den Kreisen mit den höchsten entsprechenden Salden unter anderem weitere Landkreise im Stuttgarter Einzugsbereich (Ludwigsburg, Esslingen, Reutlingen) sowie mit Mannheim, Freiburg und Karlsruhe immerhin drei Stadtkreise.

1 Einbezogen sind nur die Wirtschaftsbereiche, die von allen dargestellten Quellen gemeinsam erfasst werden. Zur konkreten Abgrenzung siehe i-Punkt.

2  2 Bei der Frage nach einer bestimmten Branche können ggf. noch weitere Daten aus Bereichsstatistiken (zum Beispiel im Verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe, im Handel oder in ausgewählten Dienstleistungsbereichen) infrage kommen.

3 Noch weiter gefasst sind die hier nicht berücksichtigten Erwerbspersonen, zu denen neben den Erwerbstätigen auch die Erwerbslosen rechnen.

4 Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne.