:: 10/2005

Schwangerschaftsabbrüche seit 1997

Die Entwicklung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche (gemeinhin als Abtreibungen bezeichnet) steht seit Jahren im Blickpunkt öffentlichen Interesses. Während in den letzten Jahren – insgesamt gesehen – keine gravierenden Veränderungen auffielen, gibt es doch Teilaspekte, in denen Verschiebungen stattfanden. Gerade bei den minderjährigen Frauen ist ein Anstieg der Eingriffe festzustellen, der aufmerksam zu verfolgen ist. Daneben zeigten sich auch bei den Behandlungsorten und -methoden abweichende Tendenzen.

Nur wenige gesellschaftliche Themen wurden und werden so kontrovers diskutiert wie der Abbruch einer Schwangerschaft. Auf der einen Seite steht als religiös-moralische Institution vor allem die katholische Kirche, deren Oberhaupt an seinem uneingeschränkten Verbot festhält und keine Kompromissbereitschaft zeigt und vor dem Hintergrund einer Argumentation um das Töten ungeborenen Lebens wohl auch nicht zeigen kann. Auf der entgegengesetzten Seite steht die Forderung, schon seit den 70er-Jahren vor allem durch die Frauenbewegung postuliert, dass es sich unter dem Schlagwort »mein Bauch gehört mir« um ein geradezu persönliches Recht handelt, das letztlich jede betroffene Frau für sich in Anspruch nehmen kann, ohne – von welcher Institution auch immer – bevormundet zu werden.

Zwischen diesen doch sehr gegensätzlichen Positionen befindet sich mit der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsgebilde, das zwar weit gehend säkularisiert scheint, auf der anderen Seite aber weiterhin schwer am Erbe der jüngeren Deutschen Geschichte trägt. Der Staat versucht sich ethisch in einem Spagat, indem er – soweit keine kriminologischen oder medizinischen Gründe vorliegen – eine Beratungsregelung vorschreibt, ohne deren Inanspruchnahme kein legaler Schwangerschaftsabbruch in Deutschland möglich ist (i-Punkt 1). Ziel dieser Regelung soll sein, die Frau in ihrem Konflikt zu beraten und – wenn möglich – bei ihr dahingehend Überzeugungsarbeit zu leisten, das Kind auszutragen. Die betroffene Frau, die sich all dem entziehen will und über die entsprechenden Geldmittel verfügt, wird sich im Zweifelsfall zum Zwecke des Eingriffs in das benachbarte Ausland begeben, wo es eine ganze Reihe von Einrichtungen gibt, die sich auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisiert haben. Frauen, welche sich für diesen Weg entscheiden, können von der amtlichen Statistik nicht erfasst werden.

Zur Bewertung religiöser, moralischer und ethischer Fragen kann die amtliche Statistik kaum einen Beitrag leisten, wohl aber zur Beantwortung der Frage, wie hoch die Zahl der Abbrüche ist und ob und in welchem Maße sie sich im zeitlichen Verlauf verändert hat. Hierzu liefert das Statistische Bundesamt als erhebende Stelle nicht nur Daten für das Bundesgebiet insgesamt, sondern auch für die einzelnen Bundesländer, nicht jedoch für deren Stadt- und Landkreise. Die Auswertung erfolgt sowohl nach dem Land, in dem der Eingriff vorgenommen wird, als auch nach dem Herkunftsland der Frauen, die sich dem Eingriff unterziehen.1 Dieser Beitrag verfolgt die Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche von Frauen, die in Baden-Württemberg wohnen. Das Jahr 1997 wurde als Basisjahr der Untersuchung gewählt, da erst von diesem Zeitpunkt an konsistente Zahlen für die hier ansässigen Frauen zur Verfügung stehen.

Abbrüche von Frauen aus Baden-Württemberg

Von der Anzahl her blieben die Schwangerschaftsabbrüche von Frauen aus Baden-Württemberg verhältnismäßig konstant. Sie bewegten sich mit leichten Schwankungen zwischen 14 654 im Jahr 1997 und 14 300 im Jahr 2004. Über 95 % dieser Eingriffe wurden mit leicht steigender Tendenz im eigenen Land vorgenommen (Tabelle 1).

Diese absoluten Zahlenwerte gewinnen an Aussagefähigkeit, sobald man sie zur weiblichen Bevölkerung des Landes im gebärfähigen Alter in Beziehung setzt. Das gebärfähige Alter wurde in einer Altersklasse von 15 bis unter 48 Jahre zusammengefasst. Danach ließen 609 von 100 000 Frauen dieser Altersgruppe im Jahr 1997 ihre begonnene Schwangerschaft abbrechen, 2004 waren es 588. In den Jahren dazwischen gab es geringfügige Zu- und Abnahmen. Demnach kann auch hinsichtlich des Bezugs auf die weibliche Bevölkerung von einer weit gehend stabilen Lage ausgegangen werden. Es zeigte sich eine nur sehr geringe Abschwächungstendenz.

In das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerieten in den vergangenen Jahren zunehmend die Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger. Bei den unter 18-jährigen war ab dem Jahr 2000 tatsächlich ein starker Anstieg derartiger Eingriffe zu verzeichnen. Allein von 1999 auf 2000 nahm die Zahl der Fälle von 486 auf 586 zu (+ 21 %), um im darauffolgenden Jahr nochmals um 11 % zuzulegen. Vom Ausgangsjahr 1997 auf 2004 stieg die Zahl der Abbrüche Minderjähriger von 516 auf 798 und damit um mehr als die Hälfte an.

Wegen der in den Jahren nach 2000 stärker besetzten Altersgruppe Minderjähriger im gebärfähigen Alter (15 bis unter 18 Jahre) fiel unter direktem Bezug auf diese Altersklasse der Anstieg allerdings geringer aus als bei den absoluten Zahlen. Waren es im Jahr 1997 noch 311 Abbrüche auf 100 000 junge Frauen und Mädchen dieser Altersklasse, lag die Rate im Jahr 2004 bei 431 Eingriffen.

Vergleicht man die Ergebnisse dieser beiden Eckjahre für die Minderjährigen mit denen der Frauen im gebärfähigen Alter insgesamt, so ist die Annäherung der Abbruchraten Minderjähriger an das Ergebnis insgesamt unverkennbar, wie nachfolgende Übersicht zeigt:

Sollte diese Entwicklung ihr Tempo beibehalten, dürfte sich der zwischen den Vergleichsgruppen noch bestehende Verhaltensunterschied bald aufheben.

Auch wenn aus den Zahlen der amtlichen Statistik Gründe für diese Entwicklung nicht unmittelbar abgeleitet werden können, so bleibt doch als erstaunlich festzustellen, dass aller Aufklärung und einem reichhaltigen Angebot an Verhütungsmitteln zum Trotz die Abbruchzahlen und -raten der Minderjährigen steigen, während bei den Fällen insgesamt zumindest eine Stagnation zu konstatieren ist. Sollte der Grund für steigende Zahlen ungewollter Schwangerschaften in diesem Alter in einer gewissen Zufälligkeit und Unbekümmertheit liegen, so mag sich darin auch die immer wieder geäußerte Besorgnis über eine weiter nachlassende Aidsprävention bestätigen.

Beratungsregelung mit Abstand häufigste Begründung

Die wohl stabilsten Ergebnisse sind bei der Begründung der Schwangerschaftsabbrüche zu finden. Folgende Gründe werden erfasst (vgl. i-Punkt 1):

  • Beratungsregelung
  • Medizinische Indikation
  • Kriminologische Indikation.

Mit durchgängig rund 14 000 Fällen oder über 96 % aller Begründungsmöglichkeiten dominiert der Eingriff nach der Beratungsregelung. Auf niedrigem Niveau, zwischen 400 und 600 Fällen, zeigt sich auch die medizinische Indikation als weit gehend stabil. Bis 1999 wurde hier noch zwischen einer allgemein-medizinischen und einer psychiatrischen Indikation unterschieden. Nur zahlenmäßig zu vernachlässigen ist die Bedeutung der kriminologischen Indikation. Sie bewegt sich im einstelligen Bereich und bleibt meist kleiner als fünf.

80 % der Abbrüche bis zur 10. Schwangerschaftswoche

Die Masse der Eingriffe zur vorzeitigen Beendigung einer Schwangerschaft fand zwischen der 6. und 10. Schwangerschaftswoche statt. Insgesamt gesehen sind 80 % der Abbrüche bis zur 10. Woche erfolgt. Allerdings ist seit dem Jahr 2000 eine doch bemerkenswerte Zunahme der Eingriffe bis zur 6. Woche zu registrieren, die zulasten derer in der 6. bis 8. Woche ging. Betrug der Anteil der Eingriffe bis zu 6. Woche im Jahr 1997 noch 9 %, lag er 2004 bei 14 %. Dagegen sank ihr Anteil in der 6. bis 10. Woche von 72 auf 66 %. Mit geringfügig zwischen 16 und 18 % schwankenden Werten blieb die 10. bis 13. Woche weit gehend konstant. Von der 13. bis zur 23. Woche waren es im Durchschnitt noch rund 300 Eingriffe, während bei einer vor Abbruch noch länger andauernden Schwangerschaft die Häufigkeiten bei 30 und darunter lagen.

Absaugmethode wird am häufigsten angewandt

Von allen Methoden, die legal zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs angewandt werden, nimmt die Vakuumaspiration, also die Absaugmethode, noch immer unangefochten die Spitzenstellung ein (i-Punkt 2). Allerdings sank ihr Anteil von 87 auf knapp 80 % (Tabelle 2). Die Curettage stieg um das Jahr 2000 kurzfristig um 4 Prozentpunkte an, ging aber bis 2004 wieder auf den Stand von 1997 zurück (knapp 11 %). Die Hysterotomie und Hysterektomie, gleichgültig ob vaginal oder abdominal bzw. kombiniert, spielt zahlenmäßig keine Rolle, während der medikamentöse Abbruch, häufig mit zusätzlichen Prozeduren verbunden, bei knapp über 2 % verharrt.

Das Präparat Mifepriston (Myfegyne), als so genannte »Abtreibungspille« bekannt geworden, taucht im Jahr 2000 erstmals in der Schwangerschaftsstatistik des Statistischen Bundesamtes auf und wird seither getrennt von der medikamentösen Abbruchmethode ausgewiesen. Hier ist ein rascher Anstieg von 487 auf 1076 Anwendungen zu verzeichnen. Diese Art des chemischen Eingriffs gewann der Absaugmethode und der Curettage Anteile ab, und es ist anzunehmen, dass das Präparat in der Lage ist, letztere bereits in wenigen Jahren zu überflügeln.

Gynäkologische Praxis bevorzugte Einrichtung

An der Spitze der legalen Einrichtungen, an denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden dürfen, liegt mit Abstand die gynäkologische Praxis. Ihr Anteil nimmt weiter zu und kletterte von 70 % im Jahre 1997 auf 91 % im Jahre 2004. Gleichzeitig ging der Anteil der ambulanten Krankenhausversorgung rapide von gut 24 auf nur noch knapp 7 % zurück. Die Schwangerschaftsabbrüche sind also nahezu gänzlich Sache niedergelassener Ärzte. Die stationäre Versorgung, eher für Problemfälle denkbar, blieb weit gehend stabil, anteilsmäßig aber unbedeutend (Schaubild).

Zusammenfassung

Eine neue gesetzliche Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs führte Frauen, die sich für eine derartige Intervention entscheiden, aus der Illegalität heraus und ermöglicht ihnen, den Ort der Durchführung selbst zu bestimmen sowie einer anerkannten ärztlichen Versorgung sicher zu sein. Die Entscheidungsschwelle ist mit der einem Eingriff vorausgehenden gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsregelung als eher niedrig einzustufen. Die Entscheidung selbst hat aber jede Frau in der Konfliktsituation, ob sie ein Kind austragen will oder nicht, selbst zu treffen. Seit 1997 sind die Abbruchzahlen aller in Baden-Württemberg wohnhaften Frauen keinen auffallenden Schwankungen unterworfen. Dies gilt auch, wenn man diese Zahlen auf die jeweilige weibliche Bevölkerung im gebärfähigen Alter bezieht. Aufmerksamkeit verdient jedoch die Zunahme der Eingriffe, zu denen sich Minderjährige entschließen. Das Mittel Myfegyne, seit 2000 von der Statistik erfasst, findet immer häufiger Verwendung und die Praxen niedergelassener Ärzte haben als Interventionsorte dem ambulanten Eingriff im Krankenhaus wohl endgültig den Rang abgelaufen.

1 Zu methodischen Fragen siehe Statistisches Bundesamt: Schwangerschaftsabbrüche, Fachserie 12, Reihe 3, Wiesbaden 1998 ff.