:: 10/2005

Last oder Lust mit der Milch?

Nur noch 14 300 landwirtschaftliche Betriebe mit Milchkuhhaltung im Land

Seit Einführung der Milchkontingentierung 1984 gaben viele landwirtschaftliche Betriebe, darunter insbesondere solche mit kleineren Milchkuhbeständen, die Produktion auf. Gleichzeitig war auch die Zahl der Milchkühe in den heimischen Ställen rückläufig, wobei in den verbleibenden Viehhaltungen eine gegen-läufige Entwicklung, sprich eine Aufstockung der Tierbestände, zu beobachten ist. Die durchschnittliche Bestandsgröße konnte in den vergangenen 20 Jahren zwar deutlich gesteigert werden, aber dennoch weist die Milchviehhaltung in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern nach wie vor erhebliche strukturelle Defizite auf.

Strukturwandel in der Milchviehhaltung ungebrochen

Nach den vorläufigen Ergebnissen der repräsentativen Viehbestandserhebung 2005 standen in baden-württembergischen Ställen zum Stichtag 3. Mai insgesamt 379 800 Milchkühe. Nach mehr oder weniger stabilen Bestandszahlen von Mitte der 70er- bis Anfang der 80er-Jahre (rund 685 000 bis 695 000 Tiere) kam es 1984 mit der Einführung der Quotenregelung zum Paradigmenwechsel auf dem europäischen Milchmarkt und in der Folge zu einem drastischen bis heute andauernden Rückgang, der nahezu zu einer Halbierung des Milchkuhbestandes führte. Mehr noch als der Milchkuhbestand ging im gleichen Zeitraum die Zahl der Milchvieh haltenden Betriebe zurück. Seit 1984 (60 800 Halter) haben etwa drei Viertel der Milchkuhhalter aufgegeben (Schaubild 1). Und ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen.

Mit der stark rückläufigen Zahl der Milch erzeugenden Betriebe hat sich die heimische Milchproduktion zunehmend aus dem unrentablen kleinbäuerlichen Bereich zurückgezogen und in mittlere und größere Betriebe verlagert (Schaubild 2). Damit hatte der im Bereich der Landwirtschaft generell zu beobachtende Konzentrationsprozess auch die Milcherzeugung voll erfasst.

Der Strukturwandel zeigt sich nicht zuletzt am Anstieg der durchschnittlichen Bestandsgröße. Standen 1984 in jedem Stall im Südwesten durchschnittlich elf Milchkühe, so hat sich die mittlere Herdengröße inzwischen auf über 26 Tiere erhöht. Damit liegt Baden-Württemberg aber weiterhin deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (knapp 40 Kühe). Lediglich in Bayern und Hessen finden sich noch ähnliche Strukturen. Überhaupt lassen die Verhältnisse in den alten Bundesländern ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle erkennen, wobei Schleswig-Holstein mit durchschnittlich rund 60 Milchkühen je Betrieb die Spitzenposition einnimmt. Die größten Herden stehen aber in den neuen Bundesländern, allen voran in Brandenburg mit durchschnittlich über 200 Kühen je Betrieb, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 180 Tieren je Betrieb.

Der Strukturwandel in der Milchviehhaltung hat neben dem betrieblichen Aspekt auch eine regionale Komponente. Die Gebiete, in denen wie im gesamten oberschwäbischen Raum die Milchviehhaltung aufgrund der natürlichen Standortfaktoren traditionell eine starke Stellung hat, gewinnen in der Milcherzeugung zunehmend an Gewicht (Schaubilder 3 und 4). Auch spezifisches Know-how bzw. dessen Transfer von der Wissenschaft in die Praxis über Spezialberater sowie eingespielte Bezugs- und Absatzwege bevorzugen vorhandene Schwerpunkte. Umgekehrt zieht sich Milchproduktion mehr und mehr aus den Landesteilen zurück, die sich seit jeher durch eine große Zahl von Klein- und Kleinstbeständen auszeichnen und wo es Einkommensalternativen zur Milch, sei es im Betrieb oder außerhalb, gibt.

Jährliche Milcherzeugung im Südwesten seit 1998 bei 2,2 bis 2,4 Millionen Tonnen relativ stabil

Im Jahr 2004 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 2,24 Millionen Tonnen (Mill. t) Milch erzeugt. Das Ergebnis liegt geringfügig unter dem Vergleichswert des Vorjahres und damit weiterhin auf dem seit Ende der 90er-Jahre zu beobachtenden Niveau. Vor Einführung der so genannten Garantiemengenregelung für Milch, das heißt einzelbetrieblich festgelegter Milchquoten, erreichte die Milcherzeugung 1983 mit 2,89 Mill. t im Land den bisherigen Höchststand.

Bei rückläufigem Milchkuhbestand errechnet sich für 2004 eine durchschnittliche Jahresmilchleistung von 5 810 kg je Kuh gegenüber 5 780 kg je Kuh im Vorjahr. Diese Entwicklung hin zu höheren Leistungen kann einerseits auf verbesserte Fütterungsmethoden und Haltungsbedingungen sowie andererseits auf Züchtungserfolge zurückgeführt werden. Mitte der 80er-Jahre lag die durchschnittliche Jahresmilchleistung bei rund 4 100 kg je Kuh. Die geringe Produktivitätssteigerung binnen Jahresfrist könnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass kurzfristig zu erschließendes Rationalisierungspotenzial kaum mehr vorhanden ist. Dass sich damit aber keinesfalls das Ende der Entwicklung abzeichnet, zeigen die Verhältnisse in den neuen Bundesländern, die mit durchschnittlichen Milchleistungen von 7 500 kg je Kuh und mehr ihre führenden Positionen eindrucksvoll behaupten. Dem am nächsten kommen unter den alten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (7 060 kg/Kuh), Niedersachsen (6 900 kg/Kuh) und Schleswig-Holstein (6 730 kg/Kuh).

An die Molkereien lieferten die baden-württembergischen Landwirte 2,12 Mill. t Milch. Dies entspricht einer Anlieferungsquote von 95 %, die sich damit in dieser Höhe weiter stabilisiert hat. Entsprechend der Bestandsentwicklung bei den Kälbern hat sich der Anteil der verfütterten Milch mittlerweile bei 4 % eingependelt. Dem Eigenverbrauch und der Direktvermarktung ab Hof, sei es als Frischmilch oder in Form von Butter oder Käse, kommt – gemessen an der gesamten Milcherzeugung – nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu.

In Deutschland wurden 2004 insgesamt 28,2 Mill. t Milch erzeugt, von denen 27,1 Mill. t an die Molkereien geliefert wurden. Sieben Zehntel der Milch werden in nur fünf Bundesländern produziert:

Bayern 7,5 Mill. t,
Niedersachsen5,2 Mill. t,
Nordrhein-Westfalen 2,7 Mill. t,
Schleswig-Holstein 2,4 Mill. t,
Baden-Württemberg 2,2 Mill. t.

In allen Bundesländern haben sich gegenüber dem Vorjahr kaum nennenswerte Veränderungen ergeben. Auch im Vergleich zum langjährigen Mittel 1999/2003 zeigt sich bemerkenswerte Stabilität. Ausnahmen sind lediglich die Bundesländer Saarland und Sachsen mit Steigerungsraten von 26 bzw. 28 %, wobei die Produktionsausweitung im Saarland (Milcherzeugung im Jahr 2004: annähernd 90 000 t) mengenmäßig im Bundesvergleich kaum ins Gewicht fällt.

Ausgeprägte regionale Schwerpunkte der Milchproduktion

Regional bestehen sowohl hinsichtlich Bedeutung und Umfang der Milchproduktion als auch bezüglich der tierischen Leistungsfähigkeit erhebliche Unterschiede. Die »Milchhochburgen« Baden-Württembergs liegen im äußersten Südosten. Die Regionen Bodensee-Oberschwaben (27 %) und Donau-Iller (16 %) stehen mit 956 600 t Milch für fast die Hälfte der gesamten Milcherzeugung im Land. Allein auf die Landkreise Ravensburg (454 000 t) und Biberach (226 500 t) entfällt ein Produktionsanteil von zusammen etwa 30 %. Weitere Schwerpunkte der Milcherzeugung liegen im Ostalbkreis (158 000 t) und im Landkreis Schwäbisch Hall (140 000 t) mit rund 13 % der Milcherzeugung.

Hinsichtlich der Milchleistung lagen ebenfalls die Kühe im Landkreis Ravensburg mit rechnerisch ermittelten 6 340 kg durchschnittlicher Jahresmilchleistung je Kuh an vorderster Position, gefolgt von ihren »Artgenossinnen« in den Landkreisen Schwäbisch Hall (6 180 kg), Biberach (6 170 kg), Konstanz (6 130 kg) und dem Bodenseekreis (6 010 kg). Am unteren Ende der Skala finden sich mit durchschnittlichen Jahresmilchleistungen von unter 5 000 kg je Kuh die Landkreise Rastatt, Esslingen, der Ortenaukreis, Lörrach, Tübingen und Karlsruhe (Schaubild 4). Hintergrund für die große Spannbreite in den Leistungshöhen dürfte die vorrangige Nutzungsrichtung der Tiere und damit die in den jeweiligen Regionen vorherrschenden Rinderrassen sein. In den ausgeprägten Grünlandgebieten gibt es zur Milcherzeugung kaum eine Alternative hinsichtlich der Produktionsausrichtung, sodass hier die Höhe der Milchleistung als Zuchtziel eindeutig im Vordergrund steht. Bei den Regionen mit niedrigerer Milchleistung dürfte eher der Fleischertrag der Tiere und somit die Masttauglichkeit der Kälber von züchterischem bzw. betriebswirtschaftlichem Interesse sein.