:: 11/2005

Fachschulen für Sozialwesen in Baden-Württemberg

An Fachschulen für Sozialwesen findet die Ausbildung in der Arbeitserziehung, der Haus- und Familienpflege, der Heilerziehungspflege und der Jugend- und Heimerziehung statt. Die Absolventen dieser Fachschulen sind unter anderem in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Rehabilitation, Berufsbildungswerken, Werkstätten für Behinderte, ambulanten Pflegediensten, psychiatrischen und Suchtkranken-Einrichtungen oder Justizvollzugsanstalten tätig. Im Schuljahr 2004/05 wurden an diesen Schulen in Baden-Württemberg insgesamt 4 152 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. In den letzten Jahren war ein deutlicher Anstieg der Schülerzahlen zu verzeichnen. In der Regel gehört der Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer längeren einschlägigen praktischen Tätigkeit zu den Zugangsvoraussetzungen für diese Bildungsgänge. Dies mag mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass 86 % der Anfänger ihre Ausbildung im Jahr 2004 zu einem erfolgreichen Abschluss bringen konnten.

Die Fachschulen für Sozialwesen nehmen eine Sonderstellung unter den beruflichen Schulen im Land ein. Sie stehen anders als die meisten übrigen beruflichen Schulen nicht unter der Dienstaufsicht des Kultusministeriums, sondern unter der des Sozialministeriums. An diesen Fachschulen werden Ausbildungen in der Arbeitserziehung, der Haus- und Familienpflege, der Heilerziehung, der Heilpädagogik, der Heilerziehungshilfe sowie in der Jugend- und Heimerziehung angeboten (i-Punkt). Tätigkeitsfelder für die Absolventen dieser Schulen sind Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Rehabilitation, der Erziehungshilfe, der Kinder- und Jugendhilfe sowie Pflegedienste.

Keine »echten« Fachschulen

Fachschulen sind normalerweise Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung. Sie haben die Aufgabe, nach abgeschlossener Berufsausbildung und praktischer Bewährung oder nach einer längeren geeigneten beruflichen Tätigkeit eine weiter gehende fachliche Ausbildung im Beruf zu vermitteln. Bekannte Beispiele hierfür sind die Meister- oder die Technikerschulen.

Der einzige Bildungsgang unter den Fachschulen für Sozialwesen, der diesen Kriterien entspricht, ist die Schule für Heilpädagogik. Dort können sich ausgebildete Erzieher, Jugend- und Heimerzieher und Heilerziehungspfleger1 nach mindestens einjähriger einschlägiger Berufstätigkeit weiterbilden. Die anderen Bildungsgänge erfordern einen Hauptschul- oder einen mittleren Bildungsabschluss in Verbindung mit einer vorangegangenen mindestens einjährigen praktischen Tätigkeit oder den erfolgreichen Abschluss einer 2-jährigen beruflichen Vollzeitschule. Damit entsprechen sie von der Art der Ausbildung her eher Berufsfachschulen oder Berufskollegs.

Alle Fachschulen für Sozialwesen werden in freier Trägerschaft geführt, häufig von einem Verband oder Verein. In vielen Fällen sind die Träger der Schulen auch Träger von Einrichtungen in den Bereichen der späteren Tätigkeitsfelder der Auszubildenden oder eng mit solchen Trägern verbunden. Einen Überblick über die regionale Verteilung der Fachschulen gibt Schaubild 1.

Knapp 4 200 Auszubildende im Sozialwesen

Im vergangenen Schuljahr 2004/05 besuchten 4 152 Schülerinnen und Schüler die Fachschulen für Sozialwesen. Die Schulen für Heilerziehungspflege einschließlich Heilpädagogik und Heilerziehungshilfe wiesen darunter mit 2 486 Auszubildenden mit Abstand den größten Anteil auf (Tabelle). Da der gemeinsame Schwerpunkt dieser drei Fachrichtungen die Ausbildung für eine Tätigkeit im Rahmen der Behindertenhilfe ist, werden sie in den weiteren Ausführungen im Text meist gemeinsam betrachtet, wenn von »Heilerziehungspflege« die Rede ist. Die einjährige Ausbildung in der Heilerziehungshilfe absolvierten im letzten Schuljahr lediglich 76 Schülerinnen und Schüler, 401 bildeten sich zum Heilpädagogen weiter, der 2 009 Auszubildende umfassende Hauptteil befand sich im Bildungsgang Heilerziehungspflege im engeren Sinne.

Die Ausbildungen in der Jugend- und Heimerziehung sowie in der Arbeitserziehung erfreuten sich mit 970 bzw. 620 Schülerinnen und Schülern ebenfalls einer regen Nachfrage. Dagegen wurden in der Fachrichtung Haus- und Familienpflege nur 76 Schülerinnen gezählt. Im Gegensatz zu den anderen hier betrachteten Ausbildungsgängen wird letzterer nicht »exklusiv« an Fachschulen für Sozialwesen unterrichtet. Auch an drei öffentlichen Berufsfachschulen besteht die Möglichkeit der Ausbildung in der Haus- und Familienpflege, von der im vergangenen Schuljahr 51 Schülerinnen Gebrauch machten.

Die Tabelle weist gegenüber dem vorigen Schuljahr einen Anstieg der Schülerzahl um gut 6 % aus. Diese Zunahme entsprach dem in den letzten 15 Jahren vorherrschenden Trend. In diesem Zeitraum konnten die Fachschulen für Sozialwesen einen nahezu kontinuierlichen Anstieg der Schülerzahlen verbuchen, wie Schaubild 2 verdeutlicht. Im Vergleich zum Schuljahr 1990/91 erhöhten sich die Schülerzahlen bis 2004/05 in der Arbeitserziehung um 85 %, in der Jugend- und Heimerziehung um 64 % und in der Heilerziehungspflege um 55 %. Die Gesamtzahl der Auszubildenden wuchs seit 1990/91 um 1 535 an.

Mittlerer Abschluss ist die häufigste Vorbildung

Die jeweiligen Ausbildungsordnungen sehen in der Regel einen mittleren Schulabschluss (entweder Realschulabschluss oder Fachschulreife) als Zugangsvoraussetzung vor. Dementsprechend betrug im Schuljahr 2004/05 der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Schulabschluss an den Ausbildungsanfängern aller Fachschulen für Sozialwesen 70 %.

Schüler mit Hauptschulabschluss sind nur an den Schulen für Heilerziehungshilfe und Arbeitserziehung in größerem Umfang zu finden: Dort lag ihr Anteil an den neu eingetretenen Schülerinnen und Schülern bei über einem Viertel. Bezogen auf alle Neueintritte an Fachschulen für Sozialwesen hatten nur 10 % der Anfänger den Hauptschulabschluss in der Tasche. Für diese galt, dass sie im Vergleich zu den Bewerbern mit mittlerem Abschluss eine größere Praxiserfahrung vorweisen mussten.

Das Zeugnis der Fachhochschul- oder Hochschulreife konnte im vergangenen Schuljahr immerhin jeder fünfte Ausbildungsbeginner vorweisen. Überdurchschnittliche Werte wiesen hier die Fachrichtungen Heilerziehungspflege (im engeren Sinne) mit 22 % und besonders Heilpädagogik mit fast 27 % auf.

Der Anteil ausländischer Schüler ist an den Fachschulen für Sozialwesen relativ gering. In der Schulstatistik wurden 2004/05 nur 151 Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit gemeldet, was einer Quote von knapp 4 % entspricht. Die mit 25 Jugendlichen größte Gruppe ausländischer Schüler stammte aus Italien, 15 waren türkischer Abstammung, 10 kamen aus der Schweiz.

Klassisches Rollenverständnis bei Wahl der Fachrichtungen

Rund 60 % der Schüler der Fachschulen für Sozialwesen sind weiblich (Tabelle). Verglichen mit anderen Ausbildungsgängen im sozialen Bereich ist dieser Anteil nicht besonders hoch. So sind beispielsweise 80 % der Altenpflegeschüler und 83 % der Krankenpflegeschüler weiblich. Unter den Schülern der Berufsfachschule für Sozialpflege sind 89 % weiblich. In der Erzieherausbildung ist das Geschlechterverhältnis noch extremer: Dort sind 94 % der Auszubildenden Frauen.

Unter den einzelnen Fachrichtungen der Fachschulen für Sozialwesen sind große Spannbreiten des Frauenanteils feststellbar. An den Schulen für Haus- und Familienpflege wurde im Schuljahr 2004/05 kein einziger Mann unterrichtet. Auch in den vergangenen Jahren waren Männer an diesen Schulen seltene Ausnahmen. In der Heilerziehungspflege waren gut zwei Drittel der Auszubildenden weiblich, in der Jugend- und Heimerziehung rund 57 %.

Ganz anders ist das Bild in der Arbeitserziehung: Dort waren drei von vier Schülern männlich. Diese geschlechtsspezifische Fachwahl dürfte mit den späteren Tätigkeitsbereichen der Schulabsolventen zu tun haben. In der Haus- und Familienpflege steht die Pflege und Betreuung allein stehender, meist älterer Menschen und die hauswirtschaftliche oder pflegerische Unterstützung von Familien – beispielsweise im Rahmen eines ambulanten Pflegedienstes – im Mittelpunkt. Die Tätigkeitsfelder von Arbeitserziehern befinden sich vor allem in Berufsbildungswerken, Werkstätten für Behinderte, psychiatrischen und Suchtkranken-Einrichtungen oder Justizvollzugsanstalten.

Männliche und weibliche Auszubildende unterscheiden sich auch stark hinsichtlich ihrer Altersstruktur. Schaubild 3 verdeutlicht, dass jede sechste Schülerin jünger als 20 Jahre war, aber nur jeder 27. Schüler. Dagegen waren beinahe 40 % der männlichen und nur knapp 25 % der weiblichen Auszubildenden 30 Jahre alt oder älter. Dies liegt zum einen an der geschlechtsspezifischen Wahl der Ausbildungsrichtung. Die Schüler der Fachrichtung Arbeitserziehung waren grundsätzlich relativ »alt«. Annähernd zwei Drittel hatten bereits das 30. Lebensjahr vollendet. Für diese Ausbildung ist wohl eine umfangreichere Praxiserfahrung in sozialen Berufen hilfreich. Da der Männeranteil unter den Auszubildenden dieser Fachrichtung besonders hoch ist, wirkt sich dies natürlich auf die geschlechtsspezifische Altersstruktur an den Fachschulen für Sozialwesen insgesamt aus. Aber auch in den anderen Fachrichtungen lag das Durchschnittsalter der männlichen Schüler über dem Durchschnittsalter der weiblichen.

Wenig Abbrecher und hohe Erfolgsquote

Im Jahr 2004 verließen insgesamt 1 285 Schülerinnen und Schüler die Fachschulen für Sozialwesen mit einem Abschlusszeugnis. Damit bestanden rund 99 % der Absolventen die Prüfung. Die Verteilung der erfolgreichen Abschlüsse auf die Fachrichtungen sah dabei folgendermaßen aus:

Heilerziehungspflege 501 Absolventen
Jugend- und Heimerziehung 314 Absolventen
Arbeitserziehung232 Absolventen
Heilpädagogik172 Absolventen
Heilerziehungshilfe43 Absolventen
Haus- und Familienpflege23 Absolventen

Bezieht man die »Erfolgsquote« der Abschlüsse nicht auf die Prüfungsteilnehmer, sondern auf die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die ursprünglich die Ausbildung begonnen hatten, liegt sie natürlich auf einem etwas niedrigeren Niveau. Dennoch sind 86 % ein recht hoher Wert. Die Spannweite dieser »Erfolgsquote« lag in den einzelnen Fachrichtungen zwischen 77 % in der Haus- und Familienpflege und 94 % in der Arbeitserziehung. Dies spricht dafür, dass die meisten der Ausbildungsanfänger durch die Erfahrungen einer einschlägigen schulischen Berufsausbildung oder praktischen Tätigkeit wissen, was im Rahmen der Ausbildung an

einer Fachschule für Sozialwesen auf sie zukommt. Es lässt aber auch auf eine hohe Motivation schließen, die gewählte Ausbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

1 Im Text wird auf die additive Nennung der femininen und maskulinen Berufsbezeichnungen aus Gründen besserer Lesbarkeit verzichtet. Sie werden als Gattungsbegriffe aufgefasst, die beide Geschlechter umfassen.