:: 11/2005

Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung und andere gesamtwirtschaftliche Indikatoren

3. Folge: Einkommen der privaten Haushalte

Über wie viel Einkommen verfügen die privaten Haushalte in Deutschland? Wie hoch sind die regionalen Einkommensdisparitäten? Kommt es bei den Löhnen und Gehältern zur Angleichung der neuen an die alten Bundesländer? Wie stark greift der Staat in die Einkommensumverteilung ein? Gesamtwirtschaftliche Fragestellungen wie diese lassen sich mit den Ergebnissen der regionalen VGR beantworten.

Betrachtungen zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in drei Folgen

Die Entstehungsrechnung der VGR umfasst, neben dem BIP und der BWS als den wohl bekanntesten Indikatoren, auch die sich im Produktionsprozess ergebende Entlohnung der Arbeit, das so genannte Arbeitnehmerentgelt. Es setzt sich zusammen aus den Bruttolöhnen und ‑gehältern sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber. Das Arbeitnehmerentgelt stellt somit nicht nur eine Einkommensgröße dar, sondern ist auch ein wichtiger gesamtwirtschaftlicher Kostenfaktor. Die Entwicklung und Höhe der Lohnkosten – das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer – ist insbesondere im regionalen Vergleich von großem Interesse und wesentliche Grundlage politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen, wie zum Beispiel der Standortwahl von Unternehmen.

Einkommen und Löhne: West-Ost-Gefälle

Die in einer Volkswirtschaft erzielten Einkommen werden in der Verteilungsrechnung der VGR ermittelt. Zentrale Größen sind das Primäreinkommen der privaten Haushalte, welches sämtliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Vermögen berücksichtigt, sowie das Verfügbare Einkommen, in dem zudem die Maßnahmen der Umverteilung enthalten sind (i-Punkt).

Die im Durchschnitt der Wirtschaft Deutschlands je Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne und ‑gehälter (i-Punkt) betrugen im Jahr 2004 rund 26 680 Euro. Sie lagen damit nur leicht (+ 40 Euro) über dem Vorjahreswert. Das Lohnniveau im Osten war auch 2004 noch deutlich niedriger als im früheren Bundesgebiet. Mit durchschnittlich rund 21 500 Euro je Arbeitnehmer erreichten die neuen Länder vergangenes Jahr einen Angleichungsstand der Pro-Kopf-Bruttolöhne und -gehälter an das Westlohnniveau (27 650 Euro) von knapp 78 % und an den Bundesdurchschnitt von rund 81 %.

Die höchsten Durchschnittslöhne und ‑gehälter wurden 2004 in Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg gezahlt. Mit gut 28 800 bis zu 29 650 Euro lagen die durchschnittlichen Bruttolöhne und ‑gehälter in diesen drei Ländern um 8 % bis gut 11 % über dem Bundesdurchschnitt. Am niedrigsten waren die je Arbeitnehmer gezahlten Löhne und Gehälter mit durchschnittlich nur knapp 21 100 Euro in Mecklenburg-Vorpommern, knapp 8 600 Euro geringer als in Hamburg.

Geringster Angleichungsstand im Verarbeitenden Gewerbe

Die Differenzen in der Höhe der durchschnittlich gezahlten Bruttolöhne und -gehälter zwischen den Bundesländern erklären sich großteils aus den regionalen Unterschieden der Wirtschaftsstruktur und den zum Teil erheblichen Lohnspannen zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Bundesweit mit Abstand die höchsten Durchschnittslöhne zahlte 2004 das Produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe), mit durchschnittlich gut 34 800 Euro je Arbeitnehmer mehr als doppelt so viel wie die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, die mit knapp unter 17 000 Euro die niedrigsten Pro-Kopf-Löhne aufwies. In den Wirtschaftsbereichen Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie im Baugewerbe erreichten die Bruttolöhne und -gehälter im Durchschnitt nur rund zwei Drittel des im Produzierenden Gewerbe gezahlten Lohnniveaus (Schaubild 1).

Den geringsten Angleichungsstand der Pro-Kopf-Bruttolöhne und ‑gehälter an den Bundesdurchschnitt wies das in den neuen Ländern vor allem durch Klein- und mittelgroße Betriebe geprägte Verarbeitende Gewerbe aus: Hier wurden im Jahr 2004 durchschnittlich rund 24 600 Euro je Arbeitnehmer gezahlt, knapp 70 % des Bundeswertes bzw. nur gut zwei Drittel der Westlöhne.

Lohnkosten Ost gut ein Fünftel geringer

In Deutschland erreichte das gezahlte Arbeitnehmerentgelt 2004 einen Gesamtwert von gut 1 133 Mrd. Euro und blieb damit im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Bezogen auf die Zahl der insgesamt beschäftigten Arbeitnehmer (34 Mill.) ergeben sich durchschnittliche Lohnkosten in Höhe von knapp 33 200 Euro pro Kopf. Demgegenüber betrugen die Lohnkosten im Durchschnitt der fünf neuen Länder lediglich 26 740 Euro je Arbeitnehmer und waren damit 2004 rund ein Fünftel geringer als der bundesdeutsche Durchschnittswert. Aus Sicht der Wirtschaft bleibt der Standort Ost diesbezüglich unverändert vorteilhaft.

In den vergangenen Jahren ist der Lohnkostenvorteil der neuen Bundesländer gegenüber dem früheren Bundesgebiet jedoch deutlich geschrumpft, wenngleich sich die Annäherung des Lohnkostenniveaus Ost/West seit Mitte der 90er-Jahre erheblich verlangsamt hat. Wurde 1991 in den Ostländern noch nicht einmal die Hälfte der Westlöhne gezahlt, verringerte sich der Lohnabstand bis 1995 auf etwa ein Viertel des in den alten Ländern (jeweils ohne Berlin) gezahlten Durchschnittsentgeltes. Seit Ende der 90er-Jahre stagniert der Angleichungsprozess jedoch und die Lohnkostendifferenz der neuen Länder hat sich in etwa bei einem Fünftel zu den Durchschnittswerten des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer im Westen eingependelt (Schaubild 2).

Länder mit Einpendlerüberschuss haben per saldo 33 Mrd. Euro Einkommensabfluss

Die Arbeitnehmerentgelte (i-Punkt) können sowohl für den Arbeitsort als auch für den Wohnort nachgewiesen werden. Die gesamtwirtschaftliche Betrachtung wechselt dabei von der Produktions- und Kostenseite zur Frage, was den Arbeitnehmern unabhängig von ihrem Arbeitsort an Einkommen aus ihren Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen zufließt. Für eine bestimmte Region ergibt sich der Unterschied zwischen beiden Größen aus den Pendlerströmen, also den Arbeitnehmern, die nicht an ihrem Wohnort arbeiten. Das Arbeitnehmerentgelt ist somit Schnittstelle der Entstehungs- und Verteilungsrechnung der VGR.

Wie bereits beim Vergleich des BIP je Einwohner (Wohnort) mit dem BIP je Erwerbstätigen (Arbeitsort) gezeigt1, weisen vor allem die Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie Hessen und die süddeutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern durch ihren hohen Einpendlerüberschuss eine vergleichsweise hohe regionale Wirtschaftsleistung auf. Umgekehrt fließt ein Teil der hier – durch die Pendler – entstandenen Einkommen in andere Bundesländer bzw. in das Ausland ab. Per saldo den höchsten Einkommensabfluss zeigen unter den Flächenländern Hessen und Baden-Württemberg. Während die in Hessen insgesamt beschäftigten Arbeitnehmer 2003 ein Arbeitnehmerentgelt in Höhe von knapp 96 Mrd. Euro empfingen, bezogen die hier wohnhaften Arbeitnehmer rund 90,4 Mrd. Euro, das heißt, gut 5,6 Mrd. Euro oder 5,9 % sind abgeflossen. Aus Baden-Württemberg flossen 2003 über 5 Mrd. Euro (3 %) ab. Mit Abstand die höchsten »Einkommensverluste« wiesen jedoch die Stadtstaaten auf. In Bremen und Hamburg flossen mit rund 14 Mrd. Euro etwa 30 % des insgesamt gezahlten Arbeitnehmerentgelts in das Umland ab. In Berlin waren es mit 4,2 Mrd. Euro über 9 %.

»Gewinner«, das heißt Länder mit einem Einkommenszufluss, waren demgegenüber die neuen Bundesländer, allen voran Brandenburg mit rund 5,6 Mrd. Euro Plus bzw. fast 19 % des empfangenen Arbeitnehmerentgelts, aber auch verschiedene Länder im früheren Bundesgebiet wie Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen (Schaubild 3).

Vermögenseinkommen wachsen rasant

Haupteinkommensquelle der privaten Haushalte stellt das empfangene Arbeitnehmerentgelt dar. Mit insgesamt gut 1 132 Mrd. Euro hatte es 2003 in Deutschland einen Anteil am Primäreinkommen (i-Punkt) von rund 71 %. Aus Vermögen (220 Mrd. Euro) und den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit einschließlich dem Betriebsüberschuss sowie eigen genutzten Wohneigentums (241 Mrd. Euro) stammten jeweils etwa ein Siebtel des Einkommens.

Während das von den privaten Haushalten empfangene Arbeitnehmerentgelt im Zeitraum 1995 bis 2003 nominal um knapp 14 % gewachsen ist, verzeichneten die Vermögenseinkommen dagegen einen Zuwachs um gut 63 %. Sie konnten damit ihren Anteil am Primäreinkommen um etwa 4 Prozentpunkte auf knapp 14 % erhöhen. Die Selbstständigeneinkommen (einschließlich Betriebsüberschuss) indessen sind mit weniger als + 8 % vergleichsweise schwach gestiegen. Insgesamt erzielten die privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2003 ein Primäreinkommen in Höhe von 1 593 Mrd. Euro; das sind nominal + 18 % gegenüber dem Vergleichsjahr 1995.

Im Westen doppelt so viel Einkommen aus Vermögen

Hinsichtlich der Einkommensstruktur bestehen deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern. Die privaten Haushalte im früheren Bundesgebiet beziehen einen wesentlich höheren Anteil ihres Einkommens aus Vermögen. Mit insgesamt knapp 208 Mrd. Euro bzw. fast 15 % war der Anteil der Vermögenseinkommen am Primäreinkommen im Durchschnitt der Westländer (einschließlich Berlin) im Jahr 2003 mehr als doppelt so hoch wie im Osten (ohne Berlin) mit gut 12,5 Mrd. Euro bzw. einem Anteil von knapp 7 %. In den alten Ländern verlief die Entwicklung der Vermögenseinkommen mit einem Zuwachs 2003 gegenüber 1995 von nominal annähernd 70 % in den letzten Jahren besonders rasant, verglichen mit »lediglich« rund 28 % Plus in den neuen Ländern.

Nicht ganz so hoch ist der Unterschied beim Anteil des Selbstständigeneinkommens (einschließlich Betriebsüberschuss) zwischen West und Ost. Im früheren Bundesgebiet bezogen die privaten Haushalte 2003 über ein Siebtel (15,5 %) ihres Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit, in den neuen Ländern (ohne Berlin) waren es dagegen weniger als ein Achtel (12,2 %).

West-Länder: Gut ein Siebtel des Primäreinkommens wird umverteilt

Das aus der Umverteilungsrechnung resultierende verfügbare Einkommen der privaten Haushalte dient, wie bereits oben erwähnt, zur Messung des »monetären Wohlstands« der Bevölkerung eines Wirtschaftsgebietes. Es ist, vereinfacht ausgedrückt, der Teil des Primäreinkommens, der den privaten Haushalten nach der staatlichen Umverteilung durch Steuern und Sozialabgaben sowie Renten, Arbeitslosen- und Sozialhilfe und anderen empfangenen monetären Transfers einschließlich zur freien Verwendung, das heißt für Konsumzwecke oder zum Sparen, verbleibt. Das verfügbare Einkommen eignet sich daher besonders für Regionalvergleiche des je Einwohner erzielten Einkommens und für Fragen der Einkommensverteilung.

Nach den Umverteilungsmaßnahmen des Staates (einschließlich der Sozialversicherung) verblieben im Jahr 2003 den privaten Haushalten in verschiedenen Ländern im früheren Bundesgebiet – im Einzelnen in Hessen (82,1 %), Bayern und Baden-Württemberg (jeweils 82,3 %) – lediglich noch etwas über vier Fünftel des Primäreinkommens zur Verfügung. Im Durchschnitt der alten Länder (ohne Berlin) wurden 2003 gut 15 % des Primäreinkommens umverteilt.

In der Summe wurde den privaten Haushalten durch Steuern und Sozialabgaben mehr als eineinhalb Mal so viel an Einkommen entzogen, als ihnen über Sozialtransfers wieder zugeführt wurde. Über die Finanzierung öffentlicher Staatsaufgaben, wie zum Beispiel dem Bildungs- oder Gesundheitswesen, fließt ein Teil zwar an die privaten Haushalte dieser Länder zurück, der Großteil kommt jedoch

unter anderem über den Länderfinanzausgleich und als Umverteilung innerhalb der Sozialversicherungssysteme anderen Bundesländern zugute. So zeigen die Ergebnisse der Verteilungsrechnung der regionalen VGR den Umfang der über die Sozialtransfers laufenden Einkommensumverteilung zwischen den West- und Ostländern wie auch zwischen den alten Ländern untereinander.

2003 knapp 24 Mrd. Euro West-Ost-Transfer an Sozialleistungen

Im Durchschnitt der fünf neuen Länder überstiegen die von den privaten Haushalten 2003 empfangenen Sozialtransfers die insgesamt geleisteten Steuern und Abgaben, sodass hier die verfügbaren Einkommen sogar höher ausfielen (+ 4,1 %) als die Primäreinkommen. Zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern kommt es folglich im Rahmen der Solidargemeinschaft zu einer nicht unerheblichen Einkommensumverteilung. Aber auch einige Länder im früheren Bundesgebiet profitieren von den Umverteilungseffekten,

allen voran Bremen, das sich beim Vergleich des Primäreinkommens mit dem verfügbaren Einkommen je Einwohner 2003 von knapp 110 % des bundesdeutschen Durchschnitts auf über 115 % verbessern konnte. Ebenfalls deutlich günstiger stellt sich die Einkommenssituation nach der Umverteilung im Saarland und in Berlin dar sowie in geringerem Umfang noch in Niedersachsen (Schaubild 4).

Die Umverteilung zwischen den Ländern im früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern – bezogen auf die innerhalb der Sozialversicherungsmaßnahmen laufenden Einkommenstransfers – belief sich 2003 auf knapp 24 Mrd. Euro. Um diesen Betrag übertrafen die von den privaten Haushalten in den neuen Ländern insgesamt empfangenen Sozialleistungen die Summe der von ihnen geleisteten Sozialbeiträge, wohingegen in den alten Ländern (ohne Berlin) 2003 gut 20 Mrd. Euro mehr an Sozialbeiträgen geleistet als empfangen wurden.

Durch die Umverteilungseffekte kommt es zu einer deutlichen regionalen Angleichung der Einkommensdisparitäten insbesondere zwischen den neuen und alten Bundesländern. Erreichten die fünf neuen Länder beim Primäreinkommen je Einwohner 2003 lediglich etwa zwei Drittel des Westniveaus, näherten sie sich beim verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen doch auf gut vier Fünftel (81,8 %) an die alten Bundesländer an.

Pro-Kopf-Einkommen – Bremen und Hamburg vorn

Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland erreichte 2003 insgesamt fast 1 390 Mrd. Euro, nominal 1,2 % mehr als ein Jahr zuvor. Angesichts der im Jahresdurchschnitt 2003 um 1,1 % gestiegenen Verbraucherpreise verblieb real jedoch kaum ein Einkommenszuwachs. Umgerechnet auf jeden Einwohner Deutschlands belief sich das pro Kopf verfügbare Einkommen auf durchschnittlich 16 800 Euro. Im Ranking aller Bundesländer lagen die Stadtstaaten Bremen und Hamburg mit knapp 19 500 Euro bzw. rund 19 000 Euro verfügbarem Einkommen je Einwohner auf den Plätzen 1 und 2, dicht gefolgt von Baden-Württemberg mit gut 18 400 Euro auf dem dritten Platz (Schaubild 5). Die Bevölkerung in diesen drei Ländern verfügt damit um ein knapp 10 % bis zu 16 % höheres Pro-Kopf-Einkommen als im Bundesdurchschnitt. Am Ende der Einkommensskala lagen die fünf neuen Länder. Mit einem durchschnittlich verfügbaren Einkommen von rund 14 300 Euro je Einwohner lagen sie 2003 gut 15 % unter dem gesamtdeutschen Wert und annähernd ein Fünftel unter dem Einkommensniveau der Westländer (ohne Berlin).