:: 11/2005

Der Gesundheitssektor in der Region Bodensee-Oberschwaben

Gesundheit ist nicht nur ein hohes persönliches Gut, sie ist auch als Wirtschaftsfaktor von größter Bedeutung. Rund 30 Mrd. Euro werden allein in Baden-Württemberg pro Jahr für Gesundheitsgüter und -dienstleistungen ausgegeben. Das entspricht einem Zehntel der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. In der Region Bodensee-Oberschwaben ist die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitssektors sogar noch stärker ausgeprägt und spielt für die regionale Beschäftigung – insbesondere für die Erwerbstätigkeit der Frauen – eine wichtige Rolle.

In der Region Bodensee-Oberschwaben, die die Landkreise Ravensburg und Sigmaringen sowie den Bodenseekreis umfasst, dürfte sich das Volumen des Gesundheitsmarktes im Jahr 2003 auf rund 1,8 Mrd. Euro belaufen haben; vom Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen waren das 11 %. Der Vergleich mit anderen Bedarfsgruppen zeigt, dass lediglich für das »Wohnen« mehr ausgegeben wird als für die Gesundheit. So sind die Aufwendungen in der Region für Mobilität oder Ernährung (Schaubild 1) deutlich niedriger als die Gesundheitsausgaben.

Zwischen 1990 und 2003 sind die Gesundheitsausgaben in der Region Bodensee-Oberschwaben um fast 70 % gestiegen. Die gesamten privaten Konsumausgaben dürften sich in diesem Zeitraum dagegen nur um weniger als die Hälfte erhöht haben. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Zunahme der Gesundheitsausgaben in der Region etwas schwächer ausgefallen ist als im Landesdurchschnitt, da sich für das ganze Land eine Steigerung von rund 76 % errechnet. Die Ursache für das schwächere Wachstum in der Region liegt in den rückläufigen Ausgaben für die Reha- und Vorsorgekliniken. Ausgehend von der Zahl der Übernachtungen in diesen Einrichtungen lässt sich der Rückgang dieser Ausgaben gegenüber 1990 in der Region auf rund 12 % schätzen. Dagegen dürften die übrigen Gesundheitsausgaben aufgrund des überdurchschnittlichen regionalen Bevölkerungswachstums um über 80 % – und damit stärker als im Landesdurchschnitt – zugenommen haben. Trotz der im Vergleich zu 1990 gesunkenen Bedeutung der Ausgaben für Reha- und Vorsorgekliniken: Diese Einrichtungen spielen in der Region nach wie vor eine sehr wichtige Rolle. Mit rund 150 Mill. Euro entfallen knapp 9 % der Gesundheitsausgaben in der Region auf diese Einrichtungen. Im Land beträgt dieser Anteil gerade mal 3 %.

Rund 13 % der Erwerbstätigen arbeiten im Gesundheitssektor

In der Region Bodensee-Oberschwaben waren – nach den Ergebnissen der Modellrechnung – 2003 knapp 40 000 Personen im Gesundheitssektor tätig (Schaubild 2). Das entspricht einem Anteil von fast 14 % an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von knapp 293 000. Genaue Daten liegen jedoch nur für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vor. Ihre Zahl ist mit rund 30 000 in den Jahren 2003 und 2004 wesentlich geringer als die Zahl der Erwerbstätigen. Der Grund für den Unterschied: Im Gesundheitsbereich sind vergleichsweise viele Selbstständige wie etwa Ärzte oder Apotheker tätig. Der Vergleich des Gesundheitssektors mit anderen Branchen auf der Basis der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt jedoch, dass im Gesundheitssektor der Region mehr Menschen beschäftigt sind als beispielsweise im Handel. Die Beschäftigung im Gesundheitssektor ist sogar deutlich größer als im wichtigsten Industriezweig der Region, dem Maschinenbau.

Innerhalb des Gesundheitssektors sind die meisten Menschen in Dienstleistungsbranchen beschäftigt. Der Anteil dieser Wirtschaftszweige am Gesundheitsbereich ist in der Region Bodensee-Oberschwaben mit 93 % sogar überdurchschnittlich hoch. Landesweit beläuft sich dieser Wert »nur« auf knapp 87 %. Der hohe Dienstleistungsanteil im Gesundheitssektor geht maßgeblich auf die Gesundheitsdienste im engeren Sinne, also auf den Wirtschaftszweig »Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen« zurück. Der Anteil dieser Sparte, zu der neben den Arzt- und Zahnarztpraxen, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen auch die Reha- und Vorsorgekliniken gehören, beläuft sich in der Region auf 85 % und liegt damit um 8 Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt. In den Kreisen Ravensburg und Sigmaringen bilden die Gesundheitsdienste im engeren Sinne sogar jeweils die größte Wirtschaftsbranche mit über 13 000 bzw. knapp 5 000 Beschäftigten. Lediglich im Bodenseekreis steht der Maschinenbau mit rund 14 000 Beschäftigten an der Spitze. Das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen folgt mit knapp 8 000 Beschäftigten aber auf dem zweiten Platz.

Die Zunahme der Gesundheitsausgaben in den letzten Jahren hat zu einer deutlichen Ausweitung der Beschäftigung im Gesundheitssektor geführt. Zwischen 1999 und 2004 ist sie in der Region Bodensee-Oberschwaben um 15 % gestiegen, während die Gesamtzahl der Beschäftigten in der Region mit einem Plus von 1 % kaum gewachsen ist. Die Beschäftigung im regionalen Gesundheitssektor hat sogar stärker zugenommen als im Landesdurchschnitt. Landesweit betrug die Zunahme 11 %. Vor allem in der pharmazeutischen Industrie ist die Zahl der Beschäftigten in der Region mit einem Plus von rund 98 % sehr stark gestiegen. Allerdings wuchs auch in den übrigen Bereichen des Gesundheitssektors, mit Ausnahme der Apotheken und des medizinischen Facheinzelhandels, die regionale Beschäftigung stärker als im gesamten Land. Nicht zuletzt das starke Wachstum in der Pharmaindustrie hat dazu beigetragen, dass sich die Gesamtbeschäftigung im Gesundheitssektor seit 1999 stärker erhöht hat als die Gesundheitsausgaben. Darin unterscheidet sich die Region deutlich vom Land, wo beide Größen im gleichen Maße gewachsen sind.

Zahl der weiblichen Beschäftigten im Gesundheitssektor deutlich gestiegen

Der Gesundheitssektor hat den Frauen in der Region Bodensee-Oberschwaben in den letzten Jahren vergleichsweise gute Beschäftigungschancen geboten. Im Jahr 2004 lag die Zahl der weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im regionalen Gesundheitssektor bei knapp 24 000. Gegenüber 1999 ist ihre Zahl um über 3 000 gestiegen, was einer Zunahme um knapp 16 % entspricht (Schaubild 3). In den übrigen Dienstleistungsbranchen hat die Zahl der beschäftigten Frauen dagegen nur leicht zugenommen, und in der gesamten Industrie (ohne pharmazeutische und medizintechnische Industrie) ist ihre Zahl sogar deutlich gesunken. Selbst in den Jahren mit guter konjunktureller Entwicklung bis 2001 hat die Zahl der weiblichen Beschäftigten im übrigen Dienstleistungsbereich nicht stärker zugenommen als im Gesundheitssektor. In der Industrie stagnierte selbst in diesen »guten« Jahren die Zahl der weiblichen Beschäftigten.

Nicht in allen Bereichen des Gesundheitssektors erhöhte sich die Zahl der beschäftigten Frauen aber im gleichen Maße. Am stärksten nahm sie mit knapp 2 400 im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen zu, was einer Steigerungsrate von rund 13 % entspricht. Sehr viel höher war das prozentuale Plus in der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie. In diesen Branchen sind jedoch auch nach diesem starken Zuwachs mit 1 400 Frauen lediglich 6 % der weiblichen Beschäftigten im Gesundheitssektor der Region Bodensee-Oberschwaben tätig. Der Anteil des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens beläuft sich dagegen auf über 85 %. Auch in der Zukunft dürfte dieser Wirtschaftszweig gute Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen bieten. Die demografische Alterung wird nicht nur bewirken, dass der Bedarf an Pflegedienstleistungen ganz erheblich steigt, auch die Bedeutung von Prävention und Rehabilitation wird zunehmen – davon dürfte gerade die Region Bodensee-Oberschwaben profitieren.