:: 12/2005

Forschungsdatenzentrum – Analysen mit Mikrodaten zur Wasserwirtschaft

Beispiel: Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten

Im Mai 2005 hat an der Universität Stuttgart eine Nutzerkonferenz des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter zum Thema »Nutzung amtlicher Mikrodaten im Bereich Umwelt- und Sozialstatistiken« stattgefunden. Unter anderem wurde dort das Projekt »Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten« der Arbeitsgruppe »Umweltökonomische Gesamtrechnungen« der Statistischen Landesämter vorgesellt. Zu diesem Projektvorhaben werden derzeit erste Proberechnungen auf der Grundlage der Mikrodaten des Forschungsdatenzentrums durchgeführt.

Die Wasserflussrechnungen liefern Ergebnisse zum mengenmäßigen Wasserfluss innerhalb der Wirtschaftsbereiche. Aufgrund der methodischen Abgrenzungen können diese direkt mit gesamtwirtschaftlichen Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt in Verbindung gebracht werden. Die Ergebnisse aus den Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten können somit wichtige Basisdaten für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie liefern. Im Rahmen der Wasserflussrechnungen werden in erster Linie Mikrodaten aus dem Bereich wasserwirtschaftlicher Erhebungen sowie ergänzend auch aus Landwirtschafts- und Industriestatistiken über das Forschungsdatenzentrum genutzt. Die Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten stellen damit eines von insgesamt vier Forschungsprojekten verschiedener Institute dar, die derzeit auf der Basis wasserwirtschaftlicher Mikrodaten des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter durchgeführt werden.

Wasserflussrechnungen auf der Grundlage von Mikrodaten

Die Wasserflussrechnungen bilden einen wichtigen Teil der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR). Diese haben das allgemeine Ziel, Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Umwelt darzustellen. Derzeit werden seitens des Statistischen Landesamts Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft UGR der Länder erstmals Proberechnungen zu länderübergreifenden Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten durchgeführt. Dazu werden aus den wasserwirtschaftlichen Erhebungen Mikrodaten, also die erfassten Einzelangaben, als Rechengrundlage benötigt. Die sonst üblichen nach administrativen Gebietseinheiten aggregierten Summensätze reichen für diesen Zweck nicht aus. Über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Landesämter wurden diese Mikrodaten für ausgewählte Bundesländer zusammengestellt und nach nicht administrativen räumlichen Einheiten neu geordnet. Für die Zuordnung der gemeindebezogen vorliegenden Mikrodaten zu den flussgebietsbezogenen Bearbeitungsgebieten und den Flussgebietseinheiten der Wasserrahmenrichtlinie werden so genannte qualifizierte Leitbänder gemäß der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser1  herangezogen.

Ziele und Methodik der Wasserflussrechnungen

Ziel der Wasserflussrechnungen ist es, die mengenmäßigen Wasserströme zwischen der Natur und der Wirtschaft für die einzelnen Wirtschaftsbereiche so vollständig wie möglich abzubilden. Die Übersicht zeigt den konzeptionellen Rahmen der Wasserflussrechnungen. Das Wasser wird von Betrieben, Einrichtungen und privaten Haushalten in einem Gebiet (zum Beispiel innerhalb einer Flussgebietseinheit) überwiegend in Form von Grund- und Oberflächenwasser aus der Natur entnommen, dann entweder verteilt oder innerhalb der Wirtschaft für wirtschaftliche Aktivitäten bzw. für den Konsum eingesetzt. In Form von Abwasser, Wasserdampf durch Verdunstung und über Verluste (zum Beispiel bei der Wasserverteilung) wird es wieder an die Natur abgegeben.

Die einzelnen Komponenten des Wasserflusses von der Entnahme über den Einsatz bis hin zur Abgabe werden zunächst separat für jeden Wirtschaftsbereich und die privaten Haushalte ermittelt. Die Summe der Ergebnisse des Wasserflusses über alle Bereiche ergibt den gesamtwirtschaftlichen Wasserfluss des betrachteten Gebietes. Die Wirtschaftsbereiche, für die getrennte Berechnungen durchgeführt werden, sind

  • Land- und Forstwirtschaft
  • Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (unterteilt nach Branchen)
  • Baugewerbe
  • Energieversorgung
  • Wasserversorgung
  • Abwasserbeseitigung
  • Sonstige Dienstleistungen (außer Abwasserbeseitigung).

Ergebnisse der Wasserflussrechnungen sind zusammenhängende Größen zur Menge des Wassers, das von den Betrieben und Einrichtungen der jeweiligen Wirtschaftsbereiche aus der Natur entnommen wurde, zur Menge des vonseiten der Wirtschaftsbereiche eingesetzten Wassers sowie zur Menge des Wassers, das vom Wirtschaftsbereich an die Natur abgegeben wird.2

Wassereinsatz in den Bundesländern sehr unterschiedlich

Ein Ergebnis der Wasserflussrechungen nach Bundesländern3 ist, dass in der Summe aller Bundesländer im Jahr 2001 knapp 44 Milliarden m3 Wasser – das entspricht fast dem Volumen des Bodensees – in der Wirtschaft und von den privaten Haushalten eingesetzt wurden. In ähnlicher Größenordnung bewegen sich die Mengen des der Natur entnommenen Wassers sowie des wieder an die Natur abgegebenen Wassers. Wie zu erwarten, zeigen die Ergebnisse große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während der Wassereinsatz in Nordrhein-Westfalen knapp 8 Mrd. m3 betrug (das sind rund 18 % des Wassereinsatzes aller Bundesländer), waren es zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 164 Millionen m3. Auch Baden-Württemberg lag mit einem Wassereinsatz von knapp 7 Mrd. m3 am oberen Rand. Von maßgeblichem Einfluss für die Höhe des Wassereinsatzes ist zunächst die Zahl der Einwohner. Bezogen auf die Einwohnerzahl wurden im Jahr 2001 im Länderdurchschnitt 593 m3 Wasser eingesetzt. Die neuen Bundesländer lagen durchweg unter diesem Durchschnitt. Auch Nordrhein-Westfahlen lag mit 515 m3 je Einwohner trotz hohem absoluten Wassereinsatz unter dem Durchschnitt, Baden-Württemberg mit 656 m3 je Einwohner knapp darüber. Spitzenreiter war mit 1 992 m3 je Einwohner Schleswig-Holstein.

Die erkennbar großen Unterschiede beim Wassereinsatz je Einwohner zwischen den Bundesländern sind hauptsächlich auf die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur und den stark variierenden Anteil der wasserverbrauchsintensiven Wirtschaftszweige in den Bundesländern zurückzuführen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Energieversorgung, die im Länderdurchschnitt allein 57 % des gesamtwirtschaftlichen Wassereinsatzes ausmacht. Aber auch einzelne Branchen innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes können entscheidenden Einfluss auf den gesamten Wassereinsatz eines Gebiets haben.4

Es ist zu erwarten, dass für die Flussgebietseinheiten ähnlich gravierende Unterschiede in den Größenordnungen des Wassereinsatzes bestehen, die – ähnlich wie in der Länderrechnung – in erster Linie auf die Bevölkerungszahl sowie die Wirtschaftsstruktur zurückzuführen sein dürften.

Steigende Wasserproduktivität durch rückläufigen Wassereinsatz

Weiteres Kernergebnis der Wasserflussrechnungen ist die Entwicklung der Effizienz der Naturnutzung durch den Einsatz von Wasser. Die Wasserproduktivität wird gemessen als Bruttoinlandsprodukt je eingesetzter Wassermenge. Sie wird berechnet, indem der Wassereinsatz in Relation gesetzt wird zur wirtschaftlichen Gesamtleistung des betrachteten Gebietes. Vor allem die Entwicklung der Produktivität, über einen längeren Zeitraum betrachtet, kann ein Indikator dafür sein, ob und inwieweit eine nachhaltige umweltgerechte Entwicklung in Gang gekommen ist. Die Wasserproduktivität wurde im Zeitraum 1998 bis 2001 in 14 Bundesländern zum Teil erheblich gesteigert (vgl. Schaubild). Im Mittel betrug die Steigerungsrate knapp 11 %. In Baden-Württemberg konnte die Wasserproduktivität in diesem Zeitraum immerhin um gut 4 % gesteigert werden. Diese Verbesserung der Effizienz des Einsatzes von Wasser ist in den meisten Fällen auf einen rückläufigen Wassereinsatz der Wirtschaft bei gleichzeitig gestiegener Wirtschaftsleistung zurückzuführen. Es ist demnach eine deutliche Entkoppelung von Wassereinsatz und Wirtschaftswachstum zu beobachten. In erster Linie verantwortlich für den Rückgang des Wassereinsatzes ist der geringere Verbrauch von Frischwasser in den Wirtschaftsbereichen Energieversorgung sowie Verarbeitendes Gewerbe, der wesentlich auf eine Erhöhung der Mehrfach- und Kreislaufnutzung des Wassers zurückzuführen ist.5

Beim Vergleich der Entwicklung der Wasserproduktivität muss neben den bestehenden strukturellen Gegebenheiten im betrachteten Gebiet zusätzlich das Ausgangsniveau der Produktivität betrachtet werden. So lag das Ausgangsniveau der Wasserproduktivität 1998 beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dies ist mit ein Grund dafür, dass die prozentuale Veränderung zwischen 1998 und 2001 dort mit 3 bzw. 4 % im Vergleich zu den meisten anderen Ländern relativ niedrig ausfiel.

Datengrundlage

Wichtigste Datengrundlage für die Wasserflussrechnungen sind die Mikrodaten der wasserwirtschaftlichen Erhebungen der amtlichen Statistik. Diese sind:

  • Statistik über die öffentliche Wasserversorgung,
  • Statistik über die öffentliche Abwasserbeseitigung,
  • Statistik der öffentlichen Abwasserbehandlung,
  • Statistik über die Wassereigenversorgung und -entsorgung privater Haushalte,
  • Statistik über die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in der Landwirtschaft,
  • Statistik über die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bei Wärmekraftwerken für die öffentliche Versorgung,
  • Statistik über die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung im Bereich Verarbeitendes Gewerbe (VG), Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden.

Sie decken den Hauptteil des Datenbedarfs ab. Für die damit nicht hinreichend abgedeckten Bereiche werden Hochrechnungen und Schätzungen mithilfe von Mikrodaten aus anderen Fachstatistiken, Aggregaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sowie Angaben von Verbänden, wissenschaftlichen Instituten und dergleichen genutzt.6

Ausblick

Mit dem »Gesetz zur Straffung der Umweltstatistik« vom August 2005 werden ab dem Erhebungsjahr 2007 flächendeckend alle Merkmale auf einheitlich tiefer regionaler Ebene vorliegen. Dabei handelt es sich vor allem um die genaue Zuordenbarkeit der von öffentlichen Wasserversorgern genutzten Wassergewinnungsanlagen und der versorgten Gemeinden sowie den Ort der Einleitstelle des Abwassers. Die Datengrundlage für die Wasserflussrechnungen nach Flussgebietseinheiten wird dadurch erheblich verbessert, sodass auch für räumlich tiefere Gliederungen, zum Beispiel für flussgebietsbezogene Bearbeitungsgebiete Ergebnisse denkbar sind.

Beiträge zu den regionalen Nutzerkonferenzen des FDZ

Auf den insgesamt vier Nutzerkonferenzen des Forschungsdatenzentrums in diesem Jahr wurden Projekte verschiedener wissenschaftlicher Institute sowie der amtlichen Statistik auf der Basis von Mikrodaten aus den Bereichen Wirtschafts-, Finanz- und Steuerstatistiken sowie Umwelt- und Agrarstatistiken vorgestellt. Diese können in den beiden Bänden der Gemeinschaftsveröffentlichung der Statistischen Landesämter (»Amtliche Mikrodaten für die Agrar- und Umweltwissenschaften« und »Amtliche Mikrodaten für die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften«)7 zur Dokumentation der Nutzerkonferenzen des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter nachgelesen werden.

1 Vgl. hierzu www.lawa.de

2 Zur Methodik sowie zu weiter gehenden Informationen zur Datengrundlage der regionalen Wasserflussrechnungen vgl. den Beitrag »Wasser in den Umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR) der Bundesländer« im Statistischen Heft 2/2004 (PDF) des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

3 Darüber hinausgehende umfangreiche Daten zu den Ergebnissen der Wasserflussrechnungen der Bundesländer können auf den Seiten der Arbeitsgruppe UGR der Länder unter www.ugrdl.de abgerufen werden.

4 Vgl. hierzu den Beitrag »Wassernutzung und Abwassereinleitung« im Tagungsband zum 1. Kongress zu den UGR der Länder. Download unter www.ugrdl.de.

5 Zu den Ergebnissen der Wasserflussrechnungen für Baden-Württemberg vgl. »Umweltökonomische Gesamtrechnungen in Baden-Württemberg«, Ausgabe 2004, Statistische Daten 2004, Heft 6.

6 Vgl. Fußnote 2.