:: 12/2005

Repräsentative Wahlstatistik zur Bundestagswahl am 18. September 2005

Bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 mussten CDU und SPD in Baden-Württemberg erhebliche Zweitstimmenverluste hinnehmen. So erreichte die CDU mit einem Minus von 3,6 Prozentpunkten 39,2 % der gültigen Zweitstimmen, die SPD verlor gegenüber 2002 3,4 Prozentpunkte und erzielte 30,1 %. Auch die GRÜNEN (10,7 %) hatten gegenüber der Bundestagswahl 2002 leichte Zweitstimmeneinbußen von 0,7 Prozentpunkten zu verzeichnen. Demgegenüber konnten die FDP (11,9 %) und Die Linke. (3,8 %) deutliche Zweitstimmengewinne von 4,1 bzw. 2,9 Prozentpunkten für sich verbuchen. Die Wahlbeteiligung ging erneut zurück und war mit 78,7 % die niedrigste seit 1990.

Neben den Wahlergebnissen (siehe hierzu Beitrag auf Seite 42 dieser Ausgabe) ist jedoch auch das Wahlverhalten der Bevölkerung von großem Interesse: Welche Bevölkerungsgruppen zeigten den größten »Wahleifer« und welche waren eher »wahlmüde«? Hatten Frauen bei dieser Bundestagswahl andere Parteipräferenzen als Männer? Weicht das Wahlverhalten der jüngeren Wähler von dem der älteren ab und wie setzt sich die Wählerschaft der einzelnen Parteien zusammen? – All diese Fragen beantwortet die Repräsentative Wahlstatistik, deren Ergebnisse diesem Beitrag zugrunde liegen. Die Repräsentative Wahlstatistik spiegelt – anders als die Wahlanalysen der Forschungsinstitute – nicht das erfragte, sondern das tatsächliche Wahlverhalten wider.

Am 18. September 2005 waren in Baden-Württemberg insgesamt 7 529 193 Männer und Frauen dazu aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Damit ist die Zahl der Wahlberechtigten seit der Bundestagswahl am 22. September 2002 um 110 412 Personen angestiegen. Infolge der demografischen Alterung der Gesellschaft hat sich die Altersstruktur der Wahlberechtigten in den letzten 25 Jahren erheblich verschoben, das Gewicht der älteren Wahlberechtigten hat deutlich zugenommen. Während bei der Bundestagswahl 1980 die Gruppe der unter 30-Jährigen und die der 60-Jährigen und Älteren mit 23 % bzw. 25,5 % noch annähernd gleich groß war, war bei der Bundestagwahl 2005 der Anteil der älteren Wahlberechtigten mit 32 % doppelt so groß wie der der jüngeren (rund 16 %). Das heißt, dass sich das politische Einflusspotenzial der älteren Wahlberechtigten in den letzten 25 Jahren rein quantitativ betrachtet spürbar erhöht hat.

Jüngere Wahlberechtigte besonders »wahlmüde«

Die Möglichkeiten der jüngeren Bevölkerung, durch Teilnahme an einer Wahl Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen, werden aber nicht nur durch ihre abnehmende quantitative Bedeutung begrenzt, sondern auch durch die Tatsache, dass die Jüngeren besonders »wahlmüde« sind. Insgesamt sank die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2005 in Baden-Württemberg mit 78,7 % auf ein neues Rekordtief. Der Wahleifer der jüngeren Wahlberechtigten blieb indes noch deutlich unter dieser Beteiligungsquote. Lediglich rund 66 % der unter 30-jährigen baden-württembergischen Wahlberechtigten machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch1, während von den 60-Jährigen und Älteren gut 76 % ihre Stimme abgaben. Anders ausgedrückt: Ein knappes Drittel der Wählerschaft bei der Bundestagswahl 2005 war 60 Jahre oder älter, aber nur rund 15 % waren unter 30 Jahre alt (Schaubild 1). Somit »verschenkten« die jüngeren Baden-Württemberger durch mangelnden Wahleifer politisches Einflusspotenzial.

Bei der Bundestagswahl 2005 konnte in der Tendenz – wie bereits bei früheren Bundestags-, Landtags- und Europawahlen – eine mit dem Alter zunehmende Wahlbeteiligung festgestellt werden. Die niedrigste Wahlbeteiligung wiesen dabei die »Twens«, also die 21- bis 29-Jährigen auf, von denen sich lediglich 64,8 % an der Wahl beteiligten. Demgegenüber lag die Wahlbeteiligung der Erstwähler mit 69,8 % höher. Bei den Wahlberechtigten in den »Dreißigern« lag die Wahlbeteiligung bei 74,1 %, bei den 40- bis 49-Jährigen schon bei 77,4 %, die der 50- bis 59-Jährigen bei 79,7 %. Die höchste Wahlbeteiligung wiesen schließlich die 60- bis 69-Jährigen mit 81,8 % auf, während bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten die Wahlbeteiligung wieder deutlich nachließ (71 %).

Frauen nach wie vor mit geringerer Wahlbeteiligung als Männer

Die Wahlbeteiligung der Frauen lag bei der diesjährigen Bundestagswahl, wie bereits bei früheren Wahlen, unter der der Männer. So beteiligten sich 76,1 % der baden-württembergischen Männer, aber nur 73,8 % der Frauen an der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 war der Rückstand der Frauen in Sachen Wahlbeteiligung wieder etwas größer, damals lag die Beteiligungsquote der Frauen nur 2 Prozentpunkte unter der der Männer. Die gegenüber den Frauen höhere Beteiligung der Männer ist allerdings nicht durchgehend in allen Altersgruppen gegeben. So wiesen die 25- bis 59-jährigen Frauen eine höhere Beteiligungsquote auf als ihre männlichen Altersgenossen (siehe Schaubild 2). Ein besonders eklatanter Vorsprung der Männer ist allerdings nach wie vor in der Altersgruppe der 70-Jährigen und Älteren zu beobachten. Hier machten bei der Bundestagswahl 2005 lediglich 66,2 % der Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch, bei den männlichen Wahlberechtigten waren es hingegen 78,8 %.

CDU häufiger von Frauen gewählt als von Männern

Nach den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik ist in Baden-Württemberg der Stimmenrückgang2  der CDU bei der diesjährigen Bundestagswahl nicht zuletzt auf die Wahlentscheidung der 18- bis 24-jährigen sowie auf die der 45-jährigen und älteren Wähler zurückzuführen. In diesen Altersgruppen hatten die Christdemokraten prozentual betrachtet überdurchschnittlich hohe Stimmenrückgänge, wobei diese bei den Männern noch ausgeprägter waren als bei den Frauen. Wie bereits bei der Bundestagswahl 2002 war die CDU auch dieses Mal bei den Senioren besonders erfolgreich: 48,9 % der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Bei den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern hingegen blieb die CDU in allen Altersgruppen unter ihrem Landesdurchschnitt. Während bei der Bundestagswahl 2002 die CDU – erstmals seit 1980 – wieder stärker von Männern als von Frauen bevorzugt worden war, wählten bei der diesjährigen Bundestagswahl Frauen (39,8 %) etwas häufiger die Christdemokraten als Männer (38,9 %) (Tabelle).

SPD von jungen Wählerinnen und Wählern bevorzugt

Die Sozialdemokraten mussten in allen Altersklassen Zweitstimmenrückgänge hinnehmen. In geringfügigem Maße bei den 18- bis 24-jährigen, überdurchschnittlich stark hingegen bei den 25- bis 44-jährigen sowie den 60-jährigen und älteren Wählerinnen und Wählern. Vor allem bei den Frauen verzeichnete die SPD Einbußen in der Wählergunst, am stärksten bei den 35- bis 44-jährigen (- 5,2 Prozentpunkte). Den größten Rückhalt hatte die SPD mit einem Stimmenanteil von 33,8 % bei den 18- bis 24-jährigen Wählerinnen und Wählern. Von den Frauen dieser Altersgruppe hatten sogar 35,3 % die SPD gewählt. Wie bereits bei der Bundestagswahl 2002 wurde die SPD auch dieses Mal häufiger von Frauen (31,1 %) als von Männern (28,9 %) gewählt.

Die GRÜNEN bei den 35- bis 44-Jährigen am erfolgreichsten

Auch die GRÜNEN mussten bei der Bundestagswahl 2005 – wenn auch in geringerem Umfang als die beiden großen Parteien – Stimmenverluste hinnehmen. Diese sind im Wesentlichen auf die Wahlentscheidung der 25- bis 34-Jährigen sowie der 35- bis 44-Jährigen zurückzuführen, wobei sie bei letzteren mit 15,1 % wiederholt am besten abschnitten. Bei den 35- bis 44-jährigen Frauen erzielten die GRÜNEN mit 17,1 % dabei ihre höchsten Zweitstimmenanteile. Am wenigsten Erfolg war ihnen hingegen bei den 60-jährigen und älteren Baden-Württembergern (5,3 %) beschieden, obwohl sie bei diesem Personenkreis gegenüber der Bundestagswahl 2002 in der Wählergunst gewonnen haben. Insgesamt schnitten die GRÜNEN bei der Bundestagswahl 2005 bei den Frauen (11,8 %) besser ab als bei den Männern (9,8 %).

FDP profitierte in allen Altersklassen

Die FDP verdankt ihre Zweitstimmengewinne bei der Bundestagswahl 2005 der Wahlentscheidung der Wähler aller Altersklassen. Die Liberalen hatten durchweg Stimmenzuwächse zu verzeichnen, die stärksten bei den 25- bis 34-jährigen und den 60-jährigen und älteren Wählerinnen und Wählern, bei denen ein Plus von 4,7 bzw. 4,9 Prozentpunkten zu verzeichnen ist. Mit Abstand am erfolgreichsten waren die Liberalen bei den 25- bis 34-jährigen Männern, von denen 16,9 % ihre Zweitstimme der FDP gaben. Den geringsten Rückhalt hatten sie hingegen bei den 35- bis 44-jährigen Frauen, von denen nur 9,1 % ihre Stimme der FDP gaben. Wie bereits bei der Bundestagswahl 2002, erhielt die FDP von den Männern (13,0 %) mehr Stimmen als von den Frauen (10,5 %).

Die Linke. besonders erfolgreich bei Männern

Die Linke., die gegenüber der Bundestagswahl 2002 – damals noch als PDS angetreten – einen deutlichen Zweitstimmenzuwachs erzielen konnte, profitierte hauptsächlich vom Zuspruch der 45- bis 59-jährigen Wählerinnen und Wähler. In dieser Altersgruppe erhielt sie die höchsten Gewinne (+ 4,0 Prozentpunkte) und gleichzeitig die höchsten Zweitstimmenanteile (5,2 %). Vor allem bei den männlichen Wählern dieser Altersklasse war Die Linke. erfolgreich: Mit einem Plus von 5,1 Prozentpunkten erlangte sie 6,6 % der gültigen Zweitstimmen. Insgesamt wurde die Linkspartei häufiger von Männern (4,8 %) als von Frauen (3,0 %) gewählt.

Knapp 40 % der CDU-Wähler sind 60 Jahre oder älter

Im Folgenden wird der Fokus auf die Parteien selbst gerichtet, das heißt, es wird der Frage nachgegangen, wie in Baden-Württemberg die demografische Zusammensetzung der Wählerschaft der einzelnen Parteien aussieht.

Die CDU hat von allen Parteien den höchsten Anteil an älteren Wählern. Während bei der Bundestagswahl 2005 unter den baden-württembergischen Wählern mit gültiger Zweitstimme insgesamt 32,1 % Senioren waren, liegt der Anteil der 60-Jährigen und Älteren unter den CDU-Wählern bei 39,9 %. Die unter 60-Jährigen waren unter der Wählerschaft der CDU hingegen unterrepräsentiert. Bei den SPD-Wählern sind die Senioren (30,8 %) zwar unterrepräsentiert, stellen aber dennoch den größten Anteil an allen SPD-Wählern. Die Gruppe der 18- bis 24-jährigen SPD-Wähler (9,8 %) nimmt zwar den geringsten Anteil an den SPD-Wählern ein, liegt damit aber noch über dem Landeswert der 18- bis 24-jährigen Wähler in Baden-Württemberg insgesamt (8,7 %). Im Vergleich zu den anderen im Bundestag vertretenen Parteien weicht die Zusammensetzung der SPD-Wählerschaft am wenigsten von der Altersstruktur der Wählerschaft ab (Schaubild 3).

In der Wählerschaft der GRÜNEN dominieren die jüngeren und mittleren Altersklassen

Im Gegensatz zu den beiden großen Parteien waren unter der Wählerschaft der GRÜNEN die Senioren stark unterrepräsentiert, während alle Altersgruppen unter 60 Jahren überproportional vertreten waren. So war – wie bereits erwähnt – bei der Bundestagswahl nahezu jeder dritte Wähler 60 Jahre oder älter. Von den Wählern der GRÜNEN gehörten jedoch lediglich 15,6 % zu dieser Altersgruppe. Die quantitativ stärkste Gruppe unter den Wählern der GRÜNEN war die Altersklasse der 35- bis 44-Jährigen (28,8 %), während von den Wählern insgesamt nur 20,7 % zwischen 35 und 44 Jahre alt waren. Auch die 45- bis 59-Jährigen (28,0 %) waren bei den GRÜNEN überdurchschnittlich stark vertreten. Unter der Wählerschaft der FDP waren die 18- bis 24-Jährigen (9,2 %) und insbesondere die 25- bis 34-Jährigen (16,4 %) überdurchschnittlich stark vertreten. Bei der Linken haben die mittleren Altersgruppen ein überdurchschnittliches Gewicht. Die Altersgruppen zwischen 35 und 59 Jahren sind im Vergleich zu deren Anteil an den Wählern überrepräsentiert, während sowohl die 60-jährigen und älteren als auch die Wählerinnen und Wähler unter 34 Jahren unterrepräsentiert sind.

1 Im Rahmen der Repräsentativen Wahlstatistik wird die Wahlbeteiligung der Wähler ohne Wahlschein betrachtet.

2 Hier und im Folgenden werden ausschließlich Zweitstimmen betrachtet.