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Säuglingssterblichkeit 2004 auf niedrigstem Stand

Im Jahr 2004 sank die Säuglingssterblichkeit in Baden-Württemberg auf ihren bisher niedrigsten Stand. Insgesamt wurden noch 330 Sterbefälle von Kindern gezählt, die ihren ersten Geburtstag nicht mehr erlebten. Besonders gefährdet dabei waren Frühgeburten. Der »Plötzliche Kindstod« folgt mit inzwischen größer gewordenem Abstand als zweithäufigste Einzelursache.

Nominell sank die Säuglingssterblichkeit in Baden-Württemberg mit 330 auf ihren niedrigsten Stand seit Bestehen des Landes. Gegenüber 2003 fiel der Rückgang im Jahr 2004 jedoch nur noch marginal aus (−2 Fälle). Auf 1 000 Lebendgeburten kamen 3,4 Sterbefälle von Kindern im Laufe ihres 1. Lebensjahres. Diese Sterberate ist seit 2002 konstant, da zwar die Sterbefälle rückläufig waren, aber von Jahr zu Jahr auch weniger Kinder zur Welt kamen. So sank die Zahl der Lebendgeborenen 2004 im gleichen Zeitraum um 2 949 auf 96 655.

Historisch betrachtet waren die niedrigen Sterberaten der vergangenen 3 Jahre die niedrigsten, die im Gebiet des heutigen Baden-Württembergs überhaupt registriert wurden. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen auf 1 000 Lebendgeborene 219 Säuglingssterbefälle. Das heißt jedes fünfte Kind starb vor Vollendung seines 1. Lebensjahres. Selbst zu Beginn der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts lag die Sterberate in diesem Zeitabschnitt noch bei 51 Fällen auf 1 000 Lebendgeborene, was gegenüber der unmittelbaren Nachkriegszeit bereits einen deutlichen Fortschritt im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit darstellte (1946: = 86 Fälle).

Diese positive Entwicklung setzte sich in den folgenden Jahren fort, wobei ein Zusammenhang mit dem wachsenden allgemeinen Wohlstand unübersehbar ist. Mit ihm einhergehen medizinischer Fortschritt, ein steigender Grad ärztlicher Versorgung, das gewachsene Angebot an stationärer Versorgung, das auf mögliche Komplikationen angemessen reagieren kann. Auch eine intensivere Vorbereitung auf die Geburt ist heute die Regel, ebenso wie die Schwangerenvorsorge und die Möglichkeit, bei frühzeitig erkannten Risiken für Mutter und Kind ein Kind gar nicht erst auszutragen. Zudem sind Schwangerschaften in den letzten Jahrzehnten zunehmend planbarer geworden und unter der insgesamt sinkenden Zahl von Neugeborenen sind immer mehr Wunschkinder zu vermuten, auf die sich alle Fürsorge und Aufmerksamkeit konzentrieren.

Risiken im Wandel

Vielleicht hat gerade diese relative Planbarkeit mit dazu beigetragen, dass sich seit 1979 die Risiken für einen Säugling während seines 1. Lebensjahres zu sterben verschoben haben. Zwar sind an dem starken Rückgang der Sterblichkeit in dieser Altersgruppe alle Todesursachen beteiligt, doch haben sich die Anteile der Ursachen an den Sterbefällen insgesamt recht eindrucksvoll verändert. Bei den in Gruppen zusammengefassten Ursachen ist nicht zu übersehen, dass infektiöse und parasitäre Krankheiten – ohnehin schon schwach besetzt – immer seltener zum Tod führen. Ebenso spielen äußere Ursachen der Mortalität erfreulicherweise eine immer geringere Rolle. Ganz erheblich war die Abnahme bei »Schädigungen des Feten und Neugeborenen durch mütterliche Faktoren und durch Komplikationen bei Schwangerschaft, Wehentätigkeit und Entbindung«.

Deutlich sind auch die Sterbefälle infolge »angeborener Fehlbildungen, Deformationen und Chromosomenanomalien« gesunken. Die rückläufige Entwicklung des Säuglingstodes zeigt sich besonders auch in den übrigen natürlichen Todesursachen (Tabelle 1). In diesen aufgeführten Todesursachengruppen gingen die Fälle im genannten Zeitraum um die Hälfte und mehr zurück. Vor allem die »Schädigungen des Feten und Neugeborenen …« sind auf etwas mehr als ein Zehntel der ursprünglichen Besetzungszahl gesunken. Zwar gingen auch die Sterbefälle als Folge von »Störungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsdauer und dem fetalen Wachstum« zurück, allerdings fiel dieser Rückgang weniger deutlich aus als in den anderen Ursachengruppen.

Dieser Umstand spiegelt sich im Wandel der Verteilung auf die einzelnen Ursachengruppen wider. So wird der Wandel bestimmt von denjenigen Gruppen, die noch eine hinreichend große Zahl von Sterbefällen aufweisen. Den größten Anteil halten nach wie vor die »angeborenen Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien«. Ihr Anteil nahm von 28 % im Jahre 1979 auf 34 % im Jahre 2004 zu. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der Fälle infolge »Schädigung des Feten und Neugeborenen …« kontinuierlich von 26 auf 9 %. Dagegen verdoppelte sich der Anteil der »Störungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsdauer und dem fetalen Wachstum« nahezu von 11 auf 21 %. Eine Sonderrolle spielte in diesen Jahren der »Plötzliche Kindstod«, der als Einzelursache zwischenzeitlich mit 20 % sogar den zweithöchsten Anteil an allen Säuglingssterbefällen hatte.

Frühgeburten besonders gefährdet

Während die Ursachengruppen die Risiken des Säuglings in bestimmte Kategorien zusammenfassen, konkretisieren die Einzelursachen die Bedrohung unmittelbar. Die an sich schon geringe Gesamtzahl der verstorbenen Säuglinge führt bei ihrer Aufgliederung in einzelne Diagnosen zu zufallsbedingten Schwankungen. Ein verlässlicheres Bild gibt eine Abgrenzung in die 10 häufigsten Ursachen und die Zusammenfassung zu einem Zeitraum von 1998 bis 2004. Dies macht auch eine Darstellung einzelner Todesursachen nach Geschlecht möglich, die bei einer jährlichen Betrachtungsweise an der dann nochmals geringeren Fallzahl scheitern müsste (Tabelle 2).

Neben den »Folgen zu kurzer Schwangerschaft und geringen Geburtsgewichts« ist der »Plötzliche Kindstod« bei beiden Geschlechtern mit Abstand die häufigste Einzelursache. Allerdings ist zwischen beiden Diagnosen doch ein deutlicher zahlenmäßiger Abstand zu erkennen. Dritthäufigste Todesursache ist bei männlichen Säuglingen eine angeborene Fehlbildung des Herzens, die bei den weiblichen Säuglingen an vierter Stelle rangiert. Bei ihnen wird der dritte Platz eingenommen vom »Edwards-Syndrom und Pätau-Syndrom«, einer Chromosomenabweichung mit schweren Deformationen und äußerst geringen Überlebenschancen. Was die Häufigkeit dieses Chromosomendefekts angeht, taucht er bei den Knaben im 1. Lebensjahr nicht unter den 10 vorderen Ursachen auf. Auf den weiteren Plätzen folgen dann »Schädigungen des Feten und Neugeborenen durch Komplikationen der Plazenta, Nabelschnur und Eihäuten« sowie »Intrakranielle nichttraumatische Blutungen beim Feten und Neugeborenen«. Bei den weiblichen Säuglingen belegen »Sonstige angeborene Fehlbildungen des Herzens« Platz 4 vor den »Schädigungen des Feten und Neugeborenen …«. Für beide Geschlechter folgen »Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappen« also Herzfehler sowie »Schwangerschaftskomplikationen«. Letztere Ursachen liegen trotz der zeitlichen Zusammenfassung bereits jeweils unter 50 Fällen.

Unter den 10 häufigsten Todesursachen befinden sich nur bei den Knaben im 1. Lebensjahr »Asphyxie unter der Geburt« (herabgesetzte oder fehlende Atmung, Beeinträchtigung des Kreislaufs oder Störung des zentralen Nervensystems) sowie »Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen« (Blutvergiftung), bei den Mädchen neben den oben erwähnten Syndromen »Sonstige angeborene Fehlbildungen, andernorts nicht klassifiziert«.

In den zu einem Zeitraum zusammengefassten 7 Jahren starben 2 721 Säuglinge, 1 522 davon waren männlich, 1 199 waren weiblich. Zur gleichen Zeit wurden 720 432 Kinder lebend geboren, 371 009 männlich, 349 423 weiblich. Umgerechnet auf jeweils 1 000 Lebendgeborene ergibt sich daraus ein Sterberate für die Knaben von 4,1 und für die Mädchen von 3,4. Diese so genannte männliche Übersterblichkeit beginnt also bereits im Säuglingsalter und ist damit nicht nur – wie das in späteren Lebensaltern geschieht – auf risikofreudigere Verhaltensweisen des männlichen Geschlechts zurückzuführen.

Sonderfall »Plötzlicher Kindstod«

Der »Plötzliche Kindstod« nimmt seit seiner Erfassung im Jahre 1979 eine besondere Rolle ein. Mit 46 Fällen auf niedrigem Niveau startend, erreichte diese Ursache Anfang der 90er-Jahre ihren Höhepunkt. 1991 verstarben 158 Säuglinge infolge dieser Ursache. Sie erreichte damals einen Anteil von gut 22 % an allen Säuglingssterbefällen. Danach begann die Fallzahl zu sinken und 2004 war sie nur noch halb so groß wie an ihrem Ausgangspunkt. Der Anteil dieser Todesursache ging auf 7 % zurück (Schaubild).

Der »Plötzliche Kindstod« ist besonders gefürchtet, weil er ohne erkennbare Warnzeichen eintritt. Als besonders risikoreich wird die unbeaufsichtigte Bauchlage eines Säuglings gesehen. Auch das Rauchverhalten der Eltern wurde problematisiert, ebenso wie bestimmte Defizite in der motorischen Entwicklung des Säuglings selbst. In den 90er-Jahren wurden verschiedene Aufklärungsaktionen für Kinderärzte und Eltern gestartet, die – wenn man die sinkenden Fallzahlen berücksichtigt – erfolgreich gewesen sein müssen. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass der »Plötzliche Kindstod« immer noch die zweithäufigste Einzelursache ist.

Die vier kritischen Phasen im 1. Lebensjahr

Die Todesursachenstatistik unterscheidet insgesamt vier Phasen der Säuglingssterblichkeit. In der ersten tritt der Tod innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt ein (unter 24 Lebensstunden). Die zweite dauert von der 24. Stunde bis zum 7. Lebenstag und die dritte vom 7. Lebenstag bis zum 28. Lebenstag. Die vierte Phase ist die längste und dauert vom 28. Lebenstag bis zum Ende des 12. Lebensmonats. In den vergangenen 10 Jahren stieg der Anteil der Sterbefälle in der ersten Lebensphase tendenziell von gut 27 % auf über 30 %, während die Säuglingssterbefälle in der Zeitspanne vom 28. Lebenstag bis zum Ende des 12. Lebensmonat doch recht kontinuierlich von 42 % auf 33 % zurückgegangen sind. Die zweite Zeitspanne zeigt keine einheitliche Entwicklung und bewegt sich anteilsmäßig zwischen 26 und 13 %, während die dritte Phase wiederum von 10 auf 16 % aller Fälle ansteigt.

Todesursachen, die eindeutig in die erste Überlebensphase fallen, sind die »Störungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsdauer und dem fetalen Wachstum«. Von den Sterbefällen mit dieser Ursache ereignen sich bis zu 72 % innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt. Vom 1. bis zum 7. Tag können es nochmals bis 27 % der Säuglinge sein. Zusammengenommen sind es bis zu 90 % der Säuglinge mit diesem Geburtsmangel, die bis zum 7. Tag nach ihrer Geburt sterben. Umgekehrt liegt das Risiko von Säuglingen, die binnen Jahresfrist dem »Plötzlichen Kindstod« zum Opfer fallen, mit einem Anteil von etwa 90 % eindeutig zwischen dem 28. Lebenstag und dem Ende des 12. Lebensmonats. Bis zu 98 % aller Fälle von »Plötzlichem Kindstod« fallen in die beiden letzten Lebensphasen.

Zusammenfassung

Der historische Tiefstand der Säuglingssterblichkeit in Baden-Württemberg ist nicht darauf zurückzuführen, dass bestimmte Todesursachen eliminiert wurden, vielmehr ist eine generelle Abnahme der vorhandenen Risiken zu beobachten, wenn auch der Rückgang der Sterbefallzahlen der einzelnen Todesursachen unterschiedlich ausfiel. So ist weiter ganz besonderes Augenmerk auf die »Störungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsdauer und dem fetalen Wachstum« zu richten, da hier vor allem die Problematik der Frühgeburtlichkeit eine Rolle spielt. Auch der »Plötzliche Kindstod«, obwohl er seinen Höhepunkt schon vor geraumer Zeit überschritten hat, spielt weiterhin im Felde der zahlenmäßig zurückgehenden Einzelursachen durchaus noch eine bedeutende Rolle.