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Verschuldung der Gemeinden des Landkreises Böblingen

Auch 2004 sind in Baden-Württemberg die Schulden des Landes sowie der Gemeinden/Gemeindeverbände und Zweckverbände gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Gemeinden, die am Kreditmarkt schuldenfrei sind, um 7 auf 81. Dabei werden jedoch lediglich die Schulden der kommunalen Haushalte und der Eigenbetriebe betrachtet. Durch die fortschreitende Ausgliederung von Aufgabenbereichen aus dem Kernhaushalt sinkt allerdings die Bedeutung dieses Schuldenbereichs im Hinblick auf die Gesamtverschuldung. Diese Entwicklung lässt sich auch in den einzelnen Kommunen erkennen. Am Beispiel der Gemeinden des Landkreises Böblingen soll im Folgenden die Struktur und Problematik der kommunalen Verschuldung erläutert werden.

Kreditmarktschulden der öffentlichen Hand Ende 2004 auf 4 158 Euro je Einwohner gestiegen

Auf Landesebene lässt sich in Baden-Württemberg eine Erhöhung der Kreditmarktschulden Ende 2004 erkennen. Nach der jährlichen Schuldenstandstatistik beliefen sich die Schulden des Landes sowie der Gemeinden/Gemeindeverbände und der Zweckverbände, also der öffentlichen Hand i.e.S., am Kreditmarkt auf rund 45 Mrd. Euro. Gegenüber dem Vorjahr sind die Kreditmarktschulden damit um 4,1 % gestiegen. Dies entspricht einer Zunahme der Schulden je Einwohner von 156 Euro auf 4 158 Euro. Ende 2004 betrugen allein die Kreditmarktschulden des Landes Baden-Württemberg 38 Mrd. Euro. Der Vergleich zum Vorjahr lässt einen Anstieg dieser Schulden um 5,3 % erkennen. Einen Rückgang der Kreditmarktschulden konnten jedoch die Gemeinden/Gemeindeverbände verbuchen. Im Vergleich zum Vorjahr sanken deren Schulden um 1,7 % und beliefen sich Ende 2004 auf 6,5 Mrd. Euro bzw. 604 Euro pro Einwohner. Die Schulden der Stadtkreise und kreisangehörigen Gemeinden am Kreditmarkt nahmen im Vorjahresvergleich um 4,4 % bzw. 1,7 % ab.1 Im Gegensatz dazu erhöhten die kommunalen Eigenbetriebe ihre Verschuldung gegenüber 2003 um 6,0 % auf 4,3 Mrd. Euro, pro Einwohner beträgt die Verschuldung nunmehr 401 Euro. Die Zunahme der Verschuldung außerhalb der Kernhaushalte spiegelt sich in dem immensen Anstieg der Kreditmarktschulden der öffentlich bestimmten Fonds, Einrichtungen, Betriebe und Unternehmen wider. Diese verzeichneten einen Anstieg von 27,7 % auf knapp 18 Mrd. Euro, die Pro-Kopf-Verschuldung nahm damit im Laufe eines Jahres um 355 Euro auf 1 654 Euro zu.

Die Betrachtung der Gemeinden des Landkreises Böblingen – die sich im Vergleich zu den anderen Landkreisen Baden-Württembergs im Mittelfeld der Pro-Kopf-Verschuldung am Kreditmarkt bewegt – zeigt, dass 2004 im Durchschnitt rund 67,8 % der Gesamtverschuldung in Höhe von 364 Mill. Euro auf Träger außerhalb des kommunalen Kernhaushalts entfielen (Schaubild 1).

Bewertung der Verschuldung einzelner Gemeinden problematisch

Während die Darstellung der kommunalen Verschuldung aller Gemeinden und Gemeindeverbände zusammen noch relativ klar scheint, ist der Vergleich von einzelnen Gemeinden untereinander schwieriger. Unschärfen sind vor allem bei der Zuordnung von Beteiligungen an wirtschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen sowie Zweckverbänden fast unvermeidlich. Davon abgesehen, dass die Ermittlung der jeweiligen Beteiligungen einzelner Gemeinden und der damit verbundenen Schulden mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden ist, besteht eine einheitliche Regelung für die Zurechnung von Schulden aus Beteiligungen auf kommunaler Ebene lediglich in den Gemeinden, die bereits die Umstellung von der kameralistischen zur doppischen Buchführung vollzogen haben. Um einzelne Gemeinden nach ihrer Gesamtverschuldung einordnen oder vergleichen zu können, ist ein Einbezug dieser Bereiche aber unerlässlich, da die Gemeinden im Falle der Insolvenz anteilig – ggf. begrenzt auf einen Höchstbetrag – haften. Zusätzlich fiele, falls es sich bei dem ausgegliederten Tätigkeitsbereich um eine Pflichtaufgabe handelt, die Erfüllung wieder an die Gemeinde selbst zurück.

Welche Kommune im Landkreis Böblingen ist am höchsten verschuldet?

In der Tabelle sind die Kreditmarktschulden der Gemeinden des Landkreises Böblingen Ende 2004 dargestellt. Die oben beschriebene Problematik der Beteiligungen wurde hilfsweise durch das anteilige Zurechnen der Schulden in Höhe der prozentualen unmittelbaren Beteiligung am Nennkapital gelöst. Eine Begrenzung auf den Hafthöchstbetrag ist allerdings nicht möglich, da dieser im Rahmen der Schuldenstandstatistik nicht erhoben wird. Um wenigstens die unterschiedliche Größe der Gemeinden zu berücksichtigen, stellt das »Ranking« auf die Kennzahl »Schulden pro Einwohner« ab.

Bei alleinigem Vergleich der Kreditmarktschulden der Kämmerei erweist sich Leonberg als die am höchsten verschuldete Kommune mit 982 Euro pro Einwohner. Die Gemeinden Ehningen, Magstadt, Aidlingen und Rutesheim dagegen weisen einen am Kreditmarkt schuldenfreien Kernhaushalt auf. Die Stadt Böblingen befindet sich im Mittelfeld auf Rang 15 mit einer Verschuldung von rund 5 Mill. Euro bzw. 111 Euro pro Einwohner. Bei der Gesamtverschuldung.2 steht die Stadt Böblingen jedoch auf Rang 1 mit 1 752 Euro pro Kopf in der Verschuldung. Den zweiten Rang nimmt Sindelfingen ein, die Stadt mit den meisten Einwohnern im Landkreis Böblingen, auf deren Einwohnern eine Verschuldung von insgesamt 83 422 Euro bzw. 1 359 Euro pro Kopf lastet. Die im Hinblick auf ihre Einwohnerzahl kleinere Gemeinde Waldenbuch folgt auf dem dritten Rang mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1 276 Euro. Auch die Gemeinde Ehningen verschlechtert sich im Vergleich zur vorherigen Betrachtung der Kämmereihaushalte erheblich. Vor allem die hohen Schulden ihrer Eigengesellschaft bringen die Gemeinde insgesamt auf den siebten Rang mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1 044 Euro. Grundsätzlich sind Höhe und Struktur der Verschuldung der Gemeinden im Landkreis Böblingen sehr unterschiedlich. Stehen doch den mit über 1 000 Euro verschuldeten Einwohnern der Gemeinden auf den ersten acht Plätzen die Einwohner der Gemeinden Nufringen und Hildrizhausen gegenüber, die mit gerade mal 33 bzw. 22 Euro pro Kopf verschuldet sind. Die Gemeinde Hildrizhausen ist zusätzlich die einzige Gemeinde, die keinerlei Schulden am Kreditmarkt außerhalb ihres kommunalen Haushalts aufweist.

Die Struktur der Verschuldung der drei höchstverschuldeten Gemeinden (Schaubild 2) jedoch zeigt deutlich, dass die Schulden, die Kommunen durch Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen entstehen, nicht zu vernachlässigen sind.

So kommen allein aus diesem Bereich 751 Euro Schulden auf jeden Einwohner der Stadt Böblingen, während die Kämmereischulden gerade einmal mit 111 Euro pro Einwohner zu Buche schlagen. Auch die Beteiligungen an Zweckverbänden tragen ihren Teil zum hohen Schuldenstand Böblingens bei. Aus Beteiligungen an kaufmännisch buchenden Zweckverbänden kommen dabei 426 Euro pro Einwohner an Kreditmarktschulden hinzu, während die Beteiligungen an kameralistisch buchenden, in der Regel kleineren, Zweckverbänden die Pro-Kopf-Verschuldung um lediglich 15 Euro erhöhen.

Die Schulden der Eigenbetriebe sind vor allem bei den Städten Böblingen und Sindelfingen ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die hohe Gesamtverschuldung. In Sindelfingen entfallen hier 725 Euro auf jeden Einwohner. Mit 132 Euro sind die Schulden der Einwohner der Gemeinde Waldenbuch aus diesem Bereich vergleichsweise gering. Dafür verschuldete sich die Eigengesellschaft der Gemeinde erheblich, und zwar mit 589 Euro pro Einwohner.

Qualitative Bewertung der Schulden?

Bei einem Ranking der Kommunen nach ihren Schuldenständen innerhalb eines Landkreises muss beachtet werden, dass die Aufgabenstruktur und -organisation der Gemeinden verschieden sind und ein schlichter Vergleich der Pro-Kopf-Verschuldung immer mit Vorsicht zu interpretieren ist. Denn aus der alleinigen Betrachtung des Schuldenstands lässt sich weiter keine Aussage darüber machen, inwieweit die Gemeinde tatsächlich durch ihre Schulden belastet wird. So kann dieselbe Pro-Kopf-Verschuldung für Kommunen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit (zum Beispiel unterschiedlicher Steuerkraft) verschiedene Implikationen für die zukünftige Belastung der Kommunen durch die Schulden sein. Zusätzlich bleibt auch die Frage offen, inwieweit einer Gemeinde Mittel aus Rücklagen zur Verfügung stehen.3 Wäre doch der Sinn einer antizyklischen Finanzpolitik der gewesen, dass die Kommunen in den Zeiten, als die Einnahmen noch besser sprudelten, Rücklagen gebildet hätten, was

allerdings meistens versäumt wurde.4 Die missliche Lage der Kommunen wird auch an der Entwicklung der Kassenkredite deutlich. Der bereits im Gemeindefinanzbericht 2003 des deutschen Städtetags erwähnte »Zwang zum dauerhaften Kassenkrediteinsatz« und die im Gemeindefinanzbericht Baden-Württemberg 2005 ausgewiesene Zunahme der Kassenkredite der Gemeinden und Kreise im Jahr 2003 von knapp 900 Mill. Euro spricht dafür, Kassenkredite nicht länger ausschließlich als kurzfristige Kredite zur Liquiditätssicherung zu betrachten. Momentan wird die Einbeziehung von Kassenkrediten zur Berechnung der Gesamtverschuldung allerdings noch nicht allgemein praktiziert.

Gerade im Bereich der so genannten Sondervermögen lässt sich darüber diskutieren, inwiefern es einen qualitativen Unterschied zwischen den einzelnen Schulden gibt. Sind doch Schulden eines wirtschaftlichen Unternehmens, das auf Gewinnmaximierung abzielt, grundsätzlich anders zu bewerten als Schulden eines rechtlich unselbstständigen Eigenbetriebs, dessen erste (bzw. im hoheitlichen Bereich einzige) Priorität die Aufgabenerfüllung ist.5 Weiter wird im Zusammenhang mit der erheblichen Verschuldung immer wieder das Argument der Generationengerechtigkeit aufgeworfen. Die Unterteilung der kommunalen Ausgaben in »konsumptiv« und »investiv« sieht eine Verschuldung der Gemeinden dann als gerechtfertigt, wenn die Investition auch zukünftigen Generationen zur Verfügung steht. Investitionen in die kommunale Infrastruktur als Beispiel nützen auch späteren Generationen, weshalb sich diese an den Kosten im Sinne der Kredittilgung und Zinslast beteiligen können. Die Abgrenzung zwischen den gegenwartsbezogenen »konsumptiven« und zukunftsbezogenen »investiven« Ausgaben wird jedoch kritisch diskutiert. So stellt sich die Frage, ob zum Beispiel als »konsumptiv« gewertete Personal- und Sachausgaben für den schulischen Unterricht nicht auch investiven Charakter haben, da sie zur Bildung von Humankapital beitragen.6 Darüber hinaus ist es prinzipiell schwer zu beurteilen, ob die heute als nützlich und sinnvoll empfundenen Investitionen auch von den künftigen Generationen ähnlich bewertet werden. Außer Frage steht jedoch, dass die erhebliche Verschuldung der Kommunen allein durch die damit verbundene Zinslast den Handlungsspielraum der künftigen Generationen einschränkt.

1 Betrachtet wurden im Folgenden nur Kämmereischulden am Kreditmarkt. Die Stadtkreise wiesen demnach Ende 2004 eine Verschuldung von 1,68 Mrd. Euro auf. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Schulden pro Einwohner um 42 Euro auf 862 Euro. Die Schulden der kreisangehörigen Gemeinden beliefen sich Ende 2004 auf 3,56 Mrd. Euro bzw. 407 Euro/Einwohner.

2 Die Gesamtverschuldung umfasst im Folgenden die Kreditmarktschulden der Kämmereien, der Eigenbetriebe, Eigengesellschaften und Kreditmarktschulden aus unmittelbaren Beteiligungen an Einrichtungen, Unternehmen und Zweckverbänden nach dem Anteil der Gemeinden am Nennkapital.

3 Eine Erhebung des Finanzvermögens der Kommunen wird momentan erstmals für 2004 durchgeführt. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich zum Jahresende 2005 vor.

4 Ullrich Adalbert: Kommunalfinanzen Ende 2002 deutlich belastet, Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2003.

5 So besagt zum Beispiel das Modigliani-Miller-Theorem, dass unter bestimmten Annahmen der Marktwert eines wirtschaftlichen Unternehmens unabhängig von dessen Verschuldungsgrad ist. (Vgl. hierzu Modigliani, Franco und Miller, Merton: »The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment.« American Economic Review 48 (June 1958): 261-97).

6 Vgl. Hans Eichel, Kursbuch »Staat und Kreide«, ZEIT online, 23.8.2005.